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nothingisreal Bücherwurm
Beiträge: 3994 Wohnort: unter einer Brücke
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03.11.2017 16:27
von nothingisreal
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@Fuchsia: Kein Problem. Ich finde auch, dass das nicht schön ist. Aber geben tut es trotzdem, womit es nicht klar geregelt ist. Das ist alles, worauf ich hinaus wollte.
_________________ "Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten." - William Somerset Maugham |
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Mika Schachtelkönig
Alter: 42 Beiträge: 1046 Wohnort: NRW
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03.11.2017 16:42
von Mika
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Fuchsia hat Folgendes geschrieben: | Mika hat Folgendes geschrieben: | Fuchsia hat Folgendes geschrieben: | Sehr tief in die Köpfe reingehen ist ja nicht gleichbedeutend mit personal ... |
Genau das ist der Moment, an dem mich die Theorie verlässt und ich's einfach nicht verstehe.
Ich hab immer gedacht, man schreibt aus der personalen Perspektive, wenn der Erzähler tief im Kopf der betreffenden Person sitzt. |
Naja, aber der auktoriale Erzähler ist wie eine Joker, er kann auch ganz tief in die Köpfe gucken (sogar in die von Murmeltieren) und der Ich-Erzähler sitzt sogar noch mehr in einem Kopf verankert ... |
Gut, dass ich sowieso auktorial schreibe und dann anscheinend nur ab und zu recht tief in die Köpfe tauche, dann springe ich ja tatsächlich weniger, als gedacht in der Perspektive. ;D
Aber den Unterschied kapier ich grade trotzdem nicht.
Falls jemandem hier mal ein Beispiel einfällt (Personal vs. auktiorial-tief-im-Kopf), wäre ich sehr dankbar dafür.
_________________ "If you don't know it's impossible it's easier to do."
- Neil Gaiman |
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Murmeltier Leseratte
Alter: 44 Beiträge: 127 Wohnort: bei Düren
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03.11.2017 17:06
von Murmeltier
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nothingisreal hat Folgendes geschrieben: | Zitat: | Einen Perspektivwechsel kann es geben - aber keinen Erzählerwechsel |
Sagt wer? Ich kenne Bücher, in denen sogar von ich zu er/sie gesprungen wird. |
Wir sind ja beim Schreiben zum Glück nicht im Straßenverkehr, es kommt nicht gleich zu Toten, wenn (angeblich) fest vorgeschriebene Regeln von einem Autor nicht eingehalten werden Wenn es gut geschrieben ist, kann ich mir den Wechsel zwischen (ggf sogar verschiedenen) Ich-Erzähler(n) und Er oder Sie gut vorstellen. Es ist doch eine Kunstform, da kann man Regeln biegen und brechen, wichtig ist höchstens, dass das Werk ein Gerüst behält, das in sich logisch bleibt, um den Lesefluss zu gewährleisten.
War die Ausgangsfrage nicht eher, ob man in diese einzelnen Erzählweisen jeweils sprachliche Eigenheiten einbauen kann? Hier bleibe ich bei: solange man es nicht übertreibt, denn sonst geht meiner Meinung nach der eben genannte Lesefluss flöten
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Corey123 Leseratte
C
Beiträge: 124
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C 03.11.2017 17:42
von Corey123
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Soweit ich mich erinnere, habe ich an der Uni gelernt, dass es die reinen Erzählperspektiven eher selten gibt. Die Perspektive kann von Absatz zu Absatz oder sogar von Satz zu Satz (im Extremfall innerhalb eines Satzes) wechseln. Damit wäre der Erzähler, sobald er die Sichtweise einer Person annimmt, personal.
Nun geht es aber darum, in bestimmten Kapiteln komplett die Perspektive zu wechseln. Ich würde sagen, es funktioniert, wenn man, wie Murmeltier geschrieben hat, nicht übertreibt, zum anderen, wenn der Wechsel begründet und somit als bewusst eingesetztes Mittel erkennbar ist, da sonst dem Autor Uneinheitlichkeit oder Ungenauigkeit vorgeworfen werden kann.
