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Zweimal Curiepolis zum Schnuppern


 
 
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Curiepolis
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Beiträge: 18
Wohnort: Berlin


Beitrag09.07.2017 17:46
Zweimal Curiepolis zum Schnuppern
von Curiepolis
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zwei Auszüge aus dem ersten Teil des ersten Bandes.

Handlungshintergrund:
Annika Palmstroem, sechzehnjährige Erfinderin aus Hinterföhren in Deutschland, hat dort kein leichtes Dasein: Die meisten Bewohner des provinziellen Städtchens können mit den seltsam anmutenden Einfällen des Mädchens wenig anfangen. Nur Dr. Korff aus der nahen Universitätsstadt Nebbichingen nimmt sich Annika an und wird eine Art behütender Freund für sie. Unterdessen macht ein Neostaat auf einer künstlichen Insel im Pazifik von sich reden: Die titelgebende Curiepolis steht im Ruf, technologisch und sozial allen anderen Staaten weit voraus zu sein, was sich nicht zuletzt darin äußert, dass die Curiepolitaner andere Länder mit "Energiebotschaften" unterstützen, von denen aus sie sie mit billiger Elektrizität und Chemikalien versorgen. Dies gefällt nicht allen: Manche beschimpfen Curiepolis als "technokratische Tyrannei" u.ä.
Curiepolis, eine Republik der Genies, ist stets auf der Suche nach ungewöhnlichen und begabten Menschen, die Interesse haben könnten, sich dem neuen Staat anzuschließen. Als man dies Annika vorschlägt, greift sie mit beiden Händen zu. Mit dem Zug bringt man sie nach Bouzonville in Ostfrankreich, wo eine curiepolitanische Energiebotschaft arbeitet, und von via parabolischem Raketenflug nach Curiepolis, 1200 km südöstlich von Japan. Nach dem obligatorischen biokybernetischen Uplifting schließt Annika sich der Forschungsgruppe Brigade Lise Meitner an. Mit ihren neuen Freundinnen gelangt sie auf den Planeten Tlön auf einer anderen Realitätsebene, wo sie auf dem Gipfel des Vulkans Mount Echo das Etymino-Rätsel lösen müssen...


~~~


Auszug 1: "Der Hochstand"

-- Da Annika in Hinterföhren nicht viele Freunde hat, streift sie oft alleine mit ihrem Fahrrad stundenweit über Land --

Über dem alten Europa donnerte die Atmosphäre, hundert Kilometer hoch, violettblau, durchflammt von weißen und rötlichen Entladungen, Blitze, Elfen, wabernde Säulen von berstenden elektromagnetischen Kräften, die, mal blendend aufleuchtend, mal geisterhaft schwebend, von bergmassivischen Wolken erdwärts und allwärts flackerten. Meteore, rasende Splitter von Eis, Mineral, Erz, stürzten aus dem Sonnensystem heran und zerschossen in herzschlagschnellen, schweigenden Strahlbahnen aus glühendem Gas, die von stillen, glücklichen, zerstreuten, aufmerksamen Menschen in Gärten, Wiesen, nächtlichen Straßen -- nur vereinzelt erhellt von den schneeigen Lichthüten der Quecksilberdampflampen --,  auf Waldlichtungen, kühlen Bahnsteigen beobachtet wurden. „Was war das, Mama?“, fragte ein sechsjähriger Junge, der noch nie einen Meteor gesehen hatte. „Eine Sternschnuppe. Wünsch dir was!“ „Dann wünsche ich mir -- eine Sternschnuppe!“ In der Wetterwarte der Universität Nebbichingen stellte der Meteorologe Dr. Karl Korff fest, dass die Sonne ihren elf- bzw. insgesamt zweiundzwanzigjährigen Zyklus in der zu erwartenden Art und Weise durchlief. Ihre Fleckenpaare und -gruppen wanderten bedächtig von höheren solaren Breiten herab, dem Rotationsäquator entgegen, wo sie erstarben und verschwanden, während weiter nördlich und südlich, in Gegenden, die auf die Erdkugel übertragen in etwa Marokko, der Südspitze Kjuschus oder der US-Amerikanisch-Mexikanischen Grenze entsprachen, bereits die ersten vorsichtigen, noch punktförmigen Flecken des neuen Zyklus' erschienen. Annika Palmstroem flitzte, an Wochenenden und schulfreien Tagen, auf ihrem leuchtend orangeroten Fahrrad, einem alten Damenrad, einem Drahtesel mit riesigem Scheinwerfer und wuchtiger Messingklingel, die ein an eine Großvateruhr gemahnendes Dingdong erzeugte, über Asphalt- und Feldwege: Das Wetter wurde wärmer, klarer, an den Bäumen zeigten sich lindgrüne Knospen. Insekten, schöne und seltsame, flogen und krabbelten in den Wäldern, Wiesen, Sümpfen. Traktoren, heiser lärmend, krochen über schlammige Äcker, Düngungsapparate schleppend, die schmutzige Fontainen von Jauche in den Himmel schleuderten, niederfallend als beizender Sprühregen. In Windbrüchen lagen rostbraune Baumkadaver, zersplitterte Aststümpfe streckend, klomm weißgelbes Geranke, vermischt mit zarten und ledrigen Blättern von Kräutern, zwerghafter Sträucher, knisterte es von hunderttausenden winziger Füße in Ameisennestern aus Baumnadeln und mürbem Erdreich. Annika kletterte auf Hochstände, die angeblich von Jägern benutzt wurden, doch sie hatte nie einen darin gesehen. Das mochte daran liegen, dass sie tagsüber unterwegs war, die Jäger in der Dämmerung oder nachts... Annika gefiel es, ihren Drahtesel an ein nahes Gesträuch zu lehnen und auf Hochstände hinaufzuklettern, Hand über Hand die baumästenen Leitersprossen, teilweise noch mit spröder Rinde bedeckt, hinauf: was man oben fand, konnte eine simple Holzbank, eine Art Gondel aus Brettern oder eine komplette schwebende Hütte mit Wellblechdach und schaumgummigepolsterter Sitzfläche sein. Annika mochte vor allem die offenen, ballongondelartigen Hochstände, in diesen war man gänzlich unsichtbar für alles und jeden in weitem Umkreis, konnte dennoch den Himmel sehen, an dem Wolkenschleier, Wolkenmassen, Wolkentürme und Inseln aus weißgrauem, mattschwarzem, rosafarbenem oder kristallhellem Dunst und Gequell wanderten, langsam und sehr bedächtig, meist von Südwest nach Nordost, seltener von Ost nach West oder direkt aus Norden, Süden kommend, während weiter oben, im hallenden Starkblau der Tropopause, die Flugzeuge marschierten, zweistrahlig, dreistrahlig, vierstrahlig, metallblinkend, schläfrig grollend. Annika lag oft lange auf dem Rücken in einem solchen gondelhaften Jägerstand, die Füßchen, die in knöchelhohen Schnürstiefeln steckten, sorgsam angezogen, so dass sie nicht verräterisch über den Einstieg hinausragten, die Hände unter dem Kopf und den Blick in der Stratosphäre, oder manchmal auch den Kopf auf dem Holzboden (oder, falls vorhanden, auf dem zweckentfremdeten Sitzpolster) und die Hände auf ihrem Oberkörper, den sie, den leuchtend orangeroten Allzweckmantel aufknöpfend, das Hemd hochschiebend, enblößte, zerstreut die weiche, sahnefarbene, mit winzigen Härchen bedeckte Haut ertastend, die Brüste, eigenartige elastisch-starke Wölbungen -- in Stoffschachteln, Büstenhalter solle man sie sperren, einschalen, aussperren, vertuschen, so Mutter Wilma; Annika verstand dies