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Kratom


 
 
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Leveret Pale
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 25
Beiträge: 786
Wohnort: Jenseits der Berge des Wahnsinns


Beitrag24.05.2016 21:54
Kratom
von Leveret Pale
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

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Wichtig:
Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich diesen Text hier einstelle oder nicht. Er wird auf jeden Fall Bestandteil einer Anthologie, aber obwohl dies bereits beschlossene Sache ist, nagen an mir ernsthafte Bedenken. Ich habe bereits einiges verfasst, was Zweifel an meiner psychischen Verfassung hervorrufen könnte, meist Geschichten mit psychopathischen, labilen oder paraphilgestörten Charakteren - aber diese Arbeit: Ich kann hören, wie dieses Werk manischen Wahn ausschwitzt und kruden Idealismus atmet, das Produkt einer schlaflosen Nacht (natürlich gründlich und oft überarbeitet danach).
Es ist recht lang, aber ich bitte, den Text vollständig zu lesen, damit das Gesamtbild samt Pointe und Moral erfasst und beurteilt wird. Auch wenn meine Identität recht offensichtlich ist, für die, die mich kennen, maskiere ich mich, um vorschnelle Vorurteile zu verhindern. [Die, die meine Identität erraten, mögen bitte darüber schweigen]

Meine Fragen sind:
Wie wirkt der Text auf euch? Versteht ihr alle Referenzen? Was ist eure Interpretation der Handlung, der Bedeutung, der Metaphorik? Sollte ich vielleicht den Schluss voranstellen und das veränderte Zitat am Ende streichen? Oder nur das Zitat streichen? Gibt es zu große Brüche in Logik und Ablauf?
Ist dieses Thema überhaupt dsfo-tauglich? (ich konnte dazu keine Regel finden, aber auch keine Präzedenzfälle). Ah, und wertet bitte ehrlich, keine Heuchelei.

Noch eine Warnung vorweg: Dieser Text könnte konservativen Menschen schlecht bekommen. Des Weiteren ist er (imho) sehr anspruchsvoll und erfordert Konzentration und Mitdenken, oder? Sagt es mir. Ist er schwer zu lesen? Leicht?

