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Babylon, oberdeck


 
 
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Tula
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Beiträge: 905
Wohnort: die alte Stadt


Beitrag04.09.2017 23:40
Babylon, oberdeck
von Tula
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Babylon, oberdeck


hinter glas gelassen schwebten
wir dann über diesem strom
der ungeduldigen

an seine ufer warf die stadt
auf mürbe ziegel glitzer ketten
duft als potpourri aus ingwer curry
knoblauch öl und katzenschwanz

an jeder ecke feilschten saris und
abayas um die feigen frische
tänze gab ein gaukler an der ampel
(oder nur ein pierce gezinkter derwisch?)

glaubte mir hier willst du alles oder nichts
zu brauchen außer einem unikat aus palisander
(geiles stück!) und teppiche nur handgeknüpft -
verrückte preise, zugegeben … gab's angeblich
tupper-handys oder sonstwas

wir diskutierten noch das abendbrot
ob nicht beim drachen hinterm gitterrot
ob gar kebab bei nebukadnezar

dann war's vorbei
wir stiegen um

in Kensington



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uffjedn
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Beitrag04.09.2017 23:56

von uffjedn
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Yo Tula!

Eine Übung, die auch schon an mir vollzogen wurde und die mir seitdem gut und weh gleichzeitig tut:

Ich habe alle Zeilen mit PUNCH fett gemacht, die anderen brauchen noch Brot, damit sie wachsen. Oder Messer in den Bauch, damit sie sterben.

Zitat:
Babylon, oberdeck


hinter glas gelassen schwebten
wir dann über diesem strom
der ungeduldigen

an seine ufer warf die stadt
auf mürbe ziegel glitzer ketten

duft als potpourri aus ingwer curry
knoblauch öl und katzenschwanz

an jeder ecke feilschten saris und
abayas um die
feigen frische
tänze gab ein gaukler an der ampel
(oder nur ein pierce gezinkter derwisch?)

glaubte mir hier willst du alles oder nichts
zu brauchen außer einem unikat aus palisander
(geiles stück!) und teppiche nur handgeknüpft -
verrückte preise, zugegeben … gab's angeblich
tupper-handys oder sonstwas

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firstoffertio
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Beitrag05.09.2017 00:28

von firstoffertio
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"glaubte" oder "glaube"?

Mir gefällt die anschauliche Schilderung.

Und die Überraschung zum Schluss.
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Tula
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Beitrag05.09.2017 00:30

von Tula
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Hallo uffjedn

Danke für die schnelle Antwort. Deine Absicht in Ehren, aber das Gedicht in Zeilen mit und ohne Punch aufzuteilen, ist mir als Textarbeit etwas zu dürftig. Aber gut, dass dir etwas gefallen hat.

Ich Dussel muss aber noch einen dummen Fehler korrigieren. Es muss natürlich 'nach Kensington' heißen (nicht 'in'). Und diese Zeile ist wichtig, auch ohne Punch.

LG
Tula


Babylon, oberdeck


hinter glas gelassen schwebten
wir dann über diesem strom
der ungeduldigen

an seine ufer warf die stadt
auf mürbe ziegel glitzer ketten
duft als potpourri aus ingwer curry
knoblauch öl und katzenschwanz

an jeder ecke feilschten saris und
abayas um die feigen frische
tänze gab ein gaukler an der ampel
(oder nur ein pierce gezinkter derwisch?)

glaubte mir hier willst du alles oder nichts
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Tula
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Beitrag05.09.2017 00:32

von Tula
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Hallo firstoffertio

es soll 'glaubte' mir heißen, also die eigenen Gedanken bei der 'Stadtsafari'

LG
Tula


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firstoffertio
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Beitrag05.09.2017 00:36

von firstoffertio
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Ah, ich verstehe. Danke.
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uffjedn
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Beitrag05.09.2017 00:42

von uffjedn
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Es gab diesen Romanautor.
Er schrieb ein Buch, und hing dann alle Seiten in seinem Haus auf Knöchelhöhe auf.
Dann arbeitete er an jeder Seite, und wenn sie ihm besser gefiel, hing er sie ein Stück höher. Erst wenn alle Seiten auf Augenhöhe waren, schickte er das Buch an seinen Agenten.

Sie haben es erst rausbekommen, als er starb.

Ich fände das als Textarbeit überhaupt nicht dürftig.


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IQ Dino
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Beitrag05.09.2017 07:18

von IQ Dino
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Wir machen das doch genauso smile.
Seiten haben den Status "Entwurf" bis zu "fertig".
Bis dahin hängen sie an der digitalen Wand.