Für den Wechsel von Ich-Erzähler und personalem Erzähler kann ich als Beispiel noch "Madame Bovary" von Gustave Flaubert erwähnen, hier wird der Anfang von einer Nebenfigur aus der Ich-Perspektive erzählt, die dann im weiteren Verlauf des Romans nicht mehr vorkommt. Man kann es mögen oder nicht, aber zumindest die Literaturwissenschaft scheint das nicht gestört zu haben.
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Mina Minus Leseratte
M
Beiträge: 173
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M 03.11.2017 19:35
von Mina Minus
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Ich glaube, hier ist es zu einem Missverständnis gekommen.
Der Wechsel von auktorial zu personal wird tatsächlich nicht funktionieren, ohne völlige Verwirrung zu stiften, weil die Funktion des Erzählers erheblich verändert wird. Ein Wechsel vom personalen Erzähler in der dritten Person zu einem anderen personalen Erzähler bzw. zu einem Ich-Erzähler klappt aber problemlos.
Ein auktorialer Erzähler ist immer eine Figur außerhalb der Geschichte bzw. des Erzähluniversums. Der auktoriale Erzähler kann beliebig nah an die Figuren herantreten, wird aber nie Teil der Geschichte sein.
Ein personaler Erzähler (egal ob ich oder er/sie) dagegen ist immer Teil des Erzähluniversums, selbst wenn er nur Beobachter, bzw. unbeeinflusst von den Geschehnissen ist.
Die Logik dahinter kann man vielleicht am besten erkennen, wenn man sich vorstellt, dass der auktoriale Erzähler eine Art Regisseur ist, der die ganze Geschichte kennt, allwissend ist und die Beweggründe aller Protagonisten versteht. Ein personaler Erzähler dagegen ist eben eher ein Beobachter oder Teilnehmer der Geschichte.
Eine Kombination kann ich mir persönlich eigentlich nur in Montageromanen vorstellen, ansonsten wirkt der Wechsel auf mich sehr ungelenk und plump. Letztlich entscheidet sich der Autor ja bewusst für eine Erzählweise. Wenn er dann mittendrin nicht mehr mit einem oder mehreren „Teilnehmern“ auskommt und den „Regisseur“ einsetzt oder umgekehrt, dann stolpere ich schon erheblich darüber.
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Akiragirl Dünnhäuterin
Alter: 33 Beiträge: 3632 Wohnort: Leipzig
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03.11.2017 19:55
von Akiragirl
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So, jetzt nochmal am konkreten Beispiel "The Dome":
Wie Fuchsia richtig sagte, ist "The Dome" zunächst erstmal auktorial geschrieben. Es wird über den Tod der Figuren geschrieben, die gerade im Mittelpunkt der Handlung standen, auf eine Weise, wie das nur auktorial möglich ist. ("Chuck lachte. Sie hatten noch vierzig Sekunden zu leben.") Die ersten ich sage mal 50 Seiten sind eigentlich komplett auktorial.
Dann aber wird meistens für die Zeit einer längeren Szene einer bestimmten Figur "gefolgt" und man ist sehr nah an und in der Figur drin. Noch wichtiger: Die Sprache und Wortwahl verändert sich, abhängig von der Figur. Hier z.B. haben wir einen Gedankenstrom aus der Sicht eines der Antagonisten:
"Vielleicht nicht für immer, aber zumindest vorläufig zogen sie am selben Strang. Und sie würden Baaarbie das Handwerk legen. Junior glaubte sogar, dass Barbie irgendwie an seinen Kopfschmerzen schuld war. (...) Und wenn Barbie nicht selbst am Grill gestanden hatte, konnte er Rose dazu veranlasst haben. Diese Schlampe war ihm hörig. (...)
Das galt vermutlich auch für den Teppich im Wohnzimmer: bestimmt von Kameltreibern gewebt und von Barbie auf einem örtlichen Basar gekauft, als es gerade keine Verdächtigen zu foltern oder kleine Jungs zu bumsen gegeben hatte. (...)
Er ging in Barbies Schlafzimmer, sah das ordentlich gemachte Bett und malte sich kurz aus, wie wundervoll es wäre, da mitten reinzuscheißen."
Das sind jetzt mal so ein paar Beispiele aus einer einzelnen Szene. Die ganze Art und Weise zu "sprechen"/denken ist halt typisch für Rennie Junior. Wenn man eine Szene aus Barbies Perspektive liest kommen da einfach keine Worte wie "Schlampe", "bumsen", "Kameltreiber" oder sowas vor. Für mich ist das ein eindeutiges Anzeichen, dass wir hier eine personale Erzählperspektive aus der Sicht von Rennie (bzw. an anderen Stellen eben Barbie) haben und eben keinen auktorialen Erzähler mehr.
