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Mischung personale/neutrale Erzählsituation

 
 
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Mettbrötchen
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 35
Beiträge: 490
Wohnort: Rheinland
Ei 1


Beitrag22.09.2017 01:24

von Mettbrötchen
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Diese Außenbeschreibungen sind definitiv ein Perspektivbruch. Das Einfachste ist eigentlich, sich den personalen Erzähler als Ich-Erzähler vorzustellen. Da klappt das ja auch nicht.
Frage ist natürlich, ob es tatsächlich so wichtig ist, das Aussehen des Protagonisten zu kennen. Ich habe schon Romane gelesen, in denen fast gar keine Außenbeschreibungen vorhanden waren, und es hat mich nicht gestört. Falls es wichtig für die Charakterisierung ist, regelt es sich fast wie von selbst, denn die Charakterisierung erfolgt ja dann nicht durch naturgegebene biologische Merkmale, sondern z.B. über den Kleidungsstil. Da ließe sich beschreiben, wie die Figur sich für den Tag fertig macht, bestimmte Kleidung auswählt, vielleicht nicht reinpasst, weil sie zu fett ist, etc.. Ansonsten kann das ja auch durch andere Figuren im Dialog erfolgen.

,,Mann, du siehst echt scheiße aus. Diesen Mottenfraß, den du "Hemd" nennst, trägst du schon seit vier Tagen, deine Haare sehen aus wie nach ner Öldusche, und du hast Augenringe, als würdest du überhaupt nicht mehr schlafen."
,,Deshalb die knallgelben Turnschuhe. Die sind so hässlich, dass sie wieder cool sind, oder findest du nicht? Den Rest nimmt dann keiner mehr wahr. Problem gelöst."
,,Das würde vielleicht klappen, wenn du nicht so stinken würdest, als hättest du dein Schwimmtraining im Klärbecken abgehalten."
,,Hast du auch was Nettes zu sagen oder geht das jetzt den ganzen Tag so weiter?"
,,Deine Freundin ist ganz gut im Bett."
,,Leck mich."
,,Läuft nicht mehr viel, was?"
,,Wie kommst du darauf?"
,,Na, das hätte ich doch an ihr gerochen, so wie du stinkst. Hab ich schon gesagt, dass du echt scheiße aussiehst?"

____

Ist jetzt länger geworden, als beabsichtigt. Ist nur ein Beispiel, wie ich so etwas löse Laughing

Generell sind Perspektivwechsel kein Problem, müssen aber gut gestaltet sein. Ein auktorialer Erzähler hat durchaus seine personalen und neutralen Momente. Aber ein personaler Erzähler hat normalerweise keine auktorialen Momente, es sei denn, das ist durch die Handlung verdammt gut begründet. Es gibt sogar auktoriale Ich-Erzähler. Mir fiele da "Jenseits von Eden" von John Steinbeck ein. Da ist man zwischendurch immer wieder von dem Ich überrascht, weil der Ich-Erzähler nur eine totale Nebenfigur ist, die sehr selten auftaucht.


_________________
I read somewhere how important it is in life not necessarily to be strong... but to feel strong.
(Christopher McCandless
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Rainer Prem
Geschlecht:männlichReißwolf
R

Alter: 66
Beiträge: 1271
Wohnort: Wiesbaden


R
Beitrag22.09.2017 06:44

von Rainer Prem
Antworten mit Zitat

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Zur Verwendung der neutralen Perspektive bei Hintergrundinformationen, Vorspann, Einführung ins Kapitel als Unterbrechung der personalen Erzählsituation hat niemand eine Meinung bzw. einen Tipp?

Für mich hören sich die Empfehlung bislang nach durchgängiger Verwendung der personalen Erzählsituation an.


Hallo,

ein solcher Wechsel ist durchaus legitim. Er sollte aber optisch deutlich sichtbar abgegrenzt sein. Das kann mit einer Sternchenzeile * * * * * davor und dahinter geschehen.

