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mind the gap

 
 
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag24.01.2018 21:08

von Jenni
Antworten mit Zitat

Tjana hat Folgendes geschrieben:
Bewusste Lücken im Text. Ich frage mich, wofür sie stehen.
Ein Gedankenmoment, höchst unruhig, unglücklich.
Sehr nachvollziehbar aneinander gereihte Fetzen eines offenbar nicht mehr so jungen Denkenden, kennt die Figur doch immerhin die Augsburger Puppenkiste und Benjamin Blümchen.

Was treibt sie so hektisch um? Der Boden unter den Füßen scheint verloren. Ängste greifen um sich. Dann im letzten Absatz ein „Du“. Das Sehnen danach.
Ein Text, der lange festhält, zum Nachdenken und neu Durchdenken zwingt.
Kommt sicher auf die Liste

Es freut mich, wenn ich dich zum Nachdenken gebracht habe. Dein Kommentar bringt mich auch zum Nachdenken. Du könntest Recht haben, dass jemand in dem Alter, in dem ich mir meine Protagonistin vorstelle, andere Kindheitshelden/Erinnerungen hat/te als ich ihr zugeschrieben habe. Ich dachte, die wären zeitlos.
Trotz dieses Umstandes habe ich das Gefühl, du hast etwas erspürt, was ich auch selbst in dem Text sehe.
Danke für deinen Kommentar und sieben Punkte. smile
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag24.01.2018 21:14

von Jenni
Antworten mit Zitat

poetnick hat Folgendes geschrieben:
Ja, ein neutraler ‚Kommentar‘ um werten zu können; die Tiefenfülle des Materials ließ mir
keine andere Wahl.

Das Gefühl habe ich oft auch angesichts der Fülle der oftmals sehr fordernden Texte. Wenn ich mich dann aber durchringe und trotzdem zumindest versuche, ein paar Worte zu jedem Text zu formulieren, nehme ich daraus jedes Mal viel mit - und sehr oft fällt mein Urteil danach ganz anders aus als zuvor angenommen. Das passiert in beide Richtungen, ich entdecke plötzlich viel mehr in einem Text als geglaubt, oder aber ich merke, dass trügerisch war, was mich zuerst beeindruckte. Das ist jetzt nicht vorwurfsvoll gemeint, ich verstehe es schon, wenn man sich die Zeit nicht nehmen will oder kann. Eher als Anregung.
Danke für die beiden Punkte, die du dagelassen hast.

EDIT
Und ebenso danke @nebenfluss für zwar keinen übermächtigen Kommentar aber vier Punkte.
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Tjana
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 63
Beiträge: 1786
Wohnort: Inne Peerle


Beitrag25.01.2018 00:23

von Tjana
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Ich freue mich, dass mein doch sparsamer Kommentar offenbar richtig (=positiv) bei dir ankam.
Dieser blöde Fuß hat mir ja leider mehr Zeit und Gedankenklarheit genommen, als ich es mir für die Kommentare gewünscht hatte.
Was mich an deinem Text auch fasziniert hat, war die Nähe zu meinen eigenen Gedanken und Worten in diesem Wettbewerb. Da war etwas Vertrautes, ähnlich dem, was ich begann zu schreiben und dann abbrechen musste. Du hast deine Worte in Schilder gesteckt, ich meine in Hörbares, überall überflutend. Aber egal, davon will ich gar nicht schwafeln.
Eigentlich wollte ein Lob / eine Anerkennung noch mal gesagt werden, weil der Kommentar so kurz ausfallen musste: Du hast Mehrschichtigkeit und Tiefe geschafft. Ich nicht.

Und - wahrscheinlich hast du recht, dass das Urmeli zeitlos ist. Habe wohl die falschen Eltern vor mir gesehen, deren Kinder lieber auf Action stehen ... Smile
Ich hab es jedenfalls gerne und sofort entdeckt Very Happy


_________________
Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein)
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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1425
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag25.01.2018 12:44

von Heidi
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Liebe Jenni,

ich hab mich noch mal in den Text reinversenkt und jede Menge Entdeckungen gemacht, die ich vorher im Gesamtbild natürlich nicht so intensiv wahrgenommen habe. Denn ich lese sehr stark im Gesamten, also, ob ein Bild entsteht durch Sprache, Rhythmus, Spielereien und schaue erst mal weniger darauf, ob das einzelne Sinn ergibt. Aber jetzt zu den Einzelheiten.

Zunächst einmal ist es der Titel, der mich fasziniert, weil er sofort ein Bild hervorruft - auch ohne das Bild, das du dem Text voransetzt. Ich sehe die Lücke durch die Begriffskombination "mind the gap"; vielleicht auch, weil es sich um eine sichtbare Lücke handelt (sofern man von so einer sprechen kann), während eine Lücke, wenn man sie emotional betrachtet - also das Fehlen von einem Menschen, das Fehlen von Zuwendung, Liebe, Nähe - eben nicht sichtbar ist. Wenn ein Kind nicht in den Arm genommen wird, weil Mama nicht der Typ dafür ist, dann kann ich das am Kind selbst nicht sehen und genauso ist es mit einem Menschen, den man gern bei sich hätte, die Lücke klafft in einem selbst, ein anderer kann sie nicht sehen, höchstens an der Stimmung erkennen, wenn er von empathischer Natur ist, aber selbst dann wird er die Lücke nicht füllen können, die dort klafft und der Titel "mind the gap" gibt mir einen ganz klaren, bildhaften Hinweis für ein Fehlen. Vielleicht auch, weil man, wenn man jemanden, etwas vermisst, durchaus auch diesen inneren Schrei in sich spürt und (je nach Temperament und Dringlichkeit des Schmerzes, der eventuell durch diese Lücke hervorgerufen wird) den am liebsten hinausposaunen würde, der Welt mitteilen würde: Jetzt achtet mal darauf, wie lückenhaft es gerade in mir aussieht. Mensch, seht ihr das denn nicht? Aber keiner siehts, oder nur wenige, die aus dem Schwarm ausbrechen, aber auch die können nichts tun, denn die Lücke ist nun mal vorhanden, sie ist als Realiät in den Boden gerissen, weshalb ich dieses Loch zwischen Bahnsteigkante und Zug als Bild einfach nur genial finde.
Wie oft sagt man den Kindern beim Aussteigen aus der Bahn: Mach einen großen Schritt, weil man im selben Moment dieses grausame Bild vor Augen hat (was real bestimmt völlig anders ausfallen würde), wie das Kind vom Nichts verschluckt wird.

