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Ralf Langer Klammeraffe
Alter: 57 Beiträge: 699 Wohnort: Gelsenkirchen
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21.01.2017 14:59 Die Stimme von Ralf Langer
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Die Stimme
Seine Stimme war wie früher:
Gewaltig, tief; beruhigend und aufwiegelnd zugleich.
Eine Stimme, die ich als Kind gerne vernommen hätte.
Damals, als mich Blitz und Donner noch zusammenschrecken ließen,
und ich mich unter meiner Bettdecke verkroch, um mich vor den Naturgewalten zu schützen.
Eine Stimme, wie jeder Vater sie haben sollte, wenn er seinem Sprössling eine Gute Nacht Geschichte erzählt.
Aber es war nur seine Stimme: ein schwindendes Unikat.
Also schiebe ich diese Gedanken beiseite und sage:“ Mensch, Michael, schön dich zu hören“
Und dann meldet sich auch schon das schlechte Gewissen, weil wieder einmal der Kranke beim Gesunden angerufen hat.
Weil ich schon wieder verschoben hatte ihn zu besuchen.
Ich wusste, das die Knochenmarkspende nicht erfolgreich verlaufen war.
Ich wusste, das sich ihm das Ende näherte, und das er sich auf seine geduldige Art damit abgefunden hatte.
„Ich habe ein neues Projekt“, sagte er und hustete heftig, „wird in der Zeche Zollverein stattfinden!“
Dann wieder Husten.
„Schauspieler, die in Glaskäfigen sitzen, erzählen den vorübergehenden Besuchern kurze Geschichten aus dem Leben,
von der großen Liebe. Das wird Teil der Kulturhauptstadt 2010. Hauptsächlich Texte von mir.
Aber der Kulturausschuss hat mir erklärt, das ich auch andere Autoren einladen könne ihre Texte vorlesen zu lassen.“
Pause. Husten.
"Das ist wohl eine letzte Geste vor dem Ende", fügte er hinzu und lachte.
Ich bekam eine Gänsehaut.
„Langer Rede kurzer Sinn. Ich will, das du auch etwas beiträgst!“
Ich war sprachlos, sagte etwas wie :“Cool...“, und kam mir sofort lächerlich vor.
Dann erklärte ich wie großartig ich die Idee fände, wie sehr ich mich geehrt fühlte,
das ich mich sofort an die Arbeit machen würde, und das ich im Laufe der nächsten Woche bei ihm vorbei käme
um Ideen zu liefern.
„Große Liebe“, lachte ich noch ins Telefon, „das ist kein Problem“.
Dann legte ich auf.
Zwei Tage später war er tot. Zum Schluss war das Leben aus ihm geströmt wie aus einem weit geöffneten Gashahn.
Am Grab habe ich ihm noch Zettel und Stift hinein geworfen.
„Große Liebe“, dachte ich, „das ist doch das Leben.“
Weitere Werke von Ralf Langer:
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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22.01.2017 11:02
von BlueNote
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Hallo Ralf,
die Konstruktion deiner literarischen Miniatur gefällt mir sehr gut: die Thematik, etwas nicht zu Ende gebracht zu haben, auf den Antagonisten zu übertragen und so jedem (Leser), der noch voll im Leben steht, diese beschriebene Situation nachempfinden zu lassen. Der Text enthält schöne Metaphern (der weit geöffnete Gashahn und das ausströmende Leben etwa).
Die Formatierung ließ sich auf dem Tablet übrigens nicht so angenehm lesen. Jeden Satz mit einer neuen Zeile zu beginnen, erscheint mir nicht zwingend notwendig - sondern eher einer Gewohnheit geschuldet zu sein, dass der Autor sich in letzter Zeit eher dem Lyrikschreiben zugewandt hat. Einen leichten Kritikpunkt möchte ich auch noch bei der Schlusszeile anbringen: diese erscheint mir (wenn ich sie richtig verstehe) noch nicht besonders aussagekräftig zu sein und ist zu dem davor Geschriebenem keine Steigerung mehr oder in irgend einer Art eine Quintessenz. (Wohnst du eigentlich in der Schweiz, weil das dass immer als das kommt?)
Dein Text bietet, selbst oberflächlich betrachtet (beim ersten Lesen), viel Ansprechendes. Aus ihm spricht Lebenserfahrung - und das ist gut so. Er enthält Tiefe ... was ich als wohltuend empfinde, neben all der oberflächlichen Literatur, die oft (wie jüngst erlebt) nur noch die Zickigkeit irgendwelcher Egomanen in Romanen verarbeitet und die meistens sehr jungen Autoren damit Lebenserfahrung vorgaukeln wollen (oder über deren Mangel hinwegtäuschen). Schön, dass das hier anders ist! In deiner literarischen Gedankenwelt fühle ich mich jedenfalls nicht verloren.
BN
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Ralf Langer Klammeraffe
Alter: 57 Beiträge: 699 Wohnort: Gelsenkirchen
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25.01.2017 11:16
von Ralf Langer
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Hallo BN,
herzlichen Dank für dein Posting.
Ich freue mich zu hören, das dir diese Miniatur hinreichend zusagt.
Das mit den Zeilenumbrüchen, hm, da scheinst du mit deiner Annahme wohl recht zu haben.
Dieser Text ist das Ergebnis meiner Versuche in szenischer Darstellung.
Momentaufnahmen, die in sich geschlossen sein sollen. Reduktion auf den letzten Satz.
Du sagst, er sei etwas schwach geraten. Vielleicht könnte ich besser mit 'banal' leben.
P.S
Tatsächlich arbeite ich parallel an einem Gedicht, welches auf seine Art den Inhalt in lyrischen Aspekten wieder geben soll.
( Das Gedicht sperrt sich aber noch...)
Bis hierhin herzlichen Dank
Ralf
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