@Tula
Touché
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poetnick
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Beitrag05.09.2017 22:13

von poetnick
Antworten mit Zitat

.

Hallo Tula,


Tula schrieb:
Zitat:
tänze gab ein gaukler an der ampel
(oder nur ein pierce gezinkter derwisch?)



Das ist doch die Reise auf einem fliegenden (Tesla/Tula)Teppich... Very Happy
...durch die Moderne des Orients - die Düfte bleiben irgendwie
in der Nase - eine feine Geschichte für die Sinne und das innere Bilderalbum!

So kann ich für die Werkstatt nichts entdecken, das Gefährt scheint mir äusserst wartungsfreundlich verarbeitet. Jedenfalls für meine Ansprüche.

Liebe Grüsse - Poetnick


.


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Perry
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Beitrag05.09.2017 23:41
Hallo Tula,
von Perry
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mir gefällt der Text in seinem Ansatz als satirisches Sightseeing.
Konstruktiv sehe ich aber auch noch jede Menge Arbeitsmöglichkeiten:

"hinter glas gelassen schwebten
wir dann über diesem strom
der ungeduldigen"

Falls Du das "gelassen" im Sinn von gelangweilt gemeint hast, würde ich es hinter das schwebten setzen.
Worauf soll sich das "dann" beziehen?
Ist mit "Strom" ein Fluss gemeint, könnte die Themse wegen des Stadtteil
Kensington gemeint sein, oder ist mit Babylon nicht ein Schiff, sondern eine nah- oder fernöstliche Gegend gemeint, auch wegen Begriffen wie Saris, Derwisch, etc.?
Falls mit "strom der ungeduldigen" Menschen -am Ufer oder in Booten- gemeint sind, dann passt "über" nicht als Beschreibung der Fortbwegungsart, höchstens als übertragenes Gefühl aus der Position am Oberdeck.

Du siehst 3 Textzeilen und 10 Fragezeilen, da solltest Du vielleicht doch noch einmal daran arbeiten.

Soweit mein Eindruck zur 1. Strophe.

LG
Perry
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firstoffertio
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Beitrag06.09.2017 00:07

von firstoffertio
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Perry:
Zitat:
Falls mit "strom der ungeduldigen" Menschen -am Ufer oder in Booten- gemeint sind, dann passt "über" nicht als Beschreibung der Fortbwegungsart, höchstens als übertragenes Gefühl aus der Position am Oberdeck.


So hab ich's gelesen, vom Doppeldeckerbus aus empfunden.
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Tula
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Beitrag06.09.2017 09:12

von Tula
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Lieber Perry

Dank für deine Gedanken zum Gedicht. Gemeint ist in der Tat der Bus, die Verwendung von 'gelassen' ist in seiner Zweideutigkeit eine kleine Spielerei. Jedenfalls sitzt man in dieser Höhe bequem distanziert vom geschäftigen Verkehr darunter, jede Straßenseite also ein Ufer.
Der Rest ist sicher eindeutig, Kensington steht als auch sozialer Gegensatz zu der beschriebenen Szenerie.
Übrigens war ich dort Anfang August. Bereits unser Taxifahrer zum Hotel war ein stattlicher junger Mann mit rabenschwarzem Bart und einem wirklich beachtlichen Turban.

LG
Tula


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Perry
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Beitrag06.09.2017 12:31
Hallo Tula,
von Perry
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nachdem nun Ort und Aktivität feststehen, stellt sich mir die Frage, in welchem Bezug "Babylon" zu dem Text steht?
Vielleicht reflektierst Du den Film "London: Das moderne Babylon", aber der zeichnet mehr die Entwicklung des realen London nach.
Ich glaube, Du wolltest das Szenario um den Turmbau von Babel auf das Treiben der Londoner Innenstafdt übertragen. Nur ist der Gott, dem hier nachgeeifert wird das Geld und die Sprachverwirrung kein Hindernis es zu verdienen. Für mich solltest Du die gelunge oberflächliche Beschreibung noch etwas besserer ausloten.
LG
Perry
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Tula
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Beitrag06.09.2017 14:29

von Tula
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Hallo Perry

Nicht doch, Babylon steht für nicht mehr als das beschriebene Bild selbst, das Gewirr, die moderne multikulturelle und -ethnische Stadtlandschaft, die für London als auch für andere Metropolen steht. Kam ja nicht vollkommen unerwartet, aber doch beeindruckend. Also keine weitergreifende Allegorie auf einen Film oder den  Bau des Turms usw.

