18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Strandläufer


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag23.04.2008 02:18
Strandläufer
von sleepless_lives
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Strandläufer

Es war ein klarer und windiger Morgen. Was allerdings nicht viel hieß, denn jeder Morgen war klar und windig hier. Die Leute wachten in der Frühe auf, traten aus ihren kleinen Häusern und sagten: »Was für ein klarer und windiger Morgen!« Das war kurz, prägnant, einfach zu merken und man konnte damit nicht fehlgehen, wie Haloperidol, der eigentlich ins Dorf gewollt hatte, dann aber den falschen Weg an der Kreuzung eingeschlagen hatte. Der einzigen Kreuzung im Umkreis von drei Kilometern. Oder drei tausend Kilometern, wenn man den umgebenden Ozean dazu rechnete. »Rechts zum Dorf, links zum Strand«, hatte Haloperidol wie ein Mantra dauernd vor sich hingemurmelt, aber nach nur vier Monaten hier war er der verwirrenden Komplexität des Insellebens noch nicht ganz gewachsen. Und so war er am Strand gelandet.

Haloperidol hieß eigentlich Paul, aber er liebte es, sich nach dem Held in seinem unvollendeten Fantasyroman 'Dunkelheit in der Finsternis' zu nennen, einem vielversprechendem Werk, bei dem er leider auf Seite 17 in der Niederschrift steckengeblieben war, gescheitert an der nicht entscheidbaren Frage, ob es moralisch verantwortbar sei, wenn Haslifuß, Haloperidols Nemesis, vor seinem misslungen Attentatsversuch auf den König der Kleinnasen eine Zigarre rauchen würde. Das war wirklich schade, denn kurz danach würde Haslifuß von Haloperidol gestellt werden und über die nächsten vier geplanten Seiten des Romans würden die Dorfbewohner Haslifuß erst die Finger- und Fußnägel ausreißen, ihn dann aufs Rad flechten und sorgsam alle Knochen brechen, anschließend mit glühenden Eisen ein bisschen in ihm herumstochern, bevor sie ihn schließlich vierteilten und zu guter Letzt den abgetrennter Kopf seiner Frau schickten, in Geschenkpapier und mit Schleife. Interessanterweise war Haloperidol auch der Hauptbestandteil des Medikamentes, das ihm sein Hausarzt verschrieb, nachdem Paul ihm den Rest der Romanhandlung erzählt hatte.

Da stand er nun also am Strand und dachte, a man can be destroyed but not defeated, und beschloss am Strand spazieren zu gehen, wo er schon mal hier war. Möwen flogen unter einem makellosen blauen Himmel, da sie schlecht über ihm fliegen konnten. Paul, Verzeihung, Haloperidol, ach was, Paul schritt aufs Wasser zu und blickte auf die unendlichen Weiten der majestätischen See. Zugegeben, das war ein bisschen übertrieben, denn er blickte im Wesentlichen auf das gegenüberliegende Ufer der Bucht ein paar hundert Meter entfernt. Und doch, war nicht jeder noch so kleine Wassertropfen, den die Brandung gegen den Strand schleuderte, ein Teil des Ozeans? Paul war entzückt, wie sich ihm in diesem ruhigen Morgenspaziergang ein tieferes Verständnis der Welt offenbarte.

Seine Schritte zeichneten sich als vergängliche Spuren im nassen Sand ab, flüchtige Abdrücke von Fußsohlen und Zehen, wie sie Menschen an anderen Stränden schon vor Zehntausenden von Jahren hinterlassen haben mochten, was insofern bemerkenswert war, als Paul Schuhe trug. Er zog sie aus und ging in die flache auslaufende Brandung. Die Wellen umflossen sanft seine nackten haarigen Beine; wie die zärtlichen Berührungen einer geliebten Hand kam es ihm vor; ein klarer Hinweis darauf, dass Paul die See nicht verstand, was nicht verwunderlich war, denn die See war eine Frau, wie alle wussten, und Paul war ein Mann, was weniger klar war, vor allem für ihn selbst. Und die Wellen, die Töchter der See, waren mit einem ganz anderen Auftrag ausgeschickt worden. Hier folgt, was sie sagten in ihrer konsonantenreichen Sprache, die von Generationen von romantischen Herzen hartnäckig als wohltuendes Rauschen missinterpretiert worden war:
Erste Welle: »Ich komme näher. Ich krieg ihn. Ich bring ihn zu dir, meine geliebte Mutter. Ich baue mich auf. Seht, wie groß ich werde. Mächtig und kraftvoll mit der Krone einer Königin. Bald kann ich ihn fassen. Hoppla, gestolpert. Verflixt und zugeweht. Ich falle. Ich liege zu seinen Füßen, werde getreten wie ein Erdwurm. Nur weg hier. Ach, Schwester hilf.«
Zweite Welle: »Ich komme näher. Ich krieg ihn. Ich bring ihn zu dir, meine geliebte Mutter. Ich baue mich auf. Seht, wie groß ich werde. Mächtig und kraftvoll mit der Krone einer Königin. Bald kann ich ihn fassen. Hoppla, gestolpert. Verflixt und zugeweht. Ich falle. Ich liege zu seinen Füßen, werde getreten wie ein Erdwurm. Nur weg hier. Ach, Schwester hilf.«
Dritte Welle: »Ich komme näher...«, und so weiter und so fort. Wellen waren nicht für ihren kreativen Umgang mit der Sprache bekannt, es sei denn, wenn sie über die Surfer schimpften.

Paul schlenderte weiter über Muscheln und Schalen und Muschelschalen, die wie Schmuck den Strand verzierten und unter seinen Schritten bedeutungsvoll knirschten. Die Verfluchungen von obdachlosen Einsiedlerkrebsen erreichten nicht sein milde gestimmtes Ohr. Doch dann entdeckte er eine winzig kleine Korallenkrabbe, die im Seitwärtsgang über den Strand trippelte und keck und trotzig drohend Paul ihre zerbrechlich wirkenden Miniaturscheren entgegenstreckte. »Na, du kleiner Wicht. Ich tu dir doch nichts«, sagte Paul sanft und ging weiter. »Feigling! Angsthase! Alter Schwächling«, rief ihm die Krabbe verärgert hinterher.

Auf einmal stand Aiata vor ihm, ein einheimisches Mädchen, das im einzigen Hotel als Bedienung arbeitete. Sie war eine polynesische Schönheit, die sofort klar werden ließ, warum die Polynesier das Konzept und das Wort 'Tabu' erfunden hatten. Aus Selbstschutz. Paul stellte fest, das sie nicht viel mehr anhatte als ein um die Hüften geschlungenes Tuch, eine Entdeckung, die ihm nicht den Nobelpreis einbringen würde. Er beobachte verliebt, wie der Wind mit ihren langen braunen Haaren spielte. Ein weiteres Missverständnis zwischen Mensch und Natur, wenn man Paul als Repräsentant der menschlichen Spezies ansah, was wohl doch grob unfair wäre gegenüber der Gattung Mensch. Der Wind hatte anders als Paul keinerlei zärtliche Absichten in Bezug auf Aiatas Haar, er wollte einfach nur vorbei, und Aiata stand im Weg. Etwas abseits lungerten Generationen von romantischen Herzen herum und kritzelten etwas vom lieblichen Säuseln des Windes in ihre Notizbücher.

