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Sue Rovia Klammeraffe
Alter: 30 Beiträge: 586 Wohnort: Metronom
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06.05.2018 19:00 dann gibt es keinen Weg von Sue Rovia
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Als wir uns näher kennenlernten, sagtest du, du wüsstest schon, dass wir einander danach nicht aus dem Weg gehen könnten, und ich wüsste es auch.
Was du sagen wolltest damit, sprachst du vom Weg zum Sport oder doch nur von den fünf Metern durch den Stadtbus hin zur nächsten wie zufälligen Begegnung – und vielleicht hätte ich antworten sollen, dass der direkte Weg zu mir gar nicht so weit ist.
Sowieso verlieren Menschen jede Weite, sobald sie sich in Verbindlichkeiten verstricken, dagegen ist das Kreuzen zweier Wegstrecken harmlos, es ist genaugenommen nur ein Austausch von Lächeln und Worten, die beliebig sind.
Weil der Mensch ist, was er sagt, wurden wir selbst beliebig, das meint austauschbar.
Hätten wir einander gemocht, hätten wir vielleicht einen Chatverlauf erzeugt oder Telefonate geführt ohne Zweckmäßigkeit, vielleicht hätten wir uns auf Dächern verabredet, aber nicht um miteinander zu schlafen, sondern um miteinander zu reden, und wir hätten Stufen gefunden, die vom Fremdsein ins Einssein führen.
Und wenn wir einander gebraucht hätten, so hätten wir uns dazu entschieden, den Moment nicht entzweizubrechen, sondern ganz zu lassen, hätten wir uns auf eine Geschichte geeinigt über unser Kennenlernen, die wir anderen erzählt hätten auf Familienfesten und Geburtstagsfeiern, wir hätten uns auf eine Wohnzimmerwandfarbe geeinigt und auf eine optimierte Mischung unseres genetischen Guts.
Was unseren Begegnungen fehlte, war jede Notwendigkeit.
Aber wenn zwei Menschen sich nicht brauchen und nicht mögen, dann können sie einander alles zeigen – jeden verkümmerten Gedanken, jedes noch so absurde Gesicht – weil sie nichts zu verlieren haben: keine Sympathie, keine Achtung und keine Zukunft; dann können sie sich ausziehen bis zu dem Punkt, an dem sie nicht mehr schön sind, sondern bloßgestellt.
Und dann können sie sich auch nur mit Mühe ertragen.
Später dachte ich, dass man so etwas Geradlinigkeit nennt.
Wenn zwei Menschen, die sich absolut kennen, einander verlassen, in einer Form verlassen, die unwiderruflich ist, sagen wir A zieht zu seiner Familie oder in die Wüste, und B zieht in die Einsamkeit oder ans Meer, dann werden diese Menschen einander nie wieder begegnen, weil zwei verschiedene Geraden sich genau einmal schneiden, in genau einem Punkt.
Du würdest mir natürlich widersprechen, wenn ich sage, dass all unsere Worte mit ihren zufälligen Begegnungen ein einziger Punkt gewesen sind.
Dann gibt es keinen Weg von A zu B, weil jeder Punkt auf einer Wegstrecke ein Zeitpunkt ist, physikalisch gesehen, pathetisch betrachtet ist er nur ein unumkehrbarer Moment.
Also, wie könntest du heute Nacht in meine unmittelbare Umgebung kommen?
Und warum würdest du mir schreiben, wenn ich deine Nummer schon lange verloren habe?
Denke ich darüber nach, dann wundert es mich, dass ich vor meiner Eingangstür sitze und rauche, um nicht so zu wirken, als würde ich dich erwarten.
Aber hier ist es schön. Eine kleine Küstenstadt in der Nacht.
Einzelne Lichter von Häusern und Straßenlaternen um mich herum.
Ein Wagen kommt die Hauptstraße entlang, er verlangsamt seine Fahrt. Ich schütte Aschekrümel auf die Fliesen, dann drücke ich einen Zigarettenstummel aus. Der Wagen fährt vorbei.
Er kommt zurück.