nicht und vermied Behas wie immer es ging und befreite ihre Brüste unter Hemd und Mantel: denn die zwei bemerkenswerten Köpfchen oder Pilzhüte oder Äpfel oder als was immer man sie sehen wollte, sollten von der Welt etwas mitbekommen... Annika betastete, formte, erkletterte ihre Brüste, mal die linke, mal die rechte, mal beide zugleich, berührte eine Brustwarze, altrosa Tupfen inmitten des kreisrunden, leicht rauhen Plateaus, mit der Fingerkuppe. Kühle Luftmassen, aufgestiegen über dem Atlantik, dem grauen, aufgewühlt schäumenden, der rumorenden, düster sprudelnden Ebene von Salzwasser, die Europa von den Vereinigten Staaten trennte, strömten über die alte Kontinentalfläche, warfen sich bei La Rochelle, in der Gironnemündung, an Land, fluteten, den Flußtälern und Ebenen folgend, nordostwärts, das Massiv Central rechts liegenlassend, in Paris den Himmel in feuchten Dunst hüllend, die Seine, den großen und kleinen See im Boi de Bologne, die Wasserspiele an der Place Beaubourg mit fliegendem Gesprüh silbrig färbend und sanftes Gefröstel bis in den Bauch der Stadt, das Tunnelsystem der Metro, der RER, hinuntersendend, wanderten weiter, nun trocken, Richtung Metz, ließen die zarten Dampffedern der Hybridkühltürme der Curiepolitanischen Energiebotschaft bei Bouzonville kräftiger aufwehen, zogen ins Rheinland-Pfälzische, den Hunsrück ließen sie nördlich, die Hochhäuser Frankfurts umbrausten sie mit blaugrauem Atem und zerteilten sich, fächerten sich auseinander in mehrere kleinere Lufströme: Manche drehten nordwärts, brausten das Fuldatal hinab und fielen, hohen Druck und klare Himmel bringend, ins Weserland ein, andere wandten sich ostwärts gegen Gotha und Eisenach und tosten an den Hängen des Kyffhäuser, die Raben in ihre Horste zurücktreibend, ein kleiner Strom, ein sprudelnder Bach von salziger, kalter, atlantischer Luft, fand den Weg in Annikas Hochstand, umfloss ihre linke Brustwarze, die sich, erdbeerrot und lebendig, aufrichtete und erschauerte. Manchmal ließ Annika ihre Finger hinuntertasten, über die warmen, windüberfluteten Ebenen der Haut, weiche Steppenlandschaften, spärlich bewachsen mit allerfeinstem Flaum, der unter der unbegreiflichen, grauen, blauen, weißschäumenden Bucht des Himmels wehte, zitterte; die zarte, fülligfeste, schwellende Weite des Bauches spürte, drückte, erfasste sie, ließ zwei Finger, logarithmisch spiralend, das zentrale Tal, den Bauchnabel, umkreisen, hinabsteigen an den schattigen Hängen in die runde Versenkung, warm und saugend, hinunter auf den leicht feuchten, geheimnisumwitterten Grund, wo plötzlich Stille herrschte, ein ewiger, verträumter Frühlingsnachmittag, Zeit und Ort und Wind bedeutungslos wurden. Da schloss Anika die Augen und atmete still und rasch und spielte zwischen den Sternen, Wogen von Licht und Wärme fluteten heran, von rötlich wabernden, ungestümen, blakenden Protosternen aufgewühlt, durchpflügten sie Schleier von kaltem Gas, kristallin-lehmigem Staub, der in Schwaden zwischen den Juwelenwolken junger Sternhaufen trieb, zerblies, verdampfte. Die Sterne zogen sich, bebend vor Kraft, zusammen, wurden dunkler, röter, schläfriger, während in ihren Herzen sich schon die große Wandlung vorbereitete, das thermonukleare Aufflammen, erst das milde der Deuteriumkerne, dann das starke, stetige, langanhaltende der Protonenkette. Langsam, ganz langsam tastete sich die neue, furchtbare, fruchtbare Lebensphase des Sterns an seine Oberfläche vor -- noch war diese düster und rußig, ein träges Meer von kühlen Flammen... dann schoß die lodernde Fusionsenergie hervor, in weißen Büscheln von sprühendem Plasma da und dort ausbrechend, immer größere Areale in Brand setzend, bis der Stern diamanthell erstrahlte, ein Gesang von in summendem Gleichgewicht schwebender Feuerwucht, der durch die Abgründe der Raumzeit hallte: Und Annika krümmte sich, entspannte sich, krümmte sich wieder unter dem Ansturm, umknistert von prasselnden, prickelnden Energiequanten, die sie durchdrangen, erschütterten, Stufe für Stufe rasche Reaktionsketten zündeten, die ihr Fleisch, ihre Körperflüssigkeiten lebendig machten. „Ein Museum ist der Mensch“, dachte Annika, bebte, spannte, entspannte, spannte sich, „die klaren und trüben Flüsigkeiten, die unsere Organe umspülen, durchziehen, sind nichts als ein Abbild der schwarzen, salzigen Urteiche, in denen das baryonische Drama, die Bildung komplexer Raster und Verästelungen kovalenter Bindungen, ihre gegenseitige Vernichtung und Erzeugung und Reproduktion, seinen Anfang nahm.“ Bewegt vom stetigen, aber nicht unendlichen entropiearmen Strom der Sternstrahlung, rasten die komplexen Getriebe, Übersetzungen von großen zu immer kleineren, filigraneren Energieportionen hinunter, vom Glaßt der hoch am Himmel stehenden, hinter dem schattenhaften Rand eines Wolkenmassivs hervortretenden Frühlingssonne, bis zum nächtlichen Zwinkern, lautlosen Kollabieren einer einzigen Wellenfunktion in den Mikrotubuli einer Nervenzelle, schufen das baryonische Leben von einer Seinsform zur nächsten, zu größeren, wilderen, komplizierteren Existenzen, die nach oben blickten, den Himmel sahen, nach unten blickten, Fels und Schlamm und Meer sahen, und zueinander sagten: „Asymptotischer Zustand? Eingehen ins milde Einerlei bis der Strahlungsstrom versiegt und die letzte Wellenfunktion eindämmert? Kaum!“ Und Annika sah den stahlblauen Himmel, diesen Hauch von warmen Gasen, mikroskopisch feine äußerste Schicht der Planetenkugel, vom Wind geschüttelt die Äste eines Walnußbaumes, fernab das Rumoren des ersten Frühlingsgewitters oder eines fernen Strahlantriebs, und sie zog ihr Hemd vorsichtig herunter, knöpfte den Mantel zu, rutschte mit großem Hui von dem Jägerstand herab. Ein Weberknecht stolzierte über den Sattel des Fahrrads, das ein Windstoß ins Gebüsch gedrückt hatte, der Boden, bedeckt mit scharf duftenden Gräsern und Kräutern, federte lebendig, angenehm. Annika pustete den Weberknecht, höflich um Entschuldigung bittend, vom Sattel, nahm die Griffe des Lenkers kräftig in die Hände und trat, sich aufschwingend, in die Pedale. Sie flog über Land. Vorbei an Waldzügen und Aussiedlerhöfen, Bachläufen, gesäumt von Pyramidenpappelketten, Eibengehölzen, Forellenteichen, Funkmasten, Methantanks, Hochspannungsleitungen, Fliedergebüsch, Hecken, warmsüßen Holzverhauen, gebleicht und glatt im Sonnenlicht. Libellen, Bockkäfer, Segelflugzeuge schwärmten, Hunde bellten, Eisenbahnzüge fegten ihrer eleganten Weltlinie entlang in die Zukunft. Annika ließ ihre Messingklingel erschallen und summte ein Lied, das sie selbst komponiert hatte, die Atmosphäre über dem alten Europa sang ihr Lied von Donner und Strahlung und Plasma und Leben.