Aiata sagte: »Hello, Mister Paul. What a clear and windy morning!« und lachte, wobei sie die weißesten aller weißen Zähne zeigte, die Ernährung machte es, nicht die Zahnpasta. Paul sagte nichts. Sein Blut hatte sich in bestimmten Regionen seines Körpers konzentriert. Das Gehirn war keine davon. »Come swimming!« sagte sie und lief voraus ins Wasser. Alle Gefühle stürmten gleichzeitig auf Paul ein, wie vor einer Woche beim Rugby-Freundschaftsspiel Strandläufer und Touris gegen Einheimische, als er den Ball an der 22-Meter-Linie zugeworfen bekam, nur dass damals die Gefühle sich ganz schnell als die hundertzwanzig Kilo schweren Verteidiger der gegnerischen Mannschaft herausstellten, die ihn zu Boden rissen. Paul seufzte. Diesmal würde er nicht so glimpflich davon kommen. Geplättet folgte Paul Aiata ins Wasser. Was zeigte, dass die See im Endeffekt doch immer bekam, was sie wollte. Und irgendwann würde sie auch die ganze Insel bekommen, an einem weiteren klaren und windigen Morgen, der wie alle Morgen sein würde, nur mit mehr Wasser.

- sleepless_lives



_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 5012
Wohnort: Berlin


Beitrag23.04.2008 03:16

von Nina
Antworten mit Zitat

Hi sleepless,

interessante Geschichte.  Mir kam beim Lesen die Frage: Wohin möchte er mit seinem Text? in den Sinn. Es liest sich wie eine Sammlung von Fragmenten, von Übungen. Ist es ein Teil aus einem größeren Ganzen oder ist das eine für Dich abgeschlossene Geschichte?

1. Passage - witzig, "bildhaft", ansprechend, hineinziehend in die Handlung. Aber wo ist "hier"?
2. Passage - schöne Idee eine Geschichte in einer Geschichte zu platzieren! Allerdings spricht mich persönlich das Blutrünstige nicht so an, aber das ist ja, wie so vieles Geschmackssache. Witzig ist auch diese Passage. Die Namen sind absichtlich eine Katastrophe, - nehme ich an. smile
3. Passage - wo er schon mal "hier" war. Da würde ich doch glatt: "da" schreiben und nicht "hier". Hier wechselst Du die Ebenen, und das finde ich richtig gut gelungen! (Ich würde mir wünschen mehr von diesem "Effekt" zu lesen - allerdings muss man damit recht vorsichtig dosieren).
Witzig auch dieser Abschnitt. (Gefällt mir ob des "Effektes" am besten)
4. Passage - ist mir persönlich "zu witzig", zuviel des Guten. Das mit der Welle hast Du wunderschön erzählt, finde ich. Doch durch die Wiederholung nutzt es sich ab und verpufft. Schade.
5. Passage - Hm, sprechende Tiere finde ich gut.
6. Passage - ...

Du hast viele gute Ideen. Deine Sätze stehen "stabil". Humor ist vorhanden, aber z.T. "überdosiert" für mein Empfinden. Bin gespannt auf weitere Texte von Dir.

LG
Nina


_________________
Liebe tut der Seele gut.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 56
Beiträge: 3913
Wohnort: wien



Beitrag23.04.2008 09:37

von lupus
Antworten mit Zitat

hab mich köstlich amüsiert und das um diese Uhrzeit: you made my day!

der NAtur einen Willen, Zielgerichtetheit anzudenken ist ja ein altes Motiv, nix desto Trotz ein gutes, es dann in ein staccato an humorigen Einfällen, die trotzdem ein bisserl was philosophisches haben: "das Meer kriegt immer was es will", einzubeten, .... echt nett.

Zitat:
und man konnte damit nicht fehlgehen, wie Haloperidol, der eigentlich ins Dorf gewollt hatte

das wie könnte sich eigentlich aufs nicht beziehen, bezieht sich aber aufs fehlgehen. Gewollt? Gekonnt.

Zitat:
Interessanterweise war Haloperidol auch der Hauptbestandteil des Medikamentes, das ihm sein Hausarzt verschrieb, nachdem Paul ihm den Rest der Romanhandlung erzählt hatte.


 Daumen hoch

Zitat:
Dritte Welle: »Ich komme näher...«, und so weiter und so fort. Wellen waren nicht für ihren kreativen Umgang mit der Sprache bekannt, es sei denn, wenn sie über die Surfer schimpften.


das "und so weiter und so fort" braucht's eigentlich nicht. Zum einen die Wiederholung und dann die "..." Wiederholung halt ich übrigens für sehr gelungenen Einfall, ich seh wie die Wellen immer und immer wieder anrollen. Smile

Zitat:
Und irgendwann würde sie auch die ganze Insel bekommen, an einem weiteren klaren und windigen Morgen, der wie alle Morgen sein würde, Und irgendwann würde sie auch die ganze Insel bekommen, an einem weiteren klaren und windigen Morgen, der wie alle Morgen sein würde, nur mit mehr Wasser.


Das "der wie alle Morgen sein würde, nur mit mehr Wasser. " erklärt die Pointe und nimmt ihr so ein bisserl die Kraft.

Herzlichen DAnk für die gute Unterhaltung
lg
Wolfgang
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Lore
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 90
Beiträge: 932
Wohnort: Düsseldorf


Code Philomele
Frauenschicksale in einer Großstadt
Beitrag23.04.2008 10:34

von Lore
Antworten mit Zitat

Ich schwelgte in Bildern und das reicht mir...immer.
Ausgezeichnete Unterhaltung, drunter sollte es nicht sein und hier wurde die Erwartung voll erfüllt.

Ideenreich und witzig.

Lore


_________________
Blas Dich nicht auf, sonst bringet Dich
zum Platzen schon ein kleiner Stich
(Nietzsche)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen Skype Name
Gast







Beitrag23.04.2008 11:45

von Gast
Antworten mit Zitat

Wie immer gut und humorvoll. So würde ich auch gern mal schreiben können. Wink Ich wäre wahrscheinlich allein schon wegen des psychisch gestörten Hauptcharakters in bittere Ernsthaftigkeit verfallen. Daraus dann noch etwas Lustiges zu machen ist eine Kunst. Die Du beherrschst. Die Strände der Welt gehören Dir!  Smile

Liebe Grüße
Angela
Nach oben
Merlinor
Geschlecht:männlichArt & Brain

Alter: 72
Beiträge: 8667
Wohnort: Bayern
DSFo-Sponsor


Beitrag23.04.2008 14:03

von Merlinor
Antworten mit Zitat

Hallo Sleepless

Dein Text gefällt mir sehr gut. Er steckt voller überraschender Einfälle und Witz. Gelegentlich überziehst Du ein bischen, aber nicht so, dass es wirklich stört. Manche Sätze sind mir allerdings etwas zu verschachtelt. Aber insgesamt liest es sich sehr gut.

