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Autor |
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Silvian Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 706 Wohnort: kurz vor Köln
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29.10.2017 16:13 am fenster von Silvian
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das haus
ist seit langem
nicht saniert
fast verwahrlost
es hat keine tür
nur ein fenster
mit matter scheibe
ich kann nicht raus
niemand kommt rein
denn ich bin unsichtbar
ich schaue durchs glas
dabei stell ich mir vor
wie es wäre für mich
da drüben mit ihnen
sie sprechen
ich schweige still
sie leben
ich bin gelähmt
sie lieben
ich liebe mich
am fenster
nicht einmal selbst
Weitere Werke von Silvian:
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Heidi Reißwolf
Beiträge: 1425 Wohnort: Hamburg
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12.11.2017 23:15 Re: am fenster von Heidi
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Hallo Silvian,
verdammt, das Gedicht ist ziemlich niederschmetternd. Irgendwie auch passend zur Jahreszeit, also passend zur Stimmung, die dann auch mal aufkommen kann, wenn der Nebel tief hängt.
Silvian hat Folgendes geschrieben: | das haus
ist seit langem
nicht saniert
fast verwahrlost |
Die fast-Verwahrlosung empfinde ich als entscheidend, so eingangs und überhaupt. Pflege wird nebensächlich, wenn sich jemand in sich selbst zurückzieht.
Silvian hat Folgendes geschrieben: | es hat keine tür
nur ein fenster
mit matter scheibe |
Aus sich Rausgehen geht nicht, weil es keine Tür gibt. Das mattscheibige Fenster macht mich fertig. Wie schrecklich muss sich dieses lyrische Ich fühlen, mit milchigem Schleier über der Außenwelt und keine Fluchtmöglichkeit. Aber vielleicht empfindet es im gegenwärtigen Zustand auch nichts mehr.
Silvian hat Folgendes geschrieben: | ich kann nicht raus
niemand kommt rein
denn ich bin unsichtbar |
Unsichtbar ist klar. Den Körper kann man sehen, das Wesentliche dann nicht. Und das Wesentliche kann nicht raus, sich nicht in Verbindung setzen, wird quasi zu einem Klumpen in diesem Körper (Haus, wie auch immer).
Warum niemand rein kann, weil LI unsichtbar ist, ist mir allerdings ein Rätsel. Von unsichtbar zu unsichtbar geht doch immer - auch wenn das innendrinnen-Unsichtbare sich dünn macht, kann ein anderes jederzeit anklopfen. Gut, das wäre dann vermutlich eine aussichtslose Aktion.
Ich kann es auch so lesen, dass das Unsichtbare sich so dünn macht, so sehr zusammenzieht, dass es für andere nicht mehr wahrnehmbar ist.
Silvian hat Folgendes geschrieben: | ich schaue durchs glas
dabei stell ich mir vor
wie es wäre für mich
da drüben mit ihnen |
Hier lese ich dann Sehnsucht.
Silvian hat Folgendes geschrieben: | sie sprechen
ich schweige still
sie leben
ich bin gelähmt
sie lieben
ich liebe mich
am fenster
nicht einmal selbst |
Das Schweigen, die Lähmung, die Liebe, die LI nur sich selbst geben kann. Und am Ende nicht einmal das.
Eine traurige Geschichte die ich mag.
Heidi
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Silvian Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 706 Wohnort: kurz vor Köln
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15.11.2017 23:47
von Silvian
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Liebe Heidi,
danke, dass du dich so intensiv mit dem Text beschäftigt hast.
Ich habe bewusst die Möglichkeit der Deutung, wie du sie vornimmst, gelassen. Mir schwebte als "Fenster mit matter Scheibe" eher der Fernseher bzw. Computer-Bildschirm vor, das einzige Medium, durch das dieses einsame LI mit der Außenwelt in "Kontakt" tritt. Natürlich ist es für die dortigen Akteure unsichtbar.
Aber auch das milchige Fenster ist ein passendes Bild.
LG, Silvian
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