Aber gleichzeitig widmet sich dein Text nicht nur der Lücke eines einzelnen Menschen, oder dem Menschen, der von deiner Denkerin/deinem Denker hier vermisst wird, sondern er widmet sich anfangs allen Menschen:

Jenni hat Folgendes geschrieben:
     vergessen Sie nicht, den Sturz in den Abgrund zu vermeiden, vergessen Sie nicht, welche Lücke Sie hinterlassen


Hier lese ich ganz klar den Bezug darauf, wie wichtig der Einzelne ist bzw. wäre, in seiner Individualität, die später dann (Schwarm der Fische) noch mal thematisiert wird. Das hat mit der Höflichkeitsform zu tun, die Ansprache Sie. Jeder, der im unendlichen Schlund des Nichts verschwindet, wird fehlen, weil er als Individuum in der Welt gebraucht wird.
Hier stelle ich mir dann auch automatisch die Frage: Wie viele Menschen verschwinden schon in der Lücke, ohne dass es als Tatsache sichtbar wird (Schwarm der Fische) oder doch sichtbar in anderer Form, in unsichtbarer Form, die wiederum Auswirkungen auf die Welt hat, auf die Gesellschaft usw. hier noch tiefer zu graben, würde aber tatsächlich den Rahmen sprengen. Deshalb gehe ich im Text weiter und hoffe, du kannst meinen konfusen Gedanken folgen.

Jenni hat Folgendes geschrieben:

______________ vergessen Sie nicht, wo Sie sind oder welche Richtung   anyway, Entschuldigen Sie bitte, [ich] meine sorry, sorry for standing in your way riecht es nach Fisch, Menschenfische umschwimmen einander über unter einander, Fische, die den Weg nach Hause kennen, Heimatfische alle nur [ich] stehe im Weg und gelingt es nicht mitzuschwimmen, stromlinienförmig, Bakterien, Bakterien oder Pilze riechen wie sie gegessen haben, schleimige Pilze in runden Fischmündern, die auf- und zuklappen ohne etwas zu sagen zu haben, Geräusche, Rauschen, Meeresrauschen, [ich] verstehe nicht, nicht, nicht wegen der Sprache, so geht es mir inzwischen mit fast allen Menschen, verstehe was sie sagen, nicht was sie meinen denken empfinden oder warum überhaupt [ich] empfinde nichts seit


Hier kommen dann Empfindungen dazu, die der Denkerin/des Denkers. Alles ist ausgeblendet, im Laufen durch den Bahnhof, die Straßen. Da ist Gewusel, Menschen quetschen sich aneinander vorbei und der/die Protagonist/in nimmt nur noch ein wirres Bild des Äußeren wahr, ist in Gedanken, dort bei jenem Menschen, den er/sie vermisst. Diese Unterwasserwelt wird an dieser Stelle unheimlich dargestellt. Schleimige Pilze, runde Fischmäuler, Bakterien.
Dann das Rauschen ringsherum, diese Kombination erzeugt in meinem Lesen den Ton, die Lautstärke, eine unangenehme Lautstärke, die der/die Erzähler/in ausgesetzt ist, ein Wechselspiel zwischen innen und außen. Das Gefühl innerlich, des Fehlenden und die äußere unheimliche braun-glibschige Fischwelt, die ihm/ihr geballt entgegentritt.

Jenni hat Folgendes geschrieben:

________________ nur den Lärm, vergessen Sie nicht das Denken zu vermeiden, gedankenlos Treppe rauf Treppe runter, niemanden berühren, Ansteckungsgefahr wo sie mich berühren wachsen mir Fischschuppen aus der Haut, bleibe [ich], nimmt der Pegel ihres wortlosen umeinander Vorbeieilens zu und mich mit, niemals zurückbleiben, Luft, Ersticken Luft, Regen, schon wieder Regen, dabei konnte [ich] einmal gut schwimmen, weit ins Meer hinaus, schneller auch mutiger als


Die Bahnhofsatmosphäre ist hier sehr authentisch abgebildet. Wie man sich selbst auch dieser Masse fügt. Bloß niemanden berühren, immer hastig voran. Man wird nach vorne geschoben, wie unsichtbar, die eigenen Gedanken, das Denken verliert sich zwangsläufig in der Hast-Stimmung. Wer kann sich ihr entziehen?
Der eingefettete Teil als Erinnerung, vielleicht wehmütig, an die entgegengesetzte Richtung, also an Zeiten, wo für LI noch ein gegen-den-Strom-schwimmen möglich war, das eigene aktive Denken im Lärm aller Hast hervorstechen konnte, weil die Kraft vorhanden war und jetzt ist es weg, weil

Jenni hat Folgendes geschrieben:
______________


das Fehlen dieser Person in seiner Realtiät allen Widerstand brechen lässt.

