Drehbuch schreiben (Theorie)

Aus Der DSFo.de Leitfaden
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Beim Drehbuchschreiben gibt es viele Regeln und Vorgaben, an die sich der Autor strikte halten sollte, will er, dass sein Manuskript tatsächlich gelesen wird. Dies fängt schon damit an, dass eine Drehbuchseite genau einer Filmminute entspricht. Wie dies erreicht wird, wird in Kapitel „Wie sieht ein Drehbuch aus“ erklärt.

Wer Drehbücher für zukünfige Filme schreiben möchte, muss sich mit dem Medium Film auskennen. Er muss die Sprache des Mediums verstehen. Die Sprache des Films ist visueller Natur. Im Gegensatz zum Theater, das hauptsächlich vom Dialog bestimmt wird, muss der Film eine Geschichte in Bildern erzählen.

Filmische Einheiten

Einstellung

Die kleinste Einheit einer filmischen Erzählung ist die Einstellung, auch Shot genannt. Damit ist ein kurzes, bewegtes Bild in einer bestimmten Grössenzuordnung gemeint, das ein bestimmtes Motiv darstellt. Man kann den Shot als Aufnahme verstehen. Wenn man ein Foto macht, macht man einen „Shot“.

Durch die Grösse der Einstellung (wie Closeup, Totale) und die Positionierung der Kamera (ober/untersichtig, nah/weit entfernt) entfaltet sich eine Bildwirkung auf den Zuschauer.

Einzelne, prägnante Shots können sich, auch ohne sich an den dramaturgischen Zusammenhang der Szene erinnern zu müssen, als Bilder ins Gedächtnis brennen.

Etwa der Hund, der in „Independence Day“ der Feuerwelle davonspringt, die fliegende Kuh in „Twister“, der Blick durch den Türspion in „Léon – der Profi“, der aus dem Wasser ragende Bug der sinkenden „Titanic“. All das sind einzelne Momente, die noch keine Szene darstellen, aber Bilder, die hängenbleiben.

Wir verstehen den Shot als Einzelmoment, der für sich genommen noch wenig Sinn macht. Seinen Sinn entfaltet der Shot erst, wenn er Teil einer Szene wird.

Szene

Die Szene ist die nächst grössere Einheit. Sie besteht aus einer Abfolge von Einstellungen. Die Szene ist mehr als eine Abfolge bewegter Bilder, sie ist eine Sinneinheit. Jede gute Szene steht unter einem bestimmten Motto, welches die Handlung der Figuren darin bestimmt. Und jede gute Szene ordnet sich der Gesamtthematik des Films unter.

Es gibt verschiedene Arten von Szenen, die bestimmte dramaturgische Aufgaben erfüllen. Eine Kampfszene stellt einen gewaltsam ausgetragenen Konflikt dar. Eine Abschiedsszene erzählt das Scheiden einer Figur aus der Story. Eine Verhörszene schildert die Befragung eines Verdächtigen durch die Polizei. Jede Szene hat also eine bestimmte inhaltliche und emotionale Absicht.

Eine Szene kann beliebig lang oder kurz sein, vorausgeetzt die Länge macht Sinn für den Rythmus. Figuren agieren, interagieren, lösen Konflikte, tauschen Informationen aus. Zwischen den Szenen kann es Zeitsprünge geben, Zeit kann durch Schnitte, die auch oft schon im Drehbuch angelegt sind, manipuliert werden.

Sequenz

Mehrere Szenen hintereinander, die durch einen inneren Sinn zusammengehalten werden, nennt man eine Sequenz. Auch eine Sequenz kann unter einem Oberbegriff zusammengefasst werden und sollte dem Gesamtthema der Geschichte dienen.

Man kann die Sequenz am leichtesten mit dem Kapitel in einem Buch vergleichen.

In einer romantischen Geschichte wird es sicherliche eine „Kennenlernsequenz“ geben. Das wäre dann eine Abfolge von verschiedenen, eigenständigen Szenen, die zeigen, wie zwei Menschen sich verlieben. In einer „Trainingssequenz“ entwickelt eine Figur innerhalb einiger Szenen bestimmte Fähigkeiten. Jede Szene funktioniert auch eigenständig, wird aber noch stärker, wenn sie in den Kontext der Sequenz eingebunden ist.