Ob man das mag oder nicht ist ja Geschmackssache. Ich finde, King kriegt die Übergänge so hin, dass es nicht verwirrend wird und sich gut liest.
_________________ "Man bereut nicht, was man getan hat, sondern das, was man nicht getan hat." (Mark Aurel) |
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kioto Eselsohr
Alter: 71 Beiträge: 442 Wohnort: Rendsburg
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03.11.2017 20:44
von kioto
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Akiragirl hat Folgendes geschrieben: | Fuchsia hat Folgendes geschrieben: |
Ja, das ist festgeschrieben. |
Sorry für die Wortwahl, aber das ist doch Bullshit. Es gibt genügend auch erfolgreiche Bücher, wo ganz selbstverständlich zwischen personalem und auktorialem Erzähler hin- und hergesprungen wird und in denen das auch wunderbar funktioniert. Aktuell lese ich zum Beispiel "The Dome" von Stephen King und das ist ein ziemliches Paradebeispiel für diese Art, eine Geschichte zu erzählen.
Ich sag immer: Geht alles. Muss halt nur gut gemacht sein. |
Hallo,
Ich schließe mich der Meinung von Akiragirl an. Ich habe ähnliche Fragen mit meinem Sohnemann diskutiert (hat Anglistik und Philosophie studiert) und er hat mich getröstet, Literaturwissenschaft sei nur deskriptiv.
Ich habe mich auch mit den Buchempfehlungen der Longlist für den Deutschen Buchpreis beschäftigt. Die Autoren sehen das auch nicht so eng. Der eine lässt die Satzzeichen weg, der andere kennzeichnet wörtliche Rede nicht mehr (soll es spannender machen).
Mir fällt noch Hesse, der Steppenwolf ein, da wechselt der Erzähler auch mit dem Hinweis, es folgt ein persönlicher Bericht. Poe hat so was auch benutzt.
Wichtig ist doch das Lesegefühl.
_________________ Stanislav Lem: Literatur versucht, gewöhnliche Dinge ungewöhnlich zu beschreiben, man erfährt fast alles über fast nichts.
Phantastik beschreibt ungewöhnliche Dinge (leider m.M.) meist gewöhnlich, man erfährt fast nicht über fast alles.
Gruß, Werner am NO-Kanal |
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Fuchsia Klammeraffe
F Alter: 47 Beiträge: 777
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F 04.11.2017 11:56
von Fuchsia
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Hallo Akiragirl,
danke fürs heraussuchen, und ich finde die Diskussion hier sehr interessant (auch wenn Frau Bratbecker inszwischen wohl verwirrt aufgegeben hat)
Dein Beispiel sind ja nun mal Gedanken der Figur, und da darf (und soll) sich natürlich die Wortwahl an die Figur anpassen.
Der Streitpunkt ist, ob sich die gesamte Erzählhaltung ins personale wechselt, was also mit den Einschüben eines Erzählers zwischen der wörtlichen Rede und den Gedankengängen passiert. Denn das würde bedeuten, dass der Erzähler verschwindet, was einen Logikbruch darstellt. (Er ist ja schließlich außerhalb der Handlung in diesem Fall). Wird wirklich nie wieder zwischen den Gedankengängen der Figur kommentiert, vorausgegriffen, von außen beschrieben, etwas erwähnt was die Figur nicht wissen kann ect.? Das würde mich wundern.
Die Leseprobe ist leider zu kurz, und ich habe das Buch nicht, deswegen kann ich selber nicht nachschauen.
Was Madam Bovary angeht, so handelt es sich ja um einen anderen Fall: nämlich von einem "Ich" zu einem "er/sie", dabei ist das "ich" aber ein auktoriales/allwissendes Ich und die Erzählhaltung bleibt durchgängig auktorial. (Es gibt auktoriale Erzähler, die als Ich auftreten und sogar Teil der Handlung sein können.)