Je nach Stimmung des Buches kann das sachlich "Was Peter nicht wusste" oder auch ironisch sein. Etwas wie "Es ist nun dringend nötig, unseren jungen Freund zu verlassen, um kurz zu schildern, was gerade an anderer Stelle geschieht" durchbricht bewusst die vierte Wand.

Was halt laut der Theorie der persönlichen Erzählperspektive ein "POV drift", wo der Leser glauben muss, es sei dem Autor versehentlich passiert.

Grüße
Rainer
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Murmel
Geschlecht:weiblichSchlichter und Stänker

Alter: 68
Beiträge: 6380
Wohnort: USA
DSFo-Sponsor


Beitrag22.09.2017 14:11
Re: Mischung personale/neutrale Erzählsituation
von Murmel
Antworten mit Zitat

BlueNote hat Folgendes geschrieben:

Hendrik wachte auf am Morgen. Er fühlte sich wie durch den Kakao gezogen und sah auch so aus. Seine Haare waren strubbelig, seine Haut fahl. Mist, dachte er sich, schon wieder zur Arbeit.


Natürlich ist das ein Perspektivbruch, der streng genommen ein No Go ist. Aber - abhängig davon, was der nächste Satz ist - wird der Leser in diesem konkreten Beispiel implizieren, dass Hendrick in den Spiegel geguckt hat, beim Rasieren, und er wird das annehmen, weil es eben eine personale Erzählsituation ist.

Hendrik wachte auf am Morgen. Er fühlte sich wie durch den Kakao gezogen und sah auch so aus. Seine Haare waren strubbelig, seine Haut fahl. Mist, dachte er sich, schon wieder zur Arbeit. Er rasierte sich notdürftig und sparte sich die Dusche.
Das kann man prima so machen. Man braucht nicht schreiben, kann es aber:
Hendrik schlurfte ins Bad und schaute in den Spiegel Er fühlte sich wie durch den Kakao gezogen und sah auch so aus. Seine Haare waren strubbelig, seine Haut fahl. Mist, dachte er sich, schon wieder zur Arbeit.

Wenn es aber weitergeht mit:
Er fühlte sich wie durch den Kakao gezogen und sah auch so aus. Seine Haare waren strubbelig, seine Haut fahl. Mist, dachte er sich, schon wieder zur Arbeit. Er rollte sich aus dem Bett.
Dann hast du einen echten Perspektivbruch und auch einen im Lesefluss, denn der Leser hat intuitiv vorausgesetzt, dass Hendrik aufgestanden ist und im Bad Pipi gemacht hat. Wie man's halt nach dem Aufstehen tut.

smile
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BlueNote
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Beitrag24.09.2017 09:38

von BlueNote
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Ich lese im Moment ein Jahrhundertwerk (zumindest finde ich, dass das Buch das Zeugs dazu hätte). Franzobels "Das Floß der Medusa". Es ist zu ca. 30 % auktorial, zu 70 % personal erzählt. Ich finde es einfach nur genial geschrieben. Und der Autor ist für mich nicht zuletzt deswegen so souverän, weil er die Perspektiven so unbekümmert und unverkrampft vermischt. Und dennoch ist es ein Buch von hohem literarischen Wert.

Es geht also doch. Irgendwie. Auch wenn wir uns hier im Kleinen am Perspektivbruch abrackern/aufreiben und lieber ängstlich an der immer gleichen Perspektive kleben bleiben, anstatt die Möglichkeiten zu nutzen, die Perspektiven einem Autor bieten.
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Bananenfischin
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Beitrag24.09.2017 10:54

von Bananenfischin
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BlueNote hat Folgendes geschrieben:

Es geht also doch. Irgendwie.


