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Was richtig ist


 
 
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag16.08.2016 11:35
Was richtig ist
von BlueNote
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Dies ist die Geschichte eines Menschen, der in seinem kurzen Leben niemals etwas richtig gemacht hatte. Lies und urteile selbst! Für die Richtigkeit der Tatsachen stehe ich persönlich ein.

Richten wir aber zunächst unseren Blick auf die Mutter, eine wahrhaft richtige Frau, attraktiv, durchsetzungsstark und sehr charismatisch. Diese Frau wünschte sich lange Zeit ein Kind. Endlich waren alle Vorkehrungen getroffen und ein Fötus wuchs tatsächlich heran in ihrem Mutterleib. Er musste nur noch geboren werden. Doch vor die Geburt hat Gott der Herr die Schwangerschaftsgymnastik gesetzt. Also ging die Frau Wochen vor der Geburt zu ihren Schwangerschaftsgymnastikterminen und lernte dort, wie man ein Kind richtig zur Welt brächte. Wie man richtig atmete, aus und ein und ein und aus, pressen und nicht pressen, auf der oder unter der Welle hindurch. Es sollten Wellenberge und Wellentäler sein, die kämen und gingen, wusste man dort im Unterricht zu berichten. Schließlich war der Zeitpunkt gekommen und die Frau ging mit ihrem Mann in die Stadt, um ihr Kind in einem Krankenhaus zur Welt zu bringen.

Da waren sie plötzlich, die Wellenberge und Wellentäler aus den Schwangerschaftsgymnastiklehrstunden. Und die Frau atmete, wie sie es gelernt hatte. So gut sie es konnte. Doch die Hebamme meinte, so sei das nicht richtig! Hätte sie denn gar nichts gelernt in der Schwangerschaftsgymnastik? Daraufhin versuchte die Frau beim nächsten Wellenberg alles richtig zu machen. Versuchte, sich zu erinnern, wie es war, wie es sein musste und wie die Schwangerschaftsgymnastikhebamme es ihr beigebracht hatte. War der Wellenberg vorbei, fragte sie jedes Mal die Hebamme verzweifelt: War es jetzt richtig? Die Hebamme schüttelte jedoch nur den Kopf und sagte: Nein! Es war wieder nicht richtig! So zog sich das Gebären hin. Stunde für Stunde. Die Hebamme schüttelte immer energischer den Kopf: Wieder nicht richtig! Die Frau verkrampfte sich zusehends. Erntete jedoch nur den stereotypen Kommentar: Nicht richtig! Schließlich kam das Kind doch noch zur Welt, nach großer Anstrengung und vielen Schmerzen. Fünf Minuten vor zwölf. Das Kind war da. Das Gefühl, das blieb, aber war: Es ist immer noch irgendwie nicht richtig.

Denn die Ärzte sagten der Frau, das Kind sei krank, es habe ein Sonnenuntergangssyndrom und litt an einem Wasserkopf. Die Frau ging mit ihrem Kind und einer großen innerlichen Beunruhigung nach Hause. Auch der Vater machte sich Sorgen: Was sollte nun aus dem Kind werden? Wird es je ein normales Leben führen können? Nach ein paar Tagen korrigierten die Ärzte ihre Diagnose aber und meinten, sie sei nicht richtig gewesen. Und eine Krankenschwester aus der Bekanntschaft meinte trocken, das machten sie öfters, die Götter in Weiß, damit die Eltern auch wirklich die U1 wahrnehmen würden, wenn sie das Krankenhaus vorzeitig kurz nach der Geburt auf eigene Verantwortung verlassen wollten.

Das Kind wuchs heran, war trollig und süß, fand aber keine Freunde, wie all die anderen Kinder in der Nachbarschaft. Gleichaltrige machten ihm Angst. Auf dem Spielplatz, der Krabbelgruppe, im Kindergarten, der Grundschule, dem Gymnasium. Das Kind blieb immer einsam. Die Lehrer schrieben ins Zeugnis, das soziale Verhalten sei nicht richtig und das Kind müsse sich mehr bemühen. Das Kind bemühte sich, aber die Lehrer fanden das Ergebnis trotzdem nie richtig. Und als das Kind eine junge Frau geworden war, schön von Wuchs, mit reiner Seele, aber leider mit sehr unreiner Haut im Gesicht, interessierten sich die jungen Männer hauptsächlich für andere jungen Frauen, die auch schön waren von Wuchs und vielleicht mit einer nicht ganz so reinen Seele, dafür aber mit makelloser Haut im Gesicht und am Körper, den sie sukzessive erforschten. Die junge Frau aber blieb allein, wohnte zu Hause bei ihren Eltern, die sorgenvoll auf ihre Entwicklung blickten.

Eine Lehrstelle, die die Eltern durch Beziehungen ergatterten, brachte kein Glück. Die Ausbilder gaben zu verstehen, dass diese Auszubildende nicht das Richtige sei. Man habe dies leider zu spät erkannt. Sie versuchten, diese Tatsache tagtäglich der jungen Frau deutlich zu machen, so dass sie, die junge Frau, eines Tages tatsächlich die Konsequenzen zog und kündigte. Das sei nicht richtig gewesen, fanden die Eltern, man müsse die Dinge zu Ende bringen. Die junge Frau zuckte unentschlossen mit den Schultern, zog sich in ihr Zimmer zurück und thronte den ganzen Tag auf ihrem Bett wie eine Königin, die in die Ferne sah, um ihr menschenleeres Reich zu überblicken. Ihr Reich bestand aus acht Quadratmetern, einem Fenster und einer Türe, die meistens verschlossen war. Kind, du musst etwas Richtiges tun im Leben, sagten die Eltern, du darfst nicht immer nur in deinem Zimmer sitzen. Die junge Frau nickte stumm, denn sie nickte immer, wenn die Eltern ihr etwas sagten, ging hinaus aus der Tür und war lange Zeit verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Nach einem halben Jahr kam sie wieder, an der Hand eine Freundin, von der sie sagte, das sei für sie die Frau ihres Lebens. Die Eltern lächelten verwirrt, sahen sich an und ihre Blicke sprachen das Gleiche: Das ist so nicht richtig!