Kratom
Ich kann heute nicht mehr mit voller Gewissheit sagen, wann ich zum ersten Mal von Kratom hörte, denn es muss schon lange her sein und sonderlich viel Interesse hatte ich an dieser Pflanze zunächst nicht. Verständlich, war sie doch eine, wie ich meinte, betäubende Droge und diese haben mich, das gilt auch für den Hanf und das Ethanol, nie sonderlich interessiert. Letzteres habe ich sogar noch nie konsumiert, was in unserer Gesellschaft wahrscheinlich ein nonkonformistisches Sakrileg ist. Dies liegt daran, dass mir seit jeher der Konsum von Substanzen mit dem Ziel einer sinnlosen, hedonistischen Euphorie zutiefst zuwider war. An einen Punkt in meinen Leben begann ich mich jedoch für die bewusstseinserweiternde Wirkung halluzinogener Psychedelika[Fußnote: (psychedelisch (psychḗ‚ Seele‘ und dẽlos ‚offenkundig, offenbar‘) = Ein Zustand, bei dem sich die Grenzen zwischen Bewusstsein, Unterbewusstsein und Umwelt auflösen. Wird oft begleitet von Visionen und Transzendenz zu interessieren, hatte doch eines von diesen, nämliche die Hawaiianische Holzrose, mich wie Lazarus von den Toten auferstehen lassen. Nicht wortwörtlich, denn ich war damals noch nicht körperlich tot, sondern nur innerlich, aber ich war auf dem Weg diese Diskrepanz mithilfe von Strick oder Klinge auszugleichen. Ich lebte im nihilistischen Abgrund, meine Seele entzweit und zertrümmert, hin und her gerissen zwischen Manie und Depression, ohne Identität, dem ewigen Schlafe sehnsüchtig entgegenblickend, aller Hoffnung beraubt, doch die Parzen weigerten sich, meinen Faden zu durchtrennen. Stattdessen brachten sie mich mit den Samen der argyreia nervosa, der Hawaiianischen Holzrose, zusammen, die das Alkaloid Lysergsäureamid enthalten. Das Ergebnis dieser schicksalhaften Fügung war ein Horrortrip, eine Reise durch die tiefsten Abgründe meiner Seele, meiner frühesten schmerzhaften Kindheitserinnerungen, die im, durch das Methylphenidat verursachten, Deliriumnebel meiner Jugend versunken waren, und zur Grenze zum Tartaros. Ich ging durchs Purgatorium, meine Katharsis, und meine Augen wurden gewaltsam weit aufgerissen. Ich erkannte mein Potenzial, meine Möglichkeiten, meine Fähigkeiten, meine Bürde, mein Leid und damit meine Bestimmung, eine Identität, den einzigen Sinn, für den ich geschaffen wurde und für den ich weiterleben sollte:
Das Schreiben, das Erzählen und Dichten.
Ja, ich gebe offen und ehrlich zu, dass ich die Tatsache noch am Leben zu sein und nun als Schriftsteller zu erblühen, diesem Erlebnis verdanke, ohne dem ich wohl tot oder zumindest noch immer ein Taugenichts wäre. Welcher Mensch, dessen Leben gerettet wurde, würde sich nicht mit seiner vermeintlichen Retterin, uns sei sie eine Droge, auseinandersetzten? Des Weiteren schlussfolgerte ich naiver Weise, dass, wenn eine psychedelische Erfahrung mein Leben bereits so sehr verbessert hatte, mehr davon mein Leben noch nachhaltiger verbessern könnten. So begannen meine Studien der Psychologie, Ethnobotanik und Pharmakologie. Ich setzte mich mit Pionieren der Psychonautik auseinander, wie Aldous Huxley, Humprhy Osmond und Ken Kesey, doch blieb ich auch meiner alten Linie treu, las Lovecraft, King und Matheson, während meine ersten eigenen Werke das Licht der Welt erblickten. Praktisch wandte ich meine Studien aber nur selten an, zu groß war mein Respekt, zu sehr hänge ich an der Nüchternheit, dem einzigen Zustand, in dem sich meine Kreativität vollständig entfalten kann. Mein Konsum beschränkte sich auf wenige Feldversuche mit Ergolinen und einigen Kräutern, die in Abständen von mehreren Monaten stattfanden, dem gelegentlichen Konsum von Koffein in Form von Schokolade oder Kaffee und bei Bedarf Melatonin, um in manischen Phasen zur Ruhe zu kommen. Das Koffein meide ich aber mittlerweile, kann es doch wegen seiner stimulierenden Eigenschaften manische Episoden