~~~


Auszug 2: "Der B-Zug"

-- Unterwegs nach Bouzonville --

Das alte Europa mummelt unterm Erdschatten -- wie'n Kind mit erhöhter Temperatur: trägbeglückt eingewuscht --, schwarzblaue Schlummerdecke mit Sternen drauf – Atmosphäre wird kühl und feucht --, die nördlichen Frühlingskonstellationen, blassgrazil wieweilandsch davoswangig: Krebs, Löwe und Kleiner Löwe, das Haar der Berenice mit seinem nahen Offenen Sternhaufen et faroffen Galaxienhaufen, Dr. Koroljowa und Annika trinken Mokka (Annika hat noch nie Mokka getrunken), der Bärenhüter mit dem cannabäuglichen Arkturus, Diamantstaub der Nördlichen Krone, Carmen und Alexa zerqualmwölken einen in grünes Papier gewickelten Joint und nebeln die riesige Milchkaffeeschale ein, die sie sich teilen, die eine von der einen, die andere von der gegenüberliegenden Seite absüffelnd -- „ist so Brauch bei uns, dass wir uns eine große Schale teilen, schweißt uns zusammen, macht aus Carmen und Alexa eine Carmalexa! Jedoch nur wenn's draußen dunkel ist; Carmalexa gehört zur Gattung der Nachtwesen“ -- weitläufig diffuser Herkules, Wega in der Leier schneckt sich horizontüber -- „an für sich zirkumpolar“ -- so Annika -- „aber eben nur gerade so, Altitudo fingerbreit, hinter Häusern, Warmluftgequell, Dunstsuppe, schwarztannigen Hügelrücken“ -- Draco serpentiert zwischen Ursa Major und Minor; Zwillinge, Fuhrmann, Perseus, Kleiner Hund gehen unter, das alte Europa atmet, schlummert, eingewiegt vom Keckerrauschendiequellenhervor und den Flüssen, die sich dem Ozean entgegenwälzen und Frachtschiffe tragen -- im Dunkeln: nix als Positionslichter, seltsame rote und grüne Zyklopenaugen --, dem Unterhorizontgewitter der Eisenbahnzüge -- chthonischbrandiges Ölgeheißblüt, metallektroflammendes Triumphgeröhr erdkrustenüber --, vom Sehnsuchtsdonnern der Strahlflugzeuge, in denen die Novaloidbeleuchtung sich mit dem Massivschnauffauch fast schallschnell vorbeirasender Luft versynästhetet; (kantiger Reisender im Zerstraunzug: Zeichentrickfilm -- Aufmerksamkeitsstaub ohne Ton -- auf Postkartenbildschirm an der vorihmschen Sitzlehne, denkt: „Ich könnte lesen, ich bin zu müde zum Lesen! Wie ich mich auf Kalifornien freue, den Stahlschmuselufthauch, bunte Kastendrachen über der jüdischen Schule in Santa Monica!“); das Eichhörnchen, wo ist -- was tut es denn? sitzt im Lichtkegel einer Tischlampe, knabbert Macadamianüsse, die der Kellner ihm herbeiballettiert hat, und liest ein Buch über Differentialgeometrie, im Zug ist es still geworden, Annika und Dr. Koroljow schauen aus dem Fenster ins Dunkle und denken: „Der Lichtfunke dort gehört zu einem einzeln stehenden Haus, in dem ein alter Schriftsteller mit Herzproblemen wohnt! Dieser dort -- zu einer Polizeiwache; der orangefarbene -- zu einem Landgasthof, der für seine Forellen in Mandelbutter berühmt ist; das Geschachtel und Gewirr schneeschnippischer Funken und Strahlen, das ist eine Textilfabrik, die keinesfalls wie ein Feenpalast ist, denn der Feenpalast, das sind wir, der curiepolitanische Zug!“ Weil man im Feenpalast immer Coupe Dänemark isst, bestellt Annika sich aus kulinarischem Übermut eine Portion Vanilleeis mit geschmolzener Schokolade, die sie allerdings nur zu zwei Dritteln einzubäucheln vermag, Dr. Korff hat sich im Salonwagen auf ein Sofa gelegt, um einige Stunden in der samtenen europäischen Nacht zu schlafen, die Luft pfeift ganz leise durch seine Nasenlöcher: haa-püüü -- es ist still geworden im Feenpalast, die Räder murmeln ihr Tatamm-Tatamm -- Tatamm-Tatamm gedämpfter, nur in den Triebköpfen, den stromlinienförmigen Etymotiven, rast das Bor-Sauerstofffeuer, weißvioletter Flammenstrahl aus pulverförmigem Halbmetall, das mit vorgeheizt-komprimiertem Sauerstoff zu glasigem Dampf verbrennt, die graphengehärteten Titanschaufeln der Turbine als gefesselten Tornado rasen, den Kühlluftstrom flirrend in die olbersschwarze Halbkugel der Nacht entweichen lässt: aus zwei Auspüffen, die vor vielen Jahren Dieselrauch auskeuchten, steigen kristallinische Säulen glutheißer Gase, die ihre Wärmeenergie, diffus und von geringer Flussdichte, als milden Wind von Infrarotphotonen ins All abgeben, Entropie von der Erde forttragend, damit auf ihr Züge rennen, Turbinen sausen, Flüsse durch automatische Wehre schäumen, Gedanken gedacht und geschrieben, an- und abwesende Personen geliebt, verflucht, angehimmelt, Minigolfpartien gespielt und Forellen in Mandelbutter gebraten und Hotelbetten leidenschaftstoll zerwühlt werden können. Der kupferne Kellner, der nicht kupferfarben ist, hat in einen Sparmodus geschaltet, reglos halb sitzend - halb stehend, lehnt er in einer Wandalkove, nur eine Leuchtdiode fliederzwinkert und verheißt potentielle Aktivität; Dr. Koroljowa liest das „Gut Stepantschikowo“ zum dritten Mal und kichert gelegentlich, Annika skizziert in ihren immerzurhandten Blankoblock verschiedene phantasmagorische Maschinen, Carmen und Alexa halten sich schweigend an den Händen, betrachten die leere Milchkaffeeschale, in der die letzten Reste Milchschaum langsam zusammensinken, unter kühlem Rauchschleier, wie Nebel über einer arktischen Landschaft, und träumen von Enten und Raben und anderen Vögeln, die auf einem im Packeis gestrandeten Schiffswrack sitzen und der kleinen roten nördlichen Sonne beim Sinken zusehen.

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Thomas74
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Beitrag09.07.2017 18:10

von Thomas74
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Blink ....Absätze und irgendwelche Textgliederungen werden ja völlig überbewertet.... Zipped
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Curiepolis
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Beitrag09.07.2017 19:23

von Curiepolis
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Blink ....Absätze und irgendwelche Textgliederungen werden ja völlig überbewertet.... Zipped

In diesem Fall lassen sie sich nicht wirklich sinnvoll einfügen, da das Ganze jeweils aus einem Guss ist, im Sinne kohärent strömender Gedanken und Bilder.
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Thomas74
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Beitrag09.07.2017 19:27

von Thomas74
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...was aber die meisten potentiellen Leser nach kurzer Zeit verschreckt abbrechen läßt. Mag ja sein, daß das ein beabsichtigtes Stilmittel ist, ich finde es ausnehmend schwer zu lesen.
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Curiepolis
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Beitrag09.07.2017 19:54

von Curiepolis
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
...was aber die meisten potentiellen Leser nach kurzer Zeit verschreckt abbrechen läßt. Mag ja sein, daß das ein beabsichtigtes Stilmittel ist, ich finde es ausnehmend schwer zu lesen.


Nun, Curiepolis gibt es auszugsweise auch zu hören.

Einen Teil des B-Zug-Abschnitts lese ich in meinem "Audiobrief" an die Arno-Schmidt-Leser und Prof. Eidherr vor: https://www.youtube.com/watch?v=CGUYXFG6_GU

Potentielle Leser -- naja, die gehören wohl eher zur "Zettel's Traum"-Fraktion als zur, sagen wir, Asimov-Fraktion. Mir ist klar, dass Curiepolis optisch und sprachlich auf viele eine "Was-zum-Kuckuck-Wirkung" haben dürfte; das ist allerdings bei vielen meiner Lieblingsbücher so.

Das Layout des fertigen Buches soll übrigens mit einer Spezialsoftware gestaltet werden, die ich zu diesem Zweck gerade programmiere. Das gilt für Curiepolis/h ("auf Holz", d.h. gedruckt) wie auch Curiepolis/s ("auf Sand", also digital).
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kioto
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Beitrag10.07.2017 13:57

von kioto
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Hallo Curiepolis,

Adjektive und Metaphern sind die Rosinen im literarischen Kuchen. Du versuchst einen Kuchen nur aus Rosinen zu backen. Der wird nur wenigen schmecken.

Außerdem sträubt sich dieser meist surreal anmutenden Text gegen den Handlungshintergrund, der doch recht prosaisch ist. 16 jährige Toperfinderin mit altem Damenrad mutet eher nach Kinder- oder Jugendbuch an.