Nun lebten plötzlich zwei Frauen in dem kleinen, viel zu engen Zimmer, als ob dies das Normalste auf der Welt war. Die Eltern kamen irgendwann zu der Ansicht, die jungen Frauen müssen nun allmählich ausziehen. Es sei an der Zeit. Und so kam es schließlich, dass sie den beiden Frauen zusahen, wie sie mit einem ledernen Koffer in der Hand für immer über die Türschwelle schritten, so dass zum Abschied sogar ein paar Tränen über die Wangen der Eltern kullerten. Sie seufzten tief und umarmten sich minutenlang, als die Frauen schon längst die Wohnung verlassen hatten. Das Zimmer, das nun zur Verfügung stand, renovierten sie und machten einen „blauen Salon“ daraus, den sie immer betraten, wenn sie traurig sein und an das Schicksal ihrer Tochter denken wollten. Bilder von ihr hingen an den blauen Wänden, die genauso traurig waren wie der Salon und irgendwann auch das ganze Haus in dem traurigsten Ort auf der Welt.

Das also war sie, die Geschichte eines Menschen, der in seinem kurzen Leben niemals etwas richtig gemacht hatte. Und wenn du, Leser, jetzt nicht weißt, was du davon halten sollst, nicht weißt, was ist und was werden wird, was zu tun, oder zu unterlassen ist, dann hast du genau das gleiche Gefühl wie ich. Dieser Text wurde geschrieben, um dem Leser ein Gefühl zu vermitteln: Mein Gefühl. Und wenn ich es loswerden könnte, würde ich es dir unverzüglich schenken. Was aber würdest du dann anstelle meiner damit anfangen?

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bamba
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 201



Beitrag16.08.2016 13:12
Re: Was richtig ist
von bamba
Antworten mit Zitat

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Dieser Text wurde geschrieben, um ein Gefühl zu vermitteln. Mein Gefühl. Wenn ich es loswerden könnte, würde ich es dir unverzüglich schenken. Aber was würdest du dann anstelle meiner damit anfangen?

Für mich hinterlässt der Text und die Geschichte ein "schrulliges" Gefühl und viele Fragen.....was mich doch veranlasst, darüber etwas nachzudenken.
Die junge Frau ist ja noch nicht gestorben und hat eine Liebe gefunden. Das Leben steht erst bevor.
Die Eltern finden ihre Liebe nicht richtig...(weil zu einer Frau, die nicht näher beschrieben ist, ausser dass es eine Frau ist)
 Fänden sie es richtiger, ihre Tochter bleibt alleine in ihrem Zimmerchen?

Ok, die Ausbildung geschmissen. Ist aber kaum das Ende der Welt. Man weiss nicht wie alt sie ist?? Kann sich ja noch geben.
Traurig kann ja auch nicht sein, dass sie eines Tages ihr Zuhause verlässt. Das Gegenteil wäre traurig.
Wie viele Leben sind nicht "richtig"? Die halbe Mehrheit Grr , behaupte ich. Leben ist problematisch.
"Die Kindheit" ist oft nicht glücklich.
Ob ein Leben richtig oder falsch sein kann? Wer richtet?
Sind es die Eltern, die ein Problem haben? Die trauern, weil sie zu hohe Erwartungen an ihr Kind hatten und dieses sie nicht erfüllt?
überhaupt scheint es mir um die Eltern zu gehen, bsw. um die Mutter, da der Vater nur als Schatten vorhanden ist (im Text). Auch die Tochter ist ein Schatten. Man erfährt, dass sie eine reine Seele hat, aber unreine Haut.
Also wenn unreine Haut ein Makel ist, eine unreine Seele aber der kleinere wäre.......
Das Haus sei der unglücklichste Ort der Welt. Hmmm.... was wissen diese Leute von der Welt?
Alles in Allem sehe ich eine konstruierte Tragödie und eine Traurigkeit, die ich nicht in den beschriebenen Ereignissen begründet sehe, sondern in Erwartungen.
Gut lesbar und trotzdem recht langweilig für mich. Sorry. Die Tochter geht ihren Weg, also den richtigen.
Sie nimmt keine Drogen, ist nicht krank, nicht kriminell, nicht verschuldet, soweit ich es dem Text entnehmen kann, und hat eine Liebe gefunden.
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llll
Leseratte
L


Beiträge: 121



L
Beitrag16.08.2016 15:02

von llll
Antworten mit Zitat

Dieser deprimierende Text geht mir durch und durch,
weil er so beunruhigend und todtraurig wahr ist :
Diese Richtigkeitsansprüche und den dazugehörenden Nicht-Richtig-Wahn
gibt es tatsächlich in unendlich vielen Variationen und
diese Geschichte ist ein ins Schwarze treffendes Beispiel davon :
Am allereindrücklichsten ist der Beginn :
Der hyper-gute Wille der Frau und die absolut destruktive Kritik der Hebamme :
Eine beispielhaft verheerende Schlüsselsituation, wo der Lichtentzug beginnt
und dieser Dauerschatten entsteht und von Anfang an und immer weiter und weiter
nichts Positives mehr gedeihen kann......
Das kommt in diesem Text ganz grausam stark zum Ausdruck
und er sollte deshalb allseits, öffentlich und privat, zur warnenden abschreckenden
Pflichtlektüre gemacht werden mit Fazit :
SO NICHT ! sondern im Gegenteil anfeuernd LOBEN LOBEN LOBEN....
llll
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Babella
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 61
Beiträge: 890

Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag16.08.2016 16:26

von Babella
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Ist das so? Ist Geburtsvorbereitung "Unterricht"? Ist es ein unkluger Rat zu sagen, dass ein Berufsweg nicht das Richtige für jemanden ist? Gibt es so viele Leute, die sich abmühen, anderen alles rechtzumachen? Wer macht denn da was falsch? Die, die sich anpassen oder die, die die Richtlinien aussprechen?

Was genau ist das für ein Gefühl, das du loswerden willst? Von Oberlehrern unterdrückt zu werden?