Wie Haloperidol es schafft, Abdrücke seiner Zehen in den Sand zu setzen, obwohl er Schuhe trägt. Hmm... vermutlich hat er zu wenig von seiner Medizin genommen. He he, ja die Namensgebung ...

Ein schöner Text. Und stimmt: Am Ende bekommt die See immer was sie will ...

Herzlich  Very Happy  Very Happy  Very Happy

Merlinor
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MosesBob
Geschlecht:männlichGehirn²

Administrator
Alter: 44
Beiträge: 18339

Das Goldene Pfand DSFo-Sponsor



Beitrag24.04.2008 08:16

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Schönen guten Morgen!

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Es war ein klarer und windiger Morgen. Was allerdings nicht viel hieß, denn jeder Morgen war klar und windig hier. Die Leute wachten in der Frühe auf, traten aus ihren kleinen Häusern und sagten: »Was für ein klarer und windiger Morgen!« Das war kurz, prägnant, einfach zu merken und man konnte damit nicht fehlgehen, wie Haloperidol, der eigentlich ins Dorf gewollt hatte, dann aber den falschen Weg an der Kreuzung eingeschlagen hatte. Der einzigen Kreuzung im Umkreis von drei Kilometern. Oder drei tausend Kilometern, wenn man den umgebenden Ozean dazu rechnete. »Rechts zum Dorf, links zum Strand«, hatte Haloperidol wie ein Mantra dauernd vor sich hingemurmelt, aber nach nur vier Monaten hier war er der verwirrenden Komplexität des Insellebens noch nicht ganz gewachsen. Und so war er am Strand gelandet.

An der markierten Stelle würde ich vom Plusquamperfekt ins Präteritum wechseln. Ich sehe keine Veranlassung für das Plusquamperfekt, zumindest keine zwingende. Falls du den Tempus jedoch beibehalten möchtest, würde ich zumindest das erste „hatte“ (hinter „gewollt“) streichen. Dann klingt der Satz flüssiger.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Haloperidol hieß eigentlich Paul, aber er liebte es, sich nach dem Held in seinem unvollendeten Fantasyroman 'Dunkelheit in der Finsternis' zu nennen, einem vielversprechendem Werk, bei dem er leider auf Seite 17 in der Niederschrift steckengeblieben war, gescheitert an der nicht entscheidbaren Frage, ob es moralisch verantwortbar sei, wenn Haslifuß, Haloperidols Nemesis, vor seinem misslungen Attentatsversuch auf den König der Kleinnasen eine Zigarre rauchen würde.

Der Satz kommt zu ausschweifend daher. Dass die Frage „nicht entscheidbar“ war, kann getrost gestrichen werden – das ergibt sich aus dem Kontext. Ebenso ergeht es eigentlich dem „unvollendeten“ Fantasyroman, schließlich erfahren wir kurz darauf, dass er „leider auf Seite 17 in der Niederschrift steckengeblieben war“. Darüber hinaus würde ich aus dem einen Satz zwei machen, weil er doch sehr viele Namen enthält (Name des Romans, Haloperidol eigentlicher Name Paul, Haslifuß, König der Kleinnasen, …). Diese ununterbrochene Informationsschwemme kann einem ahnungslosen Leser wie mir das Verständnis erschweren – ich musste den Satz dreimal lesen, um alle Infos in mich aufsaugen zu können.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Das war wirklich schade, denn kurz danach würde Haslifuß von Haloperidol gestellt werden und über die nächsten vier geplanten Seiten des Romans würden die Dorfbewohner Haslifuß erst die Finger- und Fußnägel ausreißen, ihn dann aufs Rad flechten und sorgsam alle Knochen brechen, anschließend mit glühenden Eisen ein bisschen in ihm herumstochern, bevor sie ihn schließlich vierteilten und zu guter Letzt den abgetrennter Kopf seiner Frau schickten, in Geschenkpapier und mit Schleife.

1. Zeitspringer in der Aufzählung zwischen Präsens (schwarz) und Präteritum (rot). Ich würde da ruhig in der Gegenwart bleiben.

2. Ungünstige Satzkonstellation! Nach den ganzen Aufzählungen kann man hier beim ersten Lesen aufgrund der Satzstellung auch annehmen, dass der abgetrennte Kopf seiner Frau irgendwo hin geschickt wird. Dann fehlt aber ein Adressat. Diesen potentiellen Irrtum kannst du locker vermeiden, wenn du den Satz folgendermaßen umschnuddelst: „Das war wirklich schade, denn kurz danach würde Haslifuß von Haloperidol gestellt werden und über die nächsten vier geplanten Seiten des Romans würden die Dorfbewohner Haslifuß erst die Finger- und Fußnägel ausreißen, ihn dann aufs Rad flechten und sorgsam alle Knochen brechen, anschließend mit glühenden Eisen ein bisschen in ihm herumstochern, bevor sie ihn schließlich vierteilen und seinen abgetrennten Kopf an seine Frau schicken, eingewickelt in Geschenkpapier und mit Schleife.“

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Da stand er nun also am Strand und dachte, a man can be destroyed but not defeated, und beschloss am Strand spazieren zu gehen, wo er schon mal hier war.

Komma hinter „beschloss“.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Möwen flogen unter einem makellosen blauen Himmel, da sie schlecht über ihm fliegen konnten. Paul, Verzeihung, Haloperidol, ach was, Paul schritt aufs Wasser zu und blickte auf die unendlichen Weiten der majestätischen See.

Sehr schön kokettiert! Laughing

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Erste Welle: »Ich komme näher. Ich krieg ihn. Ich bring ihn zu dir, meine geliebte Mutter. Ich baue mich auf. Seht, wie groß ich werde. Mächtig und kraftvoll mit der Krone einer Königin. Bald kann ich ihn fassen. Hoppla, gestolpert. Verflixt und zugeweht. Ich falle. Ich liege zu seinen Füßen, werde getreten wie ein Erdwurm. Nur weg hier. Ach, Schwester hilf.«
Zweite Welle: »Ich komme näher. Ich krieg ihn. Ich bring ihn zu dir, meine geliebte Mutter. Ich baue mich auf. Seht, wie groß ich werde. Mächtig und kraftvoll mit der Krone einer Königin. Bald kann ich ihn fassen. Hoppla, gestolpert. Verflixt und zugeweht. Ich falle. Ich liege zu seinen Füßen, werde getreten wie ein Erdwurm. Nur weg hier. Ach, Schwester hilf.«
Dritte Welle: »Ich komme näher...«, und so weiter und so fort. Wellen waren nicht für ihren kreativen Umgang mit der Sprache bekannt, es sei denn, wenn sie über die Surfer schimpften.