Klar geht es. Aber es lässt sich eben nicht regelhaft beschreiben. Wink
Den Schlüssel zur Lösung deines Problems hast du aber in der Hand: Das "Irgendwie" kannst du doch bei den Autoren, die es für dich vorbildhaft gelöst haben, analysieren und dann überlegen, wie du das auf dein Vorhaben übertragen/anpassen kannst. Vielleicht musst du dich auch fragen, ob solche Vermischungen überhaupt zu deinem Erzählstil passen.
Keine der Antworten in diesem Thread hat dir offenbar weitergeholfen, zumindest lese ich das aus deinen Reaktionen heraus. Klar ist nur geworden, dass es so, wie du es in deinem Beispiel gelöst hast, nicht funktioniert, zumindest dann, wenn man den Auszug ohne Kontext betrachtet.


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BlueNote
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Beitrag24.09.2017 11:13

von BlueNote
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Ja, das Beispiel von mir kann man so natürlich nicht schreiben. Wenn personal, dann dabei bleiben. In Franzobels Roman vollzieht sich der Wechsel allerdings erstaunlich oft. Vielleicht kann man sagen, dass er auktorial geschrieben ist (der Autor wendet sich öfters an den Leser), dann aber ist er wieder (ich habe 70 % geschätzt) aus der Sicht des Schiffsjungen Victors beschrieben. Er ist also schon die Reflektorperson. Nur dessen Gedanken werden wiedergegeben. Ansonsten werden immer wieder Hintergrundinformationen (die der Schiffsjunge nicht wissen kann) der Mannschaft und Passagiere (z.B. aus deren Vita) eingestreut, die wichtig sind, um den Gesamtzusammenhang zu verstehen.  

Auch bei einem politischen Roman müsste man doch so vorgehen. Auch hier brauchen wir Hintergrundinformationen, die der Autor zusammenträgt und nicht der Protagonist.
Zitat:

Aber es lässt sich eben nicht regelhaft beschreiben.

Das ist gut gesagt.
Deswegen suche ich nach Beispielen (auch bei den Autoren im Forum), die es mal versucht haben und die Frage war/ist, welche Erfahrungen damit gemacht wurden.
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Bananenfischin
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Beitrag24.09.2017 12:11

von Bananenfischin
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Ich habe "Das Floß der Medusa" noch nicht gelesen, nur eine Besprechung gesehen und es danach kurz angelesen, daher kann ich nicht viel dazu sagen, aber der auktoriale Erzähler scheint ja auch durch z. B. viele anachronistische Bezüge, Vergleiche und Bilder deutlich zu werden, er selbst ist also nicht in der Zeit der Geschehnisse zu verorten. Grundsätzlich kann der allwissende Erzähler ja auch die Gedanken aller oder eben, wenn er mag, auch nur einer Person schildern. Ob er hier überwiegend nah genug an den Schiffsjungen rankommt, um die Perspektive als personal zu bezeichnen, kann ich nicht beurteilen.

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Auch bei einem politischen Roman müsste man doch so vorgehen. Auch hier brauchen wir Hintergrundinformationen, die der Autor zusammenträgt und nicht der Protagonist.


Da kann ich vielleicht ein Beispiel von mir bringen. Ich bin in meiner ersten Romanbiografie in weiten Teilen auch sehr nah an meiner Protagonistin dran, so nah, dass man die Erzählhaltung ohne Zweifel als personal bezeichnen kann. Dennoch wollte ich natürlich auch geschichtliche und politische Hintergrundinfos einbringen, und nicht immer sind das Dinge gewesen, die die Figur wissen konnte. Diese auktorialen Passagen leiten meist eine Szene ein oder lassen sie ausklingen. Das hat mir keinerlei Kopfzerbrechen gemacht.
Allerdings bin ich an zwei Stellen innerhalb einer Passage aus Sicht der Protagonistin auch mal kurz in den Kopf einer anderen Person gesprungen, und da hatte ich dann schon erst ein paar Bedenken, ob das so geht. Aber es erschien mir nötig und letztlich auch passend, also habe ich es gemacht, und es wurde weder vom Lektorat noch an anderer Stelle beanstandet.


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