18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Ein Roman aus Tausendundeiner Nacht


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag08.09.2017 12:59
Ein Roman aus Tausendundeiner Nacht
von Zeitenträumer
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Neue Version »

Moin,

ich versuche mich grade an einer Geschichte, die in der Welt von 1001er Nacht spielt, und wäre dankbar über Eure Einschätzung bezüglich des ersten Eindrucks, der Atmosphäre und was Euch sonst so auffällt. Der eingestellte Abschnitt soll den Anfang bilden.

Harun al-Raschid, Kalif von Bagdad, Beherrscher der Gläubigen und Schatten Allahs auf Erden, schloss die Augen und lauschte den Chören, die sein Loblied sangen. Er stellte sich vor, wie die Bittsteller und Gesandten im Halbdunkel der riesigen Kuppelhalle auf dem schwarzen Lederteppich knieten und angstvoll warteten; die wenigsten wagten, den Kopf zu heben und einen Blick auf den schwarzen, golddurchwirkten Vorhang am Ende der Halle zu werfen. Unter ihnen glühte der vergoldete Boden, hoch über ihren Köpfen glommen Öllampen wie Sterne am Nachthimmel und im Dämmerlicht des Raumes funkelten zahllose Edelsteine, während ein vermummter Hüne mit blankem Beil neben ihnen stand wie ein Henker.
So sehr den Kalifen die Audienzen langweilten, so sehr genoss er die Inszenierung. Unter ihm, auf seiner Seite des Vorhangs, erstrahlte die goldene Halle im Schein tausender Lampen. Er liebte den Moment, wenn die Chöre verstummten, der Vorhang mit einem Knall gelüftet wurde und das Licht die Halle flutete, sich über die Anwesenden ergoss und sie blendete, während er auf seinem goldenen Thron hinab schwebte, getragen von dem unsichtbaren Mechanismus, den sein Großvater Mansur einst hatte konstruieren lassen. Es fühlte sich an, als ginge das Licht von ihm aus, als ergieße sich seine strahlende Allmacht über die Menschen und erfülle den Raum bis in den letzten Winkel, bis kein noch so winziger Schatten mehr seinen Glanz trübte.
Der Thron landete auf dem goldenen, fünfstufigen Podest, vor dem die hohen Würdenträger standen, die der Audienz beiwohnten, in ihrer Mitte Masrur, das Schwert seiner Rache. Wie üblich winkte er Djafar zu sich, seinen Großwesir, ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen und lächelte huldvoll, doch bereits jetzt überkam ihn Ungeduld und er musste sich beherrschen, um in kalifenhafter Würde auf dem Thron sitzen zu bleiben. Natürlich würde Djafar seine Angelegenheiten regeln; nur in besonders wichtigen Fällen ließ Harun selbst einige Worte, wertvoller als Goldstücke, auf die Untertanen und Gesandten hinab träufeln. Was für ein Glück, so dachte er, einen Mann wie Djafar an seiner Seite zu wissen, einen Mann, der nicht nur außerordentlich gebildet und klug, sondern zudem ein echter Freund war! Harun hatte die weisesten Gelehrten, die feinsten Künstler und die geschicktesten Handwerker an seinem Hof versammelt, doch Djafar war der Diamant unter all diesen Rubinen und Smaragden.
Der Großwesir begann, die Bittsteller einzeln anzurufen, ihre Belange und Sorgen zu hören und im Sinne Allahs zu entscheiden, und bald schweiften Haruns Gedanken ab. Was sollte er, wenn diese lästigen Pflichten erledigt waren, mit dem Rest des Tages anfangen? Er würde Abu Nuwas rufen lassen, damit dieser ihm einige seiner Verse vortrüge, und sich dann mit ihm, Djafar und weiteren Künstlern in den Saal begeben und ein Gelage feiern; doch selbst der beste Wein und die schönsten Worte langweilten ihn mittlerweile. Vielleicht sollte er wieder einmal mit Djafar und Masrur in die Stadt ziehen und sich verkleidet und unerkannt als Kaufmann unter die Menschen mischen, um deren Geschichten zu hören?
„… o Beherrscher der Gläubigen“, drang Djafars weiche Stimme an sein Ohr, in jenem Tonfall, den sein Freund benutzte, wenn eine Angelegenheit die Aufmerksamkeit des Kalifen verdiente. Langsam kehrte Harun in die Thronhalle zurück und sah den Großwesir an, der den Kopf in Richtung des Teppichs wandte. Harun folgte seinem Blick und bemerkte zu seiner Freude, dass sämtliche Bittsteller gegangen waren; lediglich eine einzelne Frau kauerte noch auf dem schwarzen Teppich. Djafar wies auf einen Mann in Richteruniform, der neben ihr stand.
„Dies ist Abu Yussuf, einer deiner besten Kadis, o Beherrscher der Gläubigen. Er erbittet deinen Rat in einer delikaten Angelegenheit. Diese Frau dort wurde vor ihn gebracht, weil einige Beamten ihre Kleidung für unzüchtig hielten, doch nur du, o Kalif, kennst den Willen Allahs und weißt, ob er sich durch ihr Äußeres beleidigt fühlt.“
Harun runzelte die Stirn. Wegen solch einer Lächerlichkeit wagte Djafar, das Wort an ihn zu richten? Gerade wollte er ihn zurechtweisen, als ihm ein verschmitzter Ausdruck im Gesicht des Großwesirs ins Auge fiel, und er zögerte. Djafar würde seine Gründe haben, wie immer.
„Sie soll aufstehen“, sagte er gnädig.
Djafar nickte dem Kadi zu, der die Frau mit barscher Stimme aufforderte, dem Befehl des Kalifen nachzukommen. Mit einer grazilen Bewegung erhob sie sich, und Harun sah sofort, was den Unmut der Beamten erregt hatte: Wie es unter den jüngeren Damen Bagdads zunehmend Mode wurde, hatte sie ihr Antlitz nur mit einem hauchzarten Schleier bedeckt, der kaum ihre Gesichtszüge verdeckte; selbst der Haaransatz war zu erahnen. Gleichzeitig wurde ihm klar, weshalb Djafar ihm die Entscheidung in diesem Fall überließ, denn der Großwesir wusste um Haruns Vorliebe für schöne Frauen. Und diese Frau war schön wie der Vollmond.
Harun verzog keine Miene; niemand durfte wissen oder auch nur ahnen, was im Kopf des Beherrschers der Gläubigen vorging. Er ließ einen Moment verstreichen und musterte die Frau. Obwohl sie sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht hatte, hielt sie sich aufrecht; wusste sie nicht, dass ein grausamer Tod auf sie wartete?
„Tritt näher“, hauchte er ihr zu und wandte sich an Djafar. „Sage ihr, dass sie mit dem Beherrscher der Gläubigen sprechen darf.“
Die Frau trat vor das Podest, und Harun betrachtete sie. Tatsächlich war der Stoff ihres Schleiers so dünn, dass er sogar ihre Miene erkennen konnte. Sie war jung und blickte stolz zu ihm auf, und er glaubte, den Anflug eines Lächelns um ihre geschwungenen Lippen spielen zu sehen.
„Wer bist du“, fragte er sie.
„Mein Name ist Kut Alkulub“, antwortete sie mit einer Stimme, die wie die reinsten Glocken in seinen Ohren widerklang.
„Was hast du zu den Anschuldigungen dieses Kadis zu sagen?“
„Nur soviel, o Beherrscher der Gläubigen, dass mein Schleier gerade dicht genug ist, um mich vor den Strahlen der Sonne zu schützen, und gerade leicht genug, um ein wenig Wind an meine Wangen zu lassen.“
Harun unterdrückte ein Schmunzeln. „Du weißt, dass dein Schleier vor allem die Blicke der Männer zurückhalten sollte?“
„Natürlich, o Beherrscher der Gläubigen. Doch starb mein Vater, und meine Mutter ist arm. Gern würde ich einen zünftigeren Schleier erwerben, allein, uns fehlt sogar das Geld zum essen.“
„Du sprichst nicht wie eine aus dem niederen Volk, Weib. Wer war dein Vater?“
„Ein Kaufmann aus Basrah, dessen Name dir nichts sagen wird, o Beherrscher der Gläubigen. Einst waren wir reich, doch durch ein Schiffsunglück verloren wir unseren Wohlstand und mein Vater sein Leben.“ Sie senkte den Blick. „Ich weiß, dass es nicht Recht ist, doch was bleibt mir, als auf eine günstige Heirat zu hoffen? Und wer sollte auf eine arme Frau aufmerksam werden, deren einziger Besitz durch schwere Stoffe verhüllt ist?“
„Schweig, elendes Weib!“, herrschte der Kadi sie an. „Deine Mutter sollte für dich …“
Er verstummte als Harun die Hand hob.
„Das genügt. Geleite diesen ehrbaren Mann nach draußen, Masrur, und kehre dann zurück“, sagte er. Der Kadi erbleichte; es war nie gut, mit dem Schwert seiner Rache allein zu sein. „Und schenke ihm hundert Dirham für seine Dienste“, fügte Harun hinzu, um ihn zu beruhigen. Dann lehnte er sich in seinem Thron zurück und richtete den Blick auf Kut Alkulub.
„Es gibt keinen Zweifel an der Schuld dieser Unwürdigen“, sagte er mit strenger Stimme. „Oder was meinst du, Djafar?“
„Dein Auge sieht die Wahrheit, o Beherrscher der Gläubigen, und dein Urteil ist wie immer treffend.“
Harun nickte. „Das Gesetz verlangt, dass sie gesteinigt wird“, stellte er fest, ohne die Frau aus den Augen zu lassen.
Kut Alkulubs Stimme zitterte, doch sie hielt seinem Blick stand. „Wenn es der Wille Allahs ist, so füge ich mich mit Freude, o Beherrscher der Gläubigen“, sagte sie leise.
Harun erhob sich, und eine gespannte Stille legte sich über den Raum. Er ließ einige Momente verstreichen und forschte in ihrer Haltung nach einem Zeichen von Angst, doch sie reckte das Kinn und harrte stolz ihrem Schicksal. Der Kalif lächelte zufrieden; dann griff er in seinen Turban, löste einen Diamanten heraus und wog ihn in der Hand.
„Wir wollen das Urteil selbst vollstrecken“, sagte er dann und warf den Stein mit einer schnellen Bewegung auf die Frau; er prallte von ihrer Brust ab und landete klirrend auf dem Boden. „Djafar?“
Der Großwesir gab seine Gedanken durch nichts zu erkennen, aber Harun wusste, dass Djafar die kleine Szene ebensoviel Vergnügen bereitete wie ihm selbst. Rasch zog auch er einen Stein aus dem Turban, einen leuchtenden Rubin, und ließ ihn auf Kut Alkulub hinab sausen. Harun blickte in die Runde der Würdenträger, die das Geschehen mit entsetzten Mienen verfolgten.
„Was steht ihr herum wie Statuen?“, fuhr Harun sie an. „Wollt ihr euch Allahs Willen widersetzen?“
Die Männer wechselten unsichere Blicke, und es dauerte einen Moment, bis sie sich regten. Dann, bevor der Kalif einen seiner berüchtigten Wutanfälle bekam, begannen sie hastig an ihren Turbanen herum zu fingern. Ein Saphir des obersten Richters flog durch den Raum, kurz darauf ein Smaragd des Polizeipräsidenten, und bald prasselte ein funkelnder Regen aus Edelsteinen auf Kut Alkulub ein, die regungslos auf dem Teppich stand. Als der letzte Stein gefallen war, bedeutete Harun den Beamten ungeduldig, die Halle zu verlassen. Dann wandte er sich Kut Alkulub zu; er konnte nicht erkennen, ob die hochkarätige Steinigung sie überrascht hatte.
„Sammle deine Strafe in deinem Schleier auf“, hauchte er gnädig, und ihm schien, als sehe er ein dankbares Lächeln hinter dem dünnen Stoff; dann winkte er Djafar näher heran.
„Geleite sie hinaus und lass sie zu Frau Zobaida bringen“, sagte er leise. „Sie soll ihr angemessene Kleider geben und sie herrichten. Heute Nacht will ich sie in meinem Gemach sehen. Dann lässt du Abu Nuwas rufen und kommst zurück.“
„Abu Nuwas wartet bereits im Salon, ebenso Ishaq“, sagte Djafar.
Der Kalif breitete die Arme aus. „Was täte ich nur ohne dich, mein Freund?“
Höchst zufrieden beobachtete er, wie Kut Alkulub mit anmutigen Bewegungen die Edelsteine zusammenraffte und gemeinsam mit dem Großwesir die Halle verließ. Im Licht der Schönheit seiner neuen Sklavin und der kommenden Nacht mit ihr strahlten der Tag und ein Festmahl mit seinen Günstlingen mit einem Mal in leuchtenden Farben. Sie würden trinken und vielleicht ein paar junge Knaben von ausgesuchten Reizen zu ihrer Unterhaltung bestellen, den Versen Abu Nuwas‘ und den Klängen von Ishaqs Gesang lauschen, und wenn die Schatten länger wurden winkte ihm eine Nacht mit der neuen Perle seines Harems. Harun hob den Blick und dankte Allah für seinen Großmut, als sich die Torflügel der Halle öffneten und Djafar erschien, an seiner Seite ein abgekämpft aussehender Mann in der Kleidung der Wüstenreiter.