Bearbeiten kann ich es sicher noch, das Bild sollte in seiner Gesamtheit aber auch die Balance halten, d.h. Ironie steckt wohl drin wie auch ernsthafte Betrachtung.

LG
Tula


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holg
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Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag08.09.2017 11:42

von holg
Antworten mit Zitat

Tula hat Folgendes geschrieben:

Babylon, oberdeck


hinter glas gelassen schwebten
wir dann über diesem strom
der ungeduldigen

an seine ufer warf die stadt
auf mürbe ziegel glitzer ketten
duft als potpourri aus ingwer curry
knoblauch öl und katzenschwanz

an jeder ecke feilschten saris und
abayas um die feigen frische
tänze gab ein gaukler an der ampel
(oder nur ein pierce gezinkter derwisch?)

glaubte mir hier willst du alles oder nichts
zu brauchen außer einem unikat aus palisander
(geiles stück!) und teppiche nur handgeknüpft -
verrückte preise, zugegeben … gab's angeblich
tupper-handys oder sonstwas

wir diskutierten noch das abendbrot
ob nicht beim drachen hinterm gitterrot
ob gar kebab bei nebukadnezar

dann war's vorbei
wir stiegen um

nach Kensington

Hallo Tula
Ich freue mich, den Doppeldecker nach Babylon gefunden zu haben. Ich finde da drin vieles, das mir gefällt. Mit wenigen Zeile öffnet das Gedicht eine bunte multikulturelle und -ethnische Welt, zeigt sie, wie es sich für eine Reise auf dem Oberdeck gehört, immer mit einem gewissen Abstand, der manchmal ein wenig zynisch wirkt. Aber das muss kein Makel sein.

Ein paar Fragen habe ich dennoch:
Tempus.
Warum nicht Präsens? Schon in der ersten Zeile gefiele es mir deutlich besser, böte mehr Möglichkeiten an.
Zitat:
hinter glas gelassen schweben
Das klingt so gut, das möchte ich selbst haben.
Auch später wirken wirft, feilschen, gibt, glaube mir, gibt angeblich, diskutieren, ist's vorbei, steigen um näher, direkter und wie ich finde klanglich runder.

Satzzeichen/Rechtschreibung
Außer in der ersten Zeile und in Klammern verzichtest du ganz auf Satzzeichen.
Das bietet sich an, wenn man dem Leser viele Angebote machen will, sich aus den Worten eigene Sinnzusammenhänge und Sätze zu basteln.

Allein die erste Zeile hat da einiges im Angebot.

hinter Glas gelassen schweben
hinter Glas, gelassen, schweben wir
hinter Glas gelassen / schweben wir

Weiter unten finde ich da außer ein paar Enjambements nichts mehr dergleichen. Hier
Zitat:
auf mürbe ziegel glitzer ketten
wären mir weniger Bausteine, mehr Struktur eher lieber.

Die Groß/Kleinschreibung ist wieder so ein Thema. Kann man machen. Bringt es einen Mehrwert? Ist es Dein Stil? Manierismus?
Warum dann Babylon und Kensinton groß? Wegen Ortsangaben? Der Zweck dahinter?

Rhythmus/Lesefluss
Das ist meiner persönlichen Meinung nach bei einem ungereimten Gedicht ohne festes Versmaß sehr wichtig. Leider liest jeder anders. Als Autor kann man nur versuchen, durch geschickte Setzung den gewünschten Flow zu erreichen. Auch mit Brüchen und Stopps etc.
Wie das Babylon, Oberdeck das macht, finde ich in weiten Teilen sehr gelungen.
Die erste Strophe hängt meiner Meinung nach. Die letzte Zeile passt nicht.
Zitat:
hinter glas gelassen schweben
wir dann über diesem strom
der ungeduldigen
Vielleicht ist es einfach der Klang, die Vokalharmonie, die nicht passt (den Satzsinn von dann hinterfrage ich hier nicht. Es passt klanglich/rhythmisch sehr gut rein, bindet das Geschehen - die Busfahrt - in einen imaginären Kontext, gefällt mir). Es ist der ungeduldigen.

hinter Glas, gelassen
schweben wir dann über diesen Strom
der Ungeduld


zum Beispiel, ohne auf den Satzsinn einzugehen, klänge in meinen Ohren besser.
(ich setze die Zeilen um, damit ich meine Lesart akzentuierter zeigen kann).