Ich erlebe so derart viel Vielfalt um mich herum, ich kann das einfach nicht nachvollziehen. Es gibt lärmende Motorradfahrer und ruhebedürftige Rentner, gepiercte Teenager und rauchende Schwangere. Die machen doch alle, was sie wollen -?
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Graven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 281



Beitrag16.08.2016 18:18
Re: Was richtig ist
von Graven
Antworten mit Zitat

Hallo BlueNote,

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Dies ist die Geschichte eines Menschen, der in seinem kurzen Leben niemals etwas richtig gemacht hatte. Lies und urteile selbst! Für die Richtigkeit der Tatsachen stehe ich persönlich ein.

Richten wir aber zunächst unseren Blick auf die Mutter, eine wahrhaft richtige Frau, attraktiv, durchsetzungsstark und sehr charismatisch. Ja ja, das glauben wir dir erst einmal, weil zeigen tust du uns das nicht. Übrigens, wäre die Frau ein Mauerblümchen, nachgiebig und lieb, wäre sie eine unrichtige Frau? Diese Frau wünschte sich lange Zeit ein Kind. Endlich waren alle Vorkehrungen getroffen künstliche Befruchtung? und ein Fötus wuchs tatsächlich heran in ihrem Mutterleib. Wo sonst? Er musste nur noch geboren werden. Doch vor die Geburt hat Gott der Herr die Schwangerschaftsgymnastik gesetzt. Stimmt nicht. Herr Gott sagte, er würde die Schmerzen mehren, von Gymnastik war nie die Rede. Also ging die Frau Wochen vor der Geburt zu ihren Schwangerschaftsgymnastikterminen und lernte dort, wie man ein Kind richtig zur Welt brächte. Wie man richtig atmete, aus und ein und ein und aus, pressen und nicht pressen, auf der oder unter der Welle hindurch. Es sollten Wellenberge und Wellentäler sein, die kämen und gingen, wusste man dort im Unterricht zu berichten. Schließlich war der Zeitpunkt gekommen und die Frau ging mit ihrem Mann ah, jetzt verstehe ich, er war die Vorkehrung! in die Stadt, um ihr Kind in einem Krankenhaus zur Welt zu bringen.

Da waren sie plötzlich, die Wellenberge und Wellentäler aus den Schwangerschaftsgymnastiklehrstunden. Und die Frau atmete, wie sie es gelernt hatte. So gut sie es konnte. Doch die Hebamme meinte, so sei das nicht richtig! Hätte sie denn gar nichts gelernt in der Schwangerschaftsgymnastik? Daraufhin versuchte die Frau beim nächsten Wellenberg alles richtig zu machen. Versuchte, sich zu erinnern, wie es war, wie es sein musste und wie die Schwangerschaftsgymnastikhebamme es ihr beigebracht hatte. War der Wellenberg vorbei, fragte sie jedes Mal die Hebamme verzweifelt: War es jetzt richtig? Wo ist die Durchsetzungsstärke der Frau jetzt auf einmal hin? Die Hebamme schüttelte jedoch nur den Kopf und sagte: Nein! Es war wieder nicht richtig! So zog sich das Gebären hin. Stunde für Stunde. Die Hebamme schüttelte immer energischer den Kopf: Wieder nicht richtig! Die Frau verkrampfte sich zusehends. Erntete jedoch nur den stereotypen Kommentar: Nicht richtig! Schließlich kam das Kind doch noch zur Welt, nach großer Anstrengung und vielen Schmerzen. Wissen wir das nicht schon? Muss das noch mal betont werden? Fünf Minuten vor zwölf. Das Kind war da. Das Gefühl, das blieb, aber war: Es ist immer noch irgendwie nicht richtig.

Denn die Ärzte sagten der Frau, das Kind sei krank, es habe ein Sonnenuntergangssyndrom und litt an einem Wasserkopf. Die Frau ging mit ihrem Kind und einer großen innerlichen Beunruhigung nach Hause. Auch der Vater machte sich Sorgen: Was sollte nun aus dem Kind werden? Wird es je ein normales Leben führen können? Nach ein paar Tagen korrigierten die Ärzte ihre Diagnose aber und meinten, sie sei nicht richtig gewesen. Und eine Krankenschwester aus der Bekanntschaft meinte trocken, das machten sie öfters, die Götter in Weiß, damit die Eltern auch wirklich die U1 wahrnehmen würden, wenn sie das Krankenhaus vorzeitig kurz nach der Geburt auf eigene Verantwortung verlassen wollten. Jetzt wird richtig unrichtig. Oder schnappte sich der Vater das gerade gepresste Kind und floh, noch mit angeschlossener Nabelschnur, aus der Klinik? Denn U1 wird sofort nach der Entbindung durchgeführt. Auch die Behauptung, Ärzte würden den Eltern bewusst Angst machen, indem sie Krankheiten erfinden, ist nicht richtig. Sie ist dreist.

Das Kind wuchs heran, war trollig und süß, fand aber keine Freunde, wie all die anderen Kinder in der Nachbarschaft. Liegt wohl an der Gegend, wenn all die Kinder keine Freunde finden.
Man könnte weiter so machen, aber ich habe keine Lust mehr. Dieser Text ist für mich wie ein Gärteig ohne Hefe. Geht nicht auf. Zu viele Behauptungen, die der Leser so hinnehmen muss, weil im Text nicht gezeigt. Figuren ohne Fleisch, keine Besonderheiten, die deine Aussage stützen würden. gehen die nicht Gleichaltrige machten ihm Angst. Auf dem Spielplatz, der Krabbelgruppe, im Kindergarten, der Grundschule, dem Gymnasium. Das Kind blieb immer einsam. Die Lehrer schrieben ins Zeugnis, das soziale Verhalten sei nicht richtig und das Kind müsse sich mehr bemühen. Das Kind bemühte sich, aber die Lehrer fanden das Ergebnis trotzdem nie richtig. Und als das Kind eine junge Frau geworden war, schön von Wuchs, mit reiner Seele, aber leider mit sehr unreiner Haut im Gesicht, interessierten sich die jungen Männer hauptsächlich für andere jungen Frauen, die auch schön waren von Wuchs und vielleicht mit einer nicht ganz so reinen Seele, dafür aber mit makelloser Haut im Gesicht und am Körper, den sie sukzessive erforschten. Die junge Frau aber blieb allein, wohnte zu Hause bei ihren Eltern, die sorgenvoll auf ihre Entwicklung blickten.