Gruß Werner


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Stanislav Lem: Literatur versucht, gewöhnliche Dinge ungewöhnlich zu beschreiben, man erfährt fast alles über fast nichts.
Phantastik beschreibt ungewöhnliche Dinge (leider m.M.) meist gewöhnlich, man erfährt fast nicht über fast alles.

Gruß, Werner am NO-Kanal
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Thomas74
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Beitrag10.07.2017 14:19

von Thomas74
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Das dürfte aber die Zielgruppe stark eingrenzen.
Wenn du solche festen Vorstellungen hast-willst Du hier Meinungen hören - oder doch eher Bestätigung finden?
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Curiepolis
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Beitrag10.07.2017 18:19

von Curiepolis
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Das dürfte aber die Zielgruppe stark eingrenzen.
Wenn du solche festen Vorstellungen hast-willst Du hier Meinungen hören - oder doch eher Bestätigung finden?

Ich bin da für alles offen. Es ist ersteinmal interessant, verschiedene Meinungen dazu zu hören -- danke dafür!

Ob ich mich einem bestimmten Kritikpunkt anschließe und ihn in Überarbeitungen einbeziehe, entscheide ich natürlich selbst. wink (wer sonst.)


kioto hat Folgendes geschrieben:

Adjektive und Metaphern sind die Rosinen im literarischen Kuchen.

[...]

16 jährige Toperfinderin mit altem Damenrad mutet eher nach Kinder- oder Jugendbuch an.


Jetzt wird's interessant. Ja, zu Adjektiven in der Literatur habe ich eine extrem gegenläufige Meinung zu heute akzeptierten Schreibkonventionen. Siehe das 18./19. Jahrhundert: Fouqué. Tieck. Der (zugegebenermaßen extrem schräge) Wilhelm von Meyern ("Dya-na-Sore"). Oder, wem das zu lange zurückliegt: Döblin, Joyce -- Meister der wunderschönen Adjektivierung. Unverblümt sagt es Arno Schmidt in "Abend mit Goldrand": Das Adjektiv als "Feind der Sprache" o.ä. zu bezeichnen sei "Quatsch".
(Schmidt äußerte alle seine Ansichten ziemlich unverblümt.)

Man sollte, denke ich, stets berücksichtigen, dass "guter/ansprechender/interessanter Schreibstil" doch eine sehr individuelle Sache ist. Gefühlt 99.9% der Deutschen finden Tolkien und Michael Ende super; ich finde den einen wie den anderen zum Schnarchen. Man gebe mir stattdessen Döblin, Joyce, Pynchon, Schmidt; und Adjektivierungen nicht zu knapp! smile

"Kinder- oder Jugendbuch" -- ah! Ja, das ist so eine Sache. Der "Handlungsrahmen" von Curiepolis ist zwar wichtig und hat in der Tat etwas "Jugendliches" an sich: Jugendliche Protagonisten, abenteuerliche Handlung. Doch es handelt sich, wie ich es nenne, um einen fraktalen Roman: Geschichte in der Geschichte in der Geschichte... Die Außenform der Mandelbrotmenge ist rund und anschaulich, wie ein Jugendbuch. Zoomt man hinein: dann...!

Auf einer der fraktal "geschachtelten" Vollzugsebenen müssen Annika und ihre Freundinnen auf dem Planeten Tlön zu einer Adjektiv-Rettungsmission aufbrechen.
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Soleatus
Klammeraffe


Beiträge: 998



Beitrag10.07.2017 18:44

von Soleatus
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Hallo Curiepolis,

Beifügungen sind nichts schlechtes; der Eindruck "Wörter um der Wörter willen", den deine Auszüge mir vermitteln, schon. "Viel" ist kein Ersatz für "nötig" ...

Ich habe aber längst nicht alles gelesen; Textblöcke dieser Art sind am Bildschirm eine Anstrengung, die ich mir nicht antun werde (auf Papier spricht nichts dagegen). Und auch sonst die wenigsten - insofern wäre es schon sinnvoll, du passtest deine Texte den Gegebenheiten an.

Gruß,

Soleatus
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Slaavik
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Beiträge: 509



Beitrag10.07.2017 19:23

von Slaavik
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Erschlagen von einer undurchdringlichen Textwand, obwohl genau genommen von zwei Textwänden, damit wäre meine Empfindung bei Versuch den Text zu lesen. Wenn ich ehrlich bin, lasse ich die Behauptung, dass es unmöglich ist sinnvolle Absätze oder eine Textgliederung irgendeiner Art anzuwenden erst gar nicht gelten. Da es vollkommen unsinnig ist und mir nicht ein einziger Grund einfallen würde, auf welche Weise dies das Lesevergnügen positiv beeinflussen könnte.

Der Handlungshintergrund klingt zwar durchaus, als könnte sich dort eine interessante Geschichte als Textwand tarnen, aber die nicht vorhandene Texgliederung und Adjektive wie bergmassivischen ersticken jedes möglicherweise auftauchende Lesevergnügen.


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Rübenach
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Beiträge: 2836



R
Beitrag10.07.2017 19:36

von Rübenach
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Textblöcke dieser Art sind tatsächlich eine Zumutung (was meines Erachtens der viel zu großen Zeilenbreite im Forum geschuldet ist).

Aber, was willst du als Autor machen, wenn der Textausschnitt, den du posten willst, nun mal aus einem Absatz besteht?

Der Leser hat allerdings die Möglichkeit, sich den Text in einem rezeptionsfreundlicherem Design anzeigen zu lassen.



Einfach mal auf die Print-Schaltfläche drücken und schon ist das Problem gelöst.


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kioto
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Alter: 71
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Beitrag10.07.2017 19:46

von kioto
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Hallo Curiepolis

Noch mal meine Gedanken dazu, nehme sie nicht zu ernst, ich habe von Literatur keine Ahnung, bin Informatiker.

Ich habe mich noch mal deinem Text gewidmet, weil er mich interessiert und weil ich Texte liebe, in die kleine Abschweifungen und Nebengeschichten zart eingewoben sind. Du hast viele schöne Bilder entwickelt, die allerdings zu schnell aufeinanderfolgen, ohne richtig an einen Handlungsstrang geklammert zu sein und auch zu blitzlichtartig aufscheinen. Auch sind sie sehr unterschiedlich, Spannweite gefühlt von Pippi Langstrumpf bis Feuchtgebiete. Das macht es nicht einfacher.Gut gelöst finde ich ist solch ein Ansatz in "Spektrum", Lukianenko und in dem Krimiroman "Die Instrumente des Herrn Jörgensen", Georg und Richard Precht, aber dies Bücher wird die Lehrmeinung wahrscheinlich nicht zur Literatur rechnen wollen.
Eine ganzen Roman in deinem Stil wird wohl nur 0,1% der Leser erreichen, eigentlich schade um die schönen Bilder.


@Rübenach
Danke für den Tipp, hilft bei diesem Text aber nicht wirklich.

Gruß Werner


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Gruß, Werner am NO-Kanal
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Curiepolis
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Beitrag11.07.2017 00:59

von Curiepolis
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Zunächst einmal vielen Dank an alle, die es gelesen und sich damit beschäftigt haben -- auch wenn es nicht ihrem Geschmack entspricht.

Zum Textbild... nunja -- klingt jetzt vielleicht patzig -- aber da gibt es noch ganz Anderes... wink




Zu "monolithischen" Textblöcken: Siehe Broch. Proust. Peter Weiss. Habe gerade meine Ausgabe von "Der Tod des Vergil" neben mir liegen; Broch schreibt durchaus gerne mal 5 Seiten durchgehend ohne Absätze; Peter Weiss in "Die Ästhetik des Widerstandes" mühelos 15+ Seiten ohne Absatz. Ganz zu schweigen von "Finnegans Wake"...

"Sempai macht's auch so!!" -- hört sich wahrscheinlich seltsam an bzw. wie ein Mittel, sich kritikimmun zu machen. Allerdings ist dies mMn das Mittel, schreiben zu lernen: Man sucht sich einen "Sempai" (also ein Vorbild; wortwörtlich Japanisch für "Älterer Mitarbeiter oder Schüler, der den Jüngeren unter seine Fittiche nimmt und einweist"), studiert dessen Werk so genau wie möglich, orientiert sich an seinen Techniken und Methoden und baut dann auf diesen auf. Meine "Sempais" sind Arno Schmidt, Döblin, Pynchon, Broch, Joyce und einige andere.