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Corey123 Leseratte
C
Beiträge: 124
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C 04.11.2017 13:27
von Corey123
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kioto hat Folgendes geschrieben: | Akiragirl hat Folgendes geschrieben: | Fuchsia hat Folgendes geschrieben: |
Ja, das ist festgeschrieben. |
Sorry für die Wortwahl, aber das ist doch Bullshit. Es gibt genügend auch erfolgreiche Bücher, wo ganz selbstverständlich zwischen personalem und auktorialem Erzähler hin- und hergesprungen wird und in denen das auch wunderbar funktioniert. Aktuell lese ich zum Beispiel "The Dome" von Stephen King und das ist ein ziemliches Paradebeispiel für diese Art, eine Geschichte zu erzählen.
Ich sag immer: Geht alles. Muss halt nur gut gemacht sein. |
Hallo,
Ich schließe mich der Meinung von Akiragirl an. Ich habe ähnliche Fragen mit meinem Sohnemann diskutiert (hat Anglistik und Philosophie studiert) und er hat mich getröstet, Literaturwissenschaft sei nur deskriptiv.
Ich habe mich auch mit den Buchempfehlungen der Longlist für den Deutschen Buchpreis beschäftigt. Die Autoren sehen das auch nicht so eng. Der eine lässt die Satzzeichen weg, der andere kennzeichnet wörtliche Rede nicht mehr (soll es spannender machen).
Mir fällt noch Hesse, der Steppenwolf ein, da wechselt der Erzähler auch mit dem Hinweis, es folgt ein persönlicher Bericht. Poe hat so was auch benutzt.
Wichtig ist doch das Lesegefühl. |
Damit sind wir an einem wichtigen Punkt. Die Einteilung in Erzählperspektiven ist etwas, das in der Literatur nachträglich gemacht wurde. Ich bin mir sicher, viele Autoren achten nicht bewusst darauf, in welcher Perspektive sie gerade schreiben, und machen es trotzdem gut. Es muss eben gut klingen. Ein gutes Gespür ist hier wichtiger als das Einhalten von Regeln.
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LeviathanII Eselsohr
L
Beiträge: 297
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L 04.11.2017 17:06
von LeviathanII
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Stanzels System gilt als relativ veraltet, auch wenn es in den Schulen noch aktiv gelehrt wird: Es ist unmöglich die meisten komplexeren Erzählsituationen anhand seiner drei Kategorien zu beschreiben und nicht selten existiert kein fester Erzähler.
Beispielsweise: Kann es einen allwissenden Erzähler überhaupt geben? Sind sich die Erzählsituationen personal und Ich-Erzähler nicht manchmal sehr ähnlich, wenn aus der Innenperspektive einer Figur erzählt wird, könnte man manchen personal erzählen Text mühelos in die Ich-Form umschreiben, sodass die Kategorie zuweilen mehr, dann wweniger bestimmt.
Soweit ich weiß (und ich hoffe einfach mal ich irre mich nicht) teilt man in der Literaturwissenschaft, zumindest nach Martinez & Scheffel, die Erzähler oft nach folgenden Merkmalen ein:
1. Die Stellung des Erzählers in der erzählten Welt
-> Ein unbeteiligter Erzähler, der also keine Figur in der erzählten Welt ist, gilt als heterodiegetisch
-> Erzähler, die sich in der erzählten Welt befinden, gelten als verschiedene Formen von Homodiegetisch (unbeteiligter Beobachter - Beteiligter Beobachter - Nebenfigur - Eine der Hauptfiguren
-> Und wenn der Erzähler und die Hauptfigur die gleiche Person sind, gilt es als autodiegetisch (wobei es auch als homodiegetiosch gezählt wird)
Das das noch nicht ausreicht:
2. Die Fokalisierung, die zeigt, aus welcher Sicht erzählt wird. Man unterscheidet hier, nach Genette, zwischen:
(1.) Null-Fokalisierung (auktorial): Der Erzähler erzählt mehr, als die Figuren wissen. [mit dieser Definition des auktorialen wird auch die Unmöglichkeit des auktorialen Erzählens beantwortet]
(2.) Interne Fokalisierung (aktorial) - Mitsicht mit einer der Figuren, sodass der Erzähler nicht mehr schildert, als sie weiß
(3.) Externe Fokalisierung (neutral) - Der Erzähler sagt weniger, als die Figur weiß (ein unzuverlässiger, oder sogar lügender Erzähler bspw., der nach Stanzels Modell schwierig zugeordnet werden könnte)
Dabei kommen dann solche Horror-Beschreibungen heraus, wie, dass Kafkas Verwandlung tendenziell heterodiegetisch-aktorial ist - Wobei das tendenzielle schon ein ungelöstes Problem zeigt: Dass die meisten Erzählperspektiven innerhalb des Textes wechseln können (plötzlich hört man in Kafkas Verwandlung, für nur einen Satz, die Gedanken der Schwester, nach Gregors Tod geht die Geschichte noch weiter), weswegen man entweder die Erzählsituation tendenziell angibt, oder analytisch an den einzelnen Sätzen und Textteilen bestimmt.