Weitere Werke von Sue Rovia:
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4292
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13.05.2018 23:24
von hobbes
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Das ist mein zweitliebster Titel im Wettbewerb [Prosa]. In diesem Fall passt sogar der Text dazu und den Text habe ich zwar noch nicht so ganz verstanden, aber ich werde wiederkommen und ich glaube, das ist so ein Text, der mit jedem Wiederkommen dazugewinnt.
edit:
Huch, fast den Kommentar vergessen Gar nicht. Nur nicht bemerkt, dass ich noch gar nicht angemeldet war. Weil: schwierig. Dafür kann ich dir nun schon gleich sagen, dass du acht Punkte von mir bekommst.
Woraus man jetzt (zu Recht) schlussfolgern kann, dass ich ihn mag, den Text (und den Titel!).
Vielleicht ist der Kommentar im Nachhinein, also wo ich mich schon auf eine Reihenfolge festgelegt habe, sogar ein bisschen einfacher, dann kann ich nämlich sagen, warum ich den anderen beiden den Vorzug gegeben habe. Einmal, waren die leichter zu lesen, was ein blöde Begründung ist, denn eine gewisse Sperrigkeit sollte nun wirklich kein Grund sein. Auch, dass ich nicht so recht kapiere, um was es nun eigentlich geht, ob es tatsächlich um etwas geht, also eine Geschichte dahintersteckt (ja schon, aber, hm), äh, wo war ich? Jedenfalls, ich lese das und finde es interessant, fange an, über die Fragen nachzudenken, dann aber fange ich auch an, darüber nachzudenken, ob da nicht auch Fragen aufgeworfen werden, um davon abzulenken, dass dann doch gar nicht so viel dahinter steckt (was sich jetzt böser anhört, als ich es meine).
Schwierig, sagte ich schon.
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lebefroh Eselsohr
L Alter: 43 Beiträge: 364 Wohnort: Berlin
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L 14.05.2018 12:23
von lebefroh
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Dem Text wohnt eine gewisse Poesie inne - aber er packt mich nicht. Er ist für mich auch zu wenig "Geschichte" - die passiert ja eigentlich nur ganz zum Schluss. Und doch gefällt mir der Text. Dummerweise kann ich selbst nicht ganz in Worte fassen, warum ich nicht mehr Punkte für ihn habe.
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Michel Bücherwurm
Alter: 52 Beiträge: 3376 Wohnort: bei Freiburg
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14.05.2018 13:47
von Michel
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Nicht-Freundschaft, die gerade durch Nicht-Verbindung große Offenheit ermöglicht. LI wendet sich an ein LD, der Wagen kommt nur am Ende vor, quasi beiläufig, aber atmosphärisch eingebunden. Der Text: Sperrig, auch durch die rechtsbündig herausgenommenen Sätze. Allmählich finde ich in den Lesefluss und kann die Gedanken teilen. Gefällt mir.
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femme-fatale233 Füßchen
Alter: 31 Beiträge: 1913 Wohnort: München
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14.05.2018 18:17
von femme-fatale233
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Ein sehr schöner Text, das Auto, das zurückkommt, liest sich hier für mich fast wie ein Symbol der Hoffnung, dass man einander doch noch einmal begegnet. Davor viele kleine, wahre Sätze über das Lieben. Gefällt mir wirklich gut.
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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14.05.2018 23:46
von firstoffertio
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Ich mag die Nebensächlichkeit des Wagens am Ende. Und die Gedanken davor im Text.
Besonders:
Also, wie könntest du heute Nacht in meine unmittelbare Umgebung kommen?
Und warum würdest du mir schreiben, wenn ich deine Nummer schon lange verloren habe?
Denke ich darüber nach, dann wundert es mich, dass ich vor meiner Eingangstür sitze und rauche, um nicht so zu wirken, als würde ich dich erwarten.
Und in jeder Erwartung liegt Ungewissheit: Wird sie eintreffen? Und hier bleibt sie am Ende erhalten.
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Constantine Bücherwurm
Beiträge: 3311
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15.05.2018 15:38
von Constantine
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just points
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d.frank Reißwolf
D Alter: 44 Beiträge: 1123 Wohnort: berlin
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D 15.05.2018 20:23
von d.frank
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Gut, ich muss überlegen.