Hier ist das ähnlich.
Zitat:
wir diskutierten noch das abendbrot
ob nicht beim drachen hinterm gitterrot
ob gar kebab bei nebukadnezar

vs. zb.

wir diskutieren noch das Abendbrot
Chow beim Drachen hinterm Gitterrot
oder lieber Ebeneezers Fladenbrot


Soviel für den Anfang.Vielleicht ist was für dich dabei.

Holg


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Why so testerical?
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Tula
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Beitrag10.09.2017 01:22

von Tula
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Lieber Holg

ich bedanke mich herzlich für deinen freundlichen und lehrreichen Beitrag zum Gedicht. Es hat mich besonders gefreut, dass du auf einige stilistische Einzelheiten eingegangen bist.
Ins Detail:

Tempus
Da hast du mich überzeugt. Sicher hatte ich nach einer Reise 'was zu erzählen, aber das interessiert ja weniger. Wichtiger ist das Bild und je gegenwärtiger, um so besser, bringt die Szene näher ...

Satzzeichen / Rechtschreibung
Ich nahm hier die Kleinschreibung aus zwei Gründen: zum ersten wollte ich damit das fließende Lesen 'einfordern' (und kein punktiertes), deshalb habe ich versucht, den Zeilen so etwas wie eine Metrik gegeben. Andererseits kam es mir durchaus auf einige dieser doppelsinnigen Lese-weisen und die Enjambements an. Nach der ersten Zeile trifft das noch auf 'ketten / Ketten' zu (auch die Düfte sind gemeint; habe gerade diese Zeile auch nochmals abgeändert und den eher ungeschickten potpourri rausgenommen) und dann auch auf die 'Feigenfrische / frische Tänze' des Gauklers.
Ich habe mich erstmal entschieden, es bei der Kleinschreibung zu belassen. Du hast aber vollkommen recht; sie wird oft ohne jeden Grund verwendet, weil es halt 'modern' aussieht. Eigennamen bleiben dabei in der ursprünglichen Form. Darüber kann man sich sicher streiten.

Den letzten Vorschlag habe ich mal nicht berücksichtigt. Der Nebukadnezar passt doch so schön zu Babylon, wo könnte man besser essen, als bei einem König!

Nochmals vielen Dank und LG
Tula

Hier also die überarbeitete Version:


Babylon, oberdeck


hinter glas gelassen schweben
über diesem strom
der ungeduld

an die ufer wirft die stadt
auf mürbe ziegel glitzer ketten
düfte wirbeln ingwer curry
knoblauch öl und katzenschwanz

an jeder ecke streiten saris und
abayas um die feigen frische
tänze gibt ein gaukler an der ampel
(oder nur ein pierce gezinkter derwisch?)

oh! hier willst du alles oder nichts
zu brauchen außer einem unikat aus palisander
(geiles stück!) und teppiche nur handgeknüpft -
verrückte preise, zugegeben … gibt's angeblich
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IQ Dino
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Beitrag10.09.2017 09:13

von IQ Dino
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Hallo Tula,

zuerst, das Gedicht ist "nicht meins". Ich bin sowieso eher ein Reim- und Symmetriefreund. Es klingt aber vielseitig und phantasievoll Smile.

Aber, mir hat sehr gefallen, mit welcher Souveränität Du Veränderungen annimmt ... oder auch rundwegs ablehnst. Das mit großer Selbstverständlichkeit, überlegt und ohne jeden spürbaren Zweifel smile
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Beitrag10.09.2017 14:11
Hallo Tula,
von Perry
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gefällt mir auch, wie Du den Text behutsam entwickelst.

Jch denke, jetzt solltest Du nur noch die 4. Strophe entschlacken, denn sie fällt nicht nur optisch etwas aus dem Rahmen.


oh! hier willst du alles oder nichts
zu brauchen außer einem unikat aus palisander  
                                                     -> klingt etwas umständlich
(geiles stück!) und teppiche nur handgeknüpft -
                                                     -> verzichtbarer Allgemein Platz
verrückte preise, zugegeben … gibt's angeblich
tupper-handys oder sonstwas           
                                                     -> steckt bereits in "alles oder nichts"

LG
Perry
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Beitrag10.09.2017 21:18

von firstoffertio
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Mir gefiel die erste Fassung besser.
Gerade weil sie konkreter das Erleben der Busfahrt beschrieb.

"Strom der Ungeduldigen" ist z. B. so viel anschaulicher als "Strom der Ungeduld".