Jenni hat Folgendes geschrieben:
jetzt versuch mal, nicht an weiße Elefanten zu denken, die gibt es nämlich nicht Primrose, die kleine Schwester, gerettet um am Ende zu sterben, auch so ein Grund zum Weinen, links aber rechts, oder geradeaus, traurigste Lesemomente erstens: das Ende von Hunger Games, heimatlos in der Heimat und wo bin ich, Häuser und Menschen aus Glas, vier sieben drei acht, OpenStreetMap, Primrose ist richtig, nicht ganz falsch, links aber oder rechts, Regentropfen glotzen wie kleine Facettenaugen aus dem leuchtenden Display, geht ein iPhone von Facettenaugen kaputt oder nur wenn es ins Klo fällt, zweitens: das Ende von Das Glück wie es hätte sein können, wie pathetisch, einen weißen Elefanten gibt es ja, in dem Gedicht, dann und wann kommt er vorbei, drittens: Rilkes Karussel, denn der ist jetzt auch grau, straßengrau, nachtgrau, elefantengrau, Karusselbetreiber wissen literarische Elefanten nicht zu würdigen, nicht einmal in Paris, wo


Ab hier wirds dann richtig bunt. Dieser Mix aus Primrose, das Mädchen, das am Ende doch sterben musste, den Elefanten und dem Denken an Dingen, an die man nicht Denken mag oder sich selbst befiehlt nicht daran zu denken, dann aber automatisch daran denken muss. Und dann der Bezug zu Rilkes Karussell - das könnte auch ein Bahnhofsgedicht sein. Stimmt. Weil Bahnhöfe einfach geheimnisvolle Orte sind (wenn man sich klar macht, was dort tagein tagaus so passiert).
Das Gedicht erzählt von diesem immer wiederkehrenden weißen Elefanten, neben all den anderen Figuren (Löwen usw.). Ein schönes Bild für den Menschen, der hier vermisst wird, entgegen den trubeligen Neonlichtern im Außen.
Sehr komplex hier dargestellt, wie Gedanken (bei gewissen Denkern) funktionieren. Wer weiß, vielleicht ist LI gerade an einem Laden/Restaurant vorbeigelaufen, der irgendwo irgendwas elefantiges als Dekoration im Fenster hat oder vertreibt. So lese ich es jedenfalls. Dann kommt sofort der Gedanke, nicht an Elefanten zu denken, versucht ihn wegzuwischen, aber jetzt der Sinnesreiz, die Primrose-Street und wieder nur Leere, weil die liebe Prim trotz enormer Anstrengung dann doch nicht leben durfte. LI versucht in eine andere Richtung zu denken, die Flucht fruchtet aber nicht, wieder tauchen Elefanten auf, nur noch Elefanten und alle erzählen dasselbe. Dabei will der/die Denker/in nicht wieder die Traurigkeit spüren, schafft es aber nicht die fehlende Person auszublenden. Eine ewige Karussellfahrt, der Elefant taucht auf, geht weg, taucht auf, geht weg, taucht auf. Dazwischen andere Reize, die aufblitzen, aber alles erinnert an den Verlust. LI ist also nicht in der Lage, trotz allem Drumherum etwas anderes in sich zu bewegen, als diese fehlende Person. Egal, was ihm gegenübertritt, es wird wie automatisch mit diesem Fehlen kombiniert.

Jenni hat Folgendes geschrieben:

______________ unter Wasser ist es ganz still, gerade die Stille verleiht der Bewegung Anmut, der stillen Bewegung der Menschenfische und Algen Anemonen Schildkröten, und Seeelefanten, Seelefant singt traurige Lieder, gar nicht so einfach, nicht an Elefanten zu denken, und unmöglich nicht an ________________ un elefante se balanceaba sobre la tela de una arana Elefantendenken, dann schon lieber Elefanten, eine sichere Zone was das Denken betrifft, in einem Tierpark waren ___________ (in Indien am Ende auch nicht) ___________


Das ist jetzt ein Szenenwechsel, ich empfinde es so. Ein neuer Gedanke strömt rein, angestoßen durch irgendwas, was ich nicht sehe, dein/e Protagonist/in aber aufgenommen hat. Es ist ruhiger hier, ich befinde mich unter Wasser, aber dieses Mal eine angenehmere Welt, als vorhin mit den Bakterien und Pilzen. Melancholie schwingt mit rein und ich freue mich hier dem Seelefant begegnen zu dürfen, der als Figur im Urmel so charakteristisch ist, mit seinen Ö-Sprachfehler, der seinem traurigen Gesang eine ganz eigene Note gibt. Un elefante se balanceaba kannte ich noch nicht, hab ich gegoogelt. Sehr paradiesiesch und lustig. Laughing
Durch diese Stelle bekommt der Text etwas Lockeres. Überhaupt finde ich den Gedankenfluss spannend, weil mir das bekannt ist. Dieses plötzliche Aufflackern eines Liedes, angstoßen durch irgendeinen Sinneseindruck. Woher kommt der Ohrwurm? Man kann es im Nachhinein oft nicht sagen, manchmal schon. Hier wird dieser Prozess mal anschaulich behandelt. Langsam, so dass er mir bewusst wird.
Ich mag die Stelle sehr, hat was Verträumtes.