hervorrufen, die leider nur allzu leicht psychotische Züge annehmen. Mein Interesse an Psychedelika verschwand nach einigen Versuchen jedoch, denn nachdem mir mein Schicksal offenbart worden war, hatten sie mir nichts mehr zu erzählen und waren nur noch anstrengende, transzendente Erfahrungen. Ich stellte ihren Konsum daraufhin vollständig ein. Ich dachte, so würde es für immer bleiben und mein Schriftstellerleben bewegte sich konstant voran. Als ich dann meine intensiven Studien der Werke und des Lebens des Altmeisters H.P. Lovecraft, der eine große Inspirationsquelle für mich ist, abschloss, widmete ich mich seinem Vorbild: Edgar Allan Poe. Und kurzerhand verliebte ich mich das erste und vielleicht einzige Mal in meinem trostlosen Leben, aber nicht in ein Mädchen, nein, sondern in ein Zeitalter, das viktorianische. Der düstere, melancholische und opiumgetränkte Leichenduft dieser Zeit und ihre düstere Romantik, zogen mich in ihren Bann. Ich las und lebte, Poe, Stevenson und Chambers. Schließlich wandte mich auch De Quincey zu, der mein Verführer werden sollte. Mit großer Begeisterung las ich »Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet«, einerseits, da ich seit jeher eine morbide und archaische Faszination für Tod und Gewalt hatte, anderseits weil der amoralische Ansatz mich, als einen Jünger Nietzsches, amüsierte. Nach der Kunst widmete ich mich dem Elend dahinter, welches anscheinend jeder kreativen Person zu innewohnen scheint. Ich las De Quinceys »Bekenntnisse eines englischen Opiumessers«. War Poe nicht Anreiz genug für diese Droge, die der oft zitierte Paracelsus als Wundermittel anpries, so hatte mich De Quincey vollends in seinen Bann gezogen. Dieser Mann definiert als erster im Opiatrausch das Wort subconscious, also Unterbewusstsein, Jahrzehnte vor Sigmund Freud, der aber auf dem gleichen Wege zu diesem Begriff kam: Im Opiumrausch.
Dass ich letztendlich kein Opium konsumierte, um meine Neugier zu stillen, und wohl niemals konsumieren werde, hat mehrere Gründe. Zuerst wären da die Beschaffungsprobleme, die unsichere Dosierung bei Schwarzmarktware und die alleinige Tatsache, dass die Droge illegal ist (sämtliche Halluzinogen, die ich konsumiert hatte, waren legal, vom Gesetzgeber übersehen), des Weiteren fürchtete ich mich, paranoid wie ich bin, vor dem großen Sucht- und Abhängigkeitspotenzial, welches ich bei einer Bekannten beobachten konnte, die beinahe an Opiums gieriger Schwester, dem Heroin, zugrunde gegangen wäre. Ich verdrängte mein Interesse an diesem Mittel, waren Angst und Hindernisse doch zu groß, und konzentrierte mich auf meine Schriftstellerei, publizierte meinen ersten Roman und schrieb Novellen. Dann jedoch wandte ich mich intensiver den ethnobotanischen Studien zu, da ich mir vornahm ein Buch über die Hawaiianische Holzrose, meine Retterin in dunkler Stunde, zu veröffentlichen. Bei meinen Recherchen stieß ich erneut auf Kratom und damit diese Pflanze in mein Bewusstsein.
Der Kratombaum, Mitragyna speciosa, auch Biak, Gra-tom, Roter Sentolbaum, Katawn, Mabog, Mambog oder Mitragyne genannt, gehört wie Kaffee zu der Familie der Rötegewächse und ist ganz Südostasien heimisch. Seine Blätter enthalten das einzigartige Opioidalkaloid Mitragynin. In geringen Dosen wirkte es stimulierend, wie Kaffee oder Coca, unterdrückt Hunger und Schmerz, effizienter als jedes konventionelle Schmerzmittel, und sorgt dafür, dass selbst die monotonsten und anstrengensten Arbeiten Freude bereiten. In erhöhten Dosierungen wird die Wirkung träumerisch und sedierend und damit dem Opiumrausch sehr ähnlich. Allerdings wirkte Mitragynin an geringfügig anderen Opioid-Rezeptoren als das Morphin in Opium, wodurch es nicht nur fast unmöglich ist die Pflanze zu überdosieren, sondern auch das Sucht- und Abhängigkeitspotenzial sehr gering sind. Letzteres wird von der thailändischen Regierung sogar als kaum vorhanden eingestuft. Seit Jahrtausenden werden daher die Blätter in Südostasien von den Einheimischen als Opiumsubstitutionsmittel und Medikament verwendet. Zur Krönung ist diese Droge sogar in dem konservativen und alkoholischistischen Gefilde Deutschland legal und problemlos über das Internet bestellbar. Weckt dies nicht wahrlich eine Reminiszenz an Soma?