Sind die anderen Teile von "Curiepolis" nun auch so geschrieben wie die obigen? Nein, keinesfalls, vielmehr enthält das Buch zahlreiche sehr verschiedene Schreibstile (Zitat von einem Mann, der einige Auszüge hörte: "Man glaubt gar nicht, dass Auszug A und B von demselben Autor sind!") -- e.g. sind viele Stellen in reiner Dialogform geschrieben, wie ein Theaterstück oder ein platonischer Text. Meine Arbeit verfolgt u.a. auch notwendigerweise das Ziel, die verschiedenen Stile organisch ineinander zu fügen.

Gibt es Curiepolis-Fans? Ja, einige. Einer davon ist Literaturprofessor, einer Programmierer bei einem Großunternehmen, einer typischer Berliner Lebenskünstler.

Insgesamt handelt es sich um ein Literaturprojekt von gewaltigem Umfang. (Der erste Band alleine dürfte 800 Seiten erreichen.)

Ich freue mich über jeden, der sich damit beschäftigt; lese mir jeden Kommentar durch. Jeden Kritikpunkt in meine Weiterarbeit einbeziehen kann ich natürlich nicht, das hängt einfach davon ab, ob die Kritik sich mit meinen Zielen deckt; bzw., ob die empfohlenen Änderungen mir helfen, diesen Zielen näherzukommen. Gerade deshalb ist breitgestreuter Input für mich wichtig.
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Soleatus
Klammeraffe


Beiträge: 998



Beitrag11.07.2017 01:12

von Soleatus
Antworten mit Zitat

"Patzig" und "kritikresistent"?

Passt.

Ich geh dann mal.
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Slaavik
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 509



Beitrag11.07.2017 01:56

von Slaavik
Antworten mit Zitat

Curiepolis hat Folgendes geschrieben:

Zu "monolithischen" Textblöcken: Siehe Broch. Proust. Peter Weiss. Habe gerade meine Ausgabe von "Der Tod des Vergil" neben mir liegen; Broch schreibt durchaus gerne mal 5 Seiten durchgehend ohne Absätze; Peter Weiss in "Die Ästhetik des Widerstandes" mühelos 15+ Seiten ohne Absatz. Ganz zu schweigen von "Finnegans Wake"...


Und weißt du was das Hauptproblem an dieser Aussage ist? Du bist weder Broch, noch Proust, noch Weiss, noch Joyce.

Curiepolis hat Folgendes geschrieben:
hört sich wahrscheinlich seltsam an bzw. wie ein Mittel, sich kritikimmun zu machen.


Ganz ehrlich? Danach klingen viel eher diese Zitate.

Curiepolis hat Folgendes geschrieben:
Gibt es Curiepolis-Fans? Ja, einige.


Curiepolis hat Folgendes geschrieben:
Jeden Kritikpunkt in meine Weiterarbeit einbeziehen kann ich natürlich nicht, das hängt einfach davon ab, ob die Kritik sich mit meinen Zielen deckt; bzw., ob die empfohlenen Änderungen mir helfen, diesen Zielen näherzukommen.


_________________
I don't care what model it was. No vacuum cleaner should give a human being a double polaroid.

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I'm not sure the flashlight is gonna kill that tank.
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Rübenach
Geschlecht:männlichExposéadler
R


Beiträge: 2836



R
Beitrag11.07.2017 09:32

von Rübenach
Antworten mit Zitat

Hallo Curiepolis!


Da sitzt man an einem sonnigen Sonntagnachmittag im Garten, diskutiert über den gerade zu Ende gegangenen Bachmannpreis, kommt vom Hundertstel ins Tausendstel, schlägt den Bogen zum dsfo (wo nicht über Bachmannpreise geredet wird, sondern so wichtigen Fragen wie: "Schriftsteller ohne Rechtschreibkenntnisse"; fühle ich mich als "Autor" oder als "Schriftsteller?" auf der Tagesordnung stehen, wo zum hundertsten Mal die Frage beantwortet wird, ob man Verlage direkt anschreiben soll oder lieber den Weg über Agenten nimmt und was der Belanglosigkeiten mehr sind), stellt fest, dass es ewig keinen lesenswerten Text im Einstand, keinen vielversprechenden Neuzugang gegeben hat.

Des Abends dann ein Blick ins dsfo, nichts anderes erwartend als die Bestätigung der in langen Jahren gewachsenen Vorurteile, die natürlich längst über das Vor- hinaus zu Urteilen geworden sind.

Man liest den Titel "Curiepolis", sieht die Kategorisierung als Science-Fiction, will eigentlich entnervt schon wieder wegklicken ...

Hm.

Unabhängig davon, ob einen die Geschichte und die darin geschilderte Welt interessiert (mich interessiert sie ehrlich gesagt nicht besonders) oder nicht, man muss feststellen, da kann jemand schreiben. Zumindest, wenn man die Maßstäbe der Rubrik "Prosa-Einstand" (von der ein hier ungenannt bleibendes Forenmitglied mal sagte, sie sei das natürliche Habitat des Rechtschreibfehlers), aber auch die des dsfo im allgemeinen zu Grunde legt.

Gleichzeitig sofort die Frage im Kopf, wie lange der Autor es wohl im dsfo aushalten wird. Im diesem Sinne ein herzliches Willkommen.

Was mir noch nicht ganz klar ist, sind die Erwartungen, die du mit der Einstellung dieser beiden Abschnitte an die User dieser Forums hast. Willst du dich "nur" vorstellen, möchtest du Leseeindrücke sammeln oder geht es um detaillierte (und notwendigerweise kleinteilige) Textarbeit?

LG Rübenach


_________________
"Vielleicht sollten mehr Leute Schreibblockaden haben." Joy Williams
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kioto
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 71
Beiträge: 442
Wohnort: Rendsburg


Beitrag11.07.2017 11:12

von kioto
Antworten mit Zitat

Hallo Curiepolis


"Insgesamt handelt es sich um ein Literaturprojekt von gewaltigem Umfang. (Der erste Band alleine dürfte 800 Seiten erreichen.) "

Da bin ich auch raus. Viel Glück dabei.

Gruß Werner


_________________
Stanislav Lem: Literatur versucht, gewöhnliche Dinge ungewöhnlich zu beschreiben, man erfährt fast alles über fast nichts.
Phantastik beschreibt ungewöhnliche Dinge (leider m.M.) meist gewöhnlich, man erfährt fast nicht über fast alles.

Gruß, Werner am NO-Kanal
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ArtFaulII
Wortedrechsler


Beiträge: 95
Wohnort: Baumhaus


Beitrag11.07.2017 11:19

von ArtFaulII
Antworten mit Zitat

Hallo Curiepolis,

ich habe deine Texte erst nicht und dann gerne gelesen.
Nicht, weil die Textwand und die ersten Zeilen mir den Eindruck vermittelt haben, dass es sich nicht um einen Text handelt, den man nebenbei mal überfliegt und gerne, weil du kreativ mit Sprache umgehen kannst.

Auf die Formatierung will ich jetzt nicht weiter eingehen, weil das denke ich schon genug diskutiert wurde und ich deine Aussage, Absätze würden den Textfluss unterbrechen, nachvollziehen kann.

Die detaillierte Sprache, die du hier verwendest, die Bilder, die verschwenderisch in den Text geklotzt werden, die Abschweifungen vom Großen ins Kleine und wieder ins Große finde ich beeindruckend, da die meisten Formu- und Fabulierungen treffend gesetzt und trotzdem auf eine neue, eigene Weise gezeichnet sind.
Was du damit wirklich gut transportierst ist Atmosphäre, was ich mir bei dem Stil schwierig vorstelle, ist konkrete, verwinkelte Handlung zu vermitteln, wie sie ein gesellschaftskritischer Science-Fiction-Roman meiner Meinung nach erfordert - aber du schreibst ja, dass du verschiedene Schreibstile im Roman verwendest.

