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Gast







Beitrag11.08.2017 23:51

von Gast
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Achso, dazu von Dir an Host:

"Mit dem "blauen Auge des Verzichts" ist es allerdings nicht so leicht. Ich habe diese Formel gewählt, um den Ruf zur Askese mit den Attributen der Sehnsucht, Verletzlichkeit und Naivität zu konterkarieren und bin - erst im Nachhinein - auf die Stelle des ersten Paulusbriefes an die Korinther gestoßen, in der er das Bild vom disziplinierten und der Enthaltsamkeit verpflichteten olympischen Athleten (des Faustkämpfers und des Läufers) zur Verdeutlichung der christlichen Tugenden verwendet (1Kor9, Verse 26 und 27):  
"Ich laufe deshalb so, wie einer, der nicht wie ins Blaue hinein läuft." Und weiter : "Ich boxe so, wie einer, der nicht in die Luft schlägt." Um dann jedoch klar zu stellen: "Vielmehr treffe ich meinen Leib mit Schlägen und beherrsche ihn." Wörtlich spricht er hier von "unter das Auge, ins Gesicht schlagen" (zitiert nach Eckhard J. Schnabel: Der erste Brief des Paulus an die Korinther, s. 516,517). "

Das ist eine interessante Idee für ein Bild, aber doch sehr einseitig, wenn es direkt das Leben beschreiben soll...
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James Blond
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Beitrag12.08.2017 21:30

von James Blond
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Zitat:

Das ist eine interessante Idee für ein Bild, aber doch sehr einseitig, wenn es direkt das Leben beschreiben soll...


Soll es ja nicht:

Das Gedicht handelt vom Leiden, vom Schmerz des Abschieds und nur insofern vom Leben. Der Titel, ein Wortspiel, das  auf das Tränenmeer hinweist, kann dazu eine Hilfestellung geben.

Das "blaue Auge des Verzichts" ist zum einen die Metapher für den Abschiedsschmerz, für Verletzung durch erlittenen Verlust, zum anderen das zum Verzicht auffordernde Himmelsauge. Auf letzteres bezieht sich das Paulus-Zitat, aus dem hervorgeht, dass mit der Hinwendung zum christlichen Gott Verzicht, Schmerz und Selbstverletzung verbunden ist. Eigentlich sollte das Zitat zum Verständnis dieser Religion nicht notwendig sein, aber es belegt die frühe Affinität des christlichen Glaubens zum selbstauferlegten Leiden (bis hin zum Märtyrertum) auf eindrucksvolle Weise.

Warum das christliche Auge zu solchem Verzicht auffordert, solltest du besser einen Theologen fragen, warum das Leben sehr oft Verzicht und Abschied bedeutet, kann dir möglicherweise die eigene Lebenserfahrung verraten.

Grüße
JB


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Gast







Beitrag12.08.2017 22:10

von Gast
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Hi JB,

sehr nett, dass Du das nochmal auf meine Nachfrage hin beleuchtest.

Zitat:
"Ich laufe deshalb so, wie einer, der nicht wie ins Blaue hinein läuft." Und weiter : "Ich boxe so, wie einer, der nicht in die Luft schlägt." Um dann jedoch klar zu stellen: "Vielmehr treffe ich meinen Leib mit Schlägen und beherrsche ihn." Wörtlich spricht er hier von "unter das Auge, ins Gesicht schlagen"

Das ist sehr interessant. Vor allem finde ich faszinierend, dass im Kern hier jemand davon redet, dass Gott, der Glaube, nur in der Hinwendung ins Innere funktioniert. Gott thront nicht auf einer Wolke, sondern wohnt im in seinem Selbst geläuterten Menschen.

Von daher ist das von der angewandte Bild sogar überaus treffend:
"Himmelsnichts"

Folgt man dem Zitat, dann wäre im Himmel tatsächlich eine stille Leere.

Ich denke, was mich hier stört, ist, dass ich in diesem Fall eine andere Denkweise aus Bildern entwickle, und das "Auge", das "verzichtet", trägt in diesem einen Vers einen sehr umfassenden Bedeutungsinhalt. Das ist einerseits ein Beweis für das lyrische Können des Verfassers, und andererseits auch mutig, denn es sollte Dir klar sein, dass ein so kompliziertes Geflecht nicht von jedem (von mir bspw. nicht) direkt nachvollziehbar ist. Unzufrieden bin ich nach wie vor mit dem "Verzicht", weil er bei im mutlilateralen Bedeutungskomplex sehr auf eine bestimmte Bahn zugeschnitten ist. Ich hätte nach etwas spektralerem gesucht.

Frage ist natürlich, muss das denn sein, dass Lyrik immer nachvollziehbar sein muss. Ich finde, Lyrik muss noch nicht mal immer erklärbar sein.

Also, ich glaube, dass dieser Text in seiner Gesamtheit einen hohen Schaffensgrad darstellt, und bin froh, dass ich die Zeilen gelesen habe.
Ich bin in gereimter Lyrik nicht so firm, und konnte in diesem thread einiges lernen.

Dafür vielen Dank,
Monochrom
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James Blond
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 71
Beiträge: 448
Wohnort: HAMBURG


Beitrag12.08.2017 22:46

von James Blond
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Zitat:

Frage ist natürlich, muss das denn sein, dass Lyrik immer nachvollziehbar sein muss. Ich finde, Lyrik muss noch nicht mal immer erklärbar sein.


Lieber Monochrom,

es freut mich sehr, wenn mein Gedicht mit den Ausführungen auf soviel offene Resonanz stößt, und dafür bin ich dir dankbar.

Die Frage nach der Nachvollziehbarkeit von Lyrik kann ich für mich selbst mit einem klaren Ja beantworten. Ich bin kein Freund hermetischer oder verschlüsselter  Dichtung und staune zuweilen über die gewaltigen Aufwände, die man gerade auf den Seiten des DSFo damit betreibt. Fast scheint es mir so, dass hier ein Wettstreit unter Kryptophilen stattfindet, zu dem jeder den anderen eine Vorlage zum freien Phantasieren abliefert.

Ich reime jedoch hauptsächlich, damit sich nicht jeder seinen eigenen Reim darauf machen muss, möchte meine Texte in gewisser Weise und mit gewisser Absicht verstanden wissen, auch wenn diese sich der Individualität des Lesers nicht entziehen sollen. Zugegeben: Hier habe ich es nun mit der Komprimierung von Bedeutung recht weit getrieben. Dennoch glaube ich, dass jemand, der einen geliebten Menschen verloren hat und sich von der christlichen Religion Trost erhofft, auf diesen Text "anspringen" wird, denn er ist geradezu gespickt mit entsprechenden Reizwörtern.

Und es hat mich danach verlangt, die eigene Skepsis als eine Suche zwischen Wissen und Glauben zu formulieren, insofern ist dies auch ein sehr persönliches Gedicht. smile

Grüße
JB


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