Nach Stanzels Modell wäre bspw. Kafkas Verwandlung automatisch auktorial geworden, da es von festen Erzählperspektiven ausging, obwohl dies der fast konstanten Innensicht Gregors nicht gerecht wird.
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Frau Bratbecker Gänsefüßchen
Beiträge: 43 Wohnort: Jenseits des Weißwurst-Äquators
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05.11.2017 11:53
von Frau Bratbecker
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Liebe Gemeinde, ganz herzlichen Dank für diese vielen konstruktiven Beiträge. Ich nutze gerade das Mäuseklavier und bin mir selbst zu langsam darin. Aber es kommen noch angemessenere Antworten, versprochen.
Schönen Sonntag allerseits.
_________________ LG
Frau Bratbecker |
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Frau Bratbecker Gänsefüßchen
Beiträge: 43 Wohnort: Jenseits des Weißwurst-Äquators
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05.11.2017 18:48
von Frau Bratbecker
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BlueNote hat Folgendes geschrieben: |
Ich finde das einen der wichtigsten Diskussionspunkte überhaupt.
Wo steht das geschrieben, wird in diesem Zusammenhang öfters gefragt. Richtiger finde ich die Frage, wie wird es wo verwendet (und wie funktioniert es dann), wohin dieser thread ja inzwischen geht. |
Genau, es muss wie gewünscht funktionieren. In meinem konkreten Fall hat es das offenbar nicht, denn meine sorgfältigen Testleser protestierten unisono gegen den Sturzflug des Sprachniveaus. Es wurde nicht deutlich, dass in dem Kapitel der Erzähler aus dem Kopf der Protagonistin, Charakterecke Sumpfschlampe, spricht.
_________________ LG
Frau Bratbecker |
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Frau Bratbecker Gänsefüßchen
Beiträge: 43 Wohnort: Jenseits des Weißwurst-Äquators
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05.11.2017 19:02
von Frau Bratbecker
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Mika hat Folgendes geschrieben: | Fuchsia hat Folgendes geschrieben: | Mika hat Folgendes geschrieben: | Fuchsia hat Folgendes geschrieben: | Sehr tief in die Köpfe reingehen ist ja nicht gleichbedeutend mit personal ... |
Genau das ist der Moment, an dem mich die Theorie verlässt und ich's einfach nicht verstehe.
Ich hab immer gedacht, man schreibt aus der personalen Perspektive, wenn der Erzähler tief im Kopf der betreffenden Person sitzt. |
Naja, aber der auktoriale Erzähler ist wie eine Joker, er kann auch ganz tief in die Köpfe gucken (sogar in die von Murmeltieren) und der Ich-Erzähler sitzt sogar noch mehr in einem Kopf verankert ... |
Gut, dass ich sowieso auktorial schreibe und dann anscheinend nur ab und zu recht tief in die Köpfe tauche, dann springe ich ja tatsächlich weniger, als gedacht in der Perspektive. ;D
Aber den Unterschied kapier ich grade trotzdem nicht.
Falls jemandem hier mal ein Beispiel einfällt (Personal vs. auktiorial-tief-im-Kopf), wäre ich sehr dankbar dafür. |
Mir scheint, genau das ist das hüpfende Komma. Wo ist die Grenze? Als pragmatische Arbeitshypothese würde ich ohne jeden theoretischen Hintergrund aufstellen wollen: Wenn hinreichend viele Leser darüber stolpern, sollte die Passage überarbeitet werden. Die Definition von "hinreichend viele" würde ich dem Autor überlassen. Vielleicht ist es nur einer, jemand vom Fach womöglich.