Weltklasse!

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Doch dann entdeckte er eine winzig kleine Korallenkrabbe, die im Seitwärtsgang über den Strand trippelte und keck und trotzig drohend Paul ihre zerbrechlich wirkenden Miniaturscheren entgegenstreckte.

Zu viele Adjektive! Weniger wäre mehr.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Auf einmal stand Aiata vor ihm, ein einheimisches Mädchen, das im einzigen Hotel als Bedienung arbeitete.

Dahinter würde ich den Namen der Insel nennen.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Paul stellte fest, das sie nicht viel mehr anhatte als ein um die Hüften geschlungenes Tuch, eine Entdeckung, die ihm nicht den Nobelpreis einbringen würde.

dass




Fazit: Die Geschichte ist drollig und unterhaltsam geschrieben. Allerdings wirken viele deiner Sätze überladen auf mich, weil du entweder zu viele Adjektive verwendest, zu weit ausholst oder noch rasch etwas anfügst. Letzteres geschieht dann oft in ein und demselben Satz, wodurch du das Gefüge unnötig streckst und strapazierst. Aus vielen dieser Sätze würde ich mindestens zwei machen. Das erleichtert dem Leser, die ganzen Informationen aufzunehmen und verhindert eine Reizüberflutung. Ganz anders verhält es sich bei deinen Protagonisten, denn sowohl Paul als auch besonders Aiata kommen recht fade daher: Wir erfahren, wie sie aussieht, welche Haarfarbe sie hat und wie herrlich weiß ihre Zähne sind – aber sie hat keinerlei explizite Mimik oder Gestik, ebensowenig wie Paul.

Beste Grüße,

Martin


_________________
Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)

Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag24.04.2008 18:54

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Erstmal, vielen Dank an alle für Lob und Tadel,
im Einzelnen (ich fürchte, das wird hier ein bisschen länger):

@Nina
Nina hat Folgendes geschrieben:
Es liest sich wie eine Sammlung von Fragmenten, von Übungen. Ist es ein Teil aus einem größeren Ganzen oder ist das eine für Dich abgeschlossene Geschichte?
Ja, das ist eine abgeschlossene Geschichte, die Geschichte von Paul, der wider Willen einen Strandspaziergang macht. Und natürlich 'boy meets girl'. Fragmente, ja, Treibgut, wie könnte man auch anders über den Strand schreiben. Alles ist angespült, aus anderen Erzählungen, Romanen, Werbeprospekten, usw, meistens indirekt, einmal wörtlich mit dem Hemingway-Zitat.

Nina hat Folgendes geschrieben:
Aber wo ist "hier"?
Das soll erst im Verlauf der Geschichte langsam klarer werden. Ich hasse, Expositionen, bei denen alles am Anfang erklärt wird und dann geht's richtig los.

Nina hat Folgendes geschrieben:
Die Namen sind absichtlich eine Katastrophe, - nehme ich an
Klar. Haloperidol ist ein in der Tat ein Antipsychotikum, das "bei akuten und chronischen Psychosen, die mit Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Denkstörungen und Ich-Störungen einhergehen, eingesetzt" wird.

Nina hat Folgendes geschrieben:
Hier wechselst Du die Ebenen, und das finde ich richtig gut gelungen!
Versteh ich nicht, würd ich aber gern verstehen

@lupus
Freut mich sehr, dass du es witzig fandst. Die Welt ist ja an sich schon traurig genug.

lupus hat Folgendes geschrieben:

Zitat:

und man konnte damit nicht fehlgehen, wie Haloperidol, der eigentlich ins Dorf gewollt hatte


das wie könnte sich eigentlich aufs nicht beziehen, bezieht sich aber aufs fehlgehen. Gewollt? Gekonnt.
Ja, Absicht. Und für den Kommentar würd ich dir eine Medaille verleihen, wenn ich das könnte. Smile

lupus hat Folgendes geschrieben:
das "und so weiter und so fort" braucht's eigentlich nicht. Zum einen die Wiederholung und dann die "..."
Stimme 100% zu, danke für den Hinweis.

lupus hat Folgendes geschrieben:
Das "der wie alle Morgen sein würde, nur mit mehr Wasser. " erklärt die Pointe und nimmt ihr so ein bisserl die Kraft.
Find ich nicht, weil ja noch ein anderes Element reinkommt, nämlich, dass alles wie immer ist. No harm done. Fragt sich nur, aus welcher Perspektive.  

@Lore
Danke!

@Angela
Angela hat Folgendes geschrieben:
Ich wäre wahrscheinlich allein schon wegen des psychisch gestörten Hauptcharakters in bittere Ernsthaftigkeit verfallen.
Wenn ich mir anschaue, was gute (davon gibt's nur ganz wenige) Standup-Komiker so machen, dann ist das, worüber sie reden, fast immer eigentlich ziemlich krass und nur ins Komische gewendet. Oder die Chaplin-Filme: da geht's in so vielen, um wirklich bittere Armut.

Angela hat Folgendes geschrieben:
Die Strände der Welt gehören Dir!
Freu  Very Happy  Aber vielleicht solltest du den Handschuh noch einmal hier in die Menge werfen und mal sehen, was da so kommt

@Merlinor
Merlinor hat Folgendes geschrieben:
Manche Sätze sind mir allerdings etwas zu verschachtelt
Siehe weiter unten.

@MosesBob
MosesBob hat Folgendes geschrieben:
An der markierten Stelle würde ich vom Plusquamperfekt ins Präteritum wechseln. Ich sehe keine Veranlassung für das Plusquamperfekt, zumindest keine zwingende. Falls du den Tempus jedoch beibehalten möchtest, würde ich zumindest das erste „hatte“ (hinter „gewollt“) streichen. Dann klingt der Satz flüssiger.
Plusquamperfekt insofern, als Paul schon am Strand steht, wenn die Geschichte beginnt. Ja, das zweite 'hatte' gehört raus.

MosesBob hat Folgendes geschrieben:
1. Zeitspringer in der Aufzählung zwischen Präsens (schwarz) und Präteritum (rot). Ich würde da ruhig in der Gegenwart bleiben.
Nee, ist es nicht. Ist alles im Konjunktiv II Irrealis, da er ja diese Handlungen nie wirklich beschrieben hat wegen der Rauchfrage. Das Problem ensteht dadurch, dass das 'würde' am Anfang sich immer weiter entfernt und ich schließlich in den 'echten' Konjunktiv (ohne 'würde') wechsele und das, obwohl beide Verben ('vierteilen' und 'schicken') ein gleichlautendes Präteritum haben. Der Kontext sollte es aber klar machen.