Eine Lehrstelle, die die Eltern durch Beziehungen ergatterten, brachte kein Glück. Die Ausbilder gaben zu verstehen, dass diese Auszubildende nicht das Richtige sei. Man habe dies leider zu spät erkannt. Sie versuchten, diese Tatsache tagtäglich der jungen Frau deutlich zu machen, so dass sie, die junge Frau, eines Tages tatsächlich die Konsequenzen zog und kündigte. Das sei nicht richtig gewesen, fanden die Eltern, man müsse die Dinge zu Ende bringen. Die junge Frau zuckte unentschlossen mit den Schultern, zog sich in ihr Zimmer zurück und thronte den ganzen Tag auf ihrem Bett wie eine Königin, die in die Ferne sah, um ihr menschenleeres Reich zu überblicken. Ihr Reich bestand aus acht Quadratmetern, einem Fenster und einer Türe, die meistens verschlossen war. Kind, du musst etwas Richtiges tun im Leben, sagten die Eltern, du darfst nicht immer nur in deinem Zimmer sitzen. Die junge Frau nickte stumm, denn sie nickte immer, wenn die Eltern ihr etwas sagten, ging hinaus aus der Tür und war lange Zeit verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Nach einem halben Jahr kam sie wieder, an der Hand eine Freundin, von der sie sagte, das sei für sie die Frau ihres Lebens. Die Eltern lächelten verwirrt, sahen sich an und ihre Blicke sprachen das Gleiche: Das ist so nicht richtig!

Nun lebten plötzlich zwei Frauen in dem kleinen, viel zu engen Zimmer, als ob dies das Normalste auf der Welt war. Die Eltern kamen irgendwann zu der Ansicht, die jungen Frauen müssen nun allmählich ausziehen. Es sei an der Zeit. Und so kam es schließlich, dass sie den beiden Frauen zusahen, wie sie mit einem ledernen Koffer in der Hand für immer über die Türschwelle schritten, so dass zum Abschied sogar ein paar Tränen über die Wangen der Eltern kullerten. Sie seufzten tief und umarmten sich minutenlang, als die Frauen schon längst die Wohnung verlassen hatten. Das Zimmer, das nun zur Verfügung stand, renovierten sie und machten einen „blauen Salon“ daraus, den sie immer betraten, wenn sie traurig sein und an das Schicksal ihrer Tochter denken wollten. Bilder von ihr hingen an den blauen Wänden, die genauso traurig waren wie der Salon und irgendwann auch das ganze Haus in dem traurigsten Ort auf der Welt.

Das also war sie, die Geschichte eines Menschen, der in seinem kurzen Leben niemals etwas richtig gemacht hatte. Und wenn du, Leser, jetzt nicht weißt, was du davon halten sollst, nicht weißt, was ist und was werden wird, was zu tun, oder zu unterlassen ist, dann hast du genau das gleiche Gefühl wie ich. Dieser Text wurde geschrieben, um dem Leser ein Gefühl zu vermitteln: Mein Gefühl. Und wenn ich es loswerden könnte, würde ich es dir unverzüglich schenken. Was aber würdest du dann anstelle meiner damit anfangen?


Grüße Graven
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag16.08.2016 22:56

von BlueNote
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U2, nicht U1! Das ist korrekt!
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Matthias Jecker
Geschlecht:männlichEselsohr
M


Beiträge: 328



M
Beitrag16.08.2016 23:39

von Matthias Jecker
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starke idee, einen lebenslauf am wort "richtig" aufzuhängen.
empfinde auch respekt für deine asuwahl von stationen in diesem lebenslauf, in denen das "password" auftaucht.

und dann fühlt man sich als leser doch irgendwie gefoppt,
weil dieses wortspiel-skelett dazu dienen soll, eine gefühlsbetonte vita zu erzählen.
so wird einerseits doziert, fast missioniert, andrerseits versucht, menschen mit fleisch und knochen als akteure in ihrem handeln zu zeigen.
kein wunder, dass man eher statisten sieht, welche plakate mit "richtig" hochhalten.
eventuell würde deine idee besser wirken, wenn der text als reine satire auf plusminus jene sätze beschränkt würde, wo das "password" "richtig" vorkommt.

gruss
MJ
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purpur
Klammeraffe


Beiträge: 964



Beitrag17.08.2016 07:14

von purpur
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Guten Morgen Very Happy Blue Note,

Dein Text und das sensible Thema treffen gekonnt reflexiv
einfühlsam einen empfindsamen Nerv, ich glaube, manch
einer geht daran zu Grunde, zwar richtig richtig, für sich...
...zu sein,
aber eben, in der Bewertung durch die andenen, nicht,
vielleicht sogar nie richtig
...zu sein
Du hast die Worte so gekonnt gesetzt, wie z.B.
Zitat BN
''... Richten wir aber zunächst unseren Blick auf die Mutter, eine wahrhaft richtige Frau, ...''

... macht mich nachdenklich, traurig...
Sehr gern gelesen, danke!
 Kommt noch was?
LGPia


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Matthias Jecker
Geschlecht:männlichEselsohr
M


Beiträge: 328



M
Beitrag17.08.2016 08:55

von Matthias Jecker
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Gerne möchte ich diesmal gleich ein konkretes Beispiel liefern, da ich gerade Zeit hab:

Richten wir aber zunächst unseren Blick auf die Mutter, eine wahrhaft richtige Frau, attraktiv, durchsetzungsstark und sehr charismatisch. Diese Frau wünschte sich lange Zeit ein Kind. Endlich waren alle Vorkehrungen getroffen und ein Fötus wuchs tatsächlich heran in ihrem Mutterleib. Er musste nur noch geboren werden. Doch vor die Geburt hat Gott der Herr die Schwangerschaftsgymnastik gesetzt. Also ging die Frau Wochen vor der Geburt zu ihren Schwangerschaftsgymnastikterminen und lernte dort, wie man ein Kind richtig zur Welt brächte.