Zu der Handlung selbst lässt sich aus den Auszügen noch nicht so viel sagen. Die Ausgangssituation ist ja durchaus interessant, eine technisch überlegene Nation, deren Natur gut/böse noch im Unklaren liegt. Was genau davon abhängt, dass Annika das Etymino-Rätsel löst, weiß ich nicht, aber durch den ambitionierten Stil erwarte ich das Unerwartete, eine zumindest ungewöhnliche Auflösung.

Man merkt auf jeden Fall, dass in dem Projekt viel Leidenschaft steckt und du deinen eigenen Weg und Stil gefunden hast. Ich würde mich auch freuen, hier irgendwann eine Probe in einem der versprochenen anderen Stile wiederzufinden.

Liebe Grüße,
Arty
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Willebroer
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5437
Wohnort: OWL


Beitrag11.07.2017 12:00

von Willebroer
Antworten mit Zitat

Slaavik hat Folgendes geschrieben:

Und weißt du was das Hauptproblem an dieser Aussage ist? Du bist weder Broch, noch Proust, noch Weiss, noch Joyce.


Ja, und Joyce war weder Weiss noch Proust noch Broch.
Und Weiss war weder Proust noch Broch.
Und Broch war nicht Proust.

Was sagt uns das?

Und wenn doch? Wenn Curiepolis Broch wäre, dann gäbe es Broch zweimal. Wäre das ein Gewinn? Für ihn schon. Dann dürfte er alles sagen.
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Bananenfischin
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant

Moderatorin

Beiträge: 5338
Wohnort: NRW
Goldene Feder Prosa Pokapro IV & Lezepo II
Silberne Harfe



Beitrag11.07.2017 12:27

von Bananenfischin
Antworten mit Zitat

Hallo Curiepolis,

ja, Rübenach hat recht, dies ist ein Forum mit nicht nur, aber doch zum großen Teil U-/Genreliteraturschreibern, und oft richtet sich die Kritik an den üblichen Genreregeln aus; dementsprechend ist von einem Autor mit literarischen Ambitionen auch manche Kritik abzuwägen – aber dass du das kannst und wirst, hast du ja schon geschrieben. Erklärungsversuche, das Heranziehen anderer Autoren, die ähnlich schreiben, die Nennung von Kennern, die den Text aber doch gut fanden – all das ist verständlich, wirkt aber meist anders als erhofft, Letzteres stößt bisherige Kritiker vor den Kopf; nicht selten endete so ein Hin und Her damit, dass der Autor das Forum verließ.

Ich hoffe, in diesem Fall wird es nicht dazu kommen, ich finde den Text nämlich erst einmal interessant, weil anders. Die Nennung deiner Vorbilder lässt ahnen, wo du hinwillst, und kann den Usern auch Hilfestellung für ihre Kritik geben.
Vielleicht kriegen wie hier ja noch die Kurve?

Rübenach hat Folgendes geschrieben:
Man liest den Titel "Curiepolis", sieht die Kategorisierung als Science-Fiction, will eigentlich entnervt schon wieder wegklicken ...

"Entnervt", das gilt für mich persönlich nicht, aber Fantasy, Science-Fiction etc. sind nicht meine Welt, daher ließ mich dein "Handlungshintergrund" erst einmal kalt, er schien mir auch nicht ungewöhnlich zu sein.
Der Text zerschmetterte dann die mit dem Genre verknüpften Erwartungen, und das freut mich. Ich fand ihn gut lesbar, einige, sich wiederholende Stilmittel stechen hervor, nur das Setting ist und bleibt nicht meines; mangelhafte Physik-, Mathematik- und Astronmiekenntnisse waren dem Bildaufbau hinderlich.

Deine Vorstellung auf dem Teppich und auch das "zum Schnuppern" im Titel lässt mich aber auch etwas ratlos zurück. Möchtest du an dem Text überhaupt noch arbeiten oder wolltest du ihn nur vorstellen?

Vielleicht ein paar Kleinigkeiten, in Zitaten fett hervorgehoben, die mir aufgefallen sind, und lose Gedanken:

Zitat:
Annika lag oft lange auf dem Rücken in einem solchen gondelhaften Jägerstand, die Füßchen, die in knöchelhohen Schnürstiefeln steckten,


Bei einer Sechzehnjährigen von "Füßchen" zu sprechen, irritiert, ich finde das Wort deplatziert, vor allem auch mit Blick auf das folgende Freilegen und Betasten ihrer Brüste.

Zwei Tippfehler, weil sie mir gerade ins Auge fielen:
Zitat:
enblößte


Zitat:
Boi de Boulogne


Zitat:
Und Annika krümmte sich, entspannte sich, krümmte sich wieder unter dem Ansturm, umknistert von prasselnden, prickelnden Energiequanten, die sie durchdrangen, erschütterten, Stufe für Stufe rasche Reaktionsketten zündeten, die ihr Fleisch, ihre Körperflüssigkeiten lebendig machten. [b]„Ein Museum ist der Mensch“, dachte Annika, bebte, spannte, entspannte, spannte sich, „die klaren und trüben Flüsigkeiten, die unsere Organe umspülen, durchziehen, sind nichts als ein Abbild der schwarzen, salzigen Urteiche, in denen das baryonische Drama, die Bildung komplexer Raster und Verästelungen kovalenter Bindungen, ihre gegenseitige Vernichtung und Erzeugung und Reproduktion, seinen Anfang nahm.“


Ich fand diese Stelle beim Lesen ziemlich witzig. Die Komplexität der Gedanken angesichts der Situation ... Natürlich zeigt es aber Annikas Besonderheit auf.

Der Ton wirkt streckenweise antiquiert; nötig erscheint es mir nicht, z. B.:
Zitat:
Annika verstand dies nicht


Im zweiten Auszug wird der Ton flapsiger, das wird aber nicht durchgängig durchgezogen.

Du hast eine Vorliebe für Neologismen und Wortspielereien; ich teile sie, bin mir aber noch unschlüssig, ob du es nicht manchmal, nur um der Spielerei willen, übertreibst. Zwei Beispiele:
Zitat:
die sie allerdings nur zu zwei Dritteln einzubäucheln vermag

Zitat:
Annika skizziert in ihren immerzurhandten Blankoblock


Liebe Grüße
Bananenfischin


_________________
Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge

Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft

I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf)
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Curiepolis
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 44
Beiträge: 18
Wohnort: Berlin


Beitrag11.07.2017 19:36

von Curiepolis
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Rübenach hat Folgendes geschrieben:
Hallo Curiepolis!


Da sitzt man an einem sonnigen Sonntagnachmittag im Garten, diskutiert über den gerade zu Ende gegangenen Bachmannpreis, kommt vom Hundertstel ins Tausendstel, schlägt den Bogen zum dsfo (wo nicht über Bachmannpreise geredet wird, sondern so wichtigen Fragen wie: "Schriftsteller ohne Rechtschreibkenntnisse"; fühle ich mich als "Autor" oder als "Schriftsteller?" auf der Tagesordnung stehen, wo zum hundertsten Mal die Frage beantwortet wird, ob man Verlage direkt anschreiben soll oder lieber den Weg über Agenten nimmt und was der Belanglosigkeiten mehr sind), stellt fest, dass es ewig keinen lesenswerten Text im Einstand, keinen vielversprechenden Neuzugang gegeben hat.

Des Abends dann ein Blick ins dsfo, nichts anderes erwartend als die Bestätigung der in langen Jahren gewachsenen Vorurteile, die natürlich längst über das Vor- hinaus zu Urteilen geworden sind.

Man liest den Titel "Curiepolis", sieht die Kategorisierung als Science-Fiction, will eigentlich entnervt schon wieder wegklicken ...

Hm.

Unabhängig davon, ob einen die Geschichte und die darin geschilderte Welt interessiert (mich interessiert sie ehrlich gesagt nicht besonders) oder nicht, man muss feststellen, da kann jemand schreiben. Zumindest, wenn man die Maßstäbe der Rubrik "Prosa-Einstand" (von der ein hier ungenannt bleibendes Forenmitglied mal sagte, sie sei das natürliche Habitat des Rechtschreibfehlers), aber auch die des dsfo im allgemeinen zu Grunde legt.

Gleichzeitig sofort die Frage im Kopf, wie lange der Autor es wohl im dsfo aushalten wird. Im diesem Sinne ein herzliches Willkommen.