Das ist sicher kein schlechter Text!
Vergleiche ich ihn mit dem anderen Du und Ich Gespräch, gefällt mir dieser hier besser, weil er nüchterner ist und die Dinge in Frage stellt.
Scheint wohl meine eigene Lesart, die poetisch verarbeiteten Zwiegesprächen nicht mehr so viel abgewinnen kann.
Beim Preis der Riesenmaschine würden solche Texte durchfallen.
Was mir an dem hier gefällt, ist das Nachdenken. Der Text lässt mich über einiges nachdenken: Darüber, ob ich das Genannte genauso sehe (zum Beispiel das mit dem Nackig machen, weil man nichts zu verlieren hat..really? - es beisst sich auch irgendwie mit dem schönen Satz über die Weite??).
Weil ich aber nach mehrmaligem Lesen feststelle, dass dem nicht so ist, dass der Text sich meiner Meinung nach auch selbst widerspricht:
Zitat: | dagegen ist das Kreuzen zweier Wegstrecken harmlos, es ist genaugenommen nur ein Austausch von Lächeln und Worten, die beliebig sind. |
versus
Zitat: | Aber wenn zwei Menschen sich nicht brauchen und nicht mögen, dann können sie einander alles zeigen – jeden verkümmerten Gedanken, jedes noch so absurde Gesicht – weil sie nichts zu verlieren haben: keine Sympathie, keine Achtung und keine Zukunft; dann können sie sich ausziehen bis zu dem Punkt, an dem sie nicht mehr schön sind, sondern bloßgestellt.
Und dann können sie sich auch nur mit Mühe ertragen.
Später dachte ich, dass man so etwas Geradlinigkeit nennt. |
Mag an mir liegen, aber ich kriege das nicht aufeinander. Ist das etwa die Ungewissheit?
Vielleicht verstehe auch irgendwas nicht. Aber trotzdem, das macht den Text dann für mich wieder unrund. Hinten dran, wo es zur Verarbeitung der Vorlage kommt, ist mir das Ganze dann sogar zu nüchtern. Ich spüre nichts von der Atmosphäre, die doch gefordert ist und hier punktet der andere Text.
Also gerade habe ich noch keine Ahnung, welchem ich den Vorzug geben will.
_________________ Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer |
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Aneurysm Eselsohr
Beiträge: 462
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15.05.2018 20:45
von Aneurysm
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Dieser Text bietet als einer von wenigen etwas mehr auf der sprachlichen Ebene. Das Ich sitzt vor seiner Eingangstür und sehnt sich nach dem Du. Nebenbei reflektiert es die Begegnung mit dem Du, mit einigen klugen Gedanken. Leider ist die Szene mit dem Auto nur Beiwerk, das nichts zum restlichen Text beiträgt. Meine Lieblingsstelle:
Zitat: | Aber wenn zwei Menschen sich nicht brauchen und nicht mögen, dann können sie einander alles zeigen – jeden verkümmerten Gedanken, jedes noch so absurde Gesicht – weil sie nichts zu verlieren haben: keine Sympathie, keine Achtung und keine Zukunft; dann können sie sich ausziehen bis zu dem Punkt, an dem sie nicht mehr schön sind, sondern bloßgestellt. |
Es ist ein Text, zu dem ich immer wieder zurückkehren und Neues finden kann; der sich mir beim ersten Lesen weder offenbart noch komplett verschließt. Die Sprache ist ausgereift und hebt die Geschichte aus der großen Masse heraus. Die linksbündigen Zeilen geben dem Text eine neue Ebene, obwohl ich nicht ganz verstanden habe, worin der Unterschied zwischen beiden Ebenen besteht.
Über meine Ungewissheit kann ich bei diesem Text wegen der schönen Sprache hinwegsehen. Zehn Punkte.