_________________ LG
Frau Bratbecker |
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Weltenbastler Leseratte
W
Beiträge: 152
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W 02.01.2018 11:35
von Weltenbastler
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Ein auktorialer Erzähler kommt schnell voreingenommen rüber, man sollte aufpassen der Beobachtung des personalen Erzählers nicht zu widersprechen.
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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02.01.2018 12:38
von BlueNote
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Die besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe (Ransmayrs Cox oder der Lauf der Zeit und Franzobels Floß der Medusa) waren auktorial erzählt. Und zwar unter Ausnutzung von allen Finessen, die hierbei möglich sind, d.h. eine ironische Kommentierung des Geschehens, von Personen, ein Bekunden des Erzählers, der wisse, wie die Geschichte weitergeht, Ansprachen des Autors an den Leser etc.
Ich fand das ausgesprochen faszinierend. Diese Bücher waren allerdings durchgehend auktorial.
Eine Mischung personal/auktorial kenne ich hingegen nicht. Und demzufolge, dass der eine Erzähler dem anderen widerspricht.
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nebenfluss Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5982 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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02.01.2018 15:16
von nebenfluss
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<off-topic>
Möpse.
</off-topic>
_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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VwieMargarita Wortedrechsler
V Alter: 40 Beiträge: 56 Wohnort: Remarque-Stadt
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Ruby Smith Reißwolf
Alter: 33 Beiträge: 1180 Wohnort: Kenten
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17.02.2018 12:17
von Ruby Smith
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Hier muss ich mich mal einklinken.
Was diese Diskussion vor allem gezeigt hat, dass vielen der Unterschied zwischen der Erzählperspektive und der Perspektive nicht geläufig ist und miteinander verwechselt oder gar in einen Topf geworfen wird, dabei sind das zwei verschiedene Dinge.
Als Erzählperspektive werden die drei Erzähltypen bezeichnet: Auktorial (allwissend), Personal (aus der Sicht von Charakteren) und Ich-Erzähler (aus der Sicht eines Charakters).
Die Perspektive ist jedoch lediglich der Blickwinkel, aus dem die Geschichte betrachtet wird. Will sagen:
Wikipedia hat Folgendes geschrieben: | Perspektive (von lateinisch perspicere‚ hindurchsehen, hindurchblicken) bezeichnet die räumlichen, insbesondere linearen Verhältnisse von Objekten im Raum: das Abstandsverhältnis von Objekten im Raum in Bezug auf den Standort des Betrachters. Damit ist die Perspektive stets an den Ort des Betrachters gebunden und kann nur durch Veränderung der Orte der Objekte und des Betrachters im Raum verändert werden. |
Fuchsia hat das schon sehr gut und detailliert erklärt und auch gute Beispiele dafür gebracht.
Der Erzähler wird zu Beginn des Romans/Werkes bestimmt und wird bis zum Ende beibehalten. Die Perspektive jedoch, kann sich je nach Erzähltypus jederzeit ändern.
Das heißt, um das Beispiel von VwieMargarita aufzugreifen, Charlotte Link wechselt zwischen verschiedenen Personen. Der Erzähler bleibt aber durchgehend Personal (Tut mir leid dich da eines besseren belehren zu müssen VwieMargarita, aber "Das andere Kind" hat keinen Erzählperspektivwechsel sondern lediglich einen Perspektivwechsel. Es ist von Anfang an ein Personaler Erzähler).
Auch bei Ich-Erzählern ist der Perspektivwechsel möglich. Als Beispiel sei hier Marie Lus "Legend"-Reihe genannt, welches aus zwei Perspektiven zweier Ich-Erzähler erzählt wird (June und Day).
