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PhilipS Leseratte
Beiträge: 109
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14.03.2018 17:28 Reisebericht eines Heimatverbundenen von PhilipS
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Liebe Dichterinnen und Dichter,
ich schreibe ausgesprochen selten Lyrik, habe ich als prosaischer Schuster doch beschlossen, bei meinen Leisten zu bleiben. In dieser Entscheidung wurde ich nach einigem gelegentlichen Querlesen hier bestätigt. Dennoch würde mich Eure Meinung zu meinen Ausflügen in die Lyrik interessieren, weil ich bisher keine Gelegenheit hatte, sie einer fundierten Kritik auszusetzen. Ich habe mich einmal an satirischen Gedichten nach Art des großen Erich Kästner versucht. Dass diese Versuche schon ein paar Jahre zurückliegen, dürfte aus den Anspielungen im ersten ersichtlich werden. (Die Älteren werden sich erinnern.)
Reisebericht eines Heimatverbundenen
Kürzlich besucht' ich ein seltsames Land!
Als Land der Dichter und Denker bekannt.
Dichter und Denker – das wären sie gern!
Denker und Dichter und distinguierte Herrn.
Denker und Dichter – das war'n sie einmal,
doch sehn sie einen Nachhall im Bildungskanal,
suchen sie lieber den Superstar
und wollen nicht sehen, was einmal war.
Die einen im niederen Bildungs-Gefilde
die glauben, sie seien über alles im Bilde,
wenn sie ihre Meinung bilden über Euro und
Griechen
und nicht merken, dass sie durch Unflat kriechen.
Und dann die wahrhaft gebildete Klasse!
Wie hoch stehn sie doch über der Masse!
Wie erhaben doch jene Gesellen,
die sich da nennen die Intellektuellen.
Wie sie in Talk-Shows philosophieren,
über Präsidenten-Urlaub sich echauffieren.
Sonnen sich zumeist im eigenen Glanz
gekrönt mit medialem Lorbeerkranz.
Und erst jene, die uns regieren,
Gesetze machen und sich nicht genieren,
Volkes Wohl im Munde zu führen
und mit süßen Worten an den Geist zu rühren.
Welche Werke sie angeblich tätigen,
damit wir sie im Amt bestätigen!
Mit der Rede von Volkes Wohlergehn
werden uns noch Hören und Denken vergehn.
Und wie ist's um die Wirtschaft bestellt?
Sie ist frei und scheffelt das Geld.
Und wenn sie dann Verluste beteuert,
wird sie noch geringer besteuert.
Den Bürgern und Menschen und Lenkern:
So geht’s zu mit Dichtern und Denkern.
Dichter und Denker – so hätten sie's gern!
Denker und Dichter – als ob sie das wärn!
Manch einer fühlt sich in der Nacht
bei solch Gedanken um den Schlaf gebracht.
Doch möcht' ich selbigen nicht missen
und bette den Kopf nun auf mein Kissen.
Doch halten mich noch lange wach
Bürger-Geschwätz und Medien-Krach.
An Deutschland zu denken in dieser Nacht
hat auch mich um den Schlaf gebracht.
Weitere Werke von PhilipS:
_________________ Schreibt die Texte, die Ihr selber gerne lesen möchtet. |
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Justadreamer Leseratte
J Alter: 26 Beiträge: 197 Wohnort: Bayern
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J 15.03.2018 23:01
von Justadreamer
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Hallo Philip,
ich finde deinen "Versuch" sehr überzeugend. Da ich nur wenig Zeit habe, will ich nur auf die Metrik eingehen, weil ich da am liebsten herumpfusche
Du benutzt immer 4 Versfüße, die zumindest hauptsächlich Daktylen enthalten, deswegen will ich alles etwas in diese Richtung biegen (Beim Sprechen kann man da oft schummeln, deswegen nicht zu eng sehen wenn ich Erbsen zähle) Falls es dir nicht taugt - ist nur ein Vorschlag
Zitat: |
Reisebericht eines Heimatverbundenen
Kürzlich besucht' ich ein seltsames Land!
Als Hochburg der Dichter und Denker bekannt.
Dichter und Denker – das wären sie gern!
Denker und Dichter und distinguierte Herrn.
Denker und Dichter und hochedle Herrn (oder anderes Wort mit 3 Silben)
Denker und Dichter – das war'n sie einmal,
doch sehn sie nen´ Nachhall im Bildungskanal,
suchen sie lieber den Superstar (Superstar nicht im Metrum, ändere ich aber nicht)
und wollen nicht sehen, was einmal war. (Hebung auf "ein" finde ich auch nicht so perfekt...naja)
Und wollen nicht sehen was früher doch war
Die einen im niederen Bildungs-Gefilde
die glauben, sie sei´n über alles im Bilde,
wenn sie ihre Meinung bilden über Euro und
Griechen (ne, das muss leider raus - auch weil 2x bilden)
Sinnieren sie über die Währung und Griechen
doch ohne ihr Wissen durch Dreckhaufen kriechen
Und dann die wahrhaft gebildete Klasse!
Wie hoch stehn sie über der wertlosen Masse!
Wie erhaben doch jene Gesellen,
Wie durchscheinend sind sie, die hohen Gesellen
die sich da nennen die Intellektuellen. (Intellektu wäre hier ein 4-Silbiger Versfuß bzw 2 eigenständige)
Die sich da nennen die Weisheit aus Quellen.
Wie sie in Talk-Shows da philosophieren, (mit dem da hältst du den Daktylus ein)
über Präsidenten-Urlaub sich echauffieren.
Über Obrigkeits-Urlaub sich echauffieren (echauffieren nicht im Versmaß, lasse ich aber)
Sonnen sich zumeist im eigenen Glanz (die Hebung bei "zu ist ungüstig)
Sonnen sich oftmals im eigenen Glanz
gekrönt mit dem zeitlosen Lorbeerenkranz.
Und erst jene, die uns regieren,
Und erst diejenigen, die und regieren
Gesetze erlassen und sich nicht genieren,
Volkswohlergehen im Munde zu führen
mit schleimigen Worten das Herz anzurühren.
Welch´ heilende(n?) Werke sie listig vollbringen, (da tätigen hier einen Versfuß mit 2 Silben bedingt, ändere ich das Wort)
um uns mit dem fälschlichen Schein zu umschlingen
Mit der Rede von Volkes Wohlergehn (hier dasselbe Spiel)
Mit sinnleeren Worten von ew´gem Bestehen (oder Volkswohlergehen)
wird uns noch Hören und Denken vergehen.
Und wie ist es um uns´re Wirtschaft bestellt?
Sie ist doch so frei und sie scheffelt das Geld!
Und wenn sie dann hohe Verluste beteuert,
wird sie ja nur noch geringer besteuert.
Den Bürgern und Menschen und fleißigen Lenkern:
So geht´s einher mit den Dichtern und Denkern.
Dichter und Denker – so hätten sie's gern!
Denker und Dichter – als ob sie das wärn!
Manch einer fühlt sich in dunkelster Nacht
bei solchen Gedanken um´s Schlafen gebracht.
Doch möcht' ich den Traumbruder selber nicht missen
und bette den Kopf auf mein seidenes Kissen. |
Doch halten mich heute noch sehr lange wach
Bürger-Geschwätz, Lärm und Medien-Krach.
An Deutschland zu denken in heutiger Nacht
hat nun auch mich um das Schlafen gebracht. (hier wäre das "Um den Schlaf gebracht" ein sinnvoller Bruch mit dem Metrum und wsl. besser als diese Version)
Ich hoffe, ich habe mich nicht selbst in dem Daktylus-Dschungel verhakt und will dir das Ganze mal so dalassen.
Hier noch die Melodie: daDAdadaDAdadaDAdadaDA
Damit eine gute Nacht!
Die inhaltliche Analyse überlasse ich jemand anders
Tobid
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Eredor Dichter und dichter
Moderator Alter: 32 Beiträge: 3416 Wohnort: Heidelberg
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16.03.2018 13:14
von Eredor
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Hi PhilipS,
ich finde das, obwohl es handwerklich sehr gelungen ist, inhaltlich sehr schwer zu halten. Zum einen, weil sich hier das LI herausnimmt, festzulegen, warum wer wann jetzt "Dichter und Denker" ist und wer nicht - zum anderen, weil dieses Gedicht, das eben dadurch einen Herrschaftsanspruch deklariert, oberflächlich ist und nur Schubladen in Schubladen steckt. Das liegt nicht unbedingt an deinen Bildern, sondern mehr an der Form, und mit der Form auch an dieser Grunvoraussetzung, die sich der Text selbst setzt: nämlich jetzt ganz deutlich und sicher Gesellschaftskritik zu üben. Damit setzt du die Latte hoch, und - eigentlich können explizit politische Gedichte nur enttäuschen, zumindest habe ich noch keine gelesen, die mich nachhaltig beeindrucken konnten.
Ich finde auch nicht, dass der Text besonders satirisch ist, weil er die Dinge sehr klar und deutlich benennt, ohne dabei innovativ zu sein. Kurz: Der Inhalt fällt hier mehr als oft der Reimform zum Opfer.
Zitat: | Und dann die wahrhaft gebildete Klasse!
Wie hoch stehn sie doch über der Masse!
Wie erhaben doch jene Gesellen,
die sich da nennen die Intellektuellen. |
Zum Beispiel verhandelt diese Strophe hier nur eine einzige Aussage (Intellektuelle sind arrogant), die aber tautologisch mehrfach wiederholt wird, um das Versmaß, um den Reim zu halten.
Zitat: | Wie sie in Talk-Shows philosophieren,
über Präsidenten-Urlaub sich echauffieren.
Sonnen sich zumeist im eigenen Glanz
gekrönt mit medialem Lorbeerkranz. |
Hier hätte sich tatsächlich eine Weiterführung des Gedankens angeboten. "Sonnen sich zumeist im eigenen Glanz" - in welchem Glanz? Leider wird der Gedanke aber stehen gelassen, bleibt an der Oberfläche, genau wie der "mediale Lorbeerkranz", den ich an sich für ein gelungenes Bild halte.
Zitat: | Denker und Dichter – das war'n sie einmal,
doch sehn sie einen Nachhall im Bildungskanal,
suchen sie lieber den Superstar
und wollen nicht sehen, was einmal war. |
"Nachhall im Bildungskanal" finde ich schön, aber syntaktisch hier nicht präzise untergebracht. "einen Nachhall?" Ich bezweifle auch stark, dass diejenigen, die sich früher einmal als Dichter und Denker haben bezeichnen lassen, heute DSDS schauen würden. Vielleicht liegt es ja auch- du sagst es - am Alter des Gedichts, denn diese - sehr seltsame - Annahme, Entertainment-Sendungen führten zum Verfall der Intellektualität, habe ich schon viel zu oft gehört. Die Frage ist ja sowieso, ob ich will, dass Deutschland "wieder" (?) ein Land der "Dichter und Denker" wird, und vielleicht unterscheidet sich schon in diesem Punkt meine Meinung von der des LI.
Im Grunde habe ich hier überall denselben Kritikpunkt. Ich spüre, du kannst schreiben, aber die Form scheint nicht die deine zu sein, weil sie viele Gedanken im Keim erstickt. Aber wie gesagt: Handwerklich sehr gelungen.
LG Dennis
_________________ "vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel |
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