Was mir noch nicht ganz klar ist, sind die Erwartungen, die du mit der Einstellung dieser beiden Abschnitte an die User dieser Forums hast. Willst du dich "nur" vorstellen, möchtest du Leseeindrücke sammeln oder geht es um detaillierte (und notwendigerweise kleinteilige) Textarbeit?

LG Rübenach


Danke, Rübenach, für deinen Willkommensgruß!

Wie lange ich es wohl aushalten werde? Mal schauen. So lange, wie es etwas bringt/Spaß macht/mich interessiert/etc... Mit welchen Erwartungen ich die beiden Textauszüge gepostet habe -- naja, das Subforum heißt ja "Einstand", also primär ersteinmal zur Vorstellung, bzw. zum Kennenlernen, oder, wie ich im Titel geschrieben habe, zum "(Be-)Schnuppern".

Kleinteilige Textarbeit -- und zwar im unmittelbarsten Sinn: wie einige bemerkten, lege ich in meiner Arbeit großes Gewicht auf Worte, d.h. ich schraube mithin nicht an einzelnen Sätzen, sondern an einzelnen Worten -- mache ich, soweit es sich zeitlich mit meinen anderen Aktivitäten arrangieren lässt, täglich. Dichter-Technologen haben kein Wochenende. Allerdings bin ich momentan an einem ganz anderen Ende des Buches zugange, als dem, aus dem die obigen Auszüge stammen, nämlich nicht am Anfang (Annika weilt noch in Hinterföhren), sondern am Schluss (Annika et al. gelangen mittels Computersimulation(?) auf den Planeten Tlön und entdecken die Etyminos). Insgesamt schätze ich ein, dass ich jeden Abschnitt mindesten 3-4mal durchgehen muss, bis er für mich halbwegs akzeptabel ist und die mächtige Roman-Maschine schnurrend läuft.

Vielleicht finde ich mal jemanden, der Lust + Fähigkeit hat, detailliert mitzuarbeiten. Ein Freund von mir schreibt gelegentlich kleinere Kritiken und Anmerkungen für mich; allerdings nicht so oft, da sein Beruf (Programmierer) ihm nicht soviel Zeit lässt.

Insgesamt ist es also ein Gemisch von allem: Vorstellen und Eindrücke sammeln und -- möglicherweise -- sogar detailliertere Arbeit.


kioto hat Folgendes geschrieben:

Viel Glück dabei.


Danke! Ich bin insgesamt seit anfang 2012 dran; mit erhöhter Intensität seit Anfang 2016; wann ich mit dem ersten Band fertig werde, ist noch nicht klar -- habe mir 2017 vorgenommen, aber meine Detailverliebtheit (Detailfanatismus?!) könnte noch zu einer längeren Arbeitsdauer führen. Doch das macht nichts.


ArtFaulII hat Folgendes geschrieben:

Hallo Curiepolis,

ich habe deine Texte erst nicht und dann gerne gelesen.
Nicht, weil die Textwand und die ersten Zeilen mir den Eindruck vermittelt haben, dass es sich nicht um einen Text handelt, den man nebenbei mal überfliegt und gerne, weil du kreativ mit Sprache umgehen kannst.

Auf die Formatierung will ich jetzt nicht weiter eingehen, weil das denke ich schon genug diskutiert wurde und ich deine Aussage, Absätze würden den Textfluss unterbrechen, nachvollziehen kann.

Die detaillierte Sprache, die du hier verwendest, die Bilder, die verschwenderisch in den Text geklotzt werden, die Abschweifungen vom Großen ins Kleine und wieder ins Große finde ich beeindruckend, da die meisten Formu- und Fabulierungen treffend gesetzt und trotzdem auf eine neue, eigene Weise gezeichnet sind.
Was du damit wirklich gut transportierst ist Atmosphäre, was ich mir bei dem Stil schwierig vorstelle, ist konkrete, verwinkelte Handlung zu vermitteln, wie sie ein gesellschaftskritischer Science-Fiction-Roman meiner Meinung nach erfordert - aber du schreibst ja, dass du verschiedene Schreibstile im Roman verwendest.

Zu der Handlung selbst lässt sich aus den Auszügen noch nicht so viel sagen. Die Ausgangssituation ist ja durchaus interessant, eine technisch überlegene Nation, deren Natur gut/böse noch im Unklaren liegt. Was genau davon abhängt, dass Annika das Etymino-Rätsel löst, weiß ich nicht, aber durch den ambitionierten Stil erwarte ich das Unerwartete, eine zumindest ungewöhnliche Auflösung.

Man merkt auf jeden Fall, dass in dem Projekt viel Leidenschaft steckt und du deinen eigenen Weg und Stil gefunden hast. Ich würde mich auch freuen, hier irgendwann eine Probe in einem der versprochenen anderen Stile wiederzufinden.

Liebe Grüße,
Arty


Ja, da steckt Leidenschaft drin. Wie schon erwähnt, arbeite ich schon einige Jahre daran -- und habe auch schon einige 100 Seiten Material für den zweiten Band --,ohne ein gewisses Maß an "Fanatismus" ist das wohl nicht möglich. (Alle, die fürchten, ich würde wie Arno Schmidt während der Schlussphase der Arbeit an "Zettel's Traum" lallend im Garten herumirren und Worte und Etyms ausprobieren, seien versichert, dass es nicht so extrem ist!)

Mit der Handlung, das ist ein interessanter Punkt. Ich habe weiter oben schon die Mandelbrotmenge erwähnt, die aus größerer Entfernung einfach, nett und rund aussieht, wie ein kleiner Stapel von Äpfeln, zoomt man jedoch näher heran, bricht die geometrische Hölle los! Ebenso ist Curiepolis außenherum, von der Makrohandlung her, recht kompakt und simpel entworfen: ein Staatsroman, eine Utopie, nicht komplett ohne Ambivalenzen; auch ein wenig Jugend- und Entwicklungsroman -- und dann kommt man näher heran, und die glatt geglaubte Realität kichert charmant und explodiert.

Es geht mir also nicht so sehr um komplexe Schilderungen zwischenmenschlicher Beziehungen (das kann ich auch gar nicht so gut) oder politischer Verwicklungen (die finde ich nicht so interessant), sondern darum, ein märchen- oder traumhaftes Multiversum zu kreieren, über dessen zugrundeliegende Mechanismen die Leser selbst spekulieren und rätseln sollen.


Willebroer hat Folgendes geschrieben:

...dann gäbe es Broch zweimal...


Nach einem Teil der Curiepolis-Kosmologie (für deren Gültigkeit auch in unserer Welt zumindest einige theoretische Überlegungen sprechen) gibt es sogar unendliche viele Hermann Broch und unendlich viele Fabian Herrmann sowohl im Raum wie in der Zeit. Die Ewige Wiederkehr Nietzsches trifft also zu; doch im Gegensatz zu Nietzsches Übermensch, der sich vom Menschen dadurch abhebt, dass er die E.W. akzeptieren kann, ohne wahnsinnig zu werden oder Zuflucht in Religionen zu suchen, haben Annika et al. die Aufgabe, die E.W. zu durchbrechen!



Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:

Ich hoffe, in diesem Fall wird es nicht dazu kommen, ich finde den Text nämlich erst einmal interessant, weil anders. Die Nennung deiner Vorbilder lässt ahnen, wo du hinwillst, und kann den Usern auch Hilfestellung für ihre Kritik geben.
Vielleicht kriegen wie hier ja noch die Kurve?


Dankeschön! Ja, schauen wir mal, ob wir die Kurve kriegen...


Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:

"Entnervt", das gilt für mich persönlich nicht, aber Fantasy, Science-Fiction etc. sind nicht meine Welt, daher ließ mich dein "Handlungshintergrund" erst einmal kalt, er schien mir auch nicht ungewöhnlich zu sein.
Der Text zerschmetterte dann die mit dem Genre verknüpften Erwartungen, und das freut mich. Ich fand ihn gut lesbar, einige, sich wiederholende Stilmittel stechen hervor, nur das Setting ist und bleibt nicht meines; mangelhafte Physik-, Mathematik- und Astronmiekenntnisse waren dem Bildaufbau hinderlich.