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d.frank Reißwolf
D Alter: 44 Beiträge: 1123 Wohnort: berlin
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D 16.05.2018 00:59
von d.frank
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Punkte für die schönen Sätze, den nüchternen Blick, die Denkanstöße
_________________ Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer |
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Heidi Reißwolf
Beiträge: 1425 Wohnort: Hamburg
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16.05.2018 21:00
von Heidi
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Bin etwas im Zwiespalt. Es sind schöne Stellen im Text. Vor allem die Sache mit dem Verbiegen. Dann aber erscheint mir der Gesamttext doch nicht wie eine Einheit. Eher wie ein Konzept. Weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll.
Schön finde ich, dass der Freiheitsgedanke zwischen den Zeilen steckt.
Postkartenprosa hat Folgendes geschrieben: | Aber wenn zwei Menschen sich nicht brauchen und nicht mögen, dann können sie einander alles zeigen – jeden verkümmerten Gedanken, jedes noch so absurde Gesicht – weil sie nichts zu verlieren haben: keine Sympathie, keine Achtung und keine Zukunft; dann können sie sich ausziehen bis zu dem Punkt, an dem sie nicht mehr schön sind, sondern bloßgestellt. |
Wie frei bin ich bzw. verhalte ich mich, wenn ich jemandem begegne, den ich anziehend finde? Mache ich mich automatisch zu etwas anderem als ich bin, nur um dem anderen zu gefallen? Bin ich tatsächlich nur ehrlich zu einem Menschen von dem ich mir nicht „mehr“ wünsche als Freundschaft?
Spannendes Thema. Un-gewiss? Hm … ja auch.
Der Titel sagt mir nicht so zu, auch das Ende wirkt etwas rangepappt. Überhaupt, dass der Wagen dann zurückkommt.
Was mir aber sehr gefällt ist die Sprache, sie fließt. Und die Ehrlichkeit des Ich-Erzählers gegenüber sich selbst:
Postkartenprosa hat Folgendes geschrieben: | Denke ich darüber nach, dann wundert es mich, dass ich vor meiner Eingangstür sitze und rauche, um nicht so zu wirken, als würde ich dich erwarten. |
Das lässt ihn als Figur sehr tiefgründig wirken.
Aber nicht nur diese Stellen, eben überhaupt all die Gedanken, die diesen Ich-Erzähler umtreiben.
Davor das hier:
Postkartenprosa hat Folgendes geschrieben: | Weil der Mensch ist, was er sagt, wurden wir selbst beliebig, das meint austauschbar. |
Lese ich mit extrem melancholischen Unterton. Fast glaube ich ein Seufzen zu hören. Überhaupt bei all den einzeln „eingeschobenen“ Sätzen.
Gerade zu diesem Text würde ich noch gerne sehr viel mehr sagen, aber ich lasse es aus Zeitgründen erst mal dabei. Auch andere Texte wollen beguckt werden.
Punkte gibt es aber sicher. Ich kanns selbst kaum glauben, aber du bekommst zehn.
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Terhoven Eselsohr
Beiträge: 401
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16.05.2018 22:06
von Terhoven
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Hallo Inko. Ich kann nicht ohne Stichpunktzettel ...
Gesamteindruck:
Oh, eine schöne spröde Liebesgeschichte, einen Tick zu abgeklärt, aber trotzdem schön
Umsetzung der Regeln:
Thema Un-Gewissheit -- ja
Autoszene -- Tolle Umsetzung, ein Ankommen in der Gegenwart des Protagonisten/der Protagonistin (eher ein Er?) und gleichzeitig ein sehr guter Abschluss
Bester Satz: Da kann ich mich gar nicht entscheiden. Sie werden mir ja direkt in einem eigenen Absatz angeboten. Das ist mir fast zu viel Aufmerksamkeitslenkung. Ich hätte sie mir gern selbst rausgesucht.
