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niko Eselsohr
Alter: 66 Beiträge: 233 Wohnort: Göttingen
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12.03.2017 10:24 der tag und ich von niko
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der tag und ich
wir sind gewissenlos
der tag und ich
kennen die winkel des rückzugs
und wie man trotzdem nach vorne lächelt
wir drücken uns in die hände
den wunsch schnell zu vergessen
und frühstücksbrötchen
damit wir trotzdem satt sind
ich trenne mich von dir
hab ich ihm gesagt beschämt und leise
er lachte nur und der tag verging
_________________ Ein Gedicht auf dem Hintergrund der Biographie des Autors zu interpretieren ist so, als würde man einem schwimmenden Schiff das Wasser nehmen. (NJK) |
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d.frank Reißwolf
D Alter: 44 Beiträge: 1122 Wohnort: berlin
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D 12.03.2017 12:17
von d.frank
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Gefällt mir an sich gut
Als Manko empfinde ich, dass du den Tag und das Ich nicht genügend getrennt bekommst. Deshalb wirkt der Tag nicht als die eigenständigkeit, auf die du in der letzten Zeile hinweisen willst. Obwohl ich das eine schöne Idee finde, denn es impliziert ja, dass das Ich sich einer Sache ausgeliefert fühlt, für deren Gestaltung es selbst die Verantwortung trägt. Meiner Meinung nach trägt dein Gedicht diesem Umstand aber zu wenig rechnung. Du könntest an einigen stellen konkretisieren und damit das Schwammige ausräumen. Oder aber ich habe dich falsch verstanden und hier schwingt noch eine dritte Größe mit?
Ich puzzel dir das mal auseinander:
Zitat: | wir sind gewissenlos
der tag und ich |
Finde ich einen guten Anfang, vielleicht findest du noch ein anderes Adjektiv, das die Ergebenheit des Ichs und die Gegebenheit eines Tages besser aufeinanderbringt, aber ich denke, das gewählte könnte durchaus auch schon das Naheliegendste sein, ohne jetzt allzu lange darüber nachzusinnen.
Zitat: | kennen die winkel des rückzugs
und wie man trotzdem nach vorne lächelt |
Hier wird es zu persönlich. Ein Tag kennt die Winkel des Rückzugs, lächelt nach vorne? Vielleicht auf zwei Zeilen aufspalten, die den jeweils anderen Blickpunkt beleuchten. Das "nach vorne lächeln" finde ich stark, das würde ich drinlassen
Zitat: | wir drücken uns in die hände
den wunsch schnell zu vergessen |
Auch das geht weg von der Gegenüberstellung eines zeitlichen Ablaufs und eines Subjekts, das in ihm gefesselt scheint.
"Drücken uns in die Hände" führt mich an den Beginn eines Arbeitstages und die Interaktion mit Kollegen. Mag sein, dass die auch im Alltag feststecken, aber wenn, dann in ihrem eigenen, um den es hier aber nicht geht. Es geht ja um das Ich und seinen individuellen Alltag. Führst du das jetzt in die Allgemeinheit, verliert dein Gedicht seine Aussage.
Zitat: | und frühstücksbrötchen
damit wir trotzdem satt sind |
aus dem Sind würde ich ein Werden machen. In dieser Zeile funktioniert der Vergleich ganz gut, weil das "satt Werden" sich mit dem "angefüllt Sein" eines Tages metaphorisch deckt und die Frühstücksbrötchen eine Art niederes Werkzeug des Ichs definieren.
Zitat: | ich trenne mich von dir
hab ich ihm gesagt beschämt und leise
er lachte nur und der tag verging |
Die erste Zeile wirkt wie ein Aufbegehren, gut getroffen, auch das "wieder Einfallen" in der zweiten Zeile verfehlt seine wirkung nicht. Ein Komma wäre aber nicht schlecht und vielleicht eher eine Abschwächung. Ein bisschen beissen sich die feste Rede und das "beschämt und leise".
Dann lässt du den tag lachen (wenn denn hier der Tag gemeint ist) und trennst ihn gleichzeitig von seiner Personifikation. Falls das Absicht ist, fehlt mir hier und auch im Rest der Zeilen der dritte im Bunde. Falls nicht, würde ich das Lachen ersetzen und das "der Tag" streichen.
Übersetzt:
Er sagte nichts und verging.
Abschließend: Ich bin kein Profi in so was! Meine Gedanken sind also nur Anregungen und gehen vielleicht ganz an deiner Aussage vorbei. Bin also gespannt, wie du das siehst.
Grüße
diana
_________________ Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer |
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menetekel Exposéadler
Alter: 103 Beiträge: 2447 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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13.03.2017 11:36 Re: der tag und ich von menetekel
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niko hat Folgendes geschrieben: |
der tag und ich
wir sind gewissenlos
der tag und ich
kennen die winkel des rückzugs
und wie man trotzdem nach vorne lächelt
wir drücken uns in die hände
den wunsch schnell zu vergessen
und frühstücksbrötchen
damit wir trotzdem satt sind
ich trenne mich von dir
hab ich ihm gesagt beschämt und leise
er lachte nur und der tag verging |
Hallo Niko,
ein gutes Gedicht in ansprechender Form.
Die erste Versgruppe ist perfekt; in der zweiten und dritten ließen sich die Enjambements optimieren, um ihnen die leicht gequälte Satzstellung zu nehmen.
In etwa so:
Zitat: | wir sind gewissenlos
der tag und ich
kennen die winkel des rückzugs
und wie man trotzdem nach vorne lächelt
wir drücken uns früh
stücksbrötchen in die hände den wunsch
zu vergessen: ich trenn mich von dir
hab ich ihm leise gesagt
er lachte nur und verging |
Was meinst du? Kannst du dich darin noch wiederfinden? -
Superb finde ich die Personalisierung des Tags. Das gibt dem Ganzen deutlich Tiefe.
Herzliche Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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Gast
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17.03.2018 10:43 Re: der tag und ich von Gast
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niko hat Folgendes geschrieben: |
der tag und ich
wir sind gewissenlos
der tag und ich
kennen die winkel des rückzugs
und wie man trotzdem nach vorne lächelt
wir drücken uns in die hände
den wunsch schnell zu vergessen
und frühstücksbrötchen
damit wir trotzdem satt sind
ich trenne mich von dir
hab ich ihm gesagt beschämt und leise
er lachte nur und der tag verging |
Lieber niko
Ich habe die anderen Kommentare nicht gelesen, ich möchte unvoreingenommen schreiben. Die Idee ist ausgesprochen gut: ein unstetes "Ich", das sein gewissenloses Verhalten auf den Tag projiziert.
Aber S2 und 3 sind mE nicht sehr stringent.
wir drücken uns in die hände
den wunsch schnell zu vergessen
und frühstücksbrötchen
damit wir trotzdem satt sind
Ich finde das funktioniert nicht wirklich mit dem einzigen Verb "drücken" und das "trotzdem satt" verstehe ich gar nicht.
ich trenne mich von dir
hab ich ihm gesagt beschämt und leise
er lachte nur und der tag verging
Das sind eigentlich sehr schöne Verse, aber wieso soll das LI plötzlich
"beschämt und leise" seine Absicht aussprechen, wo es doch in der S1 noch gleich "gewissenlos" wie der Tag war (was mir gefiel - weil der Tag einfach wertfrei sein Ding macht) - aus dem Gedicht ist eine solche Entwicklung des LI für mich nicht herauszulesen. Und weshalb hier plötzlich die Vergangenheitsform verwendet wird, habe ich auch noch nicht verstanden.
Den letzten V fände ich ohne "der tag" besser.
Herzliche Grüße
dulce
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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19.03.2018 22:38
von firstoffertio
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Zitat: | der tag und ich
wir sind gewissenlos
der tag und ich
kennen die winkel des rückzugs
und wie man trotzdem nach vorne lächelt
wir drücken uns in die hände
den wunsch schnell zu vergessen
und frühstücksbrötchen
damit wir trotzdem satt sind
ich trenne mich von dir
hab ich ihm gesagt beschämt und leise
er lachte nur und der tag verging
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Mit der letzten Zeile sehe ich drei hier.
LIch, den Tag, und einen Partner.
Von da unten aus lese ich die Zeilen darüber anders als beim ersten Lesen.
Wir in V1 sind dann LIch und Partner. Und so Strophe 2 und bis wieder zur Schlusszeile. Also keine Personifizierung des Tages.
Eher ein Gedicht über eine Beziehung.
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d.frank Reißwolf
D Alter: 44 Beiträge: 1122 Wohnort: berlin
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D 19.03.2018 23:01
von d.frank
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wow, schön, dass du das noch mal hervorholst @firstoffertio
Das habe ich gar nicht gesehen, aber jetzt sehe ich es!
_________________ Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer |
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