Akt

Mehrere Sequenzen hintereinander machen schliesslich das aus, was wir einen Akt nennen, also einen der drei grossen erzählerischen Abschnitte eines Drehbuchs.

Erzählstruktur

Ein Drehbuch besteht aller Regel nach aus drei Akten:

Die drei Akte

1. Akt - 2. Akt - 3. Akt

auch genannt

Exposition - Konfrontation - Auflösung

auch genannt

These - Antithese - Synthese

mit einer Dauer von jeweils

30 Minuten - 60 Minuten - 30 Minuten

Die Exposition im 1. Akt führt die wichtigsten Figuren ein, gibt als These eine Lebensanschauung oder eine Behauptung an.

Im 2. Akt werden die Figuren mit ihrer Aufgabe konfroniert (Konfrontation), ihr Weltbild wird mit einer gegenteiligen Behauptung in Frage gestellt (Antithese).

Im 3. Akt geht es um die Auflösung (Synthese) des Konfliktes.


Dazu gibt es noch weitere Punkte, die eine grosse Wichtigkeit einnehmen:

Point of Attack:

  • In der Mitte des 1. Aktes
  • Anstosspunkt
  • Auftragserteilung
  • Ein erster Vorgeschmack auf was kommt wird gegeben

Midpoint

  • In der Mitte des 2. Aktes sollte nochmal eine dramatische Änderung vorkommen:
  • Der Held begegnet seiner grössten Angst
  • Pessimistischster Punkt, am weitesten vom Ziel entfernt
  • Sieht ein, dass er sich selbst/Taktik ändern muss

Wendepunkte

Die Wendepunkte (auch Plotpoints) liegen nach dem Ende des 1. und dem Ende des 2. Aktes. Hier ändert sich jeweils der Verlauf der Geschichte, es entsteht ein Impuls, der zum Handeln zwingt. Es ist ein Point of no Return.

1. Wendepunkt:

  • Hier gibt es oftmals einen Ortwechsel
  • Der Einsatz wird erhöht
  • Es bilden sich Gruppen
  • Optimissmus ist vorherrschend, „alles ist gut“

2. Wendepunkt

  • Krise
  • Nochmal Gas geben
  • Pessimissmus ist vorherrschend, „wir sitzen in der Sch...“

Die Wendepunkte und der Midpoint sollten alle etwas miteinander zu tun haben, um ein höheres dramatisches Geflecht zu bilden.

Da ein Filmdrehbuch normalerweise 120 Seiten hat (für einen Film von 120 Minuten), sollte der 1. Wendepunkt auf Seite 30 stattfinden, der Midpoint auf Seite 60 und der 2. Wendepunkt auf Seite 90.

Beispiel

Ein Beispiel anhand des Films „Titanic“:

1. Akt:

Die Protagonisten werden vorgestellt, das Schiff liegt noch im sicheren Hafen.

Point of Attack (Mitte des 1. Aktes):

Jake gewinnt das Ticket für den Platz auf der Titanic.

1. Wendepunkt:

Das Schiff legt ab, Jake und Rose lernen sich kennen.

2. Akt, 1. Hälfte:

Das Leben auf dem Schiff wird gezeigt, die Klassenunterschiede deutlich gemacht.

Midpoint:

Kollision mit Eisberg, Liebesszene zwischen Jake und Rose

2. Akt, 2. Hälfte:

Das Schiff sinkt

2. Wendepunkt:

Rose bricht mit ihrem alten Leben, in dem sie sich für Jake entscheidet.

3. Akt:

Das Schiff geht unter, Jake stirbt, Rose wird gerettet.

Raum und Zeit im Film

Erzählzeit und erzählte Zeit

Um das spezielle Raum-Zeit-Kontinuum des Films zu verstehen, muss man den Unterschied zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit verstehen.

Erzählzeit ist nichts anderes als die Länge des Films. Ein durchschnittlicher Kinospielfilm ist etwa 110 – 120 Minuten lang, ein TV-Movie 95 Minuten lang.

Alles unter 45 Minuten gilt als Kurzfilm.

Alles zwischen 45 und 95 Minuten gilt als filmische Fehlkonzeption mit geringen Auswertungschancen, von TV-Serienfolgen abgesehen, die häufig ca. 60 Minuten lang sind.