In diesem langen Abschnitt wird ein Haufen für den leser belanglose Information gegeben. Das Folende hätte absolut genügt:

Richten wir zunächst unseren Blick auf die Mutter, eine "richtige Frau". Wie es richtig ist, ging sie Wochen vor der Geburt zu Schwangerschaftsgymnastikterminen und lernte dort, wie man ein Kind richtig zur Welt brächte.

Schönen Tag
MJ
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Ithanea
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Alter: 34
Beiträge: 1062

Ei 3 Pokapro 2017


Beitrag17.08.2016 17:20

von Ithanea
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Hallo BN,

Der Schreibstil, in dem dein Text verfasst ist, sagt mir nicht so zu, aber ich versuche, das nicht zum Kriterium zu machen, denn da du Bericht angekreuzt hast, gehe ich von einer Absicht aus, wenn kein Show don't Tell verwendet wird, keine Emotionen nahe gebracht werden, und eher auswechselbare Statisten auf die Bühne treten, statt echte Charaktere und was man sonst noch alles in fiktionaler Prosa (mir gehen da literaturtheoretisch echt die Vokabeln ab, stimmt dieses Wort hier?) für Geschütze auffährt. Ist nicht mein Ding, aber du wolltest mit dem Text eben was anderes.

Sozial- und Gesellschaftskritik zum Beispiel.
Die Frage, was richtig ist im Leben und wer das eigentlich entscheiden darf und wann, ist ja eine der wichtigsten überhaupt (wage ich zu behaupten) und insofern find ich das als Thema für einen Text schon spannend (um ehrlich zu sein, bin ich der Überzeugung, dass diese Frage unterschwellig mitschwingendes Thema in ungemein vielen, wenn nicht sogar fast allen literarischen Texten ist, weil es da um Weltanschauung geht und jeder eine solche hat, auch Autoren, die sie mithineinlegen, in ihre Texte, indem sie Bewertungen vornehmen, über ihre Figuren, indem sie Begebenheit a) auf diese Weise und Begebenheit b) eben auf eine andere erzählen, siehe spannende Diskussionen in anderen Fäden zum Thema Intention und Verantwortung letztens).
Aber: Auch da hab ich zwei Probleme mit diesem Text. Das erste ist die wahnsinnig dick aufs Brot schmierende Art des Textes, mir das Thema wirklich bei allen Gelegenheiten und Satz für Satz erneut um die Ohren zu Hauen (viele Episoden, die alle dasselbe zeigen sollen: jemand macht's nicht richtig, kursiv geschriebene richtigs mehrfach in jedem dieser Absätze (bis auf den vorletzten)). Ich weiß nicht so richtig, wie mir der Text da kommen will oder, eher warum er so kommen, will, denn dass die häufige Wiederholung und explizite Benennung ebenfalls absichtsvoll ist, ist ja klar. Ich verstehe nur den Hintergrund nicht. Und ärgere mich etwas beim Lesen, denn ich denke: Habs ja schon kapiert, warum so oft?

Das zweite Problem geht ein bisschen in die Richtung von Babellas Kommentar. Ich sehe die Notwendigkeit des Textes auf diese Art, das ins Raum werfen der an sich ja wichtigen Frage mit dieser Zielrichtung nicht, weil ich die Thematik anders erlebe. Dass Eltern meinen, zu wissen, was das Beste wäre und mahnen, Ausbildungen abzubrechen und sich die Haare raufen über erlebte Verantwortungslosigkeit ihrer Kinder, ist ja nix neues. Jugendliche brechen schon seit Jahr(zehnt)en trotzdem ihre Ausbildungen ab, haben Sex und/oder Beziehungen mit Männern, Frauen, beiden oder sonstwem, verprassen ihren ganzen Lohn bis zum 3. eines Monats, werden schwanger oder saufen oder kiffen oder treten Straßenlaternen um oder alles zusammen. Auch sogenannte Erwachsene schmeißen mit 30 oder 40 oder 60 nochmal alles um, werden doch lieber Kioskverkäufer oder Schrebergärtner oder Musiker oder Vater oder Weltreisender und pfeifen auf die Vorstellung, die sie oder ihre Eltern früher mal von richtig hatten. Also meine Frage heißt ein bisschen: Wo ist denn jetzt die Gesellschaftskritik dabei, das ist doch im gesellschaftlichem Konsens, falls es soetwas gibt, schon längst ausdiskutiert?
Natürlich ist es das im Kleinen, in direkt jemandes Leben drin, mitunter nicht so einfach, wenn man nun als Sohn in der erzkonservativsten aller erzkonservativen Familien auf einmal sagt, ich gründe für meine App, die staight-edge-lebende Musiker auf Reisen und alleinstehende Wohnungsmieter zum gemeinsamen veganen Kochen vermittelt, ein StartUp und lebe ab sofort davon. Oder seinen Eltern sagen muss, dass man das Studium nicht beenden wird, weil es einem nicht liegt. Oder auch mal sagen muss, dass man nicht wie Vater und Großvater eine Ausbildung im Handwerk machen wird, sondern Germanistik studieren. Nicht auf Lehramt. In solchen Einzelgeschichten wird der Konflikt um so etwas sehr relevant. Im Allgemeinen funktioniert das für mich nicht (mehr?).


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Tjana
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Beitrag17.08.2016 20:21

von Tjana
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Ein Bericht. Ein Bericht über eine Reihe von Bestrebungen, die sicher vielen Lesern bekannt sind, die vielleicht einige davon zum Teil sogar an sich selbst erlebt haben. Bewusst überzeichnet, für den Ablauf eines Lebens jedenfalls.
Was will der Text vermitteln?
Sicherlich nicht, dass es in der Welt nun mal so zugeht, das wissen wir ja schon.
Ich lese ihn als Aufruf, sich zu hinterfragen und nie aufzuhören, Ansichten zu verändern, sich selbst zu verändern.
Wir sind nun mal geprägt von Ansichten und Urteilen. Viele davon haben wir aus dem familiären und sonstigen  Gesellschaftgefüge entnommen, manche selbst gewonnen, erarbeitet. Und immer neigt man doch dazu, so ist es richtig zu denken.  
Altes als alt = überholt = nicht (mehr) richtig zu erwägen, zu hinterfragen. Wach und offen bleiben für Neues, bereit sein, Ungewohntes auch mal annehmen zu können.
Dafür steht dieser Text für mich.