Es sollte also nicht verwundern, dass es früher oder später dazu kam, dass ich zusammen mit einem guten Freund eine Kanne Kratomtee leerte. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten sollte, dass ich keine Angst hatte, denn diese habe ich immer, wenn ich mit psychoaktiven Substanzen zusammenkomme. Aber besser dies, als der fahrlässige Exzess, den ein Großteil unserer Gesellschaft jedes Wochenende mit dem harten Rauschgift Ethanol praktiziert. An jenem Tag des Kratoms hatte ich mich mit einem guten Freund in einem Hotel einquartiert. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Unsere Freundschaft ist lediglich platonischer Natur, aber wir beide waren unserer Familien Leid und wollten einige Tag lang ungestört uns der Literatur, Erholung, Spaziergängen und der Arbeit, in meinem Fall das Schreiben, in seinem die Vorbereitung auf kommende Examen, widmen. Wir leerten also unsere Tassen und gingen hinaus in die kühle Nacht, die soeben über das Land hereingebrochen war. Wir spazierten zu einem nahegelegenen Park. Zunächst spürten wir nicht viel, außer der Kälte, da wir doch etwas dünn gekleidet waren, doch langsam machte sich geborgene Wärme in unseren Gliedern breit. Wir gingen auf eine Wiese, allein erleuchtet vom zarten Licht des Mondes, während die Wirkung langsam anflutete. Das Gefühl von Kälte verschwand, genauso wie die Rückenschmerzen, unter denen ich leide. Ein Gefühl von Trägheit und ein warmes Kribbeln gingen durch unsere Körper und wir hatten das dringende Bedürfnis uns hinzulegen, dem wir auch nachgingen indem wir uns auf dem weichen Rasen ausstreckten, während die Blätter der Bäume im Wind raschelten. Das Kribbeln wurde stärker und ich bemerkte eine außergewöhnliche, wohltuende Wirkung: Das Gefühl innerer Leere und Zerrissenheit, welches mich seit Jahren oft begleitet, wurde von dem warmen Licht des Opioids überstrahl. Ich fühlte mich komplett, meine Rastlosigkeit, mein Leid gedämpft. Ich spürte Frieden. Nun verstehe ich, warum manche Menschen zu Abhängigen werden. Bevor ich mich weiter dieser faszinierenden Entdeckung widmen konnte, wurde das Kribbeln stärker und es stieg von den Beinen bis Kopf an. Ein euphorisches Gefühl, ein Trugbild Elysiums, das sich wie ein Ganzkörperorgasmus anfühlte und mehrere Minuten anhielt, ergriff uns beide und sorgte dafür, dass wie sprachlos wurden. Ich persönlich fand diese sinnlose Euphorie zwar angenehm aber nicht sehr interessant, da sie meine klaren Gedanken, die ich sehr schätze, etwas dämpfte. Viel erfreuter war ich, als nach wenigen Minuten dieses Gefühl nachließ und dafür das Gefühl von Frieden sich wieder in mir breitmachte. Ich fühlte mich geborgen, in Sicherheit und meine Gedanken waren nicht getrübt, im Gegenteil, sie waren ungewöhnlich klar und konstruiert, denn ich konnte über Dinge denken und sprechen, vor denen ich mich im Normalzustand fürchtete. Diese Wirkung kann ich daher als sehr schwach, aber angenehm psychedelisch bezeichnen. Während klassische halluzinogene Psychedelika, wie die Abkömmlinge des Mutterkorns, mich unbarmherzig und schmerzhaft mit mir selbst konfrontierten, mich durch die Filme meiner Erinnerungen und fremde Dimensionen zerrten, ermöglichte das Kratom einen klaren, unerschrockenen Blick auf die Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit, in der ich jedes noch so hässliche Detail betrachten konnte, ohne Schmerz, sei er psychisch oder physisch, zu empfinden. Der Freund und ich blieben