Jenni hat Folgendes geschrieben:
am Ende ist nichts und niemals sicher, dann ist man falsch abgebogen, in die falsche Richtung gelaufen oder zu weit in die richtige, der Himmel zerschnitten zwischen Häusern zurechtgeschnitten, als müsse man auch dort unsichtbare Hindernisse umgehen, willkürliche Begrenzungen oben wie unten, links rechts rechts links rüber, zurück oder da rein, noch mal den ganzen Weg


Das liest sich philospohisch. Ich laufe im Zickzack in diesem Gedankenstrom. Und das mag ich. Absolutes Chaos. Draußen ist etwas anders geworden, ein neuer Eindruck - im Vorbeilaufen, ein neuer Bereich, der mir dann ja "erklärt wird" durch die Angst:

Jenni hat Folgendes geschrieben:

nein ganz schnell aber keine Angst nur nicht anmerken lassen, folgt der mir, hier muss doch niemand zufällig lang nicht schneller gehen, lächerlich, passiert doch nichts, nicht mir nicht heute nicht mir nicht heute bitte nicht heute das Ende, unbekannte Frau in dunkler Gasse erstochen, nicht umdrehen, was ist schlimmer tot oder vergewaltigt oder beides der wohnt da, sieht aus wie ein Banker oder Anwalt, bild dir nicht vorschnell ein Urteil über die Menschen, hättest ______________  


Das meinte ich in meinem Kommentar mit den Farbflächen, die nebeneinander liegen. Die bunt sind, manche leuchten. Vorher noch die Elefantengesichter und jetzt ein zerschnittener Himmel. Es kommt hier was Scharfkantiges. Ein tolles Bild, genauso wie die Sache mit der Richtung, dem falsch-Abbiegen usw. Es gibt unglaublich viele Bilder in deinem Text, auf die ich nicht alle detailliert eingehen kann, auch weil mir die Worte fehlen, oder ich wieder drumherum-schreiben müsste. Vielleicht sogar literarsich antworten müsste, um es verständlich zu machen.

Jenni hat Folgendes geschrieben:

töröö, Benjamin Blümchen, Blossom Street, alles unter Kontrolle, ganz kleiner Umweg, weil die Nacht so schön hässlich die Nacht, alles voller Graffiti sogar die Mülltonnen, Dinge mit schönem Namen aber hässlicher Bedeutung, erstens: Atomic Mushroom, zweitens: Nostalgia, drittens: Blossom Street, auf englisch klingt ja auch lieben ganz ähnlich wie lachen, lachen müsste man kö- hinter der Mülltonne Husten, kältestiller Lärm, drah di net um nur nicht um braucht der Hilfe, wem könnte [ich] helfen Orientierung sein, Schatten unter all den Schatten, viertens: transzendentale Obdachlosigkeit,


Aber die Dunkelheit, also das dunkle Gassenbild wird wieder unterbrochen. Die Figur beruhigt sich selbst - mit Benjamin Blümchens töröö. Manchmal ist in der Stille, wenn sie unangehm entgegenkommt, ein wenig Lärm im Hirn eine gute Lösung. Smile
Das von mir Eingefettete mag ich besonders, weil es ein ursprünglicher, beinahe kindlicher Gedanke ist, der dadurch aus sich heraus authentisch wirkt. Solches Denken ist mir durchaus bekannt.
Die transzendentale Obdachlosigkeit ist ein Bild, das ich absolut spannend finde und das ich gerne noch weiter gedanklich in mir bewege.

Jenni hat Folgendes geschrieben:

da ist er der Wasserpoet und der so schön wie er klingt laut nach Lachen oder Liebe, und völlig ausgeschlossen ___________


Ein Wasserpoet, ein Lebemensch. Schönes Bild. Der Gedanke wird durch das Schild ausgelöst, aber ich sehe einen Springbrunnen mit Wassermännern. Aus den Mündern sprudelts. Laughing

Jenni hat Folgendes geschrieben:
un elefante se balanceaba Menschen fremde Menschenfische, Entschuldigen Sie bitte, da Gertrud ist da, bei ihr ist es umgekehrt, so hässlich ihr Name wie schön sie selbst und sie liebt so oft, eigentlich liebt sie die ganze Zeit jetzt liebt sie mir aus der Menge entgegen und winkt, winkt Fledermäuse weg, alle lachen so laut und Bier und kennst du schon Adam, kennt er mich, auch beim Guardian, is that true, for an internship, könnte man so sagen, Bescheidenheit ist eine Zier, eh alles nur Zufall, oder B-stimmung, Vitamin B so ein blöder Ausdruck, Fremdbestimmung schon eher, wer trifft seine Entscheidungen denn noch selbst, Gedanken sind chemische Reaktionen dieser Tage, Kettenreaktionen zu spät sie aufzuhalten, so you’re really close to it, to what, to everything, ganz weit weit weg von allem, ganz weit weg von


Dieses immer mal wieder dazwischen-Schieben von dem Ohrwurm, das hat doch sehr was von Chaos-Gedanken und ich glaube, da können sich auch nur Leute reinversetzen, die ähnlich chaotische Gedanken in sich tragen.
Aber hier in diesem Abschnitt scheinen sie sprunghaft zu werden, wieder mehr innerlich. Das Äußere ist eher ausgeblendet. Der/die Denker/in bei sich und seinen verknoteten, lauten Denk/Emotionsabschnitten.