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Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein)
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purpur
Klammeraffe


Beiträge: 964



Beitrag18.08.2016 07:54

von purpur
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Guten Morgen Very Happy BlueNote,

ich möchte deinen Text nochmals loben, weil
schon die ersten Worte mir so passend erscheinen.
Wieder sehr gern gelesen, danke!
Richten wir aber... richtig....
 Kommt noch was?
HzlichePpGrüße,
EinensonnigenDo:-)


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BlueNote
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Wohnort: NBY



Beitrag18.08.2016 08:05

von BlueNote
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Hallo Kommentierende,

Tjana fragt:
Zitat:

Was will der Text vermitteln?
Sicherlich nicht, dass es in der Welt nun mal so zugeht, das wissen wir ja schon.

Wie es in der Welt allgemein zugeht, ist in seiner distanzierten (nicht betroffenen), verallgemeinernden, vom statistischen Durchschnitt her gesehenen Sicht für den Text bzw. mich nicht interessant. Auch nicht, die Personen nach Belieben mit Leben (oder "Fleisch") zu füllen oder dramaturgisch in Szene zu setzen. Die aufgeführten Personen bilden eher eine unverrückbare Konstellation ab, wie die Figuren auf einem Schachbrett, die die Beziehungen untereinander bzw. zur Umwelt aufzeigen sollen (wobei dem Ich-Erzähler eine zu beachtende Sonderrolle zukommt). Beziehungen, Charaktere, Tatsachen werden benannt und müssen nicht von einem Leser nachempfunden werden. Alles wird behauptet, denn die Umstände sollen als gegeben hingenommen werden (auf sie müssen wir uns nicht überwiegend konzentrieren). Sie sind vorgegeben. Es wird nicht als notwendig erachtet, dass ein Leser mit Emotionen erst zum Geschehen hingeführt wird, alles was beschrieben ist nachempfindet und nachfühlt, denn er soll sich laut Vorgabe mit seiner Vorstellung bereits innerhalb dieser "VersuchsAnordnung" befinden.

Was der Text "will", sagt er ganz klar und unverstellt selber aus. Es gibt offensichtlich keine Zweifel über seine Absichten: Sein Ziel ist nicht die Klarheit, sondern die Unklarheit. Das seltsame Gefühl, das Nicht-Wissen, die Ungewissheit.

Da dies alles für einen normalen Leser wohl seltsam genug ist, muss man bereit sein, sich ein großes Stück von üblichen Lesegewohnheiten zu verabschieden. Immer wieder werde ich mit Ratschlägen zum Schreiben von Unterhaltungsliteratur konfrontiert, bei Texten, die sich bewusst und ganz vehement gegen diese (vertraute) Erzählweise aus dem Unterhaltungsgenre stellen. In diesem Zusammenhang hat mich wiederum Ithanea mit ihrer Analyse schwer beeindruckt, indem sie, obwohl ihr der "Schreibstil" persönlich nicht zusagt, sie für sich doch versucht hat, herauszufinden, was diesen Text jenseits von üblichen (Unterhaltungs-)Erzählmustern ausmachen könnte.

Aus meiner Sicht wurde vielleicht 20 % dessen, was mir an dem Text wichtig ist, erfasst. 20 % ist besser als 0 %. 100 % sind nicht notwendig und wohl nur durch eine "Offenlegung" des Autors zu erreichen. Deswegen freue ich mich über die 20 % und mache mir Gedanken, wie man den Text "in seinem Sinne" noch verbessern kann.

Vielen Dank für das Interesse.

BN

Edit: Demnächst (wahrscheinlich) noch Einzelreplies
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Graven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 281



Beitrag18.08.2016 10:22

von Graven
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Hallo BlueNote

Ich Erzähler? Hier die Definition:
Der Ich-Erzähler macht sich selbst zum Gegenstand des Erzählens. Er ist in der ersten Person der Grammatik in der Erzählung anwesend – was zur Folge hat, dass der Erzähler für den Leser als Person greifbar ist.
Die erste Person Singular wird durchgängig gebraucht.
Der Ich-Erzähler hat seinen Platz innerhalb der fiktionalen Welt.
Der Ich-Erzähler zeigt eine starke emotionale Beteiligung am Geschehen.
Das Blickfeld des Ich-Erzählers ist auf die Innensicht der eigenen Person begrenzt. Er beschreibt Bewusstseinsabläufe, Gedanken, Stimmungen der Ich-Figur.
Andere Figuren können nur von außen beschrieben werden. Informationen über ihr Innenleben sind meistens bloße Vermutungen oder müssen irgendwie verbürgt sein.

Ich Erzähler ist es für mich nicht. Ein Berichterstatter aber auch nicht. Oder ein sehr unglaubwürdiger. Er behauptet Adjektiv lästig das eine, in dem nachfolgenden Text steht aber etwas ganz anderes. Die Mutter. Ein unsicheres Hausmütterchen, Beifall heischend. Von Durchsetzungsstärke und Charisma keine Spur. Und solchem Berichterstatter soll ich Folgen?  Darauf Vertrauen, dass er mir etwas Bedeutendes zeigen kann? Einem, der unverschämtes behauptet, zB: "Denn die Ärzte sagten der Frau, das Kind sei krank, es habe ein Sonnenuntergangssyndrom und litt an einem Wasserkopf. Die Frau ging mit ihrem Kind und einer großen innerlichen Beunruhigung nach Hause. Auch der Vater machte sich Sorgen: Was sollte nun aus dem Kind werden? Wird es je ein normales Leben führen können? Nach ein paar Tagen korrigierten die Ärzte ihre Diagnose aber und meinten, sie sei nicht richtig gewesen. Und eine Krankenschwester aus der Bekanntschaft meinte trocken, das machten sie öfters, die Götter in Weiß, damit die Eltern auch wirklich die U1 wahrnehmen würden, wenn sie das Krankenhaus vorzeitig kurz nach der Geburt auf eigene Verantwortung verlassen wollten."
     Schlechte (oder gar keine) Recherche macht sicher keinen guten Text. Und, weil du nachträglich meinst, U2 gemeint zu haben - ich sehe in dem Text keinen Grund, warum die Ärzte überhaupt auf den Gedanken kommen sollten, die Eltern würden das Kind nicht mehr untersuchen wollen. Schließlich war die Mutter bis jetzt ausnahmslos darauf bemüht, alles richtig zu machen. Auch das Bild der Hebamme, von dir gezeichnet, ist unglaubwürdig.  
Ein guter Text ist für mich ein Text, welches mit treffenden Worten, knapp und inhaltsreich seine Botschaft überbringt. Hier ist das leider nicht der Fall. Redundanzen reihen sich aneinander, Sätze im hervorragendem Beamtendeutsch nehmen den Platz weg und sagen gar nichts. ZB:
"Endlich waren alle Vorkehrungen getroffen". Da ist kein Inhalt.

Du schreibst: "Tatsachen werden benannt und müssen nicht von einem Leser nachempfunden werden. Alles wird behauptet, denn die Umstände sollen als gegeben hingenommen werden (auf sie müssen wir uns nicht überwiegend konzentrieren). Sie sind vorgegeben. Es wird nicht als notwendig erachtet, dass ein Leser mit Emotionen erst zum Geschehen hingeführt wird, alles was beschrieben ist nachempfindet und nachfühlt, denn er soll sich laut Vorgabe mit seiner Vorstellung bereits innerhalb dieser "VersuchsAnordnung" befinden."
Nun, ich bin ein Mensch, und kein Computer, den man nach eigenem Gutdünken programmieren kann. Wenn jemand etwas behauptet, nehme ich es nicht als hingegeben hin. Das fehlte noch. Wünschst du dir solche Leser? Ich prüfe und denke nach.
Das ist mehr Text geworden, als ich eigentlich vorhatte. Aber ich wollte deine Unterstellung, jeder, der deine Ergüsse nicht toll findet, keine Ahnung von guter Literatur hat, nicht so stehen lassen.
Ob U- oder E- Literatur, guter Stil ist überall gefragt.

Und es liegt nicht am Leser, wenn der Text nicht so ankommt, wie vom Autor beabsichtigt. Denk mal darüber nach.

Grüße Graven
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Graven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 281



Beitrag18.08.2016 10:55

von Graven
Antworten mit Zitat

Sorry, Doppelpost wegen Quellenangabe: Bücher-Wiki
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Aneurysm
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 462



Beitrag18.08.2016 11:50

von Aneurysm
Antworten mit Zitat

Graven hat Folgendes geschrieben:
Aber ich wollte deine Unterstellung, jeder, der deine Ergüsse nicht toll findet, keine Ahnung von guter Literatur hat, nicht so stehen lassen.


Wo hat BlueNote das unterstellt (wenigstens im Ansatz)?
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Strichpunkt
Geschlecht:männlichLeseratte
S


Beiträge: 166

Bronzene Neonzeit


S
Beitrag18.08.2016 13:27

von Strichpunkt
Antworten mit Zitat

Hi Bluenote

Mir hat der Text gefallen.
Für mich war von Anfang klar, dass es sich hier nur um einen unzuverlässigen Erzähler handeln kann. Wenn gleich zu Beginn des Textes gesagt wird:  

Zitat:
Für die Richtigkeit der Tatsachen stehe ich persönlich ein.


dann muss man als Leser doch auf der Hut sein. Insofern spielt der Ich-Erzähler eine ganz entscheidende Rolle. Und das ist sehr wohl ein Ich-Erzähler, Graven. Das Bücher-Wiki ist nun nicht wirklich eine sehr massgebende Quelle, aber wenn du es schon zitierst, dann auch vollständig mit dem Verweis, dass dort auch der auktoriale Ich-Erzähler aufgeführt wird. Hier haben wir Ich-Erzähler und Berichterstatter gleichermassen!

Ich glaube, wenn man den Text so (= unzuverlässiger Erzähler) liest, dann kriegt er eine ganz andere Richtung. Es geht sicherlich auch um das Richtig oder Falsch, wie es der Text zu beschreiben versucht. Ich habe aber das Gefühl, dass hier eine andere Ebene angepeilt wird. Man soll ja eben nicht einfach hinnehmen, was der Erzähler hier behauptet - der hat sich nämlich selbst in diesem Richtig und Falsch verstrickt und ist ganz und gar nicht objektiv oder sonst was.

Liebe Grüsse
Strichpunkt
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Piratin
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Ei 2


Beitrag18.08.2016 13:53

von Piratin
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Hallo BlueNote,

ich sehe es nicht als Bericht sondern als Versuch, mit einem Wort sprachlich und auf zweiter Ebene zu spielen. Im Wort "richtig" steckt für mich in diesem Zusammenhang das Wort "richten" auf der Ebene, die nicht im Vordergrund ausführt. Da liegt für mich das eigentlich Interessante des Textes. Die Wiederholungen und Redundanzen erinnern an Texte und Fragmente der Epoche in den 70ern und da kommt mir das Stichwort "Neue Subjektivität / Neue Innerlichkeit" in den Sinn. Wenn ich mit diesem Blick den Text wirken lasse, dann komme ich noch mehr zu dem Schluss, dass er geschrieben ist, um beim Leser etwas auszulösen, was sich vom inhaltlichen Geschehen des Textes vollkommen löst. Die Erzählstimme ist wertend und fügt sich nicht einer neutralen Berichtsposition, sie bezieht einen Standpunkt und will dies auch bewusst. Und genau dieser Standpunkt - das richten über Andere, deren Verhalten, Situationen, etc. - ist es, der mich zum Nachdenken über das eigene Urteilen bringt. Wie oft bewerte ich innerlich etwas, bin ich dabei neutral und abwägend oder "richte" ich in meinem Denken? Welche Position nehme ich ein und warum?
Vielleicht liege ich auch vollkommen falsch und interpretiere etwas, was überhaupt nicht angestrebt oder gewollt war, aber so habe ich die Wirkung des Textes erfahren.