"Science Fiction" -- ich habe ehrlich gesagt gezögert, diese Kategorisierung anzuklicken, da Curiepolis mit Science Fiction im Sinne von Asimov, Clarke, Heinlein etc. in etwa so viel zu tun hat, wie ein Elefant mit einem Buchfink. Wie ich in meinem Vorstellungstext erwähnte, ist ein wesentlicher Bezugspunkt vielmehr "Berge, Meere und Giganten" von Döblin, das man zwar als Science Fiction, aber auch als "Supermärchen" lesen kann. Curiepolis ist doch in vielem eher ein Märchen als ein Zukunftsroman.

Bsp.: Im zweiten geposteten Auszug ("Der B-Zug") wird das gelehrte Eichhörnchen erwähnt, das zwar nicht mit den Menschen sprechen, sich aber doch verständlich machen kann und offensichtlich vernunftbegabt ist. Ein SF-Autor würde nun mit irgendwelchen "technisch" erscheinenden Erklärungsversuchen ankommen, wie Gentechnik oder Cyberimplantate. Der Märchenerzähler dagegen kann einfach sagen: "Voilà! Ein sprechendes Eichhörnchen. Weil's so ist!" So ist es auch in Curiepolis: Das gelehrte Eichhörnchen, der lebende Steinrabe, die Sternen-Schnirkelschnecke -- sie sind einfach da und mischen in der Handlung tüchtig mit, wie warum wieso weshalb... die Leser sollen etwas zum Rätseln und Spekulieren haben.


Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:

Möchtest du an dem Text überhaupt noch arbeiten oder wolltest du ihn nur vorstellen?


Der erste Band erfordert noch viel und intensive Arbeit. Die beiden zitierten Ausschnitte sind (im Gegensatz zu einigen anderen) schon recht nah an ihrer endgültigen Fassung, ich nutze sie öfters als "Appetitanreger" für potentielle Curiepolis-Interessierte (Stichwort Prof. Armin Eidherr und die GASL). Jedoch wird der Wortlötkolben des Dichter-Technologen auch hier noch ein wenig zischen und dampfen müssen...


Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:

Bei einer Sechzehnjährigen von "Füßchen" zu sprechen, irritiert, ich finde das Wort deplatziert, vor allem auch mit Blick auf das folgende Freilegen und Betasten ihrer Brüste.


"Diminutivalein in Curiepolis" (Magisterarbeit einer Germanistikstudentin im Jahr 2075) -- lustiges Thema. Die sind häufig -- Stichwort Märchen: Rotkäppchen, "Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?", etc.

Hier kommt natürlich auch "Zettel's Traum" zum Tragen, Franziskas (sechzehnjährig auch sie) Kopf wird vom Erzähler ziemlich oft als "Köpfel" bezeichnet.

Jedoch verstehe ich, dass der Diminutiv in diesem Handlungskontext (Aufknöpfen der Bluse...) irritierend wirken kann. Es sei allerdings bemerkt, dass er eben keinesfalls alleine steht, sondern sich in das das Buch durchziehende märchenhafte Verkleinerungsformenkabinett einfügt.

"Zettel's Traum 2 -- Franziskas Aufstieg" war eine (nicht ernstgemeinte) Titelidee, die mir mal in meinem Köpfel herumspukte.


entblößte, Boulogne -- dankeschön! Habe gerade mittels Textsuchfunktion entdeckt, dass ich Boulogne noch an einigen anderen Stellen im Buch falsch geschrieben habe, nun korrigiert.


Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:

Ich fand diese Stelle beim Lesen ziemlich witzig. Die Komplexität der Gedanken angesichts der Situation ... Natürlich zeigt es aber Annikas Besonderheit auf.


Schön! Ja, witzig soll es sein! Der kosmische Sprung vom einen Satzteil zum nächsten ist auch eine curiepolitanische Spezialität...


Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:

Der Ton wirkt streckenweise antiquiert


Das stimmt, Archaismen sind, wie die Diminutiva, ein nicht ganz unwesentlicher Bestandteil. Mein Favorit ist diesbezüglich der obskure, dustere "Tannicht", ein ernster Jüngerismus. Auch "Ahndung/ahnden" findet sich zuweilen. Gelegentlich ließe sich die Archaismendichte wohl verringern, mal schauen.

(Dies gilt auch für altertümliche Formulierungen, Ausdrucksweisen, Satzkonstruktionen...)


Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:

Du hast eine Vorliebe für Neologismen und Wortspielereien; ich teile sie, bin mir aber noch unschlüssig, ob du es nicht manchmal, nur um der Spielerei willen, übertreibst.


Hihi! Ja, das kann sehr gut sein, dass ich manchmal Feuerwerk um des Feuerwerks Willen veranstalte. Im Finalteil (und streckenweise in der Tlön-Kontinuität, dem zweiten Handlungsstrang auf Tlön, bevor Annika et al. dort eintreffen) trifft dies allerdings in noch weit gesteigertem Maße zu, dort ist Feuerwerk gewissermaßen die Grunderzählweise.

~~~ Annika, Hikari, Dya und Irina betreten das Labor auf dem Gipfel des Mount Echo ~~~

Ihr Kore im Lap Oratorium (in As-Moll) & Felix Vergil grüßtikuliert aufs Freudlichteste & farngrienLEDerrjeckste (diesmal Kamera vorm Bauch; „Yashika, aah!“ – Hikari)! (Blankes Gequink von Neo-Licht milchblau gereit an V-Bettondäcke; zwonhalb-EhNull emm Abstand for optimale.Ausleuchtung(); & grasgrün beflammkästet Fluchwege; beschaustählter Rundbalkon(in der quadriesigen Versenkung Ächzbellymentales in größter Ausfärtigung! Spulereien & Wagkommrezipjentn, Röhrleydenungx- & Kablbaum-WirrWarr & Weihnachtsdijodiggs, torojdales Gebauchmkuch {gelbschwatzgeleckt: Pliesständbäck!}, unterdrücktancktopp pluss angeflunscht Ein-und-Ausgeschloiß pluss Messgefühlerköpfediener – Dya: „Zehärrtelich! Dassabernätt; wängtjämm Sie Äkl.“

~~~

Annika et al. -- und ich, ihr Dichter-Technologe! -- bedanken sich bei allen für die Be- und Anmerkungen! Das ist nützlich für mich, so kann ich mal mit anderen Augen auf meinen Text sehen und es hilft mir dadurch. Nun möchte ich aber die Arbeit am Finalteil wieder aufnehmen. Da gibt es viel zu tun.

Mal sehen. Wenn ich ein Stück fertig habe, das mir gut gefällt, werde ich es eventuell auch hier einstellen. Auf meiner Curiepolis-Homepage gibt esauch eine Sammlung von Leseproben zum Download, unter denen "Curiepolis zum Kennenlernen" zum tieferen Ersteinstieg am geeignetsten sein könnte. Auch das Info-Paket für die GASL bietet eine recht gute Übersicht über Curiepolis. Meine Arbeitsschritte dokumentiere ich regelmäßig in der Curiepolis-Zeitung. Unter "Soziale Medien" geht es von der Homepage zu meinen sonstigen Internet-Aktivitäten.

Mod-Edit: Sämtliche Verlinkungen oben gelöscht. Wie schon in deinem Vorstellungsthread erwähnt, möchten wir die Dauerbewerbung eigener Seiten in Forumsbeiträgen vermeiden. Deine Homepage etc. kannst du gern in dein Profil mit aufnehmen, aber bitte nicht in den Beiträgen. Danke!

^Okay, entschuldigung! Ich dachte, dies sei nur im Vorstellungsthread nicht gestattet, in den sonstigen Beiträgen schon. Die Homepage steht im Profil.

Viele Grüße,
F.
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Rainer Prem
Geschlecht:männlichReißwolf
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Alter: 66
Beiträge: 1271
Wohnort: Wiesbaden


R
Beitrag12.07.2017 05:42

von Rainer Prem
Antworten mit Zitat

Curiepolis hat Folgendes geschrieben:

...

entblößte, Boulogne -- dankeschön! Habe gerade mittels Textsuchfunktion entdeckt, dass ich Boulogne noch an einigen anderen Stellen im Buch falsch geschrieben habe, nun korrigiert.

...

Viele Grüße,
F.


Auch der "Boi" ist falsch, dem fehlt ein s am Ende.

Grüße
Rainer
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