Die erzählte Zeit hingegen ist der Zeitraum, den die Story innerhalb der Erzählzeit umfasst, also die Zeit, durch die sich die Filmfiguren während der Geschichte bewegen.

Es gibt drei verschiedene Arten von erzählter Zeit:

Echtzeit – Dieses Zeitraster erzählt eine Handlung von 90 Minuten in einer Filmlänge von 90 Minuten. Der Zuschauer sieht alles so, wie es jetzt, im Augenblick, passiert. Es gibt keine Zeitsprünge. Prominentestes Beispiel zur Zeit: „24“

Manipulierte Zeit – Wenn innerhalb der gewöhnlichen Erzählzeit eine Geschichte erzählt werden sol, die nicht in Echtzeit erzählt werden kann, muss man das Zeitraster durch Schnitte und Auslassungen manipulieren.

Die Handlung vieler Spielfilme folgt dem Leben der Figuren durch einen Abschnitt von einer bis drei Wochen. Manche Filme zeigen auch eine Geschichte, die einen Tag oder eine Nacht dauert, wie „Stirb langsam“ oder „High Noon“.

Komprimierte Zeit – Filme mit epischer Breite erzählen häufig Geschichten, die dem Leben der Figuren eine lange Zeit folgen. Dies können ein paar Wochen oder Monate sein, wie in „Titanic“ oder „American Beauty“. Es kann wie in „Notting Hill“ oder „Fugitive“ ein Jahr sein, vielleicht Jahrzehnte, wie in den Mafiafilmen von Coppola und Scorcese, oder, in einem Fall wie „Highlander“ sogar Jahrhunderte.

In diesem Fall ist es notwendig, die erzählte Zeit stark zusammenzuquetschen, damit sie in eine normale zweistündige Erzählzeit passt.

Foreshadowing

Um die Aufmerksamkeit des Zuschauers während der gesamten Erzählzeit aufrecht zu erhalten, bedarf es Andeutungen der Dinge, die da kommen. Indem man den Zuschauer dazu veranlasst, zu raten, wie die Geschichte weitergeht, erhält man seine Aufmerksamkeit.

Ein Mittel dazu ist das sogenannte Foreshadowing, also „seinen Schatten vorauswerfen“. Das Foreshadowing ist ein kurzer Hinweis, oft ein kleines Detail, das auf den weiteren Verlauf der Handlung hinweist.

Beispiel: Die Eröffnungsszene von „Independence Day“. Dass der riesige Schatte von einem gigantischen UFO verursacht wird, sehen wir nämlich erst später.

Planting und Pay-Off

Die Begriffe Planting und Pay-Off, also sinngemäss pflanzen und ernten, sind eng mit dem Begriff des Foreshadowing verwandt. Im Gegensatz zum Foreshadowing besteht dieses Element aber aus zwei Teilen. Beide Teile funktionieren nur in der Kombination.

Planting heisst, dass dem Zuschauer ein Hinweis gegeben wird, dass er gerade ein wichtiges Objekt sieht oder eine wichtige Information erlangt, die im weiteren Verlauf der Handlung noch einmal wichtig werden kann.

Pay-Off findet zu einen späteren Zeitpunkt statt, hier wird der Hinweis eingelöst, den der Zuschauer im Planting bekommen hat.

Was geerntet wird, muss vorher gesät worden sein.

Beispiel:

Der Held ist in einer Notsituation. Plötzlich zieht er eine Waffe und ist gerettet, erklärt dazu: „Wie gut, dass mir meine Mutter diese Pistole gegeben hat.“

Wenn der Zuschauer nicht gesehen hat, wie die Figur die Pistole von der Mutter bekommt, fühlt er sich betrogen, denn es wird eine plötzliche Auflösung aus dem Hut gezaubert, die die Situation auf platte Weise auflöst.

Hat man die Szene der Waffenübergabe vorher gesehen, funktioniert die Szene jedoch.

Prominente Beispiele dazu sind auch die Gadgets, die James Bond jeweils von Q zu Beginn des Films erklärt bekommt, und die später auch eingesetzt werden.

Die Implementierung von Planting- und Pay-Off-Ketten in die Geschichte ist eine wichtige Aufgabe des Autors. Er muss ein Erzählgeflecht erfinden, das mit den Erwartungen des Zuschauers spielt, ohne zuviel vorwegzunehmen, aber auch ohne den Zuschauer im Dunkeln über die Vorgänge zu lassen.