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Kris
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Beiträge: 453



Beitrag18.08.2016 14:35

von Kris
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Hallo BlueNote,

auf den ersten Blick kam mir Dein Text ein bisschen zu bemüht, ein bisschen altmodisch vor. Dieses Betonen des "Richtigen/Dinge richtig machen/richtig leben". Auch der Einstieg mit dem für meinen Geschmack fast wichtigtuerischen Ich-Erzähler hat mich zunächst eher abgeschreckt.

Auf den zweiten Blick tauchen aber hier und da Fragmente auf, die mich hängen bleiben lassen. Zum Beispiel "...den sie immer betraten, wenn sie traurig sein und an das Schicksal ihrer Tochter denken wollten."

Das hat für mich sehr gut funktioniert, hier zeigst Du diese allgemeine Erwartungshaltung: so und so habe man zu trauern oder Dinge zu tun. Als sei Traurigkeit kein Gefühl, das einen hinterrücks überfällt, sondern etwas, das man erledigt wie den Abwasch.  

Anderes wiederum könntest Du für mich weglassen. Etwa die Betonung durch das Kursive bräuchte es für mich nicht.

Der Schluss kam für mich ein bisschen unvermittelt, fast als hättest Du keinen Weg gefunden, den Kreis zu schließen.

Am Ende bleibt mir Dein Text zu plakativ durch die penetrante Wiederholung des Richtigen, hier wären mir mehr subtile Bilder wie der Blaue Salon lieber gewesen.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Das Thema spricht mich an und erinnert mich an einen anderen Text von Dir, in dem der Ich-Erzähler einen anderen Menschen "verwaltete" (sorry, ich weiß die Quelle nicht mehr), aber die Umsetzung überzeugt mich nicht ganz.
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag18.08.2016 18:45

von BlueNote
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Leser,

nachdem in diesem thread auch allerlei Unsinn zu lesen war, bin ich allmählich zunehmend begeistert über die (theoretischen) Auslassungen z.B. bezüglich richtig und richten. Fast schon als Realsatire (oder als Fortsetzung der Geschichte) empfinde ich es dagegen, wenn (ausgerechnet) der Ich-Erzähler als "nicht richtig" bezeichnet wird, wo doch im Text alles mehr oder weniger nicht richtig ist bzw. als "nicht richtig" gesehen oder inszeniert wird. Ich schätze die Funktion meines "Ich-Erzählers" ganz besonders und bin froh, wenn irgend ein U-Lit-Schreibratgeber zum Schluss kommt, dass er "nicht richtig" ist, weil ich genau dann richtig mit ihm liege.
Zitat:

Ich habe aber das Gefühl, dass hier eine andere Ebene angepeilt wird. Man soll ja eben nicht einfach hinnehmen, was der Erzähler hier behauptet - der hat sich nämlich selbst in diesem Richtig und Falsch verstrickt und ist ganz und gar nicht objektiv oder sonst was.

Das Bild von im "Richtig und Falsch verstricken" finde ich sehr gut! Auch Piratin hat den Zusammenhang herrlich ausgedrückt:
Zitat:

Wenn ich mit diesem Blick den Text wirken lasse, dann komme ich noch mehr zu dem Schluss, dass er geschrieben ist, um beim Leser etwas auszulösen, was sich vom inhaltlichen Geschehen des Textes vollkommen löst. Die Erzählstimme ist wertend und fügt sich nicht einer neutralen Berichtsposition, sie bezieht einen Standpunkt und will dies auch bewusst. Und genau dieser Standpunkt - das richten über Andere, deren Verhalten, Situationen, etc. - ist es, der mich zum Nachdenken über das eigene Urteilen bringt. Wie oft bewerte ich innerlich etwas, bin ich dabei neutral und abwägend oder "richte" ich in meinem Denken? Welche Position nehme ich ein und warum?

Der Erzähler, die Protagonisten (die Eltern), die Leser, die Gesellschaft sind wertend, aber ist das auch richtig? Wer bewertet die Bewertung? Der Bewertete? Die neutrale Instanz? Oder niemand? Fühle ich mich gut mit meinem Bewerten und liege ich damit richtig? Nutzt sie etwas? Wem nützt sie? Oder ist meine Bewertung, mein Richten (über Person XY) bereits als eine Vorform von Gewalt zu sehen? Was passiert mit dem Opfer dieser Gewalt? Ist es überhaupt ein Opfer? Wenn es doch nicht richtig handelt ...?
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Graven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 281



Beitrag18.08.2016 19:20

von Graven
Antworten mit Zitat

Komm von deinem hohem Ross runter, Blue Note.
Etwas derart Unausgegorenes als hohe Kunst hier zu präsentieren, mit der Begründung, da ist was Wichtiges versteckt, such nur, und diejenigen, die sich mit dem Text befassen und ihre Meinung kund tun, als Unsinnschreiber zu bezeichnen, ist unverschämt, aber deine Art.
Beantrage doch den Nobelpreis. Wenn du die Texte, die ihn bekommen haben, mal liest, dann wirst du sicher Parallelen zu deiner Schreibe finden.
Ich bin hier raus. Brauchst keinen Unsinn von mir mehr lesen.
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Graven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 281



Beitrag18.08.2016 19:29

von Graven
Antworten mit Zitat

Graven hat Folgendes geschrieben:
Komm von deinen hohen Ross runter, Blue Note.
Etwas derart Unausgegorenes als hohe Kunst hier zu präsentieren, mit der Begründung, da ist was Wichtiges versteckt, such nur, und diejenigen, die sich mit dem Text befassen und ihre Meinung kund tun, als Unsinnschreiber zu bezeichnen, ist unverschämt, aber deine Art.
Beantrage doch den Nobelpreis. Wenn du die Texte, die ihn bekommen haben, mal liest, dann wirst du sicher Parallelen zu deiner Schreibe finden.
Ich bin hier raus. Brauchst keinen Unsinn von mir mehr lesen.


Sollte nur der Rechtsschreibfehler weg
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