Jenni hat Folgendes geschrieben:
_________ zweites Bier, bitter wie das Leben, never met Johnson, my responsibility is more like the tearoom desk, Adam findet das lustig, Adam findet mich lustig, Adam liebt, und immer dieser Lärm Brexit Zigarette vor der Tür, Atemwolken und Tabakrauch our very personal smog zone, comfort zone Gertrud warm und nah like chickens on the roost, Ally too, not Adam, #metoo no reason to love, drinnen wieder heiß und Lärm und vielzuviele Fische, everybody knows where they were on nine eleven, but do you remember where you spent the fourth London attack twenty seventeen, drittes Bier hard drinking german girl, isn’t it important anymore, [ich] liebe auch aber weiß gar nicht worüber, nobody died, move on einfach mitziehen lassen, Liebe in den Straßen, über alles, über das Leben, viertes Bier in einem Club down or up town, nicht hören was die Fischmünder sagen, nicht hören was die Gedanken denken, lauter, lauter, enger, ein schuppiger Fisch unter vielen, Deep sea baby, follow, [I] follow you


Das hier ist dann so der Chaos-Überschwang. Die Steigerung hat sich so weit gesteigert, die innere Lautstärke, die ja eigentlich nicht vorhanden ist (als sichtbare Tatsache), hat sich so weit gedehnt, dass es nicht mehr weitergeht. Deshalb:

Jenni hat Folgendes geschrieben:
out. Stille wie in eine unsichtbare Wand. Ich halte mir eine gekrümmte Handfläche hinter das Ohr, forme eine Muschelschale, die
kein Meeresrauschen sondern Umgebungsgeräusche einfangen soll. Doch da ist: nichts. Nur das leise Piepen eines akuten
Schalltraumas. In diesen Straßen sind wir nie gemeinsam gewesen, nie in dieser Stadt. In diese Stille sagst du nicht, ist das
Schnee, siehst nicht die winzigen gelben Wassertropfen, die im Laternenlicht vor deinem Gesicht zu schweben scheinen, bevor sie
fallen. Doch wieder nur der Scheißregen, hörst du mich nicht sagen. Nimmst nicht meine Hand, gehst nicht mit mir durch die
dunklen Straßen zurück in ein Zuhause, das noch keines ist. Hörst nicht als einziges Geräusch unser beider Schritte auf dem
nassen Asphalt.[/justify][/fixed]


Schnitt. Stille.
Zu diesem Kontrast habe ich schon etwas gesagt.
Alles fühlt sich wie in Zeitlupe an. Und all die Möglichkeiten, die nicht offen stehen, all das, was niemals passieren wird, tritt mir in wunderschönen Worten entgegen. All die Buntheit, all das Neonlicht verwandelt sich in melancholische Farben, in ein Bild, das in seiner Klarheit verschwimmt (ich muss es so entgegensätzlich ausdrücken, denn andere Worte gibt es dafür nicht).

Was ich beeindruckend finde: Du hast die heranrollende Stille andersrum dargestellt, als ich sie für mich "durchdacht" habe. Es gibt eine Steigerung, einer "lauten Stille" in deiner Figur, dann kommt der Schnitt und dadurch hebt sich die eigentliche Stille noch heftiger hervor. Hochinteressant.

Zu den Aussparungen wollte ich noch sagen, dass sie mich an das Lied "Auf der Mauer, auf der Lauer" erinnern. Diese Wanze, die man zu immer weniger macht und irgendwann ist nur noch die Aussparung da, aber viele Kinder singen immer wieder rein in die Aussparung, weil die Wanze ja doch noch da ist. Man kann sie nicht einfach wegmachen. Und das Tanzen auch nicht.
Das eingeklammerte Ich habe ich als die anonyme Selbstwahrnehmung deines LI unter vielen Fischen empfunden, aber das habe ich auch bereits erwähnt.

Dein Text, ist auf alle Fälle der mutigste im Wettbewerb gewesen, weil er durch seine Aufmachung beim ersten Anblick automatisch einen Abschreck-Moment hervorruft (jedenfalls war das bei mir der Fall). Ein wenig, wie ein Mensch, der sich breit macht, nach vorne drängt und ruft: Hier bin, guckt mich an. Aber oftmals sind es genau diese Menschen, die dann einen ganz zarten Kern in sich verbergen, der wunderschön ist, bei dem es sich lohnt genauer hinzuschauen und so ging es mir auch mit deinem Text. Erst mal Huch und dann Wow.

Bestimmt habe ich was vergessen, aber ich glaube, zu mehr bin ich momentan nicht in der Lage.

Ciao
Heidi
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Municat
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Beiträge: 353
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Beitrag25.01.2018 16:31

von Municat
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Zitat:
Mir ist schon in vergangenen Wettbewerben positiv aufgefallen, dass du genau liest und dich einfühlst, da freut man sich natürlich als Autor(in).
danke Dir smile Das tut gut, zu hören und bestärkt mich darin, bei dieser Art von Kommentaren zu bleiben. Mir machen die Texte allerdings (zumindest meistens) auch sehr viel Spaß - da fällt e nicht schwer, sich zwischen die Zeilen fallen zu lassen und das Geschriebene einfach ungefiltert aufzunehmen.

_________________
Gräme dich nicht, weil der Rosenbusch Dornen hat, sondern freue dich, weil der Dornbusch Rosen trägt smile
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag25.01.2018 23:04

von Jenni
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Tjana hat Folgendes geschrieben:
Eigentlich wollte ein Lob / eine Anerkennung noch mal gesagt werden, weil der Kommentar so kurz ausfallen musste: Du hast Mehrschichtigkeit und Tiefe geschafft.

Das freut mich.
Vielleicht schaffst du es ja in deiner Zwangspause, deiner eigenen Textidee doch noch einmal Raum zu geben. Oder sie kommt später irgendwann noch mal zu dir zurück.