lange liegen, eine Stunde sicherlich, und unterhielten uns über alle möglichen Themen, ohne Skrupel, ohne Hemmung, doch diese Dialoge sind an dieser Stelle nicht aufgeführt, würden es den Leser doch erschrecken und verstören, würde er über unsere Abgründe hören. Als die Trägheit abschwächte, erhoben wir uns und machten einen Spaziergang. Wir wanderten durch die Nacht, in Wärme gehüllt, mit einem leicht schwankenden Gefühl, doch komplett in der Kontrolle über unseren Körper und Geist. Wir unterhielten uns, wie zuvor, über Gesellschaft, Politik, unsere Familien, Philosophie und persönliche Dinge. Zwei oder drei Stunden dauerte dies, bevor wir wieder in unser Hotelzimmer gingen, die Magen knurrend, da wir den Tee auf nüchternen Magen getrunken hatten. Die Wirkung hielt noch an, aber sie wurde bereits schwächer und wir kochten einige Kleinigkeiten und aßen diese, während wir im Internet in digitalen Läden Kratomsorten begutachteten. Dies ist insofern bemerkenswert, weil das gewöhnliche Herunterkommen bei den Psychedelika bei mir so aussah, dass ich den halben Vorrat der Substanzen die Toilette runterspülte und dann von dem Rest nie wieder etwas hören wollte, wobei dieses nie einmal fünf und ein anderes Mal elf Monate gedauert hatte, bis ich nach dem zweiten sinnlosen Trip den Konsum für immer einstellte.
Die Wirkung des Kratoms wurde immer schwächer und zugleich überfiel uns ein unangenehmer Juckreiz am ganzen Körper, welcher auf die typische Histaminausschüttung von Opioiden zurückzuführen ist, weshalb wir jeweils ein Antihistaminikum, Cetirizin, schluckten, was den Juckreiz zumindest etwas unterdrückte. Wir redeten noch, bis letztendlich jeder in sein Bett ging und wir einschliefen.
Das Erwachen am nächsten Tag war deutlich weniger angenehm. Es war, als hätte jemand mir jeweils eine Nadel in meine Augäpfel gerammt. Meinen Freund plagten nicht unähnliche Schmerzen. Mit schweren Köpfen machten wir uns ans Frühstück und mit der Zeit verflüchtigten sich die Schmerzen. Ich spürte noch eine leichte Kratomnachwirkung, die dafür sorgte, dass ich mich normal fühlte, nicht so entzweigerissen, wie gewöhnlich. In diesem Zustand fühlte ich mich ruhig und ausgeglichen, aber ich konnte nicht Schreiben, hatte kein Interesse daran. Dieses Gefühl verschwand jedoch zur Mittagszeit und ich war wieder ich, nüchtern und leidend, dysphorisch, in meiner depressiven Phase versunken und zugleich entzweigerissen, aber inspiriert. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und begann die ersten Zeilen meines zweiten Romans zu tippen. Ich versank wie so oft im Schreibrausch, dem einzigen Zustand, in dem ich mich selbst vergesse, wo die Finger über die Tastatur fliegen und der Mensch davor verschwindet. Frieden. Meine Lithiumsubstitution. Nach einigen Stunden erwachte ich aus diesem Zustand, ohne Juckreiz und zufrieden, widmete mich dann der Überarbeitung und Korrektur eines Manuskripts einer Geschichte über die Schrecken der Tiefsee. Gelegentlich dachte ich noch über das Kratom nach, besorgte mir einen Vorrat, kochte mir mehrmals Tee auf, als dunkle Stunden aufzogen, schüttete ihn aber weg, denn ich wollte meine Gefühle nicht ertränken; sind sie zwar schmerzhaft und vom Wahnsinn gezeichnet, so sind sie auch der Treibstoff meiner Werke, meiner Kunst, meines Eskapismus, dem Wörterschmieden und damit mein Dunkler Turm, dem ich niemals abschwören könnte und selbst wenn man mir dafür Erlösung von allem Leid anböte. Dies ist der dunkle, nüchterne Pfad, den ich zu gehen habe, dies ist der Pfad den mir die Parzen mit der Holzrose aufgezeigt haben. Der einzige Rausch, der mich zufriedenstellt, die einzige Wahrheit, die einzige Erlösung, die ich jemals zu erreichen hoffen darf, liegen in der Schrift, alles andere ist Selbstbetrug, vergebenes Streben, nach Antworten, die nie erklingen werden, Leiden und Vergehen.

Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich auf meinem Bett, zu einer späten Stunde, die dem Morgen näher als dem Abend ist, rastlos getrieben vom manischen Feuer und rekapituliere, denn sieben nüchterne Wochen sind seit meiner einmaligen Kratomerfahrung vergangen. Ich stelle bitter fest:

Habe nun, ach! Philosophie,
Literatur und Psychologie,
Und leider auch Pharmazie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.

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purpur
Klammeraffe


Beiträge: 964



Beitrag24.05.2016 22:55

von purpur
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Hallo Very Happy lieber Inkognito,

Sehr gern gelesen...von Dir, über Dich hab ich sehr gern gelesen, um freudig festzustellen,
dass ich sehr ähnliche Ansichten habe.
Besonders auffällig ..
... zu sehr hänge ich an der Nüchternheit, dem einzigen Zustand, in dem sich meine Kreativität vollständig entfalten kann. ...
Denn meine Sucht ist die mit allen mir zur Verfügung stehendenSinnen Laughing Kreativität...juhuu...bin ich unglaublich gern süchtig...der Powerstoff Laughing ist mir manchmal unheimlich,  ich weiß nicht, woher er kommt... .
In meinem Leben habe ich ein einziges Mal Cannabis geraucht... frag mich nicht nach Sonnenschein...Niiiiiiiii...e mehr dergleichen... . Laughing
Ich hab wohl ein feines Geschenk mitbekommen love natürliche ...GLÜCKSHORMONE....
GottseiDank Laughing
 Kommt noch was?
Herzliche
PpGrüße
Sendet dir
Pia
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Nina C
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 36
Beiträge: 990
Wohnort: Op dr\' Jück


Beitrag25.05.2016 02:35

von Nina C
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Hallo Inkognito,

als Frischling habe ich tatsächlich keinen Schimmer wer du bist, daher kann ich das wirklich enorm unvoreingenommen lesen & kommentieren:

Inhalt: Trotz bekennendem Bierliebhabertums umfasst mein Interesse auch Medizin und Pharmazie, schon deshalb (und weil ich für derlei Experimente viel zu feige wäre) fand ich den Text spannend.

Stil: Ich mag Beschreibungen, auch wenn du hier natürlich schon massig Pathos drin hast, meiner Meinung nach.

Anspielungen: Ich denke, dass die durchaus verständlich sind, wobei das natürlich auch auf Bildungsstand und Interessensgebiete des jeweiligen Lesers ankommt.

Schluss / Zitat: Ich finde die Reihenfolge gut, das Zitat nicht. Einfach weil es schon so oft bemüht wurde. Der arme Goethe hat ja auch noch mehr geschrieben.

Warnung: So schwer zu lesen finde ich den Text in der Länge nicht, ein in dem Stil geschriebenes Buch wäre mir allerdings zu anstrengend. Und die Formatierung im Forum macht mir leicht zu schaffen, aber das würde in anderer Form ja ohnehin wegfallen. Die Menschen müssten auch schon enorm konservativ sein, um damit Probleme zu haben, denke ich – aber vielleicht irre ich mich da.

Kleinkram:

- Das Gefühl von Frieden beim Liegen auf der Wiese steigt gleich zweimal auf.
- Ich kenne kein Hotel, in dem man mehr als einen Tee kochen kann oder darf, in Hostels / Jugendherbergen gibt’s aber üblicherweise eine Gemeinschaftsküche.

-
Zitat:
Ich spürte noch eine leichte Kratomnachwirkung, die dafür sorgte, dass ich mich normal fühlte, nicht so entzweigerissen, wie gewöhnlich. In diesem Zustand fühlte ich mich ruhig und ausgeglichen, aber ich konnte nicht Schreiben, hatte kein Interesse daran. Dieses Gefühl verschwand jedoch zur Mittagszeit und ich war wieder ich, nüchtern und leidend, dysphorisch, in meiner depressiven Phase versunken und zugleich entzweigerissen, aber inspiriert.


Das finde ich einmal zu viel entzweigerissen.

Liebe Grüße,

Nina
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Rübenach
Geschlecht:männlichExposéadler
R


Beiträge: 2836



R
Beitrag25.05.2016 03:57

von Rübenach
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zur Kategorisierung dieses Textes als experimentell:


wikipedia hat Folgendes geschrieben:
Experimentelle Literatur bedeutet einerseits einen Bruch mit herkömmlichen Formen, andererseits eine höhere Gewichtung der Form, die als prägendes Element verstanden wird. Nicht der Inhalt wird der Form übergeordnet, sondern diese beiden Kategorien werden als ebenbürtig und notwendig miteinander verschränkt betrachtet.


Mit Verlaub, davon ist dieser Text weit entfernt.
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Leveret Pale
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 25
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Beitrag25.05.2016 09:40

von Leveret Pale
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Danke purpur.

Übrigens:
Zitat:
ich hab wohl ein feines Geschenk mitbekommen love natürliche ...GLÜCKSHORMONE....