MosesBob hat Folgendes geschrieben:
Ungünstige Satzkonstellation!
Wie wahr! Danke für den Hinweis.

MosesBob hat Folgendes geschrieben:
Komma hinter „beschloss“.
Nach dem brillanten Ausführungen betreffend die Kommaregeln von Pat hier im Forum (das beste, was ich je zu dem Thema gelesen habe) ist in der neuen Rechtschreibung, das Komma vor dem erweiterten Infinitiv optional.

MosesBob hat Folgendes geschrieben:
Zu viele Adjektive! Weniger wäre mehr.
Geschmackssache, würde ich sagen.


MosesBob hat Folgendes geschrieben:
Dahinter würde ich den Namen der Insel nennen.
Warum? Ist keine bestimmte Insel. Einfach eine von den Tausenden im Südpazifik. Eher ein Platzhalter als eine reale Insel. Ein Südseetraum. Die typische Insel für einen beachcomber (Strandläufer)

MosesBob hat Folgendes geschrieben:
Allerdings wirken viele deiner Sätze überladen auf mich, weil du entweder zu viele Adjektive verwendest, zu weit ausholst oder noch rasch etwas anfügst. Letzteres geschieht dann oft in ein und demselben Satz, wodurch du das Gefüge unnötig streckst und strapazierst. Aus vielen dieser Sätze würde ich mindestens zwei machen. Das erleichtert dem Leser, die ganzen Informationen aufzunehmen und verhindert eine Reizüberflutung.
Hmm, dabei hab ich mich noch schwer zurückgehalten. Ich glaube, die Diskussion über lange Sätze / kurze Sätze ist nicht sehr fruchtbar. Mich haben Autoren beeinflusst, die lange bis superlange Sätze schreiben (Faulkner, Pynchon, DeLillo, T. Mann, Saramago, etc). So will ich es lesen, so will ich es schreiben. Bei kurzen Sätzen muss ich mich als Leser jedes Mal über den nächsten Punkt hieven, bei langen Sätzen fließt es, tun sich neue Verbindungen auf, werden Zusammenhänge geschaffen und ohne dass ich's bemerke, ist das Buch schon wieder vorbei. Ich bin mir sicher, dass viele bei dem folgenden Satz von J. Saramago einen Schreikrampf bekommen, bei mir macht's 'kling' wie von einer kleinen Glocke und der Tag ist gerade ein bisschen besser geworden.
Jose Saramago (Geschichte der Belagerung von Lissabon) hat Folgendes geschrieben:
Während Raimundo Silva die schmale, steile Treppe hinabsteigt, überlegt er, daß es noch nicht zu spät ist, die Unglücksstunde zu vermeinden, da sein dreister Eingriff an den Tag käme, er braucht nur ein Taxi zu nehmen und in die Druckerei zu eilen, wo Costa sicherlich zugegen ist, glücklich darüber, einmal mehr große Effizienz bewiesen zu haben, die sein ganz besonderes Kennzeichen ist, Costa, die Herstellung in Person, er kommt leidenschaftlich gern in die Druckerei, um, sozusagen, das Startkommando zu geben, und gerade eben will er es tun, da stürzt Raimundo Silva zur Tür herein, mit lautem Ruf, Halt, anhalten, das ist wie im Roman, wenn der königliche Laufbote außer Atem noch in letzter Sekunde den königlichen Gnadenerlaß bringt, welch eine Erleichterung, heikel auch dieser Fall, doch es ist ein grundlegender Unterschied, gemeinhin zu wissen, daß wir eines Tages sterben müssen, und andererseits nun aber das unmittelbare Ende vor Augen zu haben, das Erschießungskommando mit angelegter Waffe, solches weiß der am besten, der zuvor wundersam entkam, nun aber, unentrinnbar endgültig, dem Tod ausgeliefert ist, Dostojewski entwischte beim erstenmal, beim zweitenmal nicht mehr.


MosesBob hat Folgendes geschrieben:
Ganz anders verhält es sich bei deinen Protagonisten, denn sowohl Paul als auch besonders Aiata kommen recht fade daher: Wir erfahren, wie sie aussieht, welche Haarfarbe sie hat und wie herrlich weiß ihre Zähne sind – aber sie hat keinerlei explizite Mimik oder Gestik, ebensowenig wie Paul.
Also eine detaillierte Charakterstudie würde mit Sicherheit alle Komik töten, das taugt dann bestenfalls noch für eine Gelegentlich-mal-schmunzeln-Geschichte. Außerdem erfährt der Leser über Paul jede Menge, nicht explizit (warum sollte Paul auch sich selbst beschreiben), aber implizit, durch seine Handlungen und Gedanken. Aiata ist das 100%ige Südseemädchen-Klischee und das soll auch so sein.

Grüße an alle,

- sleepless_lives


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MosesBob
Geschlecht:männlichGehirn²

Administrator
Alter: 44
Beiträge: 18339

Das Goldene Pfand DSFo-Sponsor



Beitrag24.04.2008 19:23

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Moin!

Da hast du dir aber einen Wolf geschrieben, was? lol

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Nach dem brillanten Ausführungen betreffend die Kommaregeln von Pat hier im Forum (das beste, was ich je zu dem Thema gelesen habe) ist in der neuen Rechtschreibung, das Komma vor dem erweiterten Infinitiv optional.

Ich bin ein Verfechter der alten Kommaregel – aber der neuen Rechtschreibung. Laughing

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Warum? Ist keine bestimmte Insel. Einfach eine von den Tausenden im Südpazifik. Eher ein Platzhalter als eine reale Insel. Ein Südseetraum. Die typische Insel für einen beachcomber (Strandläufer)

Klar, wenn keine bestimmte gemeint ist, muss auch keine genannt werden. Ansonsten wäre das ein guter Zeitpunkt gewesen, ihn zu nennen.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Hmm, dabei hab ich mich noch schwer zurückgehalten. Ich glaube, die Diskussion über lange Sätze / kurze Sätze ist nicht sehr fruchtbar. Mich haben Autoren beeinflusst, die lange bis superlange Sätze schreiben (Faulkner, Pynchon, DeLillo, T. Mann, Saramago, etc). So will ich es lesen, so will ich es schreiben. Bei kurzen Sätzen muss ich mich als Leser jedes Mal über den nächsten Punkt hieven, bei langen Sätzen fließt es, tun sich neue Verbindungen auf, werden Zusammenhänge geschaffen und ohne dass ich's bemerke, ist das Buch schon wieder vorbei. Ich bin mir sicher, dass viele bei dem folgenden Satz von J. Saramago einen Schreikrampf bekommen, bei mir macht's 'kling' wie von einer kleinen Glocke und der Tag ist gerade ein bisschen besser geworden.

