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Fragen von Anfänger zur Ich-Form

 
 
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APBT18
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Beiträge: 6
Wohnort: Schweiz


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Beitrag18.07.2016 16:33
Fragen von Anfänger zur Ich-Form
von APBT18
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Hallo zusammen


Wie der Titel schon verrät habe ich ein paar Fragen zur Ich-Form. Grundsätzlich Schreibe ich gerne in der 3. Person im Präteritum, wie man es sich aus den meisten Büchern gewöhnt ist. Nun denke ich aber schon etwas länger darüber nach meinen Roman in der Ich-Form zu schreiben. Es hat etwas Biografisches oder Tagebuchmässiges an sich. Das würde eigentlich ganz gut zu meiner Geschichte passen.

Meine Frage nun lautet, wenn man eine Geschichte in der Ich-Form schreibt, muss dann diese Protagonist immer anwesend sein? Bisher war es bei allen Büchern die ich gelesen habe so, dass es keine Szene gab, in welcher der erzählender Protagonist nicht dabei war.
Bei meinem Roman wäre es aber unausweichlich auch Szenen zu beschreiben, in denen der Ich-Erzähler nicht anwesend ist. Geht die Ich-Form dann dennoch?

Als kleines Beispiel:
Heute Morgen ging ich alleine zur Schule, da sich Naomi mit ihrem Freund in einem Kaffee traf. Wie gewohnt bezogen sie den Tisch in der hinteren Ecke. Naomi wirkte noch etwas müde vom Aufstehen. Bob zog seine Lederjacke aus und legte sie über den Stuhl. „Du siehst müde aus.“
„Hab auch nicht geschlafen“, entgegnete sie ihm gähnend.

In diesem Fall wäre unser Ich-Erzähle ja nicht anwesend. Wie seht ihr das? Ist eine solche Schreibart möglich, eher unüblich oder gar ein literarisches Verbrechen.

Würde mich über Antworten freuen
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Dorka
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Beiträge: 391
Wohnort: Allertal


Beitrag18.07.2016 17:04

von Dorka
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Hallo APBT18,

wenn Du in der Ich-Form schreibst, kannst Du nur das beschreiben, was der Protagonist tatsächlich erlebt.

Wenn Du etwas erzählen musst, bei dem er nicht dabei war, gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Jemand berichtet dem Protagonisten von dem Vorfall/Ereignis. Oder der Prota liest darüber in der Zeitung/einem Tagebuch, oder er belauscht ein Gespräch darüber, sieht eine Videoaufzeichnung etc.

2. Du hast einen Perspektivwechsel zu der Figur, die in der Szene anwesend ist. Das bietet sich nur an, wenn diese Figur öfter vorkommt und ihre Sicht auf die Dinge für den Fortgang der Geschichte wichtig ist - es daher mehrere solcher Perspektivwechsel gibt. Nur einmal eine andere Figur zu Wort kommen lassen, weil einmal was geschieht, was der Prota nicht sieht, ist nicht optimal.

Wenn es unerlässlich ist, zu erzählen, was in diesem Cafè geschieht, dann bring Deinen Protagonisten dorthin. Sonst lebe damit, das er etwas nicht weiß - das kann auch die Spannung erhöhen.

Liebe Grüße
Dorka
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jon
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Alter: 57
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J
Beitrag18.07.2016 18:20

von jon
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Warum ist es unausweichlich?
Brauchst du es für die Spannung (der Leser weiß mehr als der Prota und muss - z. B. – hilflos mit ansehen, wie dieser in eine Falle läuft)? Dann siehe Tipps von Dorka.
Oder ist das Geschehen sonst nicht verständlich? Dann ist zu überprüfen, ob die Ich-Form überhaupt sinnvoll ist. (Man kann auch den Fokus ändern und eben nicht „alles, was passiert" erzählen, sondern sich ganz dem Ich-Erzähler widmen.)


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nebenfluss
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Beitrag18.07.2016 19:28
Re: Fragen von Anfänger zur Ich-Form
von nebenfluss
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Nein, so einfach ist das mit der Perspektive nicht Wink

Es gibt zwar den sogenannten auktorialen Ich-Erzähler (oder "Beobachter"), der eine Geschichte erzählt, an der er selbst nicht beteiligt war. Der Leser weiß manchmal nicht einmal, wodurch dieses Ich von bestimmten Ereignissen (oder gar der gesamten Geschichte) erfahren hat. Bei Jules Verne und manch anderer klassischer Abenteuerliteratur kam das z. B. des Öfteren vor. Heute wirkt diese Perspektive leicht antiquiert, und es sollte schon gute Gründe (etwa einen Gesinnungswandel oder sonstige starke Auswirkung auf den Erzähler) geben. Diese Perspektive nur aus Bequemlichkeit zu wählen, ist nicht ratsam, zumal das Ich dann nicht als Protagonist in der Geschichte agieren kann.

Auch im Tagebuch- bzw. Brief-Roman erwartet der Leser nicht, dass Selbsterlebtes und Irgendwie-Erfahrenes sauber getrennt wird. Wie es eben in "echten" Tagebüchern und Briefen auch oft verschwimmt.
Da du ja die Ich-Perspektive benutzen möchtest, weil "es etwas Tagebuchmäßiges an sich hat", wäre das vielleicht eine Möglichkeit, die du ja auch nur partiell einsetzen kannst, z. B. jeweils ein Tagebucheintrag oder eine Zusammenfassung aus der Retrospektive (szs dem szenischen Off) als Einstieg zum Kapitel, in dem der Ich-Prota dann durchweg aktiv am Geschehen teilnimmt.

Andere Mischformen aus Ich- und personaler Erzählung sind extrem exotisch und für Anfänger ein No-Go. Ich will zwar nicht ausschließen, dass man eine solche Perspektiven-Vermatschung wie in deinem Beispiel auch als interessantes Stilmittel gestalten/verstehen kann, aber auf den einen von tausend Lektoren, der das so sieht, würde ich lieber nicht bauen. Die anderen 999 würden das Manuskript sofort der Abgabe P übergeben.

Die Frage, aus welcher Perspektive man eine Geschichte erzählt, ist sehr elementar. Ein Ich-Erzähler, der aktiv am Geschehen beteiligt ist, wird vom Leser automatisch als wichtigste Figur des Romans verstanden und sollte mindestens so interessant bzw. identifikationsträchtig sein wie ein personaler Protagonist.


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Yvo
Wortedrechsler

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Beitrag18.07.2016 20:13

von Yvo
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Moin ABPT18,

(steht der Name eigentlich für irgendetwas?)

Die Ich-Perspektive hat einige Vorteile (Identifikation mit der Figur, Immersion, besseres Nachempfinden der Gefühle dieser Figur, Gedankenrede...), aber eben halt den entscheidenden Nachteil, dass das, was du in deinem Beispiel geschrieben hast, eben nicht geht.

Der Ich-Erzähler - und damit deine Geschichte - wäre unglaubwürdig. Woher soll er wissen, was Naomi gesagt hat?

Das einzige, was eventuell noch gehen würde, ist, wenn du die Erzählperspektive für ein oder zwei Kapitel wechseln würdest. Persönlich fände ich das allerdings sehr unschön.
Wenn du nichts sehr Experimentelles schreiben willst, würde ich eine Erzählperspektive wählen, die zu deiner Handlung passt.

Genaugenommen ist das in deinem Beispiel auch kein Ich-Erzähler... ...der erste Satz im Beispiel ist noch in der Ich-Erzählform geschrieben, dann wechselst du die Erzählperspektive ohne Überleitung.

Es gibt ein paar Ausnahmen, wo Erzählperspektiven gewechselt werden.
Zum Beispiel Henning Mankell - Chronist der Winde: Rahmenhandlung -> afrikanischer Bäcker (Ich-Erzähler) findet einen angeschossenen, verblutenden Straßenjungen auf dem Dach eines Theaters (Gegenwart, als Ich-Erzähler geschrieben), die eigentliche Handlung ist jedoch, dass ihm der Straßenjunge seine Lebensgeschichte erzählt (Vergangenheit, als personaler Erzähler).
Da passt es allerdings zum Roman / zur Handlung. Ansonsten müsstest du dich entscheiden.

Grob vereinfacht:

ICH-ERZÄHLER: Es gibt nur ein oder zwei Hauptfiguren, der Fokus liegt auf den Gedanken und Gefühlen dieser Figur

AUKTORIALER ODER NEUTRALER ERZÄHLER: Es gibt viele, relativ gleichberechtigte Figuren, die Handlung ist komplex, es gibt viele Szenenwechsel, der Fokus liegt weniger auf Gedanken und Gefühlen, mehr auf Handlung, Action, Intrigen oder Darstellung der Welt.

PERSONALER ERZÄHLER: Ist quasi ein Kompromiss zwischen diesen Erzählformen. Würde sich für dein Beispiel anbieten, da er auch zu anderen Figuren springen kann. (Nennt sich dann Multiperspektive -> http://wortwuchs.net/personaler-erzaehler/)

Grüße,
Yvo
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APBT18
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Beiträge: 6
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Beitrag18.07.2016 21:07

von APBT18
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Also danke schon Mal für eure Antworten. jon hat dabei nicht ganz Unrecht, was die Spannung betrifft. Ich habe mich nochmals hingesetzt und eine Pro und Kontra Liste gemacht.

Tatsächlich ist es so, dass ich mir gedacht habe, durch die Ich-Form etwas mehr Spannung rein zu bringen. Damit ihr es besser versteht, hier eine kurze, aber nicht zu viel verratende Beschreibung:
Die Hauptcharaktere sind 2 Mädchen (z.B. Lucy und Naomi) die eine lange Freundschaft verbindet. Eigentlich sind nur diese beiden Charaktere von tieferen Bedeutung und das Augenmerk wird auf ihre Freundschaft gelegt, die sich immer mehr auseinander lebte. Der rote Faden der durch die Geschichte läuft bildet dabei ein Verbrechen am Anfang der Geschichte. Naomi gerät in die Kreisen der Verbrecher, was gleichzeitig ihr verderben bedeuten würde. Lucy will ihre Freundin nun aus diesen Kreisen herausholen. Wer hinter dem Verbrechen steckt und dafür verantwortlich ist, dass sich Naomi zum schlechteren verändert, sollte erst auf den letzten paar Seiten enthüllt werden.

Daher bin ich auf die Idee mit der Ich-Form gekommen. In dieser weiss der Leser nie mehr als Lucy die selber im Dunkeln tappt und ich müsste nicht beschreiben, wie Naomi in die Fänge der Verbrecher gerät, noch wie diese sind. Der Leser erfährt dann nur das, was Naomi Lucy erzählen würde.

Hab aber noch eine andere Frage. Sollte ich mich nun dazu entscheiden, die Ich-Form zu verwenden, wäre es unangebracht den Prolog in der 3. Person zu schreiben? Alles andere könnt ich dann in der ich-Form schreiben, nur der Prolog wäre halt nicht möglich.

PS: Stimmt es, dass Romane in denen es um Jugendliche geht meist in der Ich-Form geschrieben sind?

PSS: Yvo jo der Name bedeutet American Pit Bull Terrier (nicht gleich erschrecken Laughing ). Die 18 habe ich gewählt, weil ich die Zahl einfach mag Smile
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Yvo
Wortedrechsler

Alter: 42
Beiträge: 64
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Beitrag18.07.2016 23:55

von Yvo
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Prolog in der 3. Person wäre (für mich) in Ordnung.
Gibt sicherlich auch Leute (und Lektoren), die das anders sehen, aber davon würde ich mich nicht abhalten lassen. Ein Wechsel der Erzählform oder der Perspektive zu einzelnen Kapiteln ist nicht unbedingt üblich, kommt aber gelegentlich vor.

Und für dein Projekt bietet sich die Ich-Form auch an. Eventuell auch der personale Erzähler, aber keinesfalls der auktoriale oder neutrale Erzähler.

Und ja, Romane mit Jugendlichen sind meist Jugendromane und die haben eine Tendenz zur Ich-Form. Die Autoren wollen, dass sich die Jugendlichen mit der Hauptfigur identifizieren oder zumindest ihr Handeln nachvollziehen können. Aber auch nicht immer.

BEISPIEL:
Wolfgang Herrndorf - Tschick: Hier geht es um die Freundschaft zwischen Maik und Tschick, die sich auf ihren Roadtrip das erste mal mit verschiedenen Themen auseinandersetzen (Außenseitertum, Minderwertigkeitskomplexe, Alter, Tod, Sexualität...). Es geht um das Innenleben, also Ich-Erzähler.

Morton Rhue - Die Welle: Es geht in erster Linie um das Experiment "Die Welle", welches sich entwickelt. Es war wichtig, dieses Experiment aus verschiedenen Perspektiven zu zeigen (meist die Schülerin Laurie und der Lehrer Mr. Ross). Also personaler Erzähler mit Perspektivwechsel je nach Kapitel.
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jon
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Alter: 57
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Beitrag20.07.2016 13:29

von jon
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Um die Verwirrung perfekt zu machen:

Zitat:
Die Ich-Perspektive hat einige Vorteile (Identifikation mit der Figur, Immersion, besseres Nachempfinden der Gefühle dieser Figur, Gedankenrede...),

Jain. Das einzige, was wirklich fast nur beim Ich-Erzähler geht, ist das mit der Gedankenrede. Obwohl ein auktorialer Erzähler natürlich. Wie stark sich der Leser mit einer Figur identifiziert, wie gut er die Gefühle nachempfinden kann und wie eingebettet die Figur ist hat mit der Erzählqualität zu tun – mir sind genug Ich-Erzähler begegnet, die als Figur leblos blieben oder sogar unglaubhaft waren.
Was der Ich-Erzähler z. B. der personalen Erzählweise voraus hat, ist, dass er sich viel stärker irren oder belügen kann: Erzählt man personal, muss man bei der „Wahrheit“ bleiben. Wenn Lucy z. B. sagt „Ich mag nicht“, dann muss das bei personaler Erzählung auch so dastehen (oder als „sie sagte, dass sie nicht mochte/wollte“) – der Ich-Erzähler, der den sachlichen Satz in die falsche Kehle bekommt, hingegen kann es als „Sie weigerte sich hartnäckig“ übertreiben.
Also immer, wenn es von großer Bedeutung ist, wie der Protagonist etwas auffasst oder wahrnimmt, lohnt es sich, über die Ich-Perspektive nachzudenken. In allen anderen Fällen ist das eher eine Geschmacksfrage. (Oder es hängt davon ab, ob man die Ich-Perspektive als Leser-Köder braucht, weil man sich nicht sicher sein kann, den Leser auch mit „normalen“ Mitteln an die Figur zu binden.)

Zitat:
ICH-ERZÄHLER: Es gibt nur ein oder zwei Hauptfiguren, der Fokus liegt auf den Gedanken und Gefühlen dieser Figur

AUKTORIALER ODER NEUTRALER ERZÄHLER: Es gibt viele, relativ gleichberechtigte Figuren, die Handlung ist komplex, es gibt viele Szenenwechsel, der Fokus liegt weniger auf Gedanken und Gefühlen, mehr auf Handlung, Action, Intrigen oder Darstellung der Welt.


Das ist wirklich grob: Der Ich-Erzähler ist zwar oft (vor allem bei Jugend- und Schmökerbüchern) Hauptfigur, aber das muss er nicht sein. Er kann auch nur „Chronist“ sein (da muss man unterscheiden, ob er dabei war oder die Story aus zweiter Hand kennt). Es gibt allerdings nur wenige Gründe, warum man das machen sollte. Einer kann sein, dass Dinge gezielt offen bleiben sollen („Ich weiß nicht, was genau Indy Alfons erzählte, jedenfalls kam dieser gut gelaunt zurück.“). Was ich vor einiger Zeit vor mir hatte, war der Ansatz, dass der Chronist mit einer rosaroten Brille berichtete – das, was geschah, stand in krassem Gegensatz zu seiner Wertung, was einen großen Teil des Witzes dieses Buches ausmachte.

Ja, es kann im zweiten Fall viele Figuren etc. geben – aber es muss nicht. Und bitte auch das mit dem Fokus nicht falsch deuten: Es geht IMMER (auch) um die Gedanken und Gefühle (Geschichten sind immer Geschichten von Menschen {oder Figuren, die für Menschliches stehen}), die Perspektiven geben nur unterschiedliche Möglichkeiten vor, wie diese vermittelt werden.

Zitat:
Und für dein Projekt bietet sich die Ich-Form auch an. Eventuell auch der personale Erzähler, aber keinesfalls der auktoriale oder neutrale Erzähler.

Doch, auch das würde gehen. Man kann durchaus Spannung dadurch erzeugen, dass der Leser mehr weiß als jede der Figuren – dann sieht man den Parteien praktisch dabei zu, wie sie in Fallen laufen oder aneinander vorbei reden. Dieser Ansatz ist für sie eine Story auch nicht übel. Du musst allerdings die Stärke haben, diese Missverständnisse oder sich aufbauende Dissonanzen nicht auflösen zu wollen.


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Gerling
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Beitrag20.07.2016 13:39

von Gerling
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Ich habe bislang vier Romane in der Ich-Form geschrieben, wobei ich die Erzählperspektive in vielen Kapiteln, in denen der Haupt-Prota nicht vorkam, änderte. Und zwar von der Ich-Form in den allwissenden Erzähler.
Drei davon sind veröffentlicht worden, die vierte kommt nächstes Jahr raus. Das Lektorat hatte eine sehr strenge und sehr erfahrene Person übernommen.
Also, es geht.
Entscheidend ist wie immer die Geschichte.


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APBT18
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Beitrag20.07.2016 22:59

von APBT18
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Also mal danke für eure Antworten. Hab mir meine Geschichte nochmals genau angeschaut, welche Szenen ich bereits im Kopf habe, worauf der Fokus liegen soll etc.

Habe mich jetzt trotz meinen anfänglichen Überlegungen für den personalen Erzähler entschieden. Grund dafür war, dass mir schon die eine oder andere Szene im Kopf herumschwirrt, in welcher die Protagonistin nicht anwesend ist, zumal ich so auch auf die anderen Charakter mehr eingehen kann.
Bestärkt in meiner Entscheidung hat mich, dass ich einfach mal eine Szene sowohl in der Ich-Form wie auch in der 3. Person geschrieben habe, wovon mir dann Zweites besser gefallen hat.
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Rainer Prem
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Beitrag21.07.2016 07:37

von Rainer Prem
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Hallo,

Gerling hat Folgendes geschrieben:
Ich habe bislang vier Romane in der Ich-Form geschrieben, wobei ich die Erzählperspektive in vielen Kapiteln, in denen der Haupt-Prota nicht vorkam, änderte. Und zwar von der Ich-Form in den allwissenden Erzähler.
Drei davon sind veröffentlicht worden, die vierte kommt nächstes Jahr raus. Das Lektorat hatte eine sehr strenge und sehr erfahrene Person übernommen.
Also, es geht.
Entscheidend ist wie immer die Geschichte.


aus der Rolle des Lesers heraus gesehen ist es wichtig, dass ein Perspektivwechsel klar herausgestellt wird. Nicht unbedingt durch eine entsprechende Überschrift, sondern eher durch einen simplen Halbsatz, der die Perspektive einführt.

Personal: Ich/xyz hörte, sah, roch, fühlte, dachte

Allwissend: Was xyz zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste
oder: Inzwischen am anderen Ende der Galaxis
oder ähnlich.

Grüße
Rainer
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Gerling
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Beitrag21.07.2016 10:23

von Gerling
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Rainer Prem hat Folgendes geschrieben:
Hallo,

Gerling hat Folgendes geschrieben:
Ich habe bislang vier Romane in der Ich-Form geschrieben, wobei ich die Erzählperspektive in vielen Kapiteln, in denen der Haupt-Prota nicht vorkam, änderte. Und zwar von der Ich-Form in den allwissenden Erzähler.
Drei davon sind veröffentlicht worden, die vierte kommt nächstes Jahr raus. Das Lektorat hatte eine sehr strenge und sehr erfahrene Person übernommen.
Also, es geht.
Entscheidend ist wie immer die Geschichte.


aus der Rolle des Lesers heraus gesehen ist es wichtig, dass ein Perspektivwechsel klar herausgestellt wird. Nicht unbedingt durch eine entsprechende Überschrift, sondern eher durch einen simplen Halbsatz, der die Perspektive einführt.

Personal: Ich/xyz hörte, sah, roch, fühlte, dachte

Allwissend: Was xyz zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste
oder: Inzwischen am anderen Ende der Galaxis
oder ähnlich.

Grüße
Rainer


Keine Ahnung, was du damit sagen willst. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, das du mich zitierst. Ich denke, ich habe deutlich gemacht, wie ich vorgegangen bin. Ein Perspektivwechsel wird bei mir ausschließlich in einem neuen Kapitel vorgenommen.


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Rainer Prem
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Beitrag21.07.2016 12:31

von Rainer Prem
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Hallo,

Gerling hat Folgendes geschrieben:
Rainer Prem hat Folgendes geschrieben:
Hallo,

Gerling hat Folgendes geschrieben:
Ich habe bislang vier Romane in der Ich-Form geschrieben, wobei ich die Erzählperspektive in vielen Kapiteln, in denen der Haupt-Prota nicht vorkam, änderte. Und zwar von der Ich-Form in den allwissenden Erzähler.
Drei davon sind veröffentlicht worden, die vierte kommt nächstes Jahr raus. Das Lektorat hatte eine sehr strenge und sehr erfahrene Person übernommen.
Also, es geht.
Entscheidend ist wie immer die Geschichte.


aus der Rolle des Lesers heraus gesehen ist es wichtig, dass ein Perspektivwechsel klar herausgestellt wird. Nicht unbedingt durch eine entsprechende Überschrift, sondern eher durch einen simplen Halbsatz, der die Perspektive einführt.

Personal: Ich/xyz hörte, sah, roch, fühlte, dachte

Allwissend: Was xyz zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste
oder: Inzwischen am anderen Ende der Galaxis
oder ähnlich.

Grüße
Rainer


Keine Ahnung, was du damit sagen willst. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, das du mich zitierst. Ich denke, ich habe deutlich gemacht, wie ich vorgegangen bin. Ein Perspektivwechsel wird bei mir ausschließlich in einem neuen Kapitel vorgenommen.


Es ist ja nicht so, dass jedes neues Kapitel einen Perspektivwechsel mit sich bringen muss. Als Leser fühle ich mich immer etwas veräppelt, wenn der Autor erst nach einer halben Seite einen Satz fallen lässt, der mir verrät, dass der Schauplatz/die Zeit/der Erzähler ein ganz anderer ist als im Kapitel davor.

Das passiert seltener bei Erzählungen in der ersten Person. Aber in der dritten ist der Unterschied zwischen personal und allwissend manchmal schon sehr verschwommen. Da wünsche ich mir möglichst früh eine kurze Orientierung.

War das besser zu verstehen?

Grüße
Rainer
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c_bars
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Beitrag21.07.2016 12:36

von c_bars
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Das letzte Buch, was ich in der Ich- Form gelesen habe, war "der Marsianer" von Andy Weir.
Das Buch macht vieles in der Erzählform falsch, ist m.M. nach an einigen Stellen schlecht geschrieben, und ist trotzdem ein Welthit geworden.
Wie hier schon erwähnt, macht es die Geschichte aus. Die ist im Marsianer nachvollziehbar und spannend erzählt worden.

Was macht das Buch falsch?
Es beginnt in der Ich- Form und gegen Ende ist es eine Mischung aus Erzähl- und Ich- Form.
Erst knapp in der Mitte des Buches wechselt erstmalig die Erzählperspektive.
Was sehr irritierend war.
Wenn man mit mehreren Erzählperspektiven arbeitet, sollte dies relativ früh im Buch klar sein.
Das, was Weir im Marsianer gemacht hat, würde J. Frey als "Betrug am Leser" nennen, da er erst, wie erwähnt, fast in der Mitte des Buches die Regeln ändert.

Du kannst ruhig eine Geschichte in der Ich- und Erzählform oder in zwei Ich- Perspektiven o.ä. schreiben.
Der interessierte Leser sollte dies nur recht früh wissen und die Wechsel müssen passen und dürfen nicht nur einmal, weil es die Geschichte vielleicht gerade erfordert, erfolgen.


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Grüße
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APBT18
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Beitrag21.07.2016 12:51

von APBT18
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Sie seht ihr eigentlich, eine Mischung aus Personal und Allwissenden Erzähler?
Hab letztens einen King gelesen, der war wie fast alle seine Bücher in der personalen Perspektive geschrieben. Aber irgendein Kapitel endete dann mit dem Satz "Noch wusste er nicht, dass er Jud das letzte mal lebend sah."
Dieses Satz ist doch dann "allwissend", oder täusch ich mich?
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Willebroer
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Wohnort: OWL


Beitrag21.07.2016 13:07

von Willebroer
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APBT18 hat Folgendes geschrieben:
Sie seht ihr eigentlich, eine Mischung aus Personal und Allwissenden Erzähler?
Hab letztens einen King gelesen, der war wie fast alle seine Bücher in der personalen Perspektive geschrieben. Aber irgendein Kapitel endete dann mit dem Satz "Noch wusste er nicht, dass er Jud das letzte mal lebend sah."
Dieses Satz ist doch dann "allwissend", oder täusch ich mich?


Das kann man sich genauso gut in der Ich-Form vorstellen:

Auch das Ich sendet ja nicht immer eine Live-Reportage, sondern erzählt evt. viel später rückblickend, was es alles erlebt hat. Da passen dann auch Sätze wie "Ich ahnte noch nicht, wie falsch ich damit lag".
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Nicki
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Ei 10


Beitrag21.07.2016 13:56

von Nicki
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Willebroer hat Folgendes geschrieben:

Das kann man sich genauso gut in der Ich-Form vorstellen:

Auch das Ich sendet ja nicht immer eine Live-Reportage, sondern erzählt evt. viel später rückblickend, was es alles erlebt hat. Da passen dann auch Sätze wie "Ich ahnte noch nicht, wie falsch ich damit lag".

Wenn das Buch durchgehend in der Ich-Form geschrieben und am Anfang keinerlei Hinweis darauf gegeben wurde, dass es sich dabei um einen Rückblick handelt, dann sollte sich solch ein Griff in die Trickkiste eigentlich verbieten. Klar, wird gemacht. Aber ich denke mir, es ist oft genug nur eine Möglichkeit, die Spannung wieder herbeizuzaubern, die man vorher nicht geschafft hat, aufzubauen. Oder es halt nicht besser wusste. Oder ... ? Nach ein paar Bestsellern wird einem so manches verziehen.
Das auch in der Ich-Form meist verwendete Präteritum ist ja in dem Fall gar keins, sondern es ist die erzählte Gegenwart. Also kann der Ich-erzähler streng genommen gar nicht wissen, was passieren wird.

Jon@  
Zitat:
Um die Verwirrung perfekt zu machen:

Zitat:
Die Ich-Perspektive hat einige Vorteile (Identifikation mit der Figur, Immersion, besseres Nachempfinden der Gefühle dieser Figur, Gedankenrede...),
Jain. Das einzige, was wirklich fast nur beim Ich-Erzähler geht, ist das mit der Gedankenrede. Obwohl ein auktorialer Erzähler natürlich. Wie stark sich der Leser mit einer Figur identifiziert, wie gut er die Gefühle nachempfinden kann und wie eingebettet die Figur ist hat mit der Erzählqualität zu tun – mir sind genug Ich-Erzähler begegnet, die als Figur leblos blieben oder sogar unglaubhaft waren.
Was der Ich-Erzähler z. B. der personalen Erzählweise voraus hat, ist, dass er sich viel stärker irren oder belügen kann: Erzählt man personal, muss man bei der „Wahrheit“ bleiben. Wenn Lucy z. B. sagt „Ich mag nicht“, dann muss das bei personaler Erzählung auch so dastehen (oder als „sie sagte, dass sie nicht mochte/wollte“) – der Ich-Erzähler, der den sachlichen Satz in die falsche Kehle bekommt, hingegen kann es als „Sie weigerte sich hartnäckig“ übertreiben.
Also immer, wenn es von großer Bedeutung ist, wie der Protagonist etwas auffasst oder wahrnimmt, lohnt es sich, über die Ich-Perspektive nachzudenken. In allen anderen Fällen ist das eher eine Geschmacksfrage. (Oder es hängt davon ab, ob man die Ich-Perspektive als Leser-Köder braucht, weil man sich nicht sicher sein kann, den Leser auch mit „normalen“ Mitteln an die Figur zu binden.)

Lieber Jon, du hast es wirklich geschafft, die Verwirrung zu steigern. Was ich der Einfachheit halber rot markiert habe, damit es nicht aus dem Zusammenhang gerissen wird, ist, sorry, Quatsch.
Auch die Gedankenrede geht bei der dritten Person. Und warum sollte diese nicht auch lügen können? Wir sind doch als Leser mittendrin in seinem Kopf, genau wie im Ich-Erzähler.


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MfG
Nicki

"Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist." Henry Ford
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*Sommerblues* September 2017 Eisermann Verlag
*Trommelfeuer* November 2017 Eisermann Verlag
*Silvesterliebe* 30. November 2018 Eisermann Verlag
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Beitrag21.07.2016 14:37

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

APBT18 hat Folgendes geschrieben:
Sie seht ihr eigentlich, eine Mischung aus Personal und Allwissenden Erzähler?
Hab letztens einen King gelesen, der war wie fast alle seine Bücher in der personalen Perspektive geschrieben. Aber irgendein Kapitel endete dann mit dem Satz "Noch wusste er nicht, dass er Jud das letzte mal lebend sah."
Dieses Satz ist doch dann "allwissend", oder täusch ich mich?

Du täuschst dich nicht. Das dürfte ein durchgerutschter Perspektivfehler sein.
Zur ersten Frage:
Mir fallen Perspektivwechsel schon des öfteren auf - viele Autoren (und ihre Lektoren) scheinen da ziemlich sorglos zu sein. Ob sie mich stören, hängt davon ab, ob sie gut gemacht sind, wie oft sie vorkommen und was mich eventuell sonst noch alles ärgert. Kleinere Ausfälle wie das King-Beispiel oben finde ich eher charmant - kann ich mir doch dann auf die Schulter klopfen, weil ich es bemerkt habe und auch Bestsellerautoren nicht perfekt sind.
Was für mich auf jeden Fall geht: Kapitel auktorial anfangen und langsam in die personale Perspektive überblenden. Wobei, klar: Auch das muss gut gemacht sein.


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Willebroer
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Beitrag21.07.2016 15:36

von Willebroer
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Nicki hat Folgendes geschrieben:

Wenn das Buch durchgehend in der Ich-Form geschrieben und am Anfang keinerlei Hinweis darauf gegeben wurde, dass es sich dabei um einen Rückblick handelt, dann sollte sich solch ein Griff in die Trickkiste eigentlich verbieten.


Gegen Griffe in die "Trickkiste" habe ich auch was. Es sei denn, die wären wirklich gekommt.

Bei einem Buch in der Ich-Form geht man aber doch davon aus, daß der Verfasser noch lebt, wenn das Buch geschrieben wird, und demnach auch weiß, wie alles ausgegangen ist. Im Gegensatz zu der strengeren Variante, dem Protokoll oder Tagebuchstil, den man dann auch am Präsens erkennt. Aber genau da gibt es auch ein auktoriales Element, weil ja auch jemand das Tagebuch findet oder daraus zitiert.  

Was Leser oft nicht verzeihen (mich eingeschlossen), ist, wenn man sie aus der Illusion reißt und die Welt, in die sie sich so schön eingekuschelt haben, plötzlich Löcher bekommt oder Inkonsistenzen (inhaltlich UND perspektivisch). Das kann schon passieren bei allzu deutlichen ironischen Wendungen oder Ausflügen ins Satirische. Wenn der Autor sich direkt einmischt, geht das leicht schief, das kann er aber gut seinen Figuren überlassen.

Gute Literatur (auch gut unterhaltende) ist immer ein Spiel mit Grenzen und Gegensätzen. Und Spannung entsteht nicht nur durch das, was man sagt, sondern vor allem durch das, was man NICHT sagt und wie man das begründet.
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Nicki
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Beitrag21.07.2016 15:41

von Nicki
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Zitat:
Bei einem Buch in der Ich-Form geht man aber doch davon aus, daß der Verfasser noch lebt, wenn das Buch geschrieben wird, und demnach auch weiß, wie alles ausgegangen ist.

Wenn der Autor anklingen lässt, das er weiß, was der Leser noch nicht weiß, dann ist es schon eine auktoriale Perspektive. Das hat nichts mit "noch leben" zu tun.


_________________
MfG
Nicki

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Willebroer
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Beitrag21.07.2016 17:13

von Willebroer
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Nicki hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Bei einem Buch in der Ich-Form geht man aber doch davon aus, daß der Verfasser noch lebt, wenn das Buch geschrieben wird, und demnach auch weiß, wie alles ausgegangen ist.

Wenn der Autor anklingen lässt, das er weiß, was der Leser noch nicht weiß, dann ist es schon eine auktoriale Perspektive. Das hat nichts mit "noch leben" zu tun.


Im Sinne von "noch leben" = "schon wissen können". Was der Ich-Erzähler schon weiß, darf er auch verraten, ohne die Perspektive zu verlassen. Aber vielleicht nicht ohne den Leser zu verärgern.
Auch in der Ich-Form braucht man nicht zwangsläufig chronologisch zu erzählen. Damit wäre dann auch nicht vorgegeben, was man wann verraten darf. Ein Vorgriff auf späteres Geschehen wäre genauso vertretbar wie Rückblenden. Auktorial wird es erst, wenn Dinge erzählt werden, die der Ich-Erzähler gar nicht wissen kann (und sie auch nicht mit dem spannungskillenden "Hinterher erfuhr ich ..." rechtfertigt).

Als Leser bin ich ohnehin nicht so streng mit solchen Kriterien. Ich möchte, daß etwas GUT erzählt wird, nicht unbedingt KORREKT erzählt.

Es wäre sicher interessant, wenn man sich mal konkrete Beispiele aus der (erfolgreichen) Literaturwelt vornehmen würde, um zu sehen, wie streng sich die großen Vorbilder (nicht nur King) an solche Prinzipien halten oder kreativ damit umgehen. Mir gehen gerade schon einige Beispiele durch den Kopf ... Smile
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Beka
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Beiträge: 2374



Beitrag21.07.2016 17:42

von Beka
Antworten mit Zitat

Willebroer hat Folgendes geschrieben:
Mir gehen gerade schon einige Beispiele durch den Kopf ... Smile


Jack Londons Seewolf.
 Smile

Zitat:
Ich weiß kaum wo ich anfangen soll, obwohl ich manchmal spaßeshalber alles Charley Furuseth in die Schuhe schiebe.
...
Wäre es nicht meine Gewohnheit gewesen, ihn jeden Samstagnachmittag zu besuchen und übers Wochenende zu bleiben, hätte ich mich an jenem besonderen Montagmorgen nicht in der Bucht von San Francisco befunden.


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