@Heidi: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mir noch einmal so ausführlich deine Eindrücke zu schildern. Das ist wirklich wertvoll. Es macht mich froh, dass so viele Einzelheiten und Zusammenhänge bei dir genauso ankamen, wie ich sie mir vorstellte, und auch, wie dich der Text zu eigenem Weiterdenken animiert hat. Das "mind the gap" gerade, wovon ich sofort einen Ohrwurm hatte, als ich das Thema las, und dann nicht mehr davon lassen konnte (trotz Bedenken à la englische-Titel-blöd und als-Begriff-vielleicht-zu-abgedroschen), weil sich das in so viele Richtungen sinnvoll weiterdenken ließ, Grund Nummer drei für das Fegefeuer, hat bei dir meinen eigenen so ähnliche Assoziationen geweckt. Und tatsächlich finde ich deine Gedanken kein bisschen konfus, sondern kann dir sehr genau folgen. Sieht aus, als ob wir nicht unähnlich denken. smile
Unbedingt muss ich mich auch noch mal eingehender mit deinem Text und den Kommentaren dazu beschäftigen (wenn ich hier irgendwann mal fertig bin). Der hat sich mir ja nicht richtig erschlossen, zugleich glaube ich aber, dass er beim ersten Lesen etwas bei mir ausgelöst hatte, was ich (nach dem Verlust meiner Notizen) darin nicht mehr wiederfinden konnte.
Danke, Heidi! Eine Leserin wie dich, da kann sich ein Text schon glücklich schätzen.


Und auch danke @Municat dich noch einmal zurückzumelden. Weiß man ja nicht, wenn man hier trödelig Tage zum Antworten auf die Kommentare braucht, ob überhaupt noch jemand das liest.

Zwei fehlen noch.
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag25.01.2018 23:42

von Jenni
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Eredor hat Folgendes geschrieben:
Es ist eine riskante Form, die du wählst. Nicht, weil es Bilder mit Literatur noch nie gegeben hat, sondern weil es immer eine gewisse Arbiträrität mitbringt, die schwer aufzulösen ist. Ich will keinen Text lesen, bei dem jemand "random" irgendwelche Schnipsel aneinandergeklebt hat, und dabei muss man das doch bei Texten wie diesen, die ein rein zufälliges Streunen darstellen, und wo der Blick hingeht, wer weiß das schon, wo er landet? Ich finde die Bilder überflüssig. Sie geben mir nichts, was sie nicht auch als ausgeschriebene Wörter gegeben hätten. Du markierst Zeichen, Signifikanten, die außerhalb des Kopfes kommen, indem du sie als Bilder darstellst. Aber logisch zu Ende gedacht müsstest du dann auch externe Personen, externe Worte, eben alles, worauf der Verstand seine Aufmerksamkeit lenkt, als Bilder darstellen, und hier endet für mich die Idee, weil man sie nicht zu Ende denken kann (oder ich zumindest nicht). Trotz allem bleibt ein schönes Gefühl, du transportierst etwas, und ich glaube, der letzte Absatz trägt zu einem nicht unerheblichen Teil dazu bei.

Dennis. Ich musste nachlesen, was Arbitrarität überhaupt bedeutet. Und jetzt könnte ich doch dagegenhalten, dass die in einer ihrem Erscheinungsbild ähnlichen Form eingefügten Schildtexte eigentlich viel ursprünglicher sind als deren Übersetzung in gelesene, nachgedachte Worte. Du meinst, ich hätte konsequenterweise alle externen Eindrücke bildlich darstellen müssen. Ich sehe darin aber tatsächlich einen Unterschied, dass es sich hier um gelesene Worte handelt (und wie schon erwähnt sind es auch keine Fotos sondern entsprechend formatierte Worte). Die akustische Wahrnehmung durch englische Sprache, dort wo die Worte gesprochen oder gehört sind, abweichend von der Sprache ihrer Gedanken, korreliert m.E. damit. Und wie man Personen ursprünglich wahrnimmt, ich behaupte jetzt einfach mal, dieser Eindruck ist komplexer als ein Foto. Darüber hinaus spielen die Worte auf den Wegweisern m.E. eine besondere Bedeutung für die Gedanken meiner Protagonistin, weil sie eben wegweisend sind, sowohl im Sinne ihrer Funktion, ihren Weg durch die Stadt zu steuern, als auch sie ihren Gedankenstrom steuern. Und ich denke, das habe ich ja weiter oben auch schon geschrieben, was sich auch im Begriff der "transzendentalen Obdachlosigkeit" wiederfindet und wie ich hoffte im Vorbeirauschen der Unterhaltungen über Themen mit Konfliktpotential, dass eine Art innere Orientierungslosigkeit oder Verlorenheit der L.I. Thema ist. Nicht ganz "random" also. Und ein rein zufälliges Streunen übrigens ist auch ihr Weg nicht, ich war zwar nicht extra in London, aber ich könnte dir genau sagen, wie du von der Station Liverpool Street zu einer realen Kneipe namens "The Waterpoet" gehen müsstest (um dort dieses in London gebraute Bier zu trinken) - oder du könntest einfach den Schildern folgen. ^^
Danke dir fürs Lesen, dafür, immerhin ein "schönes Gefühl" herausgelesen zu haben, und für 4 Punkte. smile
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Jenni
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Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag26.01.2018 00:07

von Jenni
Antworten mit Zitat

fabian hat Folgendes geschrieben:
Konkurrierte mit dem Zweitpatlzierten bei mir.

Und da sage ich jetzt einfach kurz und bündig: Ich freue mich auch über deinen dritten Platz. Danke fürs Lesen und deine Punkte. smile



... und bin durch. Juhuh.