Ein Drehbuch verkaufen

Der Weg von der Idee bis zum verkauften Drehbuch ist lang; es gilt verschiedene Schritte zu beachten:

Pitch

Die kürzeste Form des Verkaufsdokumentes, die eine Filmidee auf möglichst wenig Raum (d.h. 1 – 2 Seiten) vermitteln soll. Folgende Information muss vorhanden sein:

  • Titel der Story, Datum, Name und Adresse des Autors in den ersten Zeilen.
  • Kurzzusammenfassung der Story in maximal drei Sätzen. Noch besser, in einem einzigen (Log Line).
  • Zusammenfassung der Story auf dem Rest der Seite (Synopsis). Dabei ist für jeden Akt ein Absatz reserviert.
  • Falls man es will, kann man noch 1–2 Zeilen mit Angaben zur Zielgruppe und zum Genre unten anfügen.
  • Kein separates Deckblatt

Exposé

Eine knappe, mehrseitige Zusammenfassung, zwischen 5–10 Seiten lang. Hier muss im Gegensatz zum Pitch, der nur ein Basiskonzept vermittelt, eine Story erkennbar sein. Zusammensetzung:

  • Separates Titelblatt mit Titel, Name und Adresse des Autors, sowie Datum, evtl. noch Angabe des Genre und der Auswertungsart.
  • Log Line in maximal 2-3 Sätzen auf der ersten Seite. Optional, wird aber gerne gesehen. Aussagen über angepeilte Zielgruppe und Genre.
  • Beschreibung der Story auf 6–8 Seiten. Akte deutlich voneinander trennen. Charaktere, Locations, Emotionen lebendig erscheinen lassen, aber nicht zu sehr ins Detail gehen. Keine indirekte oder direkte Rede.

Treatment

Ausführliches Verkaufsdokument, das eine Story umfassend und detailliert beschreibt. Länge 20-30 Seiten. Ein Treatment wird normalerweise geschrieben, nachdem man den Vorgänger – das Exposé – verkauft hat. Ein Treatment, in seiner Ausführlichkeit und Präzision, ist die Versicherung des Produzenten, dass das nachfolgende Drehbuch funktionieren wird. Zusammensetzung:

  • Separates Titelblatt mit Titel, Name und Adresse des Autors, sowie Datum, evtl. noch Angabe des Genre und der Auswertungsart.
  • Kurzzusammenfassung in 3-5 Sätzen auf der ersten Seite. Optional, wird aber gerne gesehen. Aussagen über angepeilte Zielgruppe und Genre.
  • Genaue Beschreibung der Story auf 20-30 Seiten (Outline). Details, ausführliche audiovisuelle Beschreibungen, Darlegungen von Stimmungen und Emotionen sind sehr erwünscht. Indirekte Rede darf verwendet werden, direkte Rede in geringem Masse. Präzise bleiben, nicht ausschweifen. Akte deutlich voneinander trennen.

Szenentreatment (Step Outline)

Eine Variante des normalen Treatments, die dem späteren Drehbuch jedoch noch näher ist. Wird erst angefertigt, wenn Exposé und Treatment verkauft sind. Länge von 30 Seiten an aufwärts.

Einige Produzenten bestehen auf ein Szenetreatment, anderen reicht ein normales Treatment oder sogar Exposé, bevor es in die Drehbuchphase geht. Die Entscheidung, welches Treatment verfasst wird, liegt in diesem Stadium oft beim Autor selbst. Zusammensetzung:

  • Grösster Unterschied zum Treatment: Die Beschreibung der eigentlichen Story wird hier schon in genau aufgeteilte Szenen verpackt, die sogar durchnummeriert werden. Alles ist genau so aufgereiht, wie es später im Film zu sehen sein wird. Es handelt sich also schon um eine Art Drehbuch, bei dem lediglich die Dialoge fehlen. Es wird auch nicht im Drehbuchformat geschrieben, sondern in derselben prosaischen Schreibweise wie die vorangehenden Verkaufsdokumente.

Quellen

frei nach dem Manuskript Grundkurs 1: Struktur und Exposé von Axel Melzener, für die Mallorca Film Academy (2005)

frei nach dem Manuskript Grundkurs 2: Szene und Dialog von Axel Melzener, für die Mallorca Film Academy (2005)