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
kioto
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 71
Beiträge: 442
Wohnort: Rendsburg


Beitrag10.09.2017 19:20

von kioto
Antworten mit Zitat

Hallo Zeitenträumer.

Die 1002 Geschichte aus 1001 Nacht passt ja zu deinem Nick. Ich habe sie gelesen und du hast den aktuellen Stil der Geschichten, sie wurden ja, wenn ich richtig informiert bin, schon seit längerem überliefert und wiederholt übersetzt und nacherzählt, gut getroffen und routiniert erzählt. Deine Sätze finde ich manchmal etwas zu lang. Ansonsten sind mir keine Fehler aufgefallen, ich bin aber kein guter Lektor. Insofern ist die Geschichte gut gelungen.
Allerdings fürchte ich, das Interesse für Geschichten, die aktuelle Fragen wie die Verschleierung in die naiv-romantisierende Sichtweise des 19. Jahrhunderts für den nahen Osten übernehmen, ist gering.

Gruß Werner


_________________
Stanislav Lem: Literatur versucht, gewöhnliche Dinge ungewöhnlich zu beschreiben, man erfährt fast alles über fast nichts.
Phantastik beschreibt ungewöhnliche Dinge (leider m.M.) meist gewöhnlich, man erfährt fast nicht über fast alles.

Gruß, Werner am NO-Kanal
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jacaranda
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 42
Beiträge: 245
Wohnort: Kölner Dunstkreis


Beitrag11.09.2017 10:31

von Jacaranda
Antworten mit Zitat

Hallo Zeitenträumer,

ich finde ebenfalls den Stil gut getroffen, und es lässt sich flüssig lesen. Ein Problem habe ich nur damit, dass die Frau, die ja im Harem als Sklavin aufgenommen wird (was nicht das schlechteste Schicksal war), die ganzen Edelsteine behalten durfte. Wie sind die Eigentumsverhältnisse - kann eine Frau solchen Besitz dann noch haben? Sklaven haben keinen eigenen 'Besitz', sie gehören selbst zum Inventar. Warum haut sie nicht mit den Steinen ab und baut sich ein eigenes Leben auf? Im Harem hätte sie nicht viel von solchem Reichtum, den konnten die Frauen oft nicht einmal verlassen.

Ansonsten gern gelesen.


_________________
Theobrominstatus auf kritisches Niveau gefallen. Dringend Schokolade einfüllen!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
azareon35
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 292
Wohnort: Hessen


Beitrag11.09.2017 20:03
Re: Ein Roman aus Tausendundeiner Nacht
von azareon35
Antworten mit Zitat

Heyo Zeitenträumer,

dann lass mich doch gleich mal meinen Senf dazugeben. Ist alles nur meine persönliche Meinung, nimm, was du gebrauchen kannst.


Zeitenträumer hat Folgendes geschrieben:

Harun al-Raschid, Kalif von Bagdad, Beherrscher der Gläubigen und Schatten Allahs auf Erden, Ich weiß, dass das sein Titel ist, aber für den Anfang ist das zu sehr ein Infodump. Ich würde es beim Namen belassen und den ganzen Titel von einem Nebencharakter sagen lassen, vielleicht ein Ausrufer oder sowas. schloss die Augen und lauschte den Chören, die sein Loblied sangen. Er stellte sich vor, Da er diese Inszenierung ja schon öfter abgezogen hat, muss er sich das nicht vorstellen, er sieht es direkt. wie die Bittsteller und Gesandten im Halbdunkel der riesigen Kuppelhalle auf dem schwarzen Lederteppich knieten und angstvoll warteten; die wenigsten wagten, den Kopf zu heben und einen Blick auf den schwarzen, golddurchwirkten Vorhang am Ende der Halle zu werfen. Unter ihnen glühte der vergoldete Boden, hoch über ihren Köpfen glommen Öllampen wie Sterne am Nachthimmel und im Dämmerlicht des Raumes funkelten zahllose Edelsteine, während ein vermummter Hüne mit blankem Beil neben ihnen stand wie ein Henker.
So sehr den Kalifen die Audienzen langweilten, so sehr genoss er die Inszenierung. Unter ihm, auf seiner Seite des Vorhangs, erstrahlte die goldene Halle im Schein tausender Lampen. Er liebte den Moment, wenn die Chöre verstummten, der Vorhang mit einem Knall gelüftet wurde und das Licht die Halle flutete, sich über die Anwesenden ergoss und sie blendete, während er auf seinem goldenen Thron hinab schwebte, getragen von dem unsichtbaren Mechanismus, den sein Großvater Mansur einst hatte konstruieren lassen. Es fühlte sich an, als ginge das Licht von ihm aus, als ergieße sich seine strahlende Allmacht über die Menschen und erfüllte den Raum bis in den letzten Winkel, bis kein noch so winziger Schatten mehr seinen Glanz trübte.
Der Thron landete auf dem goldenen, fünfstufigen Podest, Etwa hier könnte ein Ausrufer den Titel des Kalifen verkünden. vor dem die hohen Würdenträger standen, die der Audienz beiwohnten, in ihrer Mitte Masrur, das Schwert seiner Rache. Wie üblich winkte er Wer winkt? Das Schwert? Djafar zu sich, seinen Großwesir, ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen und lächelte huldvoll, doch bereits jetzt überkam ihn Ungeduld und er musste sich beherrschen, um in kalifenhafter Würde auf dem Thron sitzen zu bleiben. Natürlich würde Djafar seine Angelegenheiten regeln; nur in besonders wichtigen Fällen ließ Harun selbst einige Worte, wertvoller als Goldstücke, auf die Untertanen und Gesandten hinab träufeln. Was für ein Glück, so dachte er, einen Mann wie Djafar an seiner Seite zu wissen, einen Mann, der nicht nur außerordentlich gebildet und klug, sondern zudem ein echter Freund war. Uh-oh. Charaktershilling. Und das Ausrufezeichen passt da nicht. Harun hatte die weisesten Gelehrten, die feinsten Künstler und die geschicktesten Handwerker an seinem Hof versammelt, doch Djafar war der Diamant unter all diesen Rubinen und Smaragden. Sehr schöne Metapher!
Der Großwesir begann, die Bittsteller einzeln anzurufen, ihre Belange und Sorgen zu hören und im Sinne Allahs zu entscheiden, Hier würden sich einige Beispiele von diesen Sorgen und Belangen nicht schlecht machen, ließe die Story plastischer erscheinen. und bald schweiften Haruns Gedanken ab. Was sollte er, wenn diese lästigen Pflichten erledigt waren, mit dem Rest des Tages anfangen? Er würde Abu Nuwas rufen lassen, damit dieser ihm einige seiner Verse vortrüge, und sich dann mit ihm, Djafar und weiteren Künstlern in den Saal begeben und ein Gelage feiern; doch selbst der beste Wein und die schönsten Worte langweilten ihn mittlerweile. Vielleicht sollte er wieder einmal mit Djafar und Masrur in die Stadt ziehen und sich verkleidet und unerkannt als Kaufmann unter die Menschen mischen, um deren Geschichten zu hören?
„… o Beherrscher der Gläubigen“, drang Djafars weiche Stimme an sein Ohr, in jenem Tonfall, den sein Freund benutzte, wenn eine Angelegenheit die Aufmerksamkeit des Kalifen verdiente. Langsam kehrte Harun in die Thronhalle zurück Die Formulierung lässt mich denken, der Kalif ist auf Drogen. und sah den Großwesir an, der den Kopf in Richtung des Teppichs wandte. Harun folgte seinem Blick und bemerkte zu seiner Freude, dass sämtliche Bittsteller gegangen waren; lediglich eine einzelne Frau kauerte noch auf dem schwarzen Teppich. Djafar wies auf einen Mann in Richteruniform, der neben ihr stand.
„Dies ist Abu Yussuf, einer deiner besten Kadis, o Beherrscher der Gläubigen. Er erbittet deinen Rat in einer delikaten Angelegenheit. Diese Frau dort wurde vor ihn gebracht, weil einige Beamten ihre Kleidung für unzüchtig hielten, doch nur du, o Kalif, kennst den Willen Allahs und weißt, ob er sich durch ihr Äußeres beleidigt fühlt.“
Harun runzelte die Stirn. Wegen solch einer Lächerlichkeit wagte Djafar, das Wort an ihn zu richten? Gerade wollte er ihn zurechtweisen, als ihm ein verschmitzter Ausdruck im Gesicht des Großwesirs ins Auge fiel, und er zögerte. Djafar würde seine Gründe haben, wie immer.
„Sie soll aufstehen“, sagte er gnädig.
Djafar nickte dem Kadi zu, der die Frau mit barscher Stimme aufforderte, dem Befehl des Kalifen nachzukommen. Mit einer grazilen Bewegung erhob sie sich, und Harun sah sofort, was den Unmut der Beamten erregt hatte: Wie es unter den jüngeren Damen Bagdads zunehmend Mode wurde, hatte sie ihr Antlitz nur mit einem hauchzarten Schleier bedeckt, der kaum ihre Gesichtszüge verdeckte; selbst der Haaransatz war zu erahnen. Gleichzeitig wurde ihm klar, weshalb Djafar ihm die Entscheidung in diesem Fall überließ, denn der Großwesir wusste um Haruns Vorliebe für schöne Frauen. Und diese Frau war schön wie der Vollmond.
Harun verzog keine Miene; niemand durfte wissen oder auch nur ahnen, was im Kopf des Beherrschers der Gläubigen vorging. Er ließ einen Moment verstreichen und musterte die Frau. Obwohl sie sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht hatte, hielt sie sich aufrecht; wusste sie nicht, dass ein grausamer Tod auf sie wartete?
„Tritt näher“, hauchte er ihr zu Sofern der Kalif kein Megaphon in der Hand hat, kann sie sein Zuhauchen aus einer gewissen Entfernung nicht verstehen. und wandte sich an Djafar. „Sage ihr, dass sie mit dem Beherrscher der Gläubigen sprechen darf.“
Die Frau trat vor das Podest, und Harun betrachtete sie. Tatsächlich war der Stoff ihres Schleiers so dünn, dass er sogar ihre Miene erkennen konnte. Sie war jung und blickte stolz zu ihm auf, und er glaubte, den Anflug eines Lächelns um ihre geschwungenen Lippen spielen zu sehen.
„Wer bist du“, fragte er sie.
„Mein Name ist Kut Alkulub“, antwortete sie mit einer Stimme, die wie die reinsten Glocken in seinen Ohren widerklang.
„Was hast du zu den Anschuldigungen dieses Kadis zu sagen?“
„Nur soviel, o Beherrscher der Gläubigen, dass mein Schleier gerade dicht genug ist, um mich vor den Strahlen der Sonne zu schützen, und gerade leicht genug, um ein wenig Wind an meine Wangen zu lassen.“
Harun unterdrückte ein Schmunzeln. „Du weißt, dass dein Schleier vor allem die Blicke der Männer zurückhalten sollte?“
„Natürlich, o Beherrscher der Gläubigen. Doch starb mein Vater, und meine Mutter ist arm. Gern würde ich einen zünftigeren Schleier erwerben, allein, uns fehlt sogar das Geld zum essen.“
„Du sprichst nicht wie eine aus dem niederen Volk, Weib. Wer war dein Vater?“ Der Sprachduktus ist hervorragend! Weiter so.
„Ein Kaufmann aus Basrah, dessen Name dir nichts sagen wird, o Beherrscher der Gläubigen. Einst waren wir reich, doch durch ein Schiffsunglück verloren wir unseren Wohlstand und mein Vater sein Leben.“ Sie senkte den Blick. „Ich weiß, dass es nicht Recht ist, doch was bleibt mir, als auf eine günstige Heirat zu hoffen? Und wer sollte auf eine arme Frau aufmerksam werden, deren einziger Besitz durch schwere Stoffe verhüllt ist?“
„Schweig, elendes Weib!“, herrschte der Kadi sie an. „Deine Mutter sollte für dich …“
Er verstummte, als Harun die Hand hob.
„Das genügt. Geleite diesen ehrbaren Mann nach draußen, Masrur, und kehre dann zurück“, sagte er. Der Kadi erbleichte; es war nie gut, mit dem Schwert seiner Rache Wessen Rache? allein zu sein. „Und schenke ihm hundert Dirham für seine Dienste“, fügte Harun hinzu, um ihn zu beruhigen. Dann lehnte er sich in seinem Thron zurück und richtete den Blick auf Kut Alkulub.
„Es gibt keinen Zweifel an der Schuld dieser Unwürdigen“, sagte er mit strenger Stimme. „Oder was meinst du, Djafar?“
„Dein Auge sieht die Wahrheit, o Beherrscher der Gläubigen, und dein Urteil ist wie immer treffend.“
Harun nickte. „Das Gesetz verlangt, dass sie gesteinigt wird“, stellte er fest, ohne die Frau aus den Augen zu lassen.
Kut Alkulubs Stimme zitterte, doch sie hielt seinem Blick stand. „Wenn es der Wille Allahs ist, so füge ich mich mit Freude, o Beherrscher der Gläubigen“, sagte sie leise.
Harun erhob sich, und eine gespannte Stille legte sich über den Raum. Er ließ einige Momente verstreichen und forschte in ihrer Haltung nach einem Zeichen von Angst, doch sie reckte das Kinn und harrte stolz ihrem Schicksal. Der Kalif lächelte zufrieden; dann griff er in seinen Turban, löste einen Diamanten heraus und wog ihn in der Hand.
„Wir wollen das Urteil selbst vollstrecken“, sagte er dann und warf den Stein mit einer schnellen Bewegung auf die Frau; er prallte von ihrer Brust ab und landete klirrend auf dem Boden. „Djafar?“
Der Großwesir gab seine Gedanken durch nichts zu erkennen, aber Harun wusste, dass Djafar die kleine Szene ebensoviel Vergnügen bereitete wie ihm selbst. Rasch zog auch er einen Stein aus dem Turban, einen leuchtenden Rubin, und ließ ihn auf Kut Alkulub hinab sausen. Harun blickte in die Runde der Würdenträger, die das Geschehen mit entsetzten Mienen verfolgten.
„Was steht ihr herum wie Statuen?“, fuhr Harun sie an. „Wollt ihr euch Allahs Willen widersetzen?“ Ich gebe zu, das ist absolut genial!
Die Männer wechselten unsichere Blicke, und es dauerte einen Moment, bis sie sich regten. Dann, bevor der Kalif einen seiner berüchtigten Wutanfälle bekam, begannen sie hastig an ihren Turbanen herum zu fingern. Das würde ich anders formulieren begannen sie hastig, Edelsteine aus ihren Turbanen zu lösen. Ein Saphir des obersten Richters flog durch den Raum, kurz darauf ein Smaragd des Polizeipräsidenten, und bald prasselte ein funkelnder Regen aus Edelsteinen auf Kut Alkulub ein, die regungslos auf dem Teppich stand. Als der letzte Stein gefallen war, bedeutete Harun den Beamten ungeduldig, die Halle zu verlassen. Dann wandte er sich Kut Alkulub zu; er konnte nicht erkennen, ob die hochkarätige Steinigung sie überrascht hatte.
„Sammle deine Strafe in deinem Schleier auf“, hauchte er gnädig, und ihm schien, als sehe er ein dankbares Lächeln hinter dem dünnen Stoff; dann winkte er Djafar näher heran.
„Geleite sie hinaus und lass sie zu Frau Zobaida bringen“, sagte er leise. „Sie soll ihr angemessene Kleider geben und sie herrichten. Heute Nacht will ich sie in meinem Gemach sehen. Dann lässt du Abu Nuwas rufen und kommst zurück.“
„Abu Nuwas wartet bereits im Salon, ebenso Ishaq“, sagte Djafar.
Der Kalif breitete die Arme aus. „Was täte ich nur ohne dich, mein Freund?“ Dieser Satz reicht schon, da kannst du dir das Charaktershilling sparen.
Höchst zufrieden beobachtete er, wie Kut Alkulub mit anmutigen Bewegungen die Edelsteine zusammenraffte und gemeinsam mit dem Großwesir die Halle verließ. Im Licht der Schönheit seiner neuen Sklavin und der kommenden Nacht mit ihr strahlten der Tag und ein Festmahl mit seinen Günstlingen mit einem Mal in leuchtenden Farben. Sie würden trinken und vielleicht ein paar junge Knaben von ausgesuchten Reizen zu ihrer Unterhaltung bestellen, den Versen Abu Nuwas‘ und den Klängen von Ishaqs Gesang lauschen, und wenn die Schatten länger wurden winkte ihm eine Nacht mit der neuen Perle seines Harems. Ich weiß zwar nicht, wie es weitergeht, aber diese Formulierung lässt darauf schließen, dass der Kalif die so beschriebene Nacht nicht in dieser Form erleben wird. Harun hob den Blick und dankte Allah für seinen Großmut, als sich die Torflügel der Halle öffneten und Djafar erschien, an seiner Seite ein abgekämpft aussehender Mann in der Kleidung der Wüstenreiter. Bingo.