Saramago führe ich auch gerne an, wenn es um lange Sätze geht. Allerdings schreibt der eigentlich keine langen Sätze … er verzichtet nur allzu gerne auf Punkte. Henry Miller ergießt sich auch häufig in lange Sätze, Elfriede Jelinek ebenfalls. Wie gesagt, ich habe überhaupt nichts dagegen, solange sie übersichtlich und schön komponiert sind. Und letzten Endes spielt es ohnehin keine Rolle, wer was macht, solange man sein Ding durchzieht. Man muss das Rad ja nicht neu erfinden. Man muss nur wissen, wie man´s dreht.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Also eine detaillierte Charakterstudie würde mit Sicherheit alle Komik töten, das taugt dann bestenfalls noch für eine Gelegentlich-mal-schmunzeln-Geschichte. Außerdem erfährt der Leser über Paul jede Menge, nicht explizit (warum sollte Paul auch sich selbst beschreiben), aber implizit, durch seine Handlungen und Gedanken. Aiata ist das 100%ige Südseemädchen-Klischee und das soll auch so sein.

Charakterstudien würden den Text wohl töten, richtig. Viel effektiver finde ich es, Charakteren durch Gestik, Mimik und wörtlichen Reden Leben und Persönlichkeit einzuhauchen, und das hat mir bei Aiata gefehlt.

Beste Grüße,

Martin


_________________
Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)

Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag24.04.2008 20:15

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

MosesBob hat Folgendes geschrieben:
Moin!
Da hast du dir aber einen Wolf geschrieben, was? lol

Allerdings! Wegen allgemeinen Zeitmangels komm ich hier im Forum noch nicht so ganz mit. Hier geht einfach zu sehr die Post ab. Und dann sammelt sich selbst unter meinem eigenen Geschreibsel schon was an, ganz zu schweigen von den vielen anderen Beiträgen. Außerdem hab ich das Gefühl, dass hier viele nicht nur schneller schreiben können, als ich schreiben kann (keine Kunst), sondern auch schneller schreiben können, als ich lesen kann....


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MosesBob
Geschlecht:männlichGehirn²

Administrator
Alter: 44
Beiträge: 18339

Das Goldene Pfand DSFo-Sponsor



Beitrag24.04.2008 20:17

von MosesBob
Antworten mit Zitat

... und dann gibt es auch noch solche, die schneller schreiben, als sie selbst lesen können. lol

_________________
Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)

Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag24.04.2008 20:23

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

MosesBob hat Folgendes geschrieben:
... und dann gibt es auch noch solche, die schneller schreiben, als sie selbst lesen können. lol

 lol  Daumen hoch lol


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Gast







Beitrag25.04.2008 12:53

von Gast
Antworten mit Zitat

MosesBob hat Folgendes geschrieben:
sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Ich bin mir sicher, dass viele bei dem folgenden Satz von J. Saramago einen Schreikrampf bekommen, bei mir macht's 'kling' wie von einer kleinen Glocke und der Tag ist gerade ein bisschen besser geworden.

Saramago führe ich auch gerne an, wenn es um lange Sätze geht. Allerdings schreibt der eigentlich keine langen Sätze … er verzichtet nur allzu gerne auf Punkte.

Das genau ist es. Der angeführte Satz ist gar kein einziger langer Satz, sondern es sind mehrere Sätze, bei denen an mehreren Stellen ein Punkt nicht das geringste verändern würde. Darunter sind auch sehr kurze, durchaus abgehackte Sätze. Aber der Stil ist eher fließend. Das ist die Kunst. Und es ist sicherlich nicht das schlechteste, auf diese Art des Schreibens hinzuarbeiten. Ich habe mich in letzter Zeit sehr auf Dialoge und ziemlich kurze Sätze beschränkt, und nun versuche ich auch eher, da wieder wegzukommen. Vielleicht ist der Saramago-Stil dafür ein gutes Vorbild. Ich werde es mal versuchen. Was ich allerdings merke, ist, sobald ein Dialog kommt, wird es einfach abgehackt. Denn man kann die Leute nicht so elend lange Sätze sprechen lassen, das wirkt einfach unglaubwürdig und unnatürlich. Und Dialog macht eine Szene, einen Text ja auch lebendig.

Aber das sind so die Sorgen der Schriftstellerei. Man entwickelt sich ständig weiter, und was man gestern noch für unanfechtbar hielt, erscheint einem heute schon veraltet und sanierungsbedürftig. Wink

Liebe Grüße
Angela
Nach oben
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag25.04.2008 17:51

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Angela,

Angela hat Folgendes geschrieben:
Ich habe mich in letzter Zeit sehr auf Dialoge und ziemlich kurze Sätze beschränkt, und nun versuche ich auch eher, da wieder wegzukommen. Vielleicht ist der Saramago-Stil dafür ein gutes Vorbild. Ich werde es mal versuchen. Was ich allerdings merke, ist, sobald ein Dialog kommt, wird es einfach abgehackt. Denn man kann die Leute nicht so elend lange Sätze sprechen lassen, das wirkt einfach unglaubwürdig und unnatürlich. Und Dialog macht eine Szene, einen Text ja auch lebendig.


Klar, in Dialogen kann man von wenigen Ausnahmen, wo es bewusst stilistisch eingesetzt wird, keine langen Sätze verwenden. In Dialogen setz ich lieber einen Punkt mehr als weniger, auch wenn er eigentlich selbst in einem normal langen Satz noch nicht nötig wäre. Einfach um klar zu machen, dass hier vom Sprecher/in eine Satzende gemacht wurde (in der gesprochenen Sprache durch die entsprechende Intonation und Verlängerung  der Dauer der letzten Silbe(n)/Phoneme).
Ja, du hast recht der Wechsel zwischen Beschreibung und Dialog und zurück wird dann irgendwie ziemlich schwierig. Saramago beherrscht's natürlich und hat außerdem auch seine eigene Weise, was die schriftliche Form angeht, nämlich keine Anführungszeichen, was es flüssiger aussehen lässt (möcht mal wissen, wie er seinen Verlag dazu gebracht hat, das zu akzeptieren; der hat ja auch nicht als berühmter Mensch das Schreiben angefangen).

- sleepless_lives

PS: Wann kriegen wir denn mal wieder ein Werk von dir zu lesen?


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlackRider
Richter und Henker
B

Alter: 49
Beiträge: 1474
Wohnort: ZRH


B
Beitrag04.05.2008 04:05

von BlackRider
Antworten mit Zitat

Ha ha, klasse.
Aber trotzdem ne kleine Ruege. Viele Saetze sind viel zu lang. Z.B.:

Das war kurz, prägnant, einfach zu merken und man konnte damit nicht fehlgehen, wie Haloperidol, der eigentlich ins Dorf gewollt hatte, dann aber den falschen Weg an der Kreuzung eingeschlagen hatte.

Haloperidol hieß eigentlich Paul, aber er liebte es, sich nach dem Held in seinem unvollendeten Fantasyroman 'Dunkelheit in der Finsternis' zu nennen, einem vielversprechendem Werk, bei dem er leider auf Seite 17 in der Niederschrift steckengeblieben war, gescheitert an der nicht entscheidbaren Frage, ob es moralisch verantwortbar sei, wenn Haslifuß, Haloperidols Nemesis, vor seinem misslungen Attentatsversuch auf den König der Kleinnasen eine Zigarre rauchen würde.
(Echt klasse, blos liessen sich noch ein zwei Punkte drin unterbringen)

usw. Zieht sich durch den ganzen Text.

Nette feine Geschichte uebrigens, die da in die Geschichte verpackt wurde. Da hast Du kurz einen Fantasy Plot so nebenbei aus dem Aermel geschuettelt, den die meisten Fantasy Schreiber nicht hinkriegen. N bissi blutruenstig, aber das ist ja toll smile

Da stand er nun also am Strand und dachte, a man can be destroyed but not defeated, und beschloss am Strand ...
Erstes UND ersatzlos streichen


Möwen flogen unter einem makellosen blauen Himmel, da sie schlecht über ihm fliegen konnten.
Ha ha ha

Klasse Sache mit den Wellen.


 Der Wind hatte anders als Paul keinerlei zärtliche Absichten in Bezug auf Aiatas Haar, er wollte einfach nur vorbei, und Aiata stand im Weg. Etwas abseits lungerten Generationen von romantischen Herzen herum und kritzelten etwas vom lieblichen Säuseln des Windes in ihre Notizbücher.
smile smile smile

Also der Text war wirklich randvoll mit guten Ideen. Dass es kaum Handlung gibt stoert dabei nicht die Bohne. So koennte man weiterlesen. Bloss die Saetze muessen noch kuerzer werden.


_________________
-https://www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII-
Leider macht Sucht auch vor Intelligenz nicht halt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag04.05.2008 12:10

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo BlackRider,
danke für die positiven Worte

BlackRider hat Folgendes geschrieben:
Aber trotzdem ne kleine Ruege. Viele Saetze sind viel zu lang.


Tja, da kann ich, wie schon weiter oben angeschnitten, nur sehr wenig Besserung in Aussicht stellen. Ist einfach zu sehr mein Stil. Nachdem das ungefähr 75% hier im Forum beanstandet haben, beläuft sich die Zahl wahrscheinlich auf 95% in der Gesamtbevölkerung. Nun, so geht's dahin mit meinen potentiellen Bestsellern Wink


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlackRider
Richter und Henker
B

Alter: 49
Beiträge: 1474
Wohnort: ZRH


B
Beitrag04.05.2008 13:35

von BlackRider
Antworten mit Zitat

Grins, na dann strengense sich doch mal an. Die Aussies werden Dir eh schon zigmal um die Ohren gehauen haben, dass deutsche Worte soooo uuunendliiich lang sind. Die dann noch in ellenlange Saetze zu verpacken... smile

Aber ich glaube von den Langsaetzigen bist Du bisher derjenige, bei dems am wenigsten ausmacht, obwohl Deine Saetze fast die laengsten sind.


_________________
-https://www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII-
Leider macht Sucht auch vor Intelligenz nicht halt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag04.05.2008 14:33

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

BlackRider hat Folgendes geschrieben:
Die Aussies werden Dir eh schon zigmal um die Ohren gehauen haben, dass deutsche Worte soooo uuunendliiich lang sind. Die dann noch in ellenlange Saetze zu verpacken... smile

Ich denk mir, du sprichst aus Erfahrung. Smile  Würd mich doch auch sehr wundern, wenn die Kiwis die deutsche Sprache in einem anderen Licht sehen Wink Dann kennst du wahrscheinlich auch schon das Standard-Mark-Twain-Zitat, dass offensichtlich jedem englischsprechendem Menschen mit genügend Bildung reflexartig in den Sinn kommt:
Mark Twain hat Folgendes geschrieben:

Whenever the literary German dives into a sentence, that is the last you are going to see of him till he emerges on the other side of his Atlantic with his verb in his mouth.

In diesem Zusammenhang wär wohl das hier auch passend:
Mark Twain hat Folgendes geschrieben:

mastery of the art and spirit of the Germanic language enables a man to travel all day in one sentence without changing cars

Und das ist auch nett:
Mark Twain hat Folgendes geschrieben:

Never knew before what eternity was made for. It is to give some of us a chance to learn German.


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Gast







Beitrag04.05.2008 14:35

von Gast
Antworten mit Zitat

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Ja, du hast recht der Wechsel zwischen Beschreibung und Dialog und zurück wird dann irgendwie ziemlich schwierig. Saramago beherrscht's natürlich und hat außerdem auch seine eigene Weise, was die schriftliche Form angeht, nämlich keine Anführungszeichen, was es flüssiger aussehen lässt (möcht mal wissen, wie er seinen Verlag dazu gebracht hat, das zu akzeptieren; der hat ja auch nicht als berühmter Mensch das Schreiben angefangen).

- sleepless_lives

PS: Wann kriegen wir denn mal wieder ein Werk von dir zu lesen?

Ach, muß nicht sein. Wink Ich habe auch nichts wirklich Kurzes, das ist noch ein zusätzliches Problem, ich schreibe ja Romane, keine Kurzgeschichten. Und die alten Sachen wollte ich nicht alle noch mal reinstellen, die kennen ja nun schon alle.

Ich probiere momentan mit Songtexten herum, weil ich hoffe, daraus dann mal Kurzgeschichten machen zu können, aber irgendwie klappt das auch nicht so richtig. Zudem ist, wie ich schon sagte, meine Gesundheit momentan so richtig auf dem absteigenden Ast, ich habe Tag und Nacht Schmerzen, und da schreibt es sich einfach auch nicht so gut. Ehrlich gesagt kommt mir mein Kopf wie eine leere, mit Watte gefüllte Schachtel vor. Ich habe das Gefühl, ich kann schon überhaupt nicht mehr denken. Liegt aber sicherlich an den Schmerzen. Ich fürchte, es ist mal wieder die Bandscheibe. Zwei OPs hatte ich schon, vor vielen Jahren, jetzt kommt vielleicht die dritte. Aber der Arzt weiß noch nicht genau, was es ist. Vielleicht ist es auch was anderes. Ich weiß nicht, ob es dann schlimmer oder besser ist als Bandscheibe.  Sad

Mal zurück zu Saramago: Ich frage mich auch, wie er den Verlag dazu gebracht hat, das zu akzeptieren, aber vielleicht war da mal ein außergewöhnlicher Verleger, der die Qualität einfach erkannt hat. Dialoge ohne Anführungszeichen empfinde ich allerdings als kein so gutes Vorbild, muß ich ehrlich sagen. Eine Alternative sehe ich allerdings auch nicht. Entweder der klassische Dialog mit Anführungszeichen oder – was sonst? Außer eben die Anführungszeichen wegzulassen, was mich beim Lesen eher stört.

Übrigens finde ich Deine Sätze definitiv nicht zu lang. Es ist immer eine Frage des Stils. Zieht der Stil einen rein oder nicht? Dann ist die Länge der Sätze uninteressant. Wenn ich lese und gar nicht merke, wie lang die Sätze sind, fange ich nicht an, die Wörter pro Satz zu zählen. Wink

Ich denke, das ist der Punkt: Es gibt kein absolutes "zu lang". Auch nicht "zu kurz". Es kommt auf den Stil und das Können des Autors an.

Liebe Grüße
Angela
Nach oben
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag06.05.2008 15:23

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Angela hat Folgendes geschrieben:
Ich habe auch nichts wirklich Kurzes, das ist noch ein zusätzliches Problem, ich schreibe ja Romane, keine Kurzgeschichten.

Ja, versteh ich gut. Man muss ja auch sagen, das 500 bis 1000 Wörter auch noch kurz sind für eine Kurzgeschichte. In gedruckter Form wird man das eher selten finden, mit Ausnahme vielleicht von Geschichten, die im letzten Jahrzehnt entstanden sind.

Angela hat Folgendes geschrieben:
Zudem ist, wie ich schon sagte, meine Gesundheit momentan so richtig auf dem absteigenden Ast, ich habe Tag und Nacht Schmerzen, und da schreibt es sich einfach auch nicht so gut. Ehrlich gesagt kommt mir mein Kopf wie eine leere, mit Watte gefüllte Schachtel vor. Ich habe das Gefühl, ich kann schon überhaupt nicht mehr denken. Liegt aber sicherlich an den Schmerzen.

Ich hoffe, es geht dir inzwischen wenigstens schon ein bisschen besser. Was mich aber immer wieder umhaut, ist die Tatsache , wie stark ich selbst von auch nur einer harmlosen Grippe im Schreiben beeinflusst werde. Es ist dann so, als ob ich die ganze Welt nur noch durch die Grippe wahrnehme. Wenn's nicht so verdammt unangenehm wäre, sollte man den Zustand der beeinträchtigten Gesundheit eigentlich benutzen, um genau darüber zu schreiben. Und damit der Leser das Buch nicht nach 5 Minuten aus der Hand legt, vielleicht noch über die Momente, wo man das Krank-sein vergisst. Selbst wenn man sie erfinden muss

Angela hat Folgendes geschrieben:
Mal zurück zu Saramago: Ich frage mich auch, wie er den Verlag dazu gebracht hat, das zu akzeptieren, aber vielleicht war da mal ein außergewöhnlicher Verleger, der die Qualität einfach erkannt hat.

Ein im eigenen Land sehr bekannter portugiesischen Filmregisseur hat mal auf dem Münchner Filmfest vor vielen Jahren gesagt, dass sie in Portugal zwar kein Geld hätten, aber viel Zeit. Vielleicht hat's damit zu tun.  

Angela hat Folgendes geschrieben:
Dialoge ohne Anführungszeichen empfinde ich allerdings als kein so gutes Vorbild, muß ich ehrlich sagen. Eine Alternative sehe ich allerdings auch nicht. Entweder der klassische Dialog mit Anführungszeichen oder – was sonst? Außer eben die Anführungszeichen wegzulassen, was mich beim Lesen eher stört.

Ja, stimm ich zu. Obwohl ich bei Saramago immer recht wenig Probleme hatte, es auseinander zu frieseln. Faulkner hat das, glaub ich, im zweiten Kapitel von 'Schall und Wahn' auch so gemacht und das dann noch mit innerem Monolog und Zeitsprüngen kombiniert. Ich erinnere mich noch, da hab ich damals an bestimmten Seiten ziemlich lang rumgelesen. War's wert, ist aber  trotzdem nicht zur Nachahmung empfohlen.

Angela hat Folgendes geschrieben:
Übrigens finde ich Deine Sätze definitiv nicht zu lang. Es ist immer eine Frage des Stils. Zieht der Stil einen rein oder nicht? Dann ist die Länge der Sätze uninteressant. Wenn ich lese und gar nicht merke, wie lang die Sätze sind, fange ich nicht an, die Wörter pro Satz zu zählen. Wink

Thanks

Angela hat Folgendes geschrieben:
Ich denke, das ist der Punkt: Es gibt kein absolutes "zu lang". Auch nicht "zu kurz". Es kommt auf den Stil und das Können des Autors an.

100% deiner Meinung. Und wenn wir das noch ein paar Mal, wenn das Thema in anderen Threads auftaucht, wiederholen, können wir die ganze lang/kurz Diskussion hoffentlich endgültig zu Grabe tragen.

Grüße,

- sleepless_lives


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Gast







Beitrag07.05.2008 11:58

von Gast
Antworten mit Zitat

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Angela hat Folgendes geschrieben:
Ich denke, das ist der Punkt: Es gibt kein absolutes "zu lang". Auch nicht "zu kurz". Es kommt auf den Stil und das Können des Autors an.

100% deiner Meinung. Und wenn wir das noch ein paar Mal, wenn das Thema in anderen Threads auftaucht, wiederholen, können wir die ganze lang/kurz Diskussion hoffentlich endgültig zu Grabe tragen.

Dein Wort in Zeus' Gehörgang.  Very Happy Es wird halt zu sehr zu einer Frage des Prinzips gemacht, und das ist es nicht. Es ist eine Frage der Qualität. Eigentlich ist der Wechsel zwischen lang und kurz das beste, aber ein Buch kann nur aus kurzen Sätzen bestehen und qualitativ gut sein, literarisch hochstehend und anspruchsvoll und ebenso kann ein Buch mit langen Sätzen dieselbe Qualität aufweisen. Das sehen viele nicht, vielleicht mangels Leseerfahrung.

Wenn man viele gute (und schlechte) Bücher gelesen hat, fällt einem dann mit der Zeit auf, daß es nicht die Formalia sind, die die Qualität eines Buches ausmachen, sondern eben der Autor selbst. Die Formalia sind – wie überall – nur Hilfsmittel, und je virtuoser man diese Hilfsmittel einsetzt, ein um so besserer Autor ist man, aber indem man die Formalia beherrscht, wird man kein guter Autor. Man muß erst ein guter Autor sein, etwas zu sagen haben, ein Talent haben, und dann kann man mit den Formalia noch einiges mehr herausholen (oder – wenn man ein ganz großes Genie ist – ganz auf sie verzichten Wink ).

Liebe Grüße
Angela
Nach oben
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  

BuchBuchEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von PaulaSam

von Eris Ado

von JGuy

von Papagena

von Leveret Pale

von Kojote

von Nordlicht

von poetnick

von Lady_of_words

von Enfant Terrible

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!