Der Auktoriale Erzähler kann beliebig viele Sprünge in der Perspektive machen, kommentiert dabei jedoch durchgehend das Geschehen von Oben herab und weiß Dinge, welche die Charaktere nicht wissen. Als Beispiel sei hier Theodor Fontanes "Effi Briest" genannt, wo der Erzähler auktorial ist und deswegen alle Gefühle, die gesamte Geschichte der Orte und das Ende kennt und dies auch klar signalisiert:
Theodor Fontanes Effi Briest hat Folgendes geschrieben: | Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei der Arbeit, die der Herstellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzenden Altarteppichs galt; ungezählte Wollsträhnen und Seidendocken lagen auf einem großen, runden Tisch bunt durcheinander, dazwischen, noch vom Lunch her, ein paar Dessertteller und eine mit großen schönen Stachelbeeren gefüllte Majolikaschale. Rasch und sicher ging die Wollnadel der Damen hin und her, aber während die Mutter kein Auge von der Arbeit ließ, legte die Tochter, die den Rufnamen Effi führte, von Zeit zu Zeit die Nadel nieder und erhob sich, um unter allerlei kunstgerechten Beugungen und Streckungen den ganzen Kursus der Heil- und Zimmergymnastik durchzumachen. Es war ersichtlich, daß sie sich diesen absichtlich ein wenig ins Komische gezogenen Übungen mit ganz besonderer Liebe hingab, und wenn sie dann so dastand und, langsam die Arme hebend, die Handflächen hoch über dem Kopf zusammenlegte, so sah auch wohl die Mama von ihrer Handarbeit auf, aber immer nur flüchtig und verstohlen, weil sie nicht zeigen wollte, wie entzückend sie ihr eigenes Kind finde, zu welcher Regung mütterlichen Stolzes sie voll berechtigt war. |
Und um jetzt auch noch auf die Anfangsfrage zurückzukommen: Erzählperspektivwechsel mögen von manchen Autoren gemacht werden, ABER sie kommen nie gut an und meistens zerstören sie die Geschichte und den Lesefluss damit unnötig.
In Verlagen sind solche Erzählperspektivwechsel ein Ausschlusskriterium aller erster Güte.
Woher ich das weiß? Ich arbeite derzeit beim DuMont Buchverlag im Lektorat und habe dort zwei Manuskripte prüfen dürfen, in denen solche Erzählperspektivwechsel vorkamen und die deswegen von den Lektoren abgelehnt wurden. Bei dem einen wurde nach 106 Seiten plötzlich von einem Ich-Erzähler zu einem Personalen Erzähler gewechselt und bei dem anderen wechselte die Erzählerperspektive in jedem Absatz.
Für das Romanschreiben ist eine einheitliche Erzählperspektive sehr wichtig und nur in ganz seltenen Fällen kommen Autoren damit durch.
_________________ I'd like to add some beauty to life. I don't exactly want to make people know more... though I know that is the noblest ambition, but I'd love to make them have a pleasanter time because of me... to have some little joy or happy thought that would never have existed if I hadn't been born.
(Anne Shirley - Anne of Green Gables, Lucy Maud Montgomery) |
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VwieMargarita Wortedrechsler
V Alter: 40 Beiträge: 56 Wohnort: Remarque-Stadt
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RememberDecember59 Klammeraffe
Beiträge: 507 Wohnort: Franken
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20.02.2018 19:24
von RememberDecember59
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VwieMargarita hat Folgendes geschrieben: |
Mich würde es interessieren, ob ihr mehr Beispiele für gelungene Bücher mit Erzählperspektivwechsel kennt. |
Dazu gehört z.B. eine meiner Lieblings-(Jugendbuch-)Reihen: Die Bartimäus-Tetralogie von Jonathan Stroud. Der wechselt zwischen Ich-Erzähler und einem personalen Erzähler. Toll gemacht und trotz "Regelbruch" sehr erfolgreich.
_________________ Bartimäus: "...-was ist das?"
Kobold: "Hätte mich das jemand anders gefragt, o Herr, der ihr Schrecklich und Unübertrefflich seid, hätte ich ihn einen Dummkopf genannt, bei Euch jedoch ist diese Frage ein Zeichen jener entwaffnenden Schlichtheit, welche der Born aller Tugend ist. ..."
Bartimäus I (Jonathan Stroud) |
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Nordlicht Waldschrätin
Beiträge: 3755
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20.02.2018 21:17
von Nordlicht
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"Die Zärtlichkeit der Wölfe" von Stef Penney (schrecklicher Titel, tolles Buch) ist im Wechsel von Ich-Erzähler und personaler Er-Erzähler geschrieben. Sehr lesenswert
_________________ If I waited for perfection, I would never write a word - Margaret Atwood |
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VwieMargarita Wortedrechsler
V Alter: 40 Beiträge: 56 Wohnort: Remarque-Stadt
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