Den Stil von 1001 Nacht hast du, bis auf meine Anmerkungen, ganz gut getroffen. Dass aber für ein ganzes Buch umzusetzen ist eine etwas heikle Angelegenheit, da würde ich überlegen, die Schreibweise nicht ganz so direkt nachzuahmen, sonst wird es zu langatmig. Das Schlupfloch im Gesetz und das geradezu salomonische Urteil ist dir sehr gut gelungen.

Der Kalif wirkt als Protagonist auf mich noch nicht so fesselnd. Er klingt zu nörgelnd. "Oh nein, jetzt muss ich mich wieder um die Belange meiner Untertanen kümmern - niemand versteht mich!" Hoffentlich ändert sich das noch.

Was ich dir auf jeden Fall rate: recherchiere die Wertedissonanz zu unserer heutigen Kultur so genau wie möglich.


MfG
Azareon


_________________
Nemo me impune lacessit.

"If you don't read my bleedin' text, you don't get to talk down about my bleedin' text!"
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
manon
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 57
Beiträge: 111



Beitrag11.09.2017 23:14
Re: Ein Roman aus Tausendundeiner Nacht
von manon
Antworten mit Zitat

Hallo Zeitenräumer,

ich muss vorweg schreiben, dass ich in dem Genre nicht zu Hause bin, also als Leserin ohne Genrekenntnisse gelesen habe.

Zeitenträumer hat Folgendes geschrieben:


Harun al-Raschid, Kalif von Bagdad, Beherrscher der Gläubigen und Schatten Allahs auf Erden, Hier musste ich öfters lesen. Heißt es "Beherrscher" und nicht "Herrscher"? Und was bedeutet es, wenn ein mann der Schatten Allahs auf Erden ist? Ist das allgemein bekannt? schloss die Augen und lauschte den Chören, die sein Loblied sangen. Er stellte sich vor, Wieso stellt er sich das vor, wenn er doch anwesend ist? wie die Bittsteller und Gesandten im Halbdunkel der riesigen Kuppelhalle auf dem schwarzen Lederteppich knieten und angstvoll warteten; warum angstvoll? hat man als Bittsteller eventuell den Tod zu fürchten? die wenigsten wagten, den Kopf zu heben und einen Blick auf den schwarzen, golddurchwirkten Vorhang Hier war ich, wie am Anfang, wieder draußen und versuchte mir vorzustellen, was ein golddurchwirkter Vorhang ist. am Ende der Halle zu werfen. Unter ihnen glühte der vergoldete Boden, ist das eine Metapher? Ich verstehe das nämlich nicht.  hoch über ihren Köpfen glommen Öllampen wie Sterne am Nachthimmel und im Dämmerlicht des Raumes funkelten Können die Steine funkeln, wenn es Dämmerlicht ist? zahllose Edelsteine, während ein vermummter Hüne mit blankem Beil neben ihnen stand wie ein Henker. Eine Person steht neben ihnen, wie kann ich mir das vorstellen? Stehen die in einer Reihe? oder sind es so wenige, dass er daneben stehen kann?
So sehr den Kalifen die Audienzen langweilten, so sehr genoss er die Inszenierung. In diesem Satz beschreibst du, was du im Folgenden zeigst. Es ist also doppelt und mir gefällt das Gezeigte viel besser. Unter ihm, auf seiner Seite des Vorhangs, erstrahlte die goldene Halle im Schein tausender Lampen. Eben war noch Dämmerlicht, jetzt erstrahlt es. Passiert es jetzt erst oder erstrahlte es die ganze Zeit? Wenn nicht, würde ich ergänzen, dass es nacheinander eintritt. Er liebte den Moment, wenn die Chöre verstummten, der Vorhang mit einem Knall gelüftet wurde heißt das, dass er hinter dem Vorhang war und er deshalb nicht sah, was hinter dem Vorhang passierte? Das hatte ich beim ersten Lesen nicht wahrgenommen. Vielleicht ergänzt du das oben, damit es deutlicher wird? und das Licht die Halle flutete, sich über die Anwesenden ergoss und sie blendete, während er auf seinem goldenen Thron hinab schwebte, getragen von dem unsichtbaren Mechanismus, den sein Großvater Mansur einst hatte konstruieren lassen. Es fühlte sich an, als ginge das Licht von ihm aus, als ergieße sich seine strahlende Allmacht über die Menschen und erfülle den Raum bis in den letzten Winkel, bis kein noch so winziger Schatten mehr seinen Glanz trübte.
Der Thron landete auf dem goldenen, fünfstufigen Podest, vor dem die hohen Würdenträger standen, die der Audienz beiwohnten, in ihrer Mitte Masrur, das Schwert seiner Rache. Ist das ein Mensch oder ein Gegenstand = Schwert? Wie üblich winkte er Djafar zu sich, seinen Großwesir, ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen und lächelte huldvoll, doch bereits jetzt überkam ihn Ungeduld und er musste sich beherrschen, um in kalifenhafter Würde auf dem Thron sitzen zu bleiben. Natürlich würde Djafar seine Angelegenheiten regeln; nur in besonders wichtigen Fällen ließ Harun selbst einige Worte, wertvoller als Goldstücke, auf die Untertanen und Gesandten hinab träufeln. Was für ein Glück, so dachte er, einen Mann wie Djafar an seiner Seite zu wissen, einen Mann, der nicht nur außerordentlich gebildet und klug, sondern zudem ein echter Freund war! Harun hatte die weisesten Gelehrten, die feinsten Künstler und die geschicktesten Handwerker an seinem Hof versammelt, doch Djafar war der Diamant unter all diesen Rubinen und Smaragden. Das ist Infodump und es ist die Frage, ob du diese Informationen anders einfügen kannst oder später hinzufügst.
Der Großwesir begann, die Bittsteller einzeln anzurufen, ihre Belange und Sorgen zu hören und im Sinne Allahs zu entscheiden, und bald schweiften Haruns Gedanken ab. Was sollte er, wenn diese lästigen Pflichten erledigt waren, mit dem Rest des Tages anfangen? Er würde Abu Nuwas rufen lassen, damit dieser ihm einige seiner Verse vortrüge, und sich dann mit ihm, Djafar und weiteren Künstlern in den Saal begeben und ein Gelage feiern; doch selbst der beste Wein und die schönsten Worte langweilten ihn mittlerweile. Vielleicht sollte er wieder einmal mit Djafar und Masrur spricht er so von einem Schwert oder ist es doch eine Person? in die Stadt ziehen und sich verkleidet und unerkannt als Kaufmann unter die Menschen mischen, um deren Geschichten zu hören?
„… o Beherrscher der Gläubigen“, drang Djafars weiche Stimme an sein Ohr, in jenem Tonfall, den sein Freund benutzte, wenn eine Angelegenheit die Aufmerksamkeit des Kalifen verdiente. Langsam kehrte Harun in die Thronhalle zurück und sah den Großwesir an, der den Kopf in Richtung des Teppichs wandte. Harun folgte seinem Blick und bemerkte zu seiner Freude, dass sämtliche Bittsteller gegangen waren; lediglich eine einzelne Frau kauerte noch auf dem schwarzen Teppich. Djafar wies auf einen Mann in Richteruniform, der neben ihr stand.
„Dies ist Abu Yussuf, einer deiner besten Kadis, o Beherrscher der Gläubigen. Er erbittet deinen Rat in einer delikaten Angelegenheit. Diese Frau dort wurde vor ihn gebracht, weil einige Beamten ihre Kleidung für unzüchtig hielten, doch nur du, o Kalif, kennst den Willen Allahs und weißt, ob er sich durch ihr Äußeres beleidigt fühlt.“
Harun runzelte die Stirn. Wegen solch einer Lächerlichkeit wagte Djafar, das Wort an ihn zu richten? Gerade wollte er ihn zurechtweisen, als ihm ein verschmitzter Ausdruck im Gesicht des Großwesirs ins Auge fiel, und er zögerte. Djafar würde seine Gründe haben, wie immer.
„Sie soll aufstehen“, sagte er gnädig.
Djafar nickte dem Kadi zu, der die Frau mit barscher Stimme aufforderte, dem Befehl des Kalifen nachzukommen. Mit einer grazilen Bewegung erhob sie sich, und Harun sah sofort, was den Unmut der Beamten erregt hatte: Wie es unter den jüngeren Damen Bagdads zunehmend Mode wurde, hatte sie ihr Antlitz nur mit einem hauchzarten Schleier bedeckt, der kaum ihre Gesichtszüge verdeckte; selbst der Haaransatz war zu erahnen. Gleichzeitig wurde ihm klar, weshalb Djafar ihm die Entscheidung in diesem Fall überließ, denn der Großwesir wusste um Haruns Vorliebe für schöne Frauen. Und Das ist doppelt und würde ich streichen diese Frau war schön wie der Vollmond.
Harun verzog keine Miene; niemand durfte wissen oder auch nur ahnen, was im Kopf des Beherrschers der Gläubigen vorging. Er ließ einen Moment verstreichen und musterte die Frau. Obwohl sie sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht hatte, hielt sie sich aufrecht; wusste sie nicht, dass ein grausamer Tod auf sie wartete?
„Tritt näher“, hauchte er ihr zu und wandte sich an Djafar. „Sage ihr, dass sie mit dem Beherrscher der Gläubigen sprechen darf.“
Die Frau trat vor das Podest, und Harun betrachtete sie. Tatsächlich war der Stoff ihres Schleiers so dünn, dass er sogar ihre Miene erkennen konnte. Sie war jung und blickte stolz zu ihm auf, und er glaubte, den Anflug eines Lächelns um ihre geschwungenen Lippen spielen zu sehen.
„Wer bist du“, fragte er sie.
„Mein Name ist Kut Alkulub“, antwortete sie mit einer Stimme, die wie die reinsten Glocken in seinen Ohren widerklang.
„Was hast du zu den Anschuldigungen dieses Kadis zu sagen?“
„Nur soviel, o Beherrscher der Gläubigen, dass mein Schleier gerade dicht genug ist, um mich vor den Strahlen der Sonne zu schützen, und gerade leicht genug, um ein wenig Wind an meine Wangen zu lassen.“
Harun unterdrückte ein Schmunzeln. „Du weißt, dass dein Schleier vor allem die Blicke der Männer zurückhalten sollte?“
„Natürlich, o Beherrscher der Gläubigen. Doch starb mein Vater, und meine Mutter ist arm. Gern würde ich einen zünftigeren Schleier erwerben, allein, uns fehlt sogar das Geld zum essen.
„Du sprichst nicht wie eine aus dem niederen Volk, Weib. Wer war dein Vater?“
„Ein Kaufmann aus Basrah, dessen Name dir nichts sagen wird, o Beherrscher der Gläubigen. Einst waren wir reich, doch durch ein Schiffsunglück verloren wir unseren Wohlstand und mein Vater sein Leben.“ Sie senkte den Blick. „Ich weiß, dass es nicht Recht ist, doch was bleibt mir, als auf eine günstige Heirat zu hoffen? Und wer sollte auf eine arme Frau aufmerksam werden, deren einziger Besitz durch schwere Stoffe verhüllt ist?Sie führt mMn zwei verschiedene Gründe an, um diesen Schleier in dieser Form zu tragen. Absicht?
„Schweig, elendes Weib!“, herrschte der Kadi sie an. „Deine Mutter sollte für dich …“
Er verstummte als Harun die Hand hob.
„Das genügt. Geleite diesen ehrbaren Mann nach draußen, Masrur, Also ist Masrur doch eine Person? Würde das deutlicher machen. und kehre dann zurück“, sagte er. Der Kadi erbleichte; es war nie gut, mit dem Schwert seiner Rache allein zu sein. „Und schenke ihm hundert Dirham für seine Dienste“, fügte Harun hinzu, um ihn zu beruhigen. Dann lehnte er sich in seinem Thron zurück und richtete den Blick auf Kut Alkulub.
„Es gibt keinen Zweifel an der Schuld dieser Unwürdigen“, sagte er mit strenger Stimme. „Oder was meinst du, Djafar?“
„Dein Auge sieht die Wahrheit, o Beherrscher der Gläubigen, und dein Urteil ist wie immer treffend.“
Harun nickte. „Das Gesetz verlangt, dass sie gesteinigt wird“, stellte er fest, ohne die Frau aus den Augen zu lassen.
Kut Alkulubs Stimme zitterte, doch sie hielt seinem Blick stand. „Wenn es der Wille Allahs ist, so füge ich mich mit Freude, o Beherrscher der Gläubigen“, sagte sie leise.
Harun erhob sich, und eine gespannte Stille legte sich über den Raum. Er ließ einige Momente verstreichen und forschte in ihrer Haltung nach einem Zeichen von Angst, doch sie reckte das Kinn und harrte stolz ihrem Schicksal. Der Kalif lächelte zufrieden; dann griff er in seinen Turban, löste einen Diamanten heraus und wog ihn in der Hand.
„Wir wollen das Urteil selbst vollstrecken“, sagte er dann und warf den Stein mit einer schnellen Bewegung auf die Frau; er prallte von ihrer Brust ab und landete klirrend auf dem Boden. „Djafar?“
Der Großwesir gab seine Gedanken durch nichts zu erkennen, aber Harun wusste, dass Djafar die kleine Szene ebensoviel Vergnügen bereitete wie ihm selbst. Rasch zog auch er einen Stein aus dem Turban, einen leuchtenden Rubin, und ließ ihn auf Kut Alkulub hinab sausen. Harun blickte in die Runde der Würdenträger, die das Geschehen mit entsetzten Mienen verfolgten.
„Was steht ihr herum wie Statuen?“, fuhr Harun sie an. „Wollt ihr euch Allahs Willen widersetzen?“
Die Männer wechselten unsichere Blicke, und es dauerte einen Moment, bis sie sich regten. Dann, bevor der Kalif einen seiner berüchtigten Wutanfälle bekam, Könntest du das nicht zeigen? Also, dass er wütend wird und dann alle schnell reagieren? begannen sie hastig an ihren Turbanen herum zu fingern. Ein Saphir des obersten Richters flog durch den Raum, kurz darauf ein Smaragd des Polizeipräsidenten, und bald prasselte ein funkelnder Regen aus Edelsteinen es wirkt nicht so gut, da du anfangs die Berufe nennst und dann nur noch von funkelndem Regen schreibst. Würde das vereinheitlichen. auf Kut Alkulub ein, die regungslos auf dem Teppich stand. Als der letzte Stein gefallen war, bedeutete Harun den Beamten ungeduldig, die Halle zu verlassen. Dann wandte er sich Kut Alkulub zu; er konnte nicht erkennen, ob die hochkarätige Steinigung sie überrascht hatte.
„Sammle deine Strafe in deinem Schleier auf“, hauchte er gnädig, und ihm schien, als sehe er ein dankbares Lächeln hinter dem dünnen Stoff; dann winkte er Djafar näher heran.
„Geleite sie hinaus und lass sie zu Frau Zobaida bringen“, sagte er leise. „Sie soll ihr angemessene Kleider geben und sie herrichten. Heute Nacht will ich sie in meinem Gemach sehen. Dann lässt du Abu Nuwas rufen und kommst zurück.“
„Abu Nuwas wartet bereits im Salon, ebenso Ishaq“, sagte Djafar.
Der Kalif breitete die Arme aus. „Was täte ich nur ohne dich, mein Freund?“
Höchst zufrieden beobachtete er, wie Kut Alkulub mit anmutigen Bewegungen die Edelsteine zusammenraffte und gemeinsam mit dem Großwesir die Halle verließ. Im Licht der Schönheit seiner neuen Sklavin ich verstehe auch nicht, wieso eine Sklavin Edelsteine behalten darf. und der kommenden Nacht wird sie nach der Nacht davon gejagt oder darf gehen oder warum erwähnst du die einzelne Nacht? Denn so, wie es hier steht, ist sie nur für eine Nacht Sklavin. Beabsichtigt? mit ihr strahlten der Tag und ein Festmahl mit seinen Günstlingen mit einem Mal in leuchtenden Farben. Sie würden trinken und vielleicht ein paar junge Knaben von ausgesuchten Reizen zu ihrer Unterhaltung bestellen, den Versen Abu Nuwas‘ und den Klängen von Ishaqs Gesang lauschen, und wenn die Schatten länger wurden winkte ihm eine Nacht mit der neuen Perle seines Harems. Ist Harem und Sklavin dasselbe? Und hier scheint es, als sollte die Dame länger bleiben. Harun hob den Blick und dankte Allah für seinen Großmut, Ich kenne mich wie gesagt nicht aus, aber was für ein Großmut? Oder ist damit gemeint, dass er eine neue Sklavin hat? Könnte er sich als Kalif nicht jede Frau leisten, die er möchte? Muss er also auf eine Bittstellerin warten? als sich die Torflügel der Halle öffneten und Djafar erschien, an seiner Seite ein abgekämpfter aussehender Mann in der Kleidung der Wüstenreiter.


Eine interessante Szene und ich vermute, dass die Nacht nun anders ausfallen wird, als gewünscht? Very Happy

Für mich, die diese Art von Romanen nicht liest, ist es ab und an zu blumig und zu viele Adjektive. Aber ich las es - davon abgesehen - gern und du hast einige Fragen aufgeworfen, womit du Spannung erzeugst.

Viele Grüße
manon
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag12.09.2017 11:14

von Zeitenträumer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Moin zusammen,

vielen, vielen Dank für diese wirklich hilfreichen Kritiken! Ich werde mir alles, was ihr geschrieben habt, ausführlich durch den Kopf gehen lassen und euch sobald ich es schaffe eine neue, hoffentlich verbesserte Version vorstellen.
Freut mich, dass die Sprache gut getroffen scheint. Und gleichzeitig Entwarnung: nicht der ganze Roman wird in Haruns Zeit spielen, sodass ich hoffe, diesbezügliche Langeweile vermeiden zu können. Das spielt aber hier erstmal keine Rolle, denn ich möchte speziell an diesem Teil arbeiten.

Auf einige Punkte will ich kurz eingehen, ich fange mal mit den Details an.

Manon:

Zitat:
Harun al-Raschid, Kalif von Bagdad, Beherrscher der Gläubigen und Schatten Allahs auf Erden, Hier musste ich öfters lesen. Heißt es "Beherrscher" und nicht "Herrscher"? Und was bedeutet es, wenn ein mann der Schatten Allahs auf Erden ist? Ist das allgemein bekannt?

Es ist sein Titel, bzw. ein Teil davon. Der Kalif wird üblicherweise als "Beherrscher der Gläubigen" bezeichnet und gilt als Vertreter Allahs auf Erden - so erklärt sich das mit dem Schatten.

Zitat:
angstvoll warteten; warum angstvoll? hat man als Bittsteller eventuell den Tod zu fürchten?

Ja. Der Willkür sind keine Grenzen gesetzt, das werde ich in der neuen Version verdeutlichen.

Zitat:
Unter ihm, auf seiner Seite des Vorhangs, erstrahlte die goldene Halle im Schein tausender Lampen. Eben war noch Dämmerlicht, jetzt erstrahlt es. Passiert es jetzt erst oder erstrahlte es die ganze Zeit? Wenn nicht, würde ich ergänzen, dass es nacheinander eintritt. Er liebte den Moment, wenn die Chöre verstummten, der Vorhang mit einem Knall gelüftet wurde heißt das, dass er hinter dem Vorhang war und er deshalb nicht sah, was hinter dem Vorhang passierte? Das hatte ich beim ersten Lesen nicht wahrgenommen. Vielleicht ergänzt du das oben, damit es deutlicher wird?

Also, die Halle wird durch einen Vorhang geteilt. Auf der einen Seite ist es dämmrig, dort warten die Leute; auf der anderen Seite, wo sich der Kalif befindet, ist es hell. Wenn der Vorhang gelüftet wird, wirkt es, als käme der Kalif aus dem (göttlichen) Licht zu den Menschen herab. Ich überlege mal, wie ich das deutlicher machen kann.
Deshalb stellt er sich die Szene auf der anderen Seite zunächst nur vor. Ich habe ewig an dieser räumlichen Beschreibung herumgebastelt; vielleicht hülfe ein einleitender Satz, der besagt, wo er sich befindet? Tatsächlich wurde er mitsamt Thron direkt aus seinen Gemächern in die Halle befördert.

Zitat:
Masrur, das Schwert seiner Rache. Ist das ein Mensch oder ein Gegenstand = Schwert?

Masrur war sein Leibwächter, der gleichzeitig als Scharfrichter fungierte und auch militärische Aufgaben übernahm. Die Henkerfunktion wird weiter unten noch deutlich, und ich werde sie in der neuen Version noch mehr hervorheben. Ob es hier schon nötig ist weiß ich nicht.

Zitat:
Was für ein Glück, so dachte er, einen Mann wie Djafar an seiner Seite zu wissen, einen Mann, der nicht nur außerordentlich gebildet und klug, sondern zudem ein echter Freund war! Harun hatte die weisesten Gelehrten, die feinsten Künstler und die geschicktesten Handwerker an seinem Hof versammelt, doch Djafar war der Diamant unter all diesen Rubinen und Smaragden. Das ist Infodump und es ist die Frage, ob du diese Informationen anders einfügen kannst oder später hinzufügst.

Das hat auch Azareon bemängelt; ich sehe ein, dass es unnötig ist und werde es anders lösen.

Zitat:
Sie führt mMn zwei verschiedene Gründe an, um diesen Schleier in dieser Form zu tragen. Absicht?

Ja. Sie ist clever und frech; vielleicht kann ich das in Haruns Gedanken noch hervorheben.

Zitat:
Dann, bevor der Kalif einen seiner berüchtigten Wutanfälle bekam, Könntest du das nicht zeigen? Also, dass er wütend wird und dann alle schnell reagieren?

Jup, werde ich versuchen.

Zitat:
Ein Saphir des obersten Richters flog durch den Raum, kurz darauf ein Smaragd des Polizeipräsidenten, und bald prasselte ein funkelnder Regen aus Edelsteinen es wirkt nicht so gut, da du anfangs die Berufe nennst und dann nur noch von funkelndem Regen schreibst. Würde das vereinheitlichen.

Diese Anmerkung verstehe ich nicht so ganz, wärst du so nett, mir zu erklären, was du mit vereinheitlichen meinst?

Zitat:
ich verstehe auch nicht, wieso eine Sklavin Edelsteine behalten darf.

Siehe unten bei meiner Antwort auf Jacarandas Anmerkung.

Zitat:

wird sie nach der Nacht davon gejagt oder darf gehen oder warum erwähnst du die einzelne Nacht? Denn so, wie es hier steht, ist sie nur für eine Nacht Sklavin.

Ist das so? Eigentlic bleibt sie für immer im Harem, wenn nichts außergewöhnliches passiert. Harun freut sich einfach auf die Nacht, vllt. ersetze ich es einfach durch "kommende Nächte"; würde das das Missverständnis lösen?

Zitat:

Für mich, die diese Art von Romanen nicht liest, ist es ab und an zu blumig und zu viele Adjektive.

Könntest du ein Beispiel für ein verzichtbares Adjektiv nennen? Ich versuche nämlich immer, solche zu vermeiden.

Azareon:

Zitat:
Harun al-Raschid, Kalif von Bagdad, Beherrscher der Gläubigen und Schatten Allahs auf Erden, Ich weiß, dass das sein Titel ist, aber für den Anfang ist das zu sehr ein Infodump. Ich würde es beim Namen belassen und den ganzen Titel von einem Nebencharakter sagen lassen, vielleicht ein Ausrufer oder sowas.

Gute Idee, versuche ich. Wobei ich den Anfang vom Klang her mag. Mal schauen.

Zitat:
Er stellte sich vor, Da er diese Inszenierung ja schon öfter abgezogen hat, muss er sich das nicht vorstellen, er sieht es direkt.

Nein, wie oben bereits erklärt; er ist auf der einen, die Bittsteller auf der anderen Seite des Vorhangs. Ich versuche, das noch deutlicher zu machen.

Zitat:
Natürlich würde Djafar seine Angelegenheiten regeln; nur in besonders wichtigen Fällen ließ Harun selbst einige Worte, wertvoller als Goldstücke, auf die Untertanen und Gesandten hinab träufeln. Was für ein Glück, so dachte er, einen Mann wie Djafar an seiner Seite zu wissen, einen Mann, der nicht nur außerordentlich gebildet und klug, sondern zudem ein echter Freund war. Uh-oh. Charaktershilling. Und das Ausrufezeichen passt da nicht.

Stört dich der ganze Abschnitt oder nur der letzte Satz? Ich brauche das irgendwie als Hinleitung zu der von dir gelobten und von mir ebenfalls geliebten Metapher ...

Zitat:
Der Großwesir begann, die Bittsteller einzeln anzurufen, ihre Belange und Sorgen zu hören und im Sinne Allahs zu entscheiden, Hier würden sich einige Beispiele von diesen Sorgen und Belangen nicht schlecht machen, ließe die Story plastischer erscheinen.

Echt? Habe ich extra nicht gemacht, dachte das wäre langweilig, wenn es nichts mit der weiteren Handlung zu tun hat. Hm. Mal sehen.

Zitat:
Langsam kehrte Harun in die Thronhalle zurück Die Formulierung lässt mich denken, der Kalif ist auf Drogen.

 Laughing  Vielleicht "Haruns Bewusstsein"?

Zitat:
Dann, bevor der Kalif einen seiner berüchtigten Wutanfälle bekam, begannen sie hastig an ihren Turbanen herum zu fingern. Das würde ich anders formulieren begannen sie hastig, Edelsteine aus ihren Turbanen zu lösen.

Seh ich ein.

Zitat:
Der Kalif wirkt als Protagonist auf mich noch nicht so fesselnd. Er klingt zu nörgelnd. "Oh nein, jetzt muss ich mich wieder um die Belange meiner Untertanen kümmern - niemand versteht mich!" Hoffentlich ändert sich das noch.

Ok, nörgelnd soll er natürlich nicht rüberkommen. Ich werde in der neuen Version eine Kleinigkeit ändern, die das vielleicht verbessert; mehr dazu siehe unten bei meiner Antwort auf Werners Anmerkung.

Jacaranda:

Also, natürlich gehören die Edelsteine nicht wirklich ihr, sondern wie alles im Reich dem Kalifen. Ich dachte mir, dass sie (bzw. Zobaida) die Steine gut als Basis für ihre Ausstattung verwenden könnte; sie soll ja schick gemacht werden für die kommende Nacht. Die Edelsteine, genauer der Diamant, werden später nochmal erwähnt, da werde ich das deutlich machen. Oder stört es so sehr, dass es schon hier geklärt werden muss?

Werner:

Du stößt mich auf einen sehr wichtigen Punkt. Ich wollte nämlich die übliche Romantisierung unbedingt vermeiden. Ich versuche, den Spagat zwischen der märchenhaften 1001 Nacht - Atmosphäre und der dreckigen, gefährlichen Realität zu schaffen. Allerdings gebe ich zu, dass diese erste Szene doch eher romantisch wirkt; es geht direkt danach mit mehr Action los, aber das soll keine Rechtfertigung sein. Leider ist das in den Märchen gezeichnete Bild von Harun al-Rashid doch sehr positiv, und es fällt mir schwer, mich davon zu lösen. Daher eine extrem hilfreiche Warnung.
Was ich zeigen möchte, ist die völlige Weltfremdheit des Kalifen, der seine Entscheidungen nach persönlichen Vorlieben, Kalkül und vor allem absolut willkürlich trifft. Ich werde in der neuen Version eine fiese Kleinigkeit ändern; mal sehen, ob ich damit die Romantisierung vermindern und den Kalifen interessanter erscheinen lassen kann.

So, nochmal herzlichen Dank! Ich mache mich dann mal an die Überarbeitung.

Beste Grüße,

David
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
manon
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 57
Beiträge: 111



Beitrag14.09.2017 01:49

von manon
Antworten mit Zitat

Zeitenträumer hat Folgendes geschrieben:


Zitat:
angstvoll warteten; warum angstvoll? hat man als Bittsteller eventuell den Tod zu fürchten?

Ja. Der Willkür sind keine Grenzen gesetzt, das werde ich in der neuen Version verdeutlichen.

Zitat:
Der Großwesir begann, die Bittsteller einzeln anzurufen, ihre Belange und Sorgen zu hören und im Sinne Allahs zu entscheiden, Hier würden sich einige Beispiele von diesen Sorgen und Belangen nicht schlecht machen, ließe die Story plastischer erscheinen.

Echt? Habe ich extra nicht gemacht, dachte das wäre langweilig, wenn es nichts mit der weiteren Handlung zu tun hat. Hm. Mal sehen.


Wenn du ein paar Bittsteller zeigen würdest, und ich als Leserin mitbekomme, dass der Kalif mal den Daumen hebt und mal senkt, vielleicht aus einer Laune heraus, oder weil es eine ungerade Zahl ist, dann könntest du seinen Charakter schön zeigen und auch, dass die Bittsteller ängstlich sein müssen.


Zitat:
Zitat:
Ein Saphir des obersten Richters flog durch den Raum, kurz darauf ein Smaragd des Polizeipräsidenten, und bald prasselte ein funkelnder Regen aus Edelsteinen es wirkt nicht so gut, da du anfangs die Berufe nennst und dann nur noch von funkelndem Regen schreibst. Würde das vereinheitlichen.

Diese Anmerkung verstehe ich nicht so ganz, wärst du so nett, mir zu erklären, was du mit vereinheitlichen meinst?

Erst Richter und Polizeipräsident alle anderen werden nicht mehr erwähnt und gehen unter in dem ein Regen von Edelsteinen zu der Frau prasseln. Damit sagst du ja, dass es viele sind, die da rumstehen. Deshalb meine Frage, warum erwähnst du ausgerechnet die beiden mit dem Beruf? Ist das wichtig? Wenn nein, würde ich nur allgemein bleiben und es bei dem Edelsteinregen belassen.


Viele Grüße
manon
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag14.09.2017 08:49

von Zeitenträumer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zitat:
Wenn du ein paar Bittsteller zeigen würdest, und ich als Leserin mitbekomme, dass der Kalif mal den Daumen hebt und mal senkt, vielleicht aus einer Laune heraus, oder weil es eine ungerade Zahl ist, dann könntest du seinen Charakter schön zeigen und auch, dass die Bittsteller ängstlich sein müssen.

Ähnliches werde ich in der Überarbeitung tun.
Ich will die Szene einfach nicht zu lang werden lassen, sondern möglichst schnell in die relevante Handlung einsteigen. Die Idee mit der ungeraden Zahl ist allerdings bestechend, die werde ich mir für später aufheben.

Zitat:
Erst Richter und Polizeipräsident alle anderen werden nicht mehr erwähnt und gehen unter in dem ein Regen von Edelsteinen zu der Frau prasseln. Damit sagst du ja, dass es viele sind, die da rumstehen. Deshalb meine Frage, warum erwähnst du ausgerechnet die beiden mit dem Beruf? Ist das wichtig? Wenn nein, würde ich nur allgemein bleiben und es bei dem Edelsteinregen belassen.

Ah verstehe was du meinst und stimme zu. Das ist wirklich nicht rund. Eigentlich sind die Berufe egal, daher werde ich sie vermutlich weglassen ... mal sehen wie es dann wirkt. Irgendwie würde ich halt gern Saphir und Smaragd erwähnen, weil das in meinem Kopf sofort Bilder bzw. Farben erzeugt.

Danke dir für die Erläuterungen!

Beste Grüße, ZT
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
manon
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 57
Beiträge: 111



Beitrag14.09.2017 17:14

von manon
Antworten mit Zitat

Wirst du weitere Texte zu deinem Roman hier einstellen oder machst du eine Projektgruppe auf? Oder wie wirst du weiter arbeiten?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag14.09.2017 20:13

von Zeitenträumer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Also erstmal möchte ich wirklich ganz speziell an diesem kleinen Abschnitt arbeiten. Es ist (abgesehen von einem Prolog) die erste Szene am Hof des Kalifen, und ich will erreichen, dass die Atmosphäre und der Kalif als Charakter direkt "sitzen", d.h. so rüberkommen wie ich es mir vorstelle und wie es für Leser interessant ist.
Beides ist eine Gratwanderung: Märchenhafte Atmosphäre ohne Romantisierung bei der Stimmung bzw. absolute Willkür und Weltfremdheit ohne unsympathisch zu werden beim Kalifen. Ich denke, das ist erstmal eine Aufgabe, wie ich danach weitermache weiß ich noch nicht. Eine Projektgruppe soll es aber sicher nicht werden.

Beste Grüße! ZT
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Murmel
Geschlecht:weiblichSchlichter und Stänker

Alter: 68
Beiträge: 6380
Wohnort: USA
DSFo-Sponsor


Beitrag14.09.2017 22:34

von Murmel
Antworten mit Zitat

Warum willst du eigentlich keine Romantisierung?

Ich habe das mit Vergnügen gelesen, und es gab zwar ein paar kleine Stellen, die schon von meinen Vorkritikern bemängelt wurden, aber sie haben mich nicht abgehalten, das Werk zu lesen.

Das der Kalif der Alleinherrscher und sicher auch grausame Willkür leistete, setze ich voraus. Zeigen würde ich es nur, wenn es einen Grund dafür in der Geschichte gibt.

Mich wundert die Frage, ob der Schleier der Frau damals schon blickdicht sein musste. Ich dachte, dass ist eine Frage der Zeit und des Orts. Der Islam war damals noch sehr jung, und hat sich wohl sehr an den schon existierenden Traditionen aus Byzanz orientiert, reiche Frauen trugen Schleier, arme nicht. Am gebräuchlichsten war der Hijab.  Hast du das recherchiert? Würde mich interessieren, was die Historie dazu sagt. smile
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag19.09.2017 11:08

von Zeitenträumer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Murmel,

freut mich, dass dir der Text gefallen hat. Ich antworte erst jetzt, weil ich mir aufgrund deiner Frage noch einmal ausführlich Gedanken gemacht habe: Warum will ich keine Romantisierung?

Ich muss das etwas präzisieren; gar keine Romantisierung stimmt vielleicht auch nicht. Ich bin ein großer Freund der Märchen aus 1001 Nacht und von Märchen im Allgemeinen, und ich will die im Wortsinne märchenhafte Stimmung durchaus mitnehmen. Nur soll dies ein Roman und kein Märchen werden.
Harun Al-Rashid ist zum Beispiel in den Märchen eine durch und durch positive Figur; zwar droht er ständig damit, Leute umbringen zu lassen, aber er tut es wenn überhaupt sehr selten, und das war in der Realität definitiv anders. Zudem urteilt er zumeist weise und originell, läuft als Kaufmann verkleidet durch die nächtliche Stadt, liebt Geschichten über alles und verschenkt Millionen von Goldstücken. Alle diese Aspekte beruhen sicher auf einem Fünkchen Wahrheit, aber sie ergeben eine einseitige, eben eine märchenhafte Figur, und mein Harun soll ein realer Mensch sein - wenn auch ein ziemlich abgehobener.
Die Balance zwischen Märchen und Realität wird mich sicher noch eine Weile beschäftigen.

Zu der Frage mit dem Schleier: Das Gebot, dass Männer sich mit Frauen nur durch einen Sichtschutz getrennt unterhalten sollen, stammt von Mohammed. Allerdings habe ich auch gelesen, dass zu seiner Zeit Frauen noch ohne Schleier (nur mit Kopftuch) in der Moschee beten durften und die praktischen Regeln erst später verschärft wurden. Da die Abbassiden, zu denen Harun gehört, sich allerdings einer strikte Einhaltung der Gebote des Propheten verschrieben hatten und sich gewissermaßen für dessen rechtmäßige Nachfolger hielten (im Gegensatz zu den von ihnen gestürzten Ummayyaden) halte ich das für plausibel. Eine definitive Quelle habe ich zu diesem Detail nicht.

Beste Grüße, ZT
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag19.09.2017 17:20

von Zeitenträumer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Moin nochmal,

ich habe viele eurer Anmerkungen umzusetzen versucht und mich außerdem bemüht, das Profil des Kalifen zu schärfen. Kommentare dazu (und alle weiteren Bemerkungen zu dem Text) sind mir sehr willkommen.
Bei einigen Änderungen überkommt mich leider schon Betriebsblindheit und ich weiß selbst nicht mehr, ob ich sie besser finde. Wie auch immer, sagt mir alles, was euch ein- und auffällt.


Harun al-Raschid schloss die Augen und lauschte den Chören, die sein Loblied sangen. Er sah sie vor sich, die Bittsteller, die im Halbdunkel der riesigen Kuppelhalle auf dem schwarzen Lederteppich knieten und angstvoll warteten; die wenigsten wagten, den Kopf zu heben und einen Blick auf den schwarzen, golddurchwirkten Vorhang am Ende der Halle zu werfen. Hoch über ihren Köpfen glühten Öllampen wie Sterne am Nachthimmel, unter dem Teppich glomm der vergoldete Boden, und im Dämmerlicht des Raumes funkelten zahllose Edelsteine, während ein vermummter Hüne mit blankem Beil neben ihnen stand wie ein Henker.
Der Kalif öffnete die Augen. Auf seiner Seite des Vorhangs erstrahlte die goldene Halle im Schein tausender Lampen. Er liebte den Moment, wenn die Chöre verstummten, der Vorhang mit einem Knall gelüftet wurde und das Licht die Halle flutete, sich über die Anwesenden ergoss und sie blendete, während er auf seinem goldenen Thron hinab schwebte, gehüllt in den Mantel des Propheten und getragen von dem unsichtbaren Mechanismus, den sein Großvater Mansur einst hatte konstruieren lassen. Es fühlte sich an, als ginge das Licht von ihm aus, als ergieße sich seine strahlende Allmacht über die Menschen und erfülle den Raum bis in den letzten Winkel, bis kein noch so winziger Schatten mehr seinen Glanz trübte.
„Harun al-Rashid, Kalif von Bagdad, Beherrscher der Gläubigen und Schatten Allahs auf Erden!“, verkündete ein Ausrufer, während der Thron auf dem goldenen, fünfstufigen Podest aufsetzte. Vor den Stufen knieten die hohen Würdenträger, die der Audienz beiwohnten, in ihrer Mitte Masrur, das Schwert seiner Rache. Harun erwiderte den ernsten Blick des Eunuchen, ließ seine Augen über die Anwesenden schweifen und lächelte huldvoll, doch bereits jetzt überkam ihn Ungeduld und er musste sich beherrschen, um in kalifenhafter Würde auf dem Thron sitzen zu bleiben. Rasch winkte er Djafar den Barmakiden zu sich, seinen Großwesir, der wie üblich seine Angelegenheiten regeln würde. Nur in besonderen Fällen ließ Harun selbst einige Worte, wertvoller als Goldstücke, auf seine Untertanen hinab träufeln.
Djafar begann, die Bittsteller einzeln aufzurufen, ihre Belange und Sorgen zu hören und im Sinne Allahs zu entscheiden, und bald schweiften Haruns Gedanken ab. Was sollte er, wenn diese lästigen Pflichten erledigt waren, mit dem Rest des Tages anfangen? Er würde Abu Nuwas rufen lassen, damit dieser ihm einige seiner Verse vortrüge, und sich dann mit ihm, Djafar und weiteren Künstlern in den Saal begeben und ein Gelage feiern; doch selbst der beste Wein und die schönsten Worte langweilten ihn mittlerweile. Vielleicht sollte er wieder einmal mit Djafar und Masrur in die Stadt ziehen und sich verkleidet und unerkannt als Kaufmann unter die Menschen mischen, um deren Geschichten zu hören?
„… o Beherrscher der Gläubigen“, drang Djafars weiche Stimme an sein Ohr, in jenem Tonfall, den sein Freund benutzte, wenn eine Angelegenheit die Aufmerksamkeit des Kalifen verdiente. Langsam kehrte Haruns Geist in die Thronhalle zurück; er sah den Großwesir an, der den Kopf in Richtung des Teppichs wandte. Harun folgte seinem Blick und bemerkte zu seiner Freude, dass sämtliche Bittsteller gegangen waren; lediglich eine einzelne Frau kauerte noch auf dem schwarzen Teppich. Djafar wies auf einen Mann in Richteruniform, der neben ihr stand.
„Dies ist Abu Mahdi, einer deiner besten Kadis, o Beherrscher der Gläubigen. Er erbittet deinen Rat in einer delikaten Angelegenheit. Diese Frau dort wurde vor ihn gebracht, weil einige Beamten ihre Kleidung für unzüchtig hielten, doch nur du, o Kalif, kennst den Willen Allahs und weißt, ob er sich durch ihr Äußeres beleidigt fühlt.“
Der Kalif runzelte die Stirn. Wegen solch einer Lächerlichkeit wagte Djafar, das Wort an ihn zu richten? Gerade wollte er ihn zurechtweisen, als ihm ein verschmitzter Ausdruck im Gesicht des Großwesirs ins Auge fiel, und er zögerte. Djafar würde seine Gründe haben, wie immer. Harun hatte die weisesten Gelehrten, die feinsten Künstler und die geschicktesten Handwerker an seinem Hof versammelt, doch Djafar war der Diamant unter all diesen Rubinen und Smaragden.
„Sie soll aufstehen“, sagte er gnädig.
Djafar nickte dem Kadi zu, der die Frau mit barscher Stimme aufforderte, dem Befehl des Kalifen nachzukommen. Mit einer grazilen Bewegung erhob sie sich, und Harun sah sofort, was den Unmut der Beamten erregt hatte: Wie es unter den jüngeren Damen Bagdads zunehmend Mode wurde, hatte sie ihr Antlitz nur mit einem hauchzarten Schleier bedeckt, der kaum ihre Gesichtszüge verdeckte; selbst der Haaransatz war zu erahnen. Gleichzeitig wurde ihm klar, weshalb Djafar ihm die Entscheidung in diesem Fall überließ.
Die Frau war schön wie der Vollmond.
Harun verzog keine Miene; niemand durfte wissen oder auch nur ahnen, was im Kopf des Beherrschers der Gläubigen vorging. Er ließ einen Moment verstreichen und musterte die Frau. Obwohl sie sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht hatte, hielt sie sich aufrecht; wusste sie nicht, dass ein grausamer Tod auf sie wartete?
„Tritt näher“, hauchte er ihr zu und wandte sich an Djafar. „Sage ihr, dass sie mit dem Beherrscher der Gläubigen sprechen darf.“
Die Frau trat vor das Podest, und Harun betrachtete sie. Tatsächlich war der Stoff ihres Schleiers so dünn, dass er sogar ihre Miene erkennen konnte. Sie war jung und blickte stolz zu ihm auf, und er glaubte, den Anflug eines Lächelns um ihre geschwungenen Lippen spielen zu sehen.
„Wer bist du“, fragte er sie.
„Mein Name ist Kut Alkulub“, antwortete sie mit einer Stimme, die wie die reinsten Glocken in seinen Ohren widerklang.
„Was hast du zu den Anschuldigungen dieses Kadis zu sagen?“
„Nur soviel, o Beherrscher der Gläubigen, dass mein Schleier gerade dicht genug ist, um mich vor den Strahlen der Sonne zu schützen, und gerade leicht genug, um ein wenig Wind an meine Wangen zu lassen.“
Harun unterdrückte ein Schmunzeln. „Du weißt, dass dein Schleier vor allem die Blicke der Männer zurückhalten sollte?“
„Natürlich, o Beherrscher der Gläubigen. Doch starb mein Vater, und meine Mutter ist arm. Gern würde ich einen zünftigeren Schleier erwerben, allein, uns fehlt sogar das Geld zum essen.“
„Du sprichst nicht wie eine aus dem niederen Volk, Weib. Wer war dein Vater?“
„Ein Kaufmann aus Basrah, dessen Name dir nichts sagen wird, o Beherrscher der Gläubigen. Einst waren wir reich, doch durch ein Schiffsunglück verloren wir unseren Wohlstand und mein Vater sein Leben.“ Sie senkte den Blick. „Ich weiß, dass es nicht Recht ist, doch was bleibt mir, als auf eine günstige Heirat zu hoffen? Und wer sollte auf eine arme Frau aufmerksam werden, deren einziger Besitz durch schwere Stoffe verhüllt ist?“
„Schweig, elendes Weib!“, herrschte der Kadi sie an. „Deine Mutter sollte für dich …“
Er verstummte, als Harun die Hand hob. Der Kalif spürte, wie die Unruhe des Morgens und der angestaute Tatendrang in ihm aufstiegen und drohten, sich in Zorn zu entladen, doch er war geübt darin, seine Gefühle nicht zu zeigen.
„Das genügt“, sagte er kalt und fixierte den Kadi. „Weder hatte ich dich aufgefordert zu sprechen, noch lobe ich deinen Entschluss, zu mir zu kommen. Wem soll ich die Ordnung des Rechts anvertrauen, wenn nicht dem Entscheidungsvermögen meiner Richter? Gab es kein Qiyas, kein vergleichbares Problem in den heiligen Schriften? Und wenn nicht, hättest du nicht zu einer eigenständigen Rechtsfindung kommen sollen, wie Abu Hanifa es lehrt?“  Harun setzte sich wieder auf den Thron und ließ genussvoll einen Moment verstreichen. „Geleite diesen ehrbaren Mann nach draußen, Masrur, und kehre dann zurück“, fügte er dann leise hinzu.
Der Kadi erbleichte. „Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Allah, dem Erhabenen!“, stieß er hervor. Jeder wusste was es bedeutete, mit dem Schwert seiner Rache allein zu sein. „Bitte, o Beherrscher der Gläubigen …“
Harun al-Rashid lehnte sich in seinem Thron zurück und hob abweisend die Hand. Reglos beobachtete er, wie der Eunuch den zitternden Kadi unter den Blicken der Hofbeamten aus der Halle geleitete. Masrur würde ihn laufen lassen, doch der Kadi würde dies erst erfahren, nachdem er gründlich nachgedacht, gebetet und seinen Frieden mit Allah gemacht hatte. Die Lektion konnte dem Mann nur gut tun. Natürlich hätte Harun ihn niemals töten lassen; immerhin hatte er Allah als Werkzeug gediente und diese schönste aller Blumen in die Thronhalle gebracht. Harun wartete, bis die Schritte verhallt waren, und richtete den Blick auf Kut Alkulub.
„Es gibt keinen Zweifel an der Schuld dieser Unwürdigen“, sagte er mit strenger Stimme. „Oder was meinst du, Djafar?“
„Dein Auge sieht die Wahrheit, o Beherrscher der Gläubigen, und dein Urteil ist wie immer treffend.“
Harun nickte. „Das Gesetz verlangt, dass sie gesteinigt wird“, stellte er fest, ohne die Frau aus den Augen zu lassen.
Kut Alkulubs Stimme zitterte, doch sie hielt seinem Blick stand. „Wenn es der Wille Allahs ist, so füge ich mich mit Freude, o Beherrscher der Gläubigen“, sagte sie leise.
Harun erhob sich, und eine gespannte Stille legte sich über den Raum. Er ließ einige Momente verstreichen und forschte in ihrer Haltung nach einem Zeichen von Angst, doch sie reckte das Kinn und harrte stolz ihrem Schicksal. Der Kalif lächelte zufrieden; dann griff er in seinen Turban, löste einen Diamanten heraus und wog ihn in der Hand.
„Wir wollen das Urteil selbst vollstrecken“, sagte er dann und warf den Stein mit einer schnellen Bewegung auf die Frau; er prallte von ihrer Brust ab und landete klirrend auf dem Boden. „Djafar?“
Der Großwesir gab seine Gedanken durch nichts zu erkennen, aber Harun wusste, dass Djafar die kleine Szene ebensoviel Vergnügen bereitete wie ihm selbst. Rasch zog auch er einen Stein aus dem Turban, einen leuchtenden Rubin, und ließ ihn auf Kut Alkulub hinab sausen. Harun blickte in die Runde der Würdenträger, die das Geschehen mit entsetzten Mienen verfolgten.
„Was steht ihr herum wie Statuen?“, fuhr Harun sie an. „Wollt ihr euch Allahs Willen widersetzen?“
Sie wechselten unsichere Blicke und blieben reglos stehen. Erbärmliche Geizkragen, dachte Harun, schlug mit der Hand auf die Lehne des Throns und erhob sich. Hastig fuhren die Hände der Männer zu ihren Turbanen; ein Saphir flog durch den Raum, kurz darauf ein Smaragd, und bald prasselte ein funkelnder Regen aus Edelsteinen auf Kut Alkulub ein, die regungslos auf dem Teppich stand. Als der letzte Stein gefallen war, bedeutete Harun den Beamten ungeduldig, die Halle zu verlassen. Dann wandte er sich Kut Alkulub zu; er konnte nicht erkennen, ob die hochkarätige Steinigung sie überrascht hatte.
„Sammle deine Strafe in deinem Schleier auf“, sagte er gnädig, und ihm schien, als sehe er ein dankbares Lächeln hinter dem dünnen Stoff; dann winkte er Djafar näher heran. „Geleite sie hinaus und lass sie zu Frau Zobaida bringen. Sie soll ihr angemessene Kleider geben und sie herrichten. Heute Nacht will ich sie in meinem Gemach sehen. Dann lässt du Abu Nuwas rufen und kommst zurück.“
„Abu Nuwas wartet bereits im Salon, ebenso Ishaq“, sagte Djafar.
Der Kalif breitete die Arme aus. „Was täte ich nur ohne dich, mein Freund?“
Höchst zufrieden beobachtete er, wie Kut Alkulub mit anmutigen Bewegungen die Edelsteine zusammenraffte und gemeinsam mit dem Großwesir die Halle verließ. Im Licht der Schönheit seiner neuen Sklavin und der kommenden ersten Nacht mit ihr strahlten der Tag und ein Festmahl mit seinen Günstlingen mit einem Mal in leuchtenden Farben. Sie würden trinken und vielleicht ein paar junge Knaben von ausgesuchten Reizen zu ihrer Unterhaltung bestellen, den Versen Abu Nuwas‘ und den Klängen von Ishaqs Gesang lauschen, und wenn die Schatten länger wurden winkte ihm eine Nacht mit der neuen Perle seines Harems.
Harun al-Rashid hob den Blick und dankte Allah für seinen Großmut.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag04.10.2017 13:15

von Zeitenträumer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Moin,
ich stelle nochmal die zweite Hälfte des Kapitels ein. Anmerkungen, Korrekturen, Lob und vernichtende Kritik sind willkommen.

„Allah sei gepriesen, ich bin erschlagen von deiner Weisheit, o Besitzer aller unzüchtigen Schleier“, rief Abu Nuwas, als Harun den Festsaal betrat, und hievte seinen fülligen Körper aus den Kissen. „Groß ist deine Gnade, und verdient ist dein feuchter Preis. Im Übrigen bin ich froh über die zwanzig verschiedenen Arten Hühnerfleisch, immerhin sind wir zu viert.“ Er wies auf die Sklaven, die mit dampfenden Silberschalen in einem Kreis um die Festtafel herum standen.
 „Du bist ein Schandmaul, Abu Nuwas“, sagte der Kalif und setzte eine strenge Miene auf. „Ich denke, ich lasse Masrur rufen, damit er dir den Kopf abschlägt.“
„Wie es dir beliebt, o Gebieter des spritzenden Blutes, nur lass mich zuvor noch ein Schenkelchen mit Rosenkonfitüre probieren, auf dass ich mit dem Geschmack von gebratenem Huhn im Mund sterbe.“
Harun bemerkte, dass sich am Platz des Dichters zwei schlanke Knaben auf den Seidenkissen räkelten, und lachte. „Glaub mir, ich würde dich töten lassen, wäre es nicht gegen Allahs Willen. Leider gefiel es ihm, ausgerechnet dich mit der Gabe zu segnen, mein Gemüt zu erleichtern.“
Sie ließen sich auf Teppichen an der flachen Tafel nieder, wo bereits Djafar und Ishaq, ein hagerer Mann mit schiefem Gesicht, auf sie warteten.
„Friede sei mit euch, meine Freunde“, sagte der Kalif. „Lasst uns, wenn das heutige Schicksal schon nichts Aufregendes für uns bereithält, wenigstens etwas Angenehmes erleben.“
Vier Sklavinnen reichten ihnen goldene Becken, in denen sie ihre Hände wuschen, vier weitere folgten mit Schalen voll Rosenwasser. Ein tiefschwarzes Mädchen in einem juwelenbesetzten Gewand beräucherte sie mit dem Duft von Aloe, und auf ein Zeichen Haruns trugen die Sklaven die Speisen auf.
„Eisgekühltes Zuckerwasser“, stöhnte Abu Nuwas entzückt und hielt seine Nase über das kostbare Getränk. „Mit Moschus parfümiert, richtig?“
Wieder einmal beneidete Harun den Dichter um den Genuss, den er aus seinen Sinnen zu ziehen vermochte. Abu Nuwas, so schien es ihm, sah, hörte, roch und schmeckte die Dinge intensiver als andere Menschen, und die Sinnesfreuden berührten sein ganzes Wesen. Unwillkürlich dachte Harun an Kut Alkulub; ihre schmalen, geschwungenen Lippen. Ihre wiegenden Hüften. Ihre zarten Handgelenke. Sie würde ihm mit allen ihren Reizen zu Diensten sein, und ja, er gierte danach, sie nackt zu sehen. Aber konnte er die gleiche Lust an ihr empfinden wie Abu Nuwas dort drüben an seinen beiden jungen Gespielen, die ihm den Nacken tätschelten, oder an dem in Honig gebratenen Hähnchen, das er sich mit geschlossenen Augen in den Mund schob?
Harun hatte keine Lust, sich seine eben gehobene Stimmung von derartigen Gedanken trüben zu lassen. Er ließ weißen Honig bringen, was Abu Nuwas zu weiteren Lobeshymnen bewegte, und nach dem Essen Wein auftragen; dann befahl er Ishaq, eines seiner fröhlichsten Lieder zu singen. Die schwarze Sklavin füllte die Kelche nach, und bald wurde dem Kalifen warm von Wein und Musik.
 „Du hast tatsächlich klug gehandelt, o Beherrscher der Gläubigen“, sagte Djafar, als Ishaq geendet hatte. „Für einen Moment dachte ich, du wolltest den Kadi umbringen lassen.“
Abu Nuwas lag halb ausgestreckt in den Kissen und ließ sich von den beiden Knaben die Schultern massieren.
„Niemals, o mächtiger Barmakide“, sagte er in entrüstetem Tonfall. „Dieser Kadi diente Allah als Werkzeug; er brachte die schönste aller Rosen vor den Thron des Rechtgeleiteten, auf dass sie im Lichte seiner Augen erblühen möge.“ Er nahm sich eine gezuckerte Mandel von einem Tablett, das ein Sklave ihm reichte.
Harun nickte ernsthaft. „Er hat in der Tat ein sehr frommes Werk getan, dieser Kadi.“
„Und du ebenso, o Bezwinger der Nacktheit“, rief Abu Nuwas und hob den Zeigefinger. „Denn, wie ein Dichter sagte: Nicht der, der eine Frau entblößt, ist ihr Herr, sondernd der, der sie kleidet.“
Djafar seufzte. „Welcher Dichter mag das wohl gewesen sein?“
Abu Nuwas setzte zu einer Erwiderung an, als auf einmal schwere Schritte im Vorraum des Saales erklangen. Einen Moment später trat Masrur ein, gefolgt von einem abgekämpft aussehenden Mann, den Harun an dem kurzen, schwarzen Kapuzenumhang als Reiter der Armee von Khorasan erkannte. Mit zwei schnellen Schritten warf er sich vor der Festtafel auf einen Teppich und presste die Stirn auf den Boden, und Harun sah, dass sein Mantel voller Sand und an mehreren Stellen zerrissen war. Erregt sprang er auf. Dies müssen wahrhaft dringende Neuigkeiten sein, dass er es wagt, in einem solchen Aufzug vor mir zu erscheinen! Zeigt sich das Schicksal doch noch gewogen und schenkt mir die Gelegenheit, etwas zu erleben?
Masrur trat an dem Reiter vorbei auf ihn zu. „Dieser Mann, o Beherrscher der Gläubigen, kommt von einem Patrouillenritt in der Dasht-e Kawir“, sagte er. „Du solltest seinen Bericht hören.“
. „Bei Allah, er soll sprechen!“ rief Harun und wandte sich an den Reiter. „Friede sei mit dir, Soldat. Erhebe dich und erzähle. Was geschieht im Schatten des Damavand?“
Der Reiter stützte sich hoch und wankte, als er auf die Füße kam.
„Dein Wort ist der Wille Allahs, o Beherrscher der Gläubigen“, sagte er mit kratziger Stimme und räusperte sich. „Ich befand mich, wie gesagt, auf einer Patrouille durch die Dörfer am Rand der Kawir-Ebene. Merkwürdige Dinge gehen dort vor, o Kalif! Schon von Weitem sahen wir dunkle Stürme um den Gipfel des Damavand toben und ahnten nichts Gutes. Dann begegneten wir einem Derwisch, der von seltsamen Reitern im Nordwesten der Kawir berichtete. Keine gewöhnlichen Räuber, sagte der Mann; angeblich flogen sie beinahe über die Ebene, schneller als jedes Pferd läuft. Wir beteten zu Allah, doch es kam schlimmer, als wir befürchteten. Ein Dorf liegt dort am Rand der Ebene …“
„Ich weiß um die Siedlungen in meinem Reich Bescheid, bei Allah!“, unterbrach ihn Harun atemlos. „Was geschieht dort?“
Der Reiter senkte rasch den Kopf. „Verzeih, o Beherrscher der Gläubigen“, murmelte er. Dann hob er das Kinn, straffte die Brust und sah den Kalifen an. Harun erschrak, als er in die angsterfüllten Augen des Mannes blickte. Er wirkte entschlossen, doch es war die ausweglose Entschlossenheit eines Menschen, der dem Tod ins Auge sieht.
„Wie immer besuchten wir jenes Dorf“, sagte er leise, mit bebender Stimme. „Es war leer, o Beherrscher der Gläubigen! Unvorstellbare Stürme müssen dort gewütet haben. Die Häuser lagen unter einer Sandschicht, als seien sie lange verlassen, und wir fanden nicht mehr als zwei Dutzend Tote in den Dünen; der Rest der Bewohner ist verschwunden.“
„Vielleicht ist das Dorf tatsächlich verlassen“, warf Djafar ein.
„Nein, Herr. Wir patrouillieren dort einmal im Monat, und beim letzten Mal war noch alles wie immer. Doch mein Bericht ist noch nicht beendet, und ihr habt das dunkelste Wort noch nicht gehört.“
Harun musste sich beherrschen, um eine würdevolle Haltung zu bewahren. „Sprich endlich, Soldat“, sagte er. „Muss dir die Sätze einzeln aus dem Mund prügeln lassen?“
„Verzeih, o Beherrscher der Gläubigen. Allah weiß, dass ich mein Bestes versuche“, erwiderte der Reiter matt und schluckte. „In den Ställen jenes Dorfes, o Kalif, fanden wir alles Vieh dahin gemetzelt, und man hatte den Kopf des Imam an die Tür der Moschee genagelt.“
„Was?“ Harun sah Djafar an, der mit düsterer Miene lauschte. Abu Nuwas stieß einen Schrei aus.
„Verzeih, o Kalif“, sagte der Reiter erneut.
„Wo ist der Rest deiner Einheit?“, fragte Harun ungläubig; sein Herz klopfte vor Aufregung. Das ist es!
„Ich war voraus geritten und hatte eben den Frevel an der Moschee entdeckt, als sich aus der Wüste um das Dorf wie aus dem nichts der Samum, der Giftwind, erhob. Ich konnte kaum auf mein Pferd steigen, als mir der heiße Sand bereits in Ohren und Nase kroch und es unmöglich wurde zu atmen. Ich weiß nicht, was mit den anderen geschehen ist, o Beherrscher der Gläubigen, aber ich fürchte, ich bin der einzige Überlebende.“
Abu Nuwas schüttelte den Kopf. „Junge Männer, stark und biegsam wie Weidenzweige, und doch erstickt am körnigen Gift des Sturms“, murmelte er.
Harun starrte einen Moment vor sich hin; dann lächelte er grimmig. „Anscheinend meint irgendein Sohn einer hässlichen Hündin, er müsse sich im Garten des Beherrschers der Gläubigen erleichtern“, sagte er langsam. „Wer auch immer es ist, es wird uns eine Freude sein, ihm den Schwanz zwischen die Beine zu treiben. Gebt diesem tapferen Reiter Wein!“
Er winkte ungeduldig mit der Hand und machte zwei Schritte auf die Sklaven zu, als wolle er dem Boten selbst einschenken.
„Wir sollten nicht vorschnell handeln“, sagte Djafar rasch und erhob sich. „Du kennst die zahllosen Gleichnisse, in denen ein Herrscher sich durch eine übereilte Entscheidung ins Unglück stürzt.“
Abu Nuwas richtete sich auf. „Wie zum Beispiel die Geschichte vom Kalifen, dem Falken und …“
„Still, Abu Nuwas“, herrschte Harun ihn an. Dann wandte er sich an Djafar. „Wer könnte es sein?“
„Schwer zu sagen“, sagte der Großwesir. „Reiter, schneller als der Wind? Wir müssen in jedem Fall mehr herausfinden, ehe du dich in Gefahr begibst, o Beherrscher der Gläubigen.“
Harun bemerkte einen Schatten auf dem Gesicht seines Freundes; Djafar hatte die Stirn in Falten gelegt und wirkte abwesend.
„Allah, hilf!“, rief Abu Nuwas. „Sehe ich Furcht im Gesicht des großen Djafar ibn Yahya al-Barmaki? Das kann nur den Untergang bedeuten.“
Djafar lächelte. „Das einzige, wovor ich mich fürchte, ist deine nächste Lebensweisheit, Abu Nuwas“, sagte er.
Harun trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du hast Recht, weisester aller Ratgeber. Ich werde alle Maßnahmen treffen, um meine Sicherheit zu gewährleisten. Masrur wird mit einer Einheit khorasanischer Reiterei nach Nordwesten reiten und sehen, was es mit diesen Reitern auf sich hat.“
Der Eunuch beugte seinen kahlgeschorenen Schädel. „Was immer du befiehlst, o Beherrscher der Gläubigen.“
„Du selbst, Djafar, ziehst mit der Hälfte der restlichen Armee in al-Harbiyya an den Rand der Ebene, zu dem Dorf, von dem dieser Mann dort sprach“, fuhr Harun fort. „Abu Nuwas und Ishaq begleiten dich, einen Dichter und einen Sänger kann man immer gebrauchen. Ich selbst komme morgen mit den übrigen Truppen nach, wenn die Lage gesichert ist. Im Übrigen habe ich heute noch eine Verabredung, und der Beherrscher der Gläubigen hält sein Wort.“
Abu Nuwas grinste anzüglich.
„Wir sollten einen Spähtrupp in Richtung des Damavand schicken“, warf Djafar ein. „Ich habe das Gefühl, die Stürme dort könnten die Ursache des Übels sein.“
Masrur nickte und deutete auf den Reiter, der erschöpft auf einem Teppich saß und seinen Weinkelch umklammerte. „Dieser Mann kann einen solchen Trupp anführen“, sagte er in seinem dumpfen Akzent. „Er kennt die Gegend und hat dem Sturm getrotzt.“
„Perfekt“, rief Harun und rieb sich die Hände. „Ich lege die restliche Organisation vertrauensvoll in deine Hände, Djafar.“ Er winkte einem Sklaven. „Eile zu Frau Zobaida und sage ihr, dass ich die neue Sklavin in einer Stunde in meinem Gemach sehen will. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Djafar, Masrur und der Reiter verließen den Saal, und Harun wandte sich an Abu Nuwas.
„Mein Freund, du kennst die Worte der Menschen in den Teehäusern, in den Moscheen und auf den Straßen besser als ich“, sagte er. „Was wird über Kut Alkulub gesprochen?“
„Ah, ich hörte vieles über diese Frau, o Bezwinger aller Wüstenwinde“, sagte Abu Nuwas. „Sie ist bettelarm, aber ihr Tanz gleicht einem Springbrunnen in der Morgensonne, so sagen die Leute.“ Er riss die Augen auf und senkte die Stimme. „Das ist, bevor sie ihre Kleider ablegt.“
  Harun grinste. „Nun, dann werde ich mir dieses Wunder Allahs einmal ansehen“, sagte er. „Allerdings glaube ich kaum, dass mir der Sinn nach Tanz steht.“
„Alles ist Tanz, was zwischen Menschen geschieht, wie ein Dichter sagte“, entgegnete Abu Nuwas.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Bananenbrot
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
B

Alter: 34
Beiträge: 36
Wohnort: Daheim


B
Beitrag08.10.2017 01:14

von Bananenbrot
Antworten mit Zitat

Hallo Zeitenträumer

Als Leser kann ich erst einmal sagen, dass mir deine Texte gut gefallen. Eine richtige Analyse kann ich dir leider nicht anbieten, dafür schreibst du für mich einfach schon auf einem zu hohen Niveau.

Was mir gefallen hat: Die Dialoge sind klasse (vor allem, wo der Soldat Bericht erstattet) und dein Vokabular ist vielfältig und angemessen.
(ich schreibe gerade auch an einem Kapitel, in dem mehrere Personen miteinander reden deshalb merk ich gerade erst einmal wie schwer es ist, 4 oder 5 Personen sinnvoll einzubinden)
Die meisten Charaktere wirken auf mich recht schnell komplex und vielschichtig - ohne dass ich sagen könnte warum.

Ein paar Sachen sind mir dann aber doch 'negativ' aufgefallen. Ich beschränke mich auf das zweite Kapitel.

Zitat:
„Ich weiß um die Siedlungen in meinem Reich Bescheid, bei Allah!“, unterbrach ihn Harun atemlos. „Was geschieht dort?“


Mich persönlich stört das >atemlos< hier. Ich weiß bereits, dass Harun gespannt auf die Möglichkeit eines Abenteuers wartet. Das >atemlos< ist für meinen Geschmack aber zu viel des Guten.

Eine andere Stelle:

Zitat:
Dann hob er das Kinn, straffte die Brust und sah den Kalifen an. Harun erschrak, als er in die angsterfüllten Augen des Mannes blickte. Er wirkte entschlossen, doch es war die ausweglose Entschlossenheit eines Menschen, der dem Tod ins Auge sieht.


Hier bin ich über Haruns Reaktion gestolpert. Das Erschrecken erschien mir als zu intensiv. Erst beim zweiten Mal lesen habe ich die Stelle nachvollziehen können. Ich würde es vielleicht so darstellen, dass Harun in dem Moment zum ersten Mal wirklich den Blick in den Augen des Soldaten bemerkt und zu deuten versteht.

Die letzte Anmerkung bezieht sich auf Haruns Entscheidung, gleich das ganze Heer marschbereit zu machen und zu entsenden (oder war es das halbe, habs gerade nicht mehr im Kopf)
Auch wenn vorher ein Spähtrupp ausgesandt werden soll, kam das für mich irgendwie übereilt rüber. Zumal sie auch noch gar nicht wissen, was eigentlich los ist. Meines Erachtens ist es zunächst vorrangig, die Gefahr auszumachen und abzuschätzen, um daraufhin eine angemessene Reaktion vorbereiten zu können.

Das letzte, und das hat mich eigentlich am meisten gestört (nimms mir nicht übel) ist, dass mir deine Charaktere - trotz ihrer Authentizität - alle recht unsympathisch erscheinen. Ich denke, dass wird sich mit dem weiteren Verlauf noch legen. Spannend finde ich die Geschichte aber allemal und auch die (noch?) unsympathischen Charaktere würden mich zu diesem Zeitpunkt nicht vom Lesen abhalten.

So viel von mir. Noch einmal: Gelungener Text. Ich hoffe, ich konnte ein wenig weiterhelfen.

Lieben Gruß
Bananenbrot
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Murmel
Geschlecht:weiblichSchlichter und Stänker

Alter: 68
Beiträge: 6380
Wohnort: USA
DSFo-Sponsor


Beitrag08.10.2017 15:55

von Murmel
Antworten mit Zitat

Bin jetzt erst dazugekommen, hier noch einmal zu lesen. Gefällt mir sehr gut, der zweite Teil kommt ein wenig weniger geschliffen her, aber sehr gut lesbar und trägt die Atmosphäre. Für mich jedenfalls.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag12.10.2017 09:11

von Zeitenträumer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Moin,

danke euch für das Lob; Bananenbrots Kritikpunkte sehe ich ein, werde ich ändern. Aber wenn das alles ist, bin ich zufrieden.
 Cool

Grüße,

ZT
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Feedback
Ein Gedicht braucht keinen Titel
von dyfso
dyfso Feedback 0 18.04.2024 16:40 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Zieh die Flügel aus!
von Tisssop
Tisssop Feedback 2 15.04.2024 20:39 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Der Kannibale vom Rosengarten – ein...
von wunderkerze
wunderkerze Feedback 10 11.04.2024 14:43 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Veranstaltungen - Termine - Events
17.04.2024, 19 Uhr: Lesung aus "...
von Bananenfischin
Bananenfischin Veranstaltungen - Termine - Events 0 10.04.2024 20:23 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Literaturtheorie / Kulturwissenschaft / Künstliche Intelligenz / Philosophie des Schreibens
Ai (künstliche inteligenz) für eige...
von Ayumi
Ayumi Literaturtheorie / Kulturwissenschaft / Künstliche Intelligenz / Philosophie des Schreibens 5 10.04.2024 17:14 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungBuch

von Mercedes de Bonaventura

von Mogmeier

von silke-k-weiler

von silke-k-weiler

von Violet_Pixie

von Ruth

von Mana

von Abari

von V.K.B.

von Wirbi

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!