rolfen

[Silvian]

darf ich sie wolfen

fragt mein jagdinstinkt
aber sagt distinkt

ich sei schaf
rolf im faulpelz
halb im schlaf

das stimmt
bestimmt

fahren wir golfen

[palmer]

Das gefällt mir von den Gedichten, die ich von dir bisher gelesen habe, am besten, weil es mich am meisten überrascht hat, mit viel Platz für Welt zwischen den Zeilen. Eine sehr kurze Zähmungsgeschichte.

[Silvian]

Danke sehr, mir gefällt es auch mit am besten, weil es eine eigentlich beschwerliche Geschichte ganz leicht erzählt.

[Heidi]

Lieber Silvian,

dieses LI hat einen widersprüchlichen Jagdinstinkt; einen der fragt, anstatt - wie ich das gewöhnlich erwarten würde - einfach zu tun. Vielleicht liegt diese unnatürliche Verhaltensweise an einer Vermischung dieser aber-Geschichte, die danach kommt?
Für puren Jagdinstinkt scheint mir hier etwas zu viel Verstand mit hineinzugeraten. Deshalb.
Und warum sollte LI sie nicht wolfen dürfen? Das frage ich mich. Es muss irgendetwas geben, was zwischen LI und ihr steht (ist ja mit distinkt angedeutet), aber es bleibt unklar, warum das LI so stark hinterfragt, weshalb das Golfen in Kombination mit dem Begriff distinkt und der LI-Zurückhaltung, in mir das Bild einer künstlichen Frau erzeugt.
Manchmal frage ich mich, woher diese Bilder kommen, aber es ist nun mal so. Sie ist Kunststoff, weniger Wildwasser. Und der Trieb wird hinterfragt. Ein gehorsames LI. Das Golfen am Ende wirkt dann mechanisch-matt, als würde LI mit den Schultern zucken und nachgeben. Wenn sonst nix geht, dann eben auf den Golfplatz.

Aber es gibt auch diese Leichtigkeit, die beim Lesen mitschwingt, die mich stutzen lässt, als würde der Text sich selbst nicht allzu ernst nehmen. Und genau deshalb hab ich ihn gleich noch mal durchdacht und eine weitere, völlig neue Leseart für mich entdeckt, die mir wesentlich besser gefällt.
Ich lese das Gedicht auch gerne so, als wäre der Inhalt als übergeordnetes Bild zu verstehen. Das wolfen ist in meinem Lesen ein Synonym für das Begehren (dieses auch für die erste Interpretation). Es gibt hier eine Sie, die begehrenswert auf das LI wirkt, wie auch immer, sie muss nicht Plastik sein, weil ich distinkt (wenn übergeordnet) anders betrachte, kann aber durchaus, weil das nicht relevant ist, wenn ich alles etwas "erhöht" anschaue. Das Golfen empfinde ich dann als Synonym für spielen. Also ein Spieltrieb, nun ausgehend von der LI-Stimmung, weil es ja das LI ist, das aufgrund seiner rolf-faulpelzigkeit und verträumt, wie es ist (halb im Schlaf), schließlich mit Bestimmtheit sagt/denkt/wasweißich: jetzt mal golfen.

In der ersten Deutung sah ich das Golfen als etwas Distanziertes an; ein Sport, der einer gewissen Gesellschaft vorbehalten ist. In dieser neuen Coverversion empfinde ich es als schön. Was passiert beim Golfen?, frage ich mich. Ich habe keine Ahnung, nur Bilder:
Fahrzeug, Kugel, Schläger, Loch, Sorgfalt, Gras – jede Menge, kein Dach überm Kopf.
Im Zusammenhang mit dem Inhalt dieser „Geschichte“ entsteht in mir ein lustiges Bild.
Oder tun sie Mini-Golfen?

In meiner ersten Interpretation finde ich das LI etwas unterwürfig. In der zweiten löst sich diese Unterwürfigkeit automatisch auf, weil ich das Golfen nicht stramm sondern beweglich erlebe.

Bisher der verspielteste Text, den ich von dir kenne.

Liebe Grüße
Heidi

[Berni]

In der Tat ein lockerer Text. Unterhaltsam mit Worten gespielt.

[Silvian]

Danke, Berni und Heidi, für eure Gedanken zum Text. Als unterwürfig sehe ich das LI nicht, sonst hätte der Jagdinstinkt gewonnen. Aber dessen Frage war ohnehin nur rhetorisch, die Antwort hatte er ja schon parat.

LG
Silvian