Ich sitze ja schon die ganze Zeit und immer noch im Fegefeuer. Eigentlich nicht mehr ganz zurecht, so sehr "verstanden" ich mich fühle. Warum war ich mir so sicher, mit diesem Text komplett abzusaufen. Drei Gründe habe ich ja erwähnt, der vierte fällt mir gerade selbst nicht mehr ein. Aber ich war ernsthaft sehr überrascht damit letztlich auf dem vierten Platz zu landen. Echt, ich musste das Fenster erstmal neuladen, weil das nicht sein konnte. Und dann habe ich mich sehr gefreut.
Und natürlich habe ich mich ebenso sehr über die ebenso unwahrscheinliche Nominierung von Christian und Katja gefreut, auf deren beider Meinung ich viel gebe. Ich habe mich nur deshalb etwas verhalten darüber gefreut, weil mir ganz klar war, dass dieser Text nicht der Gewinner dieses Wettbewerbs hier ist, und ... naja, es war meine dritte Nominierung in der Geschichte des Zehntausend, und nach den letzten beiden habe ich mir selbst versprochen, dass es beim dritten Mal nicht bei der Nominierung bleiben wird. Als ich meinen Namen im Nominierungsthread las, wusste ich, dieses Versprechen gebrochen zu haben. :-/ Na ja, ich verzeihe mir selbst, und eine Anerkennung ist es dennoch.

Der Wettbewerb hat wieder enorm viel Spaß gemacht und war an vielen Stellen sehr lehrreich. Danke an Christian und Katja, dass ihr das trotz so mancher Zwischenfälle jedes Jahr wieder auf euch nehmt!
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag27.01.2018 18:14

von anderswolf
Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:
ob der Text diese "Bilder" braucht | der Text (...) ist ohne sie ein anderer

Zumindest für meine Rezeption des Textes sind die Bilder essentiell, auch wenn sie mich gestört haben beim Lesen. Tatsächlich habe ich erstmal ein Vorurteil niederkämpfen müssen nach dem ersten Blick auf einen Text, der vor lauter Bildern erst mal gar nicht recht sichtbar war. Ich habe dann erst einen anderen Text gelesen, vielleicht auch zwei, bevor ich dann zurückgekehrt bin.
Dieses sich-in-den-Vordergrund-Drängen ist allerdings auch exemplarisch für das Sujet des Textes selbst: niedergebrüllt zu werden von allem Umgebenden. Insofern irgendwie ärgerlich, aber eben auch für das Erleben des Textes essentiell.

Zitat:
Haha, ich würde mal sagen, der Text hat bei dir ganz hervorragend "funktioniert" und deine Gedanken in seine Bahnen gezwungen. Leider hat dich das jedoch nicht überzeugt. Wobei, ein paar Punkte gab es ja für die, darf ich sagen: "Erfahrung"? wink

Dass es hier Punkte geben würde, war mir schon recht früh klar, denn dem Leser eine solche "Erfahrung" aufzuzwingen, das muss ein Text ja auch erst mal hinbekommen. Gleichzeitig haben andere Texte ohne die Verwendung eines Bebilderungskniffs das auch geschafft. Dem musste ich bei meiner Entscheidung Rechnung tragen, so dass es dann eben nicht mehr Punkte gegeben hat.  

Zitat:
Danke dir sehr für das immer-wieder-Hineinstürzen und deinen ausführlichen Kommentar! (Ich mochte deine Kommentare schon immer sehr, die Auseinandersetzung damit lohnt ebenso wie mit den Texten.)

Gerne geschehen. Es war auf eine seltsame Art faszinierend zu sehen, was dein Text mit mir gemacht hat. Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr glaube ich auch, ich hätte dafür mehr Punkte vergeben sollen. Das ist natürlich jetzt auch kein Trost mehr.
(Danke! Ich habe schon überlegt, ob ich beim nächsten Wettbewerb einfach nur mit Kommentaren antrete Wink )
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Michel
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Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
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Silberne Neonzeit


Beitrag27.01.2018 21:42

von Michel
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Jenni hat Folgendes geschrieben:
Freut mich sehr, dass der Text bei dir etwas / so viel auslösen konnte und die Anstrengung dich nicht abgeschreckt hat.
Es gibt Anstrengungen und Anstrengungen. Gut, vielleicht hat die Britophilie etwas geholfen, die Erinnerung an die Circle Line, jedenfalls hattest Du mich schon mit der Überschrift eingefangen und neugierig genug gestimmt, mich eine ganze Zeitlang auf den Text einzulassen. Die grafisch hochangereicherte Form hat mich nicht abgeschreckt, sondern auf mehr solcher Wiedersehen hoffen lassen. Anstrengend, weil ich erst Stück für Stück begreifen musste, wem ich da folge (ob männliche oder weibliche Figur, hätte ich nicht sagen können) - und weil ich einfach zu wenig Zeit hatte, mich in aller Ruhe auf Texte wie diesen einzulassen. Die eingestreuten Schilder waren da schon etwas wie Orientierungspunkte, so wie sie eben auch in den Verbindungstunnels der Underground auftauchen, aber eher, hm, emotionale Orientierungspunkte, die mich bei der Stange gehalten haben. Bin eben doch ein durch zahllose Genreromane verdorbener Binge-Reader, da brauche ich gelegentlich ein Bild, einen Begriff, irgendetwas, an dem ich mich durch den Text hangeln kann. Ich fand das eine ausgesprochen gelungene Mischung, die durch den plötzlichen Stilwechsel im letzten Absatz noch prägnanter wirkt. Der letzte Absatz, der hat's für mich gemacht.
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hobbes
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Beitrag27.01.2018 23:17

von hobbes
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Jenni hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht überzeugt dich ja Heidis Kommentar davon, dass der Lärm notwendig war, um die Stille zu inszenieren, vielleicht aber auch nicht.