Ebenso verankert die Vergangenheitsform das Geschehen, und auf Nachfrage fand ich das "glaubte" gerade gut.
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Tula
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Beitrag11.09.2017 00:12

von Tula
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Hallo nochmal

ich danke euch allen für erneuten Feedback und überhaupt, dass der Geist der Werkstattarbeit hier so hervorragend funktioniert, nicht wenige Leser nehmen sich viel Zeit, um wirklich ausführliche und ins 'technische Detail' gehende Kommentare zu schreiben. Finde ich wirklich super.

Zu den Vorschlägen: sicher wird es immer gegenteilige Meinungen geben und auch wenn der Leser entscheidet, muss es am Ende der Dichter ... Ich denke wirklich, dass die Gegenwartsform besser ist, da gewissermaßen ein Bild beschrieben wird, ob es auf einer realen Reiseerfahrung (mit ja zu beantworten) oder nicht beruht, ist wahrscheinlich weniger wichtig für den Leser. Aber wie gesagt, das mag jeder anders empfinden, ist ja auch gut so.

Die verdichteten Gedanken des Lyri in der vierten Strophe sind absichtlich widersprüchlich. Bei der Fahrt durch einige Straßenzüge fragte ich mich in der Tat, was mich da so als Tourist überhaupt interessieren würde und da kam recht wenig bei heraus. So stehen das Unikat aus Palisander und die handgeknüpften Teppiche als Beispiel für die eher unerwarteten Entdeckungen bei dieser Reise. Denn wer fährt schon nach London und kauft sich einen Perser ?  wink

Nochmals Dank und LG

Tula


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menetekel
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Beitrag16.09.2017 08:44

von menetekel
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Hallo Tula,
ich komme zu nix mehr und deshalb auch spät zu deinem Gedicht.
Es ragt für mich qualitativ deutlich aus deinem bisherigen Werk hervor. Und ich mag den leisen Unterton, die Sprache und seine Form.
Kaum traue ich mich es zu sagen: Die ursprüngliche Form gefällt mir weitaus besser. Die trägt mehr diesen beiläufigen Charakter, der dem Gedichtsinhalt so gut zu Gesicht steht ...
Aber das ist vielleicht Geschmackssache.

Des Lobes volle Grüße
m.


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Aranka
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Beitrag16.09.2017 13:18

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Tula,

ich bin erst spät in deinen Faden geraten und die Textdiskussion schien mir schon abgeschlossen; habe dann überlegt, ob ich mich überhaupt noch mit meiner Meinung melden soll, da ich zum Text selbst wenig Neues hinzufügen kann.
Nur so viel: Der Blick vom "Oberdeck" auf eine schillernde Vielfalt. Eine feine Textidee. Der Blick ist ein offener und kritischer, der Ton ein distanzierter. Ich spüre die Widersprüche im LI.

Jetzt eher eine Gefallens-Sache, oder doch nicht nur? Versuche sie jedenfalls zu begründen:

Mir gefällt die erste Fassung besser, ganz besonders die Zeitwahl der Vergangenheit.

Das LI ist ein kritisch reflektierendes, eins mit Distanz schauendes und was es einfängt und auf was es zurückblickt hat es bewertet und für sich eingeordnet (so lese ich es). Dieser Blick auf die Stadt trägt nicht die Zeit des IMMER JETZT in sich. Da finde ich den Abstand einer Vergangenheit angemessener.

Gehe mal in die erste Strophe:

Fassung 1:

Zitat:
hinter glas gelassen schwebten
wir
Zitat:
dann
über diesem strom
der ungeduldigen


Diese Strophe hat einen deutlichen  Ton (fast ein wenig orientalisch: ausholend erzählend), lockt mich ins Zuhören.
 Mit dem "wir" habe ich eine Personalie, der ich mich mitreisend anschließen kann und mit dem "dann" bekommt das Ganze eine zeitliche Ausdehnung. Das holt mich als Leser auf eine sehr feine Weise in ein Geschehen und das ist gut so, denn mit "dem Strom der Ungeduldigen" schafft der Text genug "Allgemeinheit und Distanz".

Fassung 2:

Zitat:
hinter glas gelassen schweben
über diesem strom
der ungeduld


Das ist für mich fast nichtssagend allgemein: kein Bild, kein Bezugspunkt/Person, kein Ton ist spürbar. Mich reizt hier wenig, nichts greift aus dem Text heraus.

Es war hier einmal wieder eine feine Textdiskussion, die ich viel zu spät gesehen habe. Und auch hier gut zu erkennen, wie eine einzige "Text-Bau-Entscheidung" eine große Wirkung haben kann. Ich würde mir die "Zeitwahl" noch einmal durch den Kopf gehen lassen und noch mal gut hineinhören.

Gerne gelesen. Liebe Grüße Aranka


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