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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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16.05.2018 22:13
von Jenni
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Das ist so ein Text, wie ein Text sein muss, der dsfo-Wettbewerbe gewinnt. So viele traurig-schöne Formulierungen von so einer Art, ja was, persönlicher Allgemeingültigkeit? Traurigschön indem im Konjunktiv II davon erzählt wird, was hätte sein können, ohne aber kitschig zu sein, denn es ist ja nicht. Und man will ja einfach glauben, dass Begegnungen so wahr und frei von Konventionen sein können, wie du sie beschreibst. Trotzdem fühle ich mich von den schönen Worten auch über manches hinweggelullt, wenn ich etwa zu verstehen versuchte, ob das zusammen geht, "zwei Menschen, die einander absolut kennen" und nur wenige/zufällige Begegnungen. Physikalisch gesehen ist jedenfalls nicht jeder Punkt auf einer Wegstrecke ein Zeitpunkt, obwohl das schön klingt. Oder ich versuche einfach nicht zu verstehen, sondern lasse mich von dem schöntraurigen Gefühl einlullen. Ich weiß noch nicht, ich bin mir da noch ungewiss.
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Eliane Klammeraffe
Beiträge: 824
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17.05.2018 22:10
von Eliane
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Musste ich jetzt mehrmals lesen. Weil ich manche Stellen grandios finde ("wir hätten Stufen gefunden, die vom Fremdsein ins Einssein führen" ist so eine), weil ich das Gefühl nicht loswerde, zwar zu verstehen, aber nicht alles. Nicht ganz. Und ungewiss zurückbleibe.
Einhaltung der Vorgaben:
Szene: bis auf die Hunde - ja.
Thema: Hm. Ja. Glaube ich.
Zwei Punkte.
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6153 Wohnort: Nullraum
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18.05.2018 00:06
von V.K.B.
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Vorweg: Ich interpretiere Un-Gewissheit als zweideutig, einmal eine Ungewissheit (nicht wissen, was kommt oder los ist) und eine Un-Gewissheit wie Un-Ding (oder wie cummings das "un" in seinen Gedichten benutzt hat), also eine schlimme Gewissheit.
Hallo Inko,
dein Text gefällt mir sehr, aber: sleepless_lives im Fragen-Thread hat Folgendes geschrieben: | Philosophisches Traktat nur insofern, als es sich noch als die in den Vorgaben geforderte "Geschichte" interpretieren lässt. | Und hier liegt mein Problem mit diesem Text! Ich lese interessante Gedanken, über die ich gerne nachdenke und damit zieht der Text mich rein. Aber es gibt einen Aufhänger für die philosophischen Überlegungen und einen Abschluss, also den Hauch einer Geschichte, der den Rahmen darstellt. Aber ist das Ganze jetzt eine Geschichte? Gibt es irgendeine Form von Handlung, Charakterentwicklung, Plot? Nein. Nur eine Situation und die Gedanken, die sich jemand dazu macht. Das geht für mich nicht als Geschichte durch, sorry. Wenn sleepless nicht noch einmal so explizit im Fragethread darauf hingewiesen hätte, würde meine Bewertung wahrscheinlich ganz anders ausfallen (und ich hätte meine eigene Geschichte auch anders geschrieben und nicht krampfhaft versucht, noch etwas Handlung in die eh geringe Wortzahl zu quetschen, um als Geschichte durchzugehen, statt mich nur auf Gedanken und das Erzeugen einer Atmosphäre zu beschränken).
Finde ich extrem schade jetzt, dass ich einen Text, der mir so richtig gut gefällt, deshalb jetzt unbepunktet lassen muss. Stimmgabel (man muss wohl keinen Hehl mehr davon machen, dass man seine Texte sofort erkennt) hat übrigens das gleiche Schicksal getroffen, du bist also nicht allein (wobei es mir bei dir mehr leid tut, denn deinen Text kann ich sogar mit endlichem Zeitaufwand komplett (oder nahezu komplett?) verstehen und ich konnte sofort richtig viel damit anfangen).
Aber anders als beim letzten Zehntausender, wo die Moderation rigoros disqualifiziert hat, was nicht der gewünschten Textart entsprach, wurde das Disqualifizieren diesmal ausdrücklich den Lesern überlassen. Und wenn ich mich daran halte, muss ich das mit deinem Text leider tun, so gut er mir von den Überlegungen her auch gefällt.
Beste Grüße,
Veith
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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Literättin Reißwolf
Alter: 58 Beiträge: 1836 Wohnort: im Diesseits
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18.05.2018 13:48
von Literättin
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Spielt das Thema Un-Gewissheit die zentrale Rolle? Wenn ich davon ausgehe, dass dieser Protagonist, wie er sich so selbst aus allem heraus zu reden versucht, rationalisierend, relativierend usw. dies alles so tut, um dieser verdammten Un-Gewissheit die Stirn zu bieten (was ihm ja nicht wirklich gelingt), dann ja. Heißt, dann spielt die Un-Gewissheit eine zentrale Rolle, denn er wäre sich lieber in irgend einer Weise gewiss, als dass er die Ungewissheit aushält. Also Vorgabe erfüllt.
Eröffnet oder schließt die vorgegebene Szene den Text und bleibt ihr Charakter erhalten? - Der Text schließt zwar damit, aber der Charakter , bzw. die Atmosphäre bleibt nicht wirklich erhalten. Obwohl vorhanden, geht die Szenerie doch so unter, dass ich den / die ProtagonistIn ganz normal am Tag irgendwo auf Treppenstufen sehe, selbst nach dem zweiten Lesen.
Gesamteindruck - Sehr nachdenkliches Stück, sehr leise und ich muss es mehrfach und langsam und aufmerksam lesen, um dahinter zu kommen, worauf die Hauptfigur hinaus will. Erst nach und nach erschließt sich mir ein in sich gekehrter, zurück gezogener Charakter, jemand der entweder völlig desillusioniert ist, oder resigniert, nicht bereit, den Mut, das Wagnis aufzubringen, überhaupt zu wollen. Selbst das heimliche und eigentliche hoffen und Warten will er noch verbergen und mir scheint, am liebsten auch noch vor sich selbst. Und obwohl ich die ganze Zeit denke: Mann, macht der sich (und anderen) das Leben schwer, mag ich diesen Text.
_________________ when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -
Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -
Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.) |
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gold Papiertiger
Beiträge: 4936 Wohnort: unter Wasser
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18.05.2018 14:42
von gold
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Ein grundlos hundloser Text.
Ein interessanter Text. Liest sich nicht einfach im Vorübergehen.
Natürlich Punkte.
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VwieMargarita Wortedrechsler
V Alter: 40 Beiträge: 56 Wohnort: Remarque-Stadt
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V 18.05.2018 21:37
von VwieMargarita
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Ich habe das auch unter den anderen Text geschrieben, die rechtsgerückten Zeilen müssen nicht sein.
_________________ "Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben".
J.W.v.G |
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Tjana Reißwolf
Alter: 63 Beiträge: 1786 Wohnort: Inne Peerle
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19.05.2018 22:04
von Tjana
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Jemand philosophiert mathematisch über Begegnungen und Trennungen und erscheint am Ende zufrieden mit der eigenen Einsamkeit.
Schöne Geschichte.
Aber die Vorgabe erscheint nicht wirklich eingebaut, eher zwangvoll am Ende drangepappt.
_________________ Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein) |
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traumLos Eselsohr
Beiträge: 380
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20.05.2018 03:29
von traumLos
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Hallo, ich weiß nicht wer.
Was mache ich nur mit diesem wunderbaren Text? Gedanken in schöne Sätze gebunden. Eine lesenswerte Gedankenkette geknüpft. Die vorgegebene Szene ist allerdings das Einzige, was eine Geschichte in diesem Text erzählt. Die letzen Zeilen. Tja, was ist eine Geschichte. Kann dies eine Geschichte sein. Ja natürlich, aber nicht in dem Sinn, wie ich die Aufgabe zu diesem Wettbewerb verstanden habe.
Schon allein für diesen Text hat sich der Wettbewerb gelohnt. Es hat mir große Freude bereitet die Sätze ganz langsam einzeln zu lesen und ihre Schönheit zu genießen.
Die Vorgabe, die Szene, alles da. Einer der besten Titel im Wettbewerb.
Für den Wettbewerb dennoch leider 0 Punkte
_________________ Meine Beiträge geben nur meine Meinung wieder. Jede Einbeziehung realer oder fiktiver Personen wäre nur ein Angebot. Zwinkersmiley |
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rieka Sucher und Seiteneinsteiger
Beiträge: 816
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20.05.2018 13:41
von rieka
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Eine introspektive Beziehungsstudie? Die Protagonistin (ich gehe einfach mal von einer weiblichen Solchen aus) schlägt sich herum mit viel Ungewissheit und Ungefährem über die reale Bedeutung der Beziehung zu diesem einen speziellen DU, zu der eigenen Beziehungsbereitschaft/fähigkeit/unfähigkeit und der des Gegenübers. Und Zerrissenheit.
Wobei die Protagonistin eigenes Erleben, eigene Erfahrung und behauptete Gesetzmäßigkeiten miteinander mischt und verallgemeinernd in den Raum stellt.
Unbekannter Autor, So verstehe ich deinen Text.
Ich finde ihn gut zu lesen, durchdacht geschrieben, bewegt geschrieben, nachdenklich machend. Ein Text, in dem man länger verweilen und sich dem Nachdenken und der kritischen Infragestellung überlassen kann.
Dennoch gibt es etwas an diesem Text, das mich mit ihm hadern lässt. Vielleicht eine persönliche Empfindlichkeit von mir. Es sind die gehäuften Verallgemeinerungen von „Lebensgrundsätzen“ , das Schubladen bauen, bei dem ich eine innerliche Ablehnung bekomme und das mir das Angenehme und Tiefgründige an dem Text verdirbt. Beispiele:
- Weil der Mensch ist, was er sagt …
- wenn zwei Menschen sich nicht brauchen und nicht mögen, dann können sie einander alles zeigen …
- verlieren Menschen jede Weite, sobald sie sich in Verbindlichkeiten verstricken
etc.
Diese Sätze, die da stehen wie in Stein gemeißelt, vermitteln, dass dies tatsächlich für Alle so ist. Was ich bezweifle.
Im Lesefluss bewirkt dies, dass ich aus der Identifikation mit der Protagonistin heraustrete.
Hätte die Protagonistin deutlich gemacht, dass es für sie so ist, hätte ich ihr folgen können, hätte es als ihre persönliche Wahrnehmung, ihre Erlebensweise, ihre Gesetzmäßigkeit verstehen, mich zwar nicht identifizieren, aber einfühlen können. Die Einordnung in Schubladen >der Mensch ist so< lässt mich die Schilderung eingeengt und einengend erleben.
Diese Wahrnehmung dieses Teils des Inhalts sagt aber nicht, dass ich den Text nicht gut geschrieben finde.
Die „Wagen“passage wirkt auf mich wie ein gerade noch rechtzeitig eingefügtes Anhängsel. Für deinen Text, Autor, und die Aussage darin, ist sie völlig unerheblich. Oder habe ich an dem Punkt etwas nicht oder falsch verstanden?
Und warum ist der Hund draußen gelassen? Er hätte doch in den Ablauf noch reingepasst.
Die Art dieses Textes finde ich bei allem Unbehagen so gut, dass er in der Favoritenliste landete.
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Stimmgabel Papiertiger
Beiträge: 4370 Wohnort: vor allem da
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20.05.2018 19:03
von Stimmgabel
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Hallo Inko,
eine wartender Prota auf seine Liebe, Sehnsucht, sitzt auf einer Treppe vor dem Haus ... wärhrend des Wartens spielt P kopfkino'esk sämtliche Gründe durch, warum diese Liebe letztlich nie hätte stattfinden können, dürfen [ mir persönlich einerseits zu intellektuell phrasig, andererseits ein Warte-Szenario, das zuweil solche hineinfall_Negationen aufwallen lassen kann, schon realistsich ];
kommt dann ein Wagen vorbei, fährt vorbei, kommt zurück / suggeriert die text_Szene unterschwellig, als wär die Wagenperson derjenige, auf den Prota wartete ... P drückt den Zigarettenstummel aus,
ein finer 'offenbleibender' Textausgang [ und fine fine, ist keine lutschi_Pointe, eben keine Pointe ].
Gruß Stimmgabel ...
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_________________ Gabel im Mund / nicht so hastig... |
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