Davon muss man mich nicht überzeugen, das macht Sinn. Das hilft mir aber auch nicht, allerdings kann dein Text da nichts dafür oder eben doch, indem er seine Sache zu gut macht. Denn der "Lärm", also die auf mich einprasselnden Eindrücke, damit komme ich ja im "echten" Leben auch nicht zurecht, da ist mir das genauso zu viel und zu schnell und verursacht ein "jetzt schnell in den Wald, Stille tanken, durchatmen."
Mir fiel das bei diesem Wettbewerb sowieso extrem auf, dass der in gewisser Weise so "persönlich" war, womit ich vor allem die Wirkung der Texte auf mich meine. Noch so eine spannende Sache.
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag29.01.2018 22:06

von Jenni
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anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr glaube ich auch, ich hätte dafür mehr Punkte vergeben sollen.

Laughing
Anderswolf kleindiskutieren geht doch? Aber nur ohne Intention offenbar. Ich gebe nichts nicht viel auf Punkte. Kommentare mag ich. smile


Michel hat Folgendes geschrieben:
Die eingestreuten Schilder waren da schon etwas wie Orientierungspunkte, so wie sie eben auch in den Verbindungstunnels der Underground auftauchen, aber eher, hm, emotionale Orientierungspunkte, die mich bei der Stange gehalten haben.

Das ist natürlich ideal, wenn man den Leser bei den eigenen Erinnerungen packt. War genau so geplant in diesem Fall günstiger Zufall. Aber Orientierungspunkte, letztlich schon die Funktion, die ich ihnen zugedacht habe.


Hobbes hat Folgendes geschrieben:
Denn der "Lärm", also die auf mich einprasselnden Eindrücke, damit komme ich ja im "echten" Leben auch nicht zurecht, da ist mir das genauso zu viel und zu schnell und verursacht ein "jetzt schnell in den Wald, Stille tanken, durchatmen."

Ja, ich weiß doch - kenne das Gefühl auch selbst, wie du weißt, weil ich dann ja durchaus auch schon und nicht zum letzten Mal in deinen Wald geflohen bin ^^- und deshalb habe ich auch wie schon erwähnt erwartet, dass ich auf die "sicheren Hobbes-Punkte" dieses Mal verzichten muss. Aber ich gebe ja nichts auf Punkte, auf sichere schon gar nicht.


Danke euch für das Zurückkommen. Streiten mag dieses Mal niemand mit mir über den Text? Macht nichts! Wirklich, macht mir gar nichts aus. Laughing
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finis
Klammeraffe
F


Beiträge: 577
Wohnort: zurück
Die lange Johanne in Bronze


F
Beitrag03.02.2018 23:04

von finis
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Hallo Jenni,

Ich wollte hier eigentlich noch was schreiben und dann hab ich's vergessen und jetzt ist es eigentlich schon etwas spät - aber trotzdem (vorausgesetzt ich erinnere mich richtig an das, was ich mal schreiben wollte) noch ein Wort zu dem [ich], wenn Du gestattest.
Das fand ich nämlich nicht zuletzt deshalb so spannend, weil das für mich einer der wenigen Texte war, der sich mit der Frage auseinander gesetzt hat, welche Rolle das eigentliche "ich" in dem Bewusstseinsstrom spielt, was für ein Selbst-Bewusstsein der oder die Denkende hat und wie sich das auf den Text auswirkt. Ich bin mir da jetzt nicht sicher, ob ich Deine Antwort richtig verstehe. Innere Leere, das ist ja auch eine Form der Selbstwahrnehmung, denke ich. (Ich will da andererseits aber auch nichts reinprojizieren.) Ich vermute mal, es ging Dir dann hier aber nicht um die Selbstwahrnehmung, sondern mehr metaphorisch darum, die "gaps" innerhalb des Ichs sichtbar zu machen?
(fast schade, aber auch schön)

Wo ich schon dabei bin: Ohne die Bilder hätte der Text bei mir auch nicht so funktioniert. Da hätten die Textübergänge plötzlich keinen Sinn mehr ergeben. Ich glaube sogar, der Text wäre schwieriger zu lesen gewesen. Und ich hätte gewisse London-Kenntnisse haben müssen (die ich nicht habe), was der Water-Poet ist, zum Beispiel. Ausserdem ist die Text-Erfahrung dadurch schön plastisch, aber das ist (für mich) gerade kein Selbstzweck hier.

Verspätete Grüsse. finis.

Ach, und danke für Deine freundliche Bemerkung, das bedeutet mir viel.


_________________
"Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky)
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag15.02.2018 15:42

von anderswolf
Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:
anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr glaube ich auch, ich hätte dafür mehr Punkte vergeben sollen.

Laughing
Anderswolf kleindiskutieren geht doch? Aber nur ohne Intention offenbar. Ich gebe nichts nicht viel auf Punkte. Kommentare mag ich. smile


Manchmal lasse ich mich von Schildern zu Brei breitschlagen guten Argumenten überzeugen.
Gleichzeitig hätte mir dämmern müssen, dass mein langer Kommentar nicht nur was mit meiner Plauderlaune, sondern vielleicht auch irgendwas mit dem Text zu tun hat, den ich da plaudernd kommentiert habe lol
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