Diese Glückshormone nennt man Endorphine, was eine Abkürzung für endogene (körpereigene) Morphine ist.


Danke Nina C für die Anmerkungen, sie sind sehr hilfreich. Ich werde den Schluss etwas verändern und das Zitat streichen, sowie paar kleine Änderungen vornehmen. Ich kenn ein paar Hotels, bei denen manche Zimmer mit einer eigenen kleinen Küche ausgestattet sind.
Der Stil ist übrigens an De Quincey "Bekenntnisse eines englischen Opiumessers" angelehnt, ähnlich viel Pathos, auch wenn deutlich moderner.

Rübennach. Bei der Kategorisierung habe etwas gepfuscht, war vielleicht auch etwas zu müde. Sorry. Experimentell habe ich angekreuzt, weil es ein Experiment beschreibt und vom Stil eher altmodisch ist, aber du hast recht, dass damit die Kriterien nicht erfüllt werden.
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Piratin
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Beitrag25.05.2016 12:47

von Piratin
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Hallo Inko,

die Anspielungen sind durchaus zu verstehen, allerdings stört mich eher die Zeitschiene als alles andere. Direkt nach dem Beginn kommt die eigentliche Geschichte, wie es zu der Begegnung mit der Pflanze und ihrer Einnahme und Wirkung kam, als Rückblende. Das ist meines Erachtens nicht sehr sinnvoll - insbesondere im Hinblick auf eine in diesem Sinne Kurzgeschichte für eine Anthologie - wenn ca. 90% eine Rückblende ausmachen. Auch ist am Ende ein Handlungssprung, der nach aller Ausführlichkeit der Beschreibung im Hotel anscheinend zum "Ich" nach Hause an den Schreibtisch springt, während das Verlassen des Hotels oder zumindest die Verabschiedung des Freundes (wie ist es ihm eigentlich danach ergangen - wurde er Wiederholungstäter?) fehlt, und auch nicht klar ist, wann die Handlung zu Hause wieder einsetzt. Goethe zu bemühen (in welcher Abwandlung auch immer) wirkt zu gewollt und stellt auch hier nicht wirklich die aussagekräftige Verbindung zum Text her (meiner Meinung nach). Die Längen, die im Text selbst durch die ganzen Begrifflichkeiten entstehen, könnten unter Umständen einen Leser dazu bringen, das Lesen zu beenden - > mag aber von der Art der Anthologie abhängen.
Einige Kommafehler und Grammatikfehler sind auch noch vorhanden.
Inhaltlich hat es mich leider nicht so überzeugt,
viele Grüße
Piratin
Leider hat mich das Ganze also nicht so überzeugt.
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purpur
Klammeraffe


Beiträge: 964



Beitrag25.05.2016 12:50

von purpur
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Lieber Inko,
ich weiß, bin in diesem Ort Laughing aufgewachsen!
 Kommt noch was?
LppG
Pia
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Leveret Pale
Geschlecht:männlichKlammeraffe

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Beiträge: 786
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Beitrag25.05.2016 20:19

von Leveret Pale
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purpur? Alles in Ordnung bei dir? Irgendwie kann ich deine Beiträge nicht wirklich nachvollziehen...

Alternativer Schluss:
Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich auf meinem Bett, zu einer späten Stunde, die dem Morgen näher als dem Abend ist, rastlos getrieben vom manischen Feuer und rekapituliere, denn sieben nüchterne Wochen sind seit meiner einmaligen Kratomerfahrung vergangen. Ich stelle bitter fest, dass ich armer Tor nicht viel klüger bin, als zuvor. Noch immer ruft in mir die Neugier und die Wanderlust in andere Welten, die Sehnsucht nach Erlösung und Antworten, dabei halte ich ihn doch bereits in der Hand, den Stift, aber wirklich glauben will ich es nicht.

@Piratin:
Wegen der Zeitschiene:
Es beginnt doch in weiter Vergangenheit, die sich immer näher dem Konsum nähert, bis zum Tag nach dem Konsum, dann gibt es einen Zeitsprung von sieben Wochen, was auch recht deutlich so da steht. Ist eigentlich recht offensichtlich und linear.
Vergangenheit und dann ein Zeitsprung in die Gegenwart des Erzählers.

Fehler sind noch vorhanden, ich weiß, aber bevor ich den Text noch ein paar Mal durchgehe und ans Korrektorat weitergebe, will ich Gewissheit haben, dass er so wirkt, wie ich will.
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purpur
Klammeraffe


Beiträge: 964



Beitrag25.05.2016 22:51

von purpur
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Hallo Very Happy Inkognito,

Ja, alles in Ordnung. Der letzte Beitrag ist mir allerdings ein Rätsel,
zu weit hergeholter Querschläger. Da hab ich wohl was falsch
verortet. So sorry Embarassed !
 Kommt noch was?
PpGruß
Pia
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Piratin
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 58
Beiträge: 2186
Wohnort: Mallorca
Ei 2


Beitrag26.05.2016 11:25

von Piratin
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Hallo Inko,

ich melde mich noch einmal zu Wort wegen der Zeitschiene.
Du beginnst:
Zitat:
Ich kann heute nicht mehr mit voller Gewissheit sagen, wann ich zum ersten Mal von Kratom hörte, denn es muss schon lange her sein und sonderlich viel Interesse hatte ich an dieser Pflanze zunächst nicht.
und dann ab
Zitat:
An einen Punkt in meinen Leben begann ich mich jedoch für die
beginnt für klar die Rückblende und die gesamte eigentliche Grundgeschichte, die dann zur Schlussfolgerung oder auch dem neuen Schluss führt, findet in der Rückblende statt. Da aber genau dieser Teil, wie das "Ich" an die Pflanze kommt, wie es zur ersten Erfahrung kommt, die Handlung ausmacht (alles andere ist Rückbesinnung und Reflexion), weiß ich als Leser, dass diese Erfahrung so ausgegangen sein muss, dass das "Ich" es mir noch klar erzählen kann und damit ist für mich die Handlung uninteressant und es reicht die ersten Sätze und den Schluss zu lesen. Vielleicht macht diese Erklärung mein Zeitschienenproblem deutlicher.
Viele Grüße
Piratin
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Ithanea
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 34
Beiträge: 1062

Ei 3 Pokapro 2017


Beitrag27.05.2016 16:05

von Ithanea
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Tja, Kognito,
irgendwie wollte ich gerne was zu deinem Text sagen, auch wenn es mehr der Autor ist, der mich interessiert als der Text. Vielleicht passt es aber doch ganz gut hier, an einem Text, der mehr noch als die anderen die Frage, wie stark sich Autor und Erzähler überschneiden, aufdrängt.

Während manch ein Esoterik-Kollege davon spricht, jede Sucht habe mal mit einer Suche begonnen, finde ich das immer a) etwas nervtötend romantisch klingend und b) stark vereinfacht, aber ein wahrer Teil darin ist ja nicht wegzudenken: Wer nicht nach Rausch, Kick, Wegbeamen, Bewusstseinserweiterung oder Abschalten/Gedankenfrei sucht, wird kein so großes Bedürfnis danach haben, verschiedene Substanzen auszuprobieren, wie es manche andere haben.

Hier les ich von einem Menschen mit Bipolarer Störung, der, nach hübschem Horror-LSA-Trip seine Bestimmung im Schreiben erkennt. Trotzdem ist er noch nicht angelangt, wo auch immer er hinwill/muss, sondern ist weiterhin getrieben, sucht weiter nach irgendwas, was er im Konsum vermutet, aber letztendlich nicht findet, was ihm am Ende einer weiteren "Konsumaktion" auch irgendwie bewusst wird. Ich bin nicht sicher, ob ich ihm seinen "Schluss" abkaufe, also ob sich diese Erkenntnis, dass er im Konsum nicht das finden wird, was er sucht, sich wirklich bei ihm einstellt, denn beantwortet ist ja rein gar nichts für ihn, auch nicht mit dem Schreiben. Sowieso schätze ich, dass dieser Erzähler, bevor er irgendeine Antwort erhalten kann, früher oder später erstmal rausfinden muss, was seine Fragen sind, was sein Bedürfnis ist, das er zu stillen versucht, was es ist, das "fehlt".

Das Ganze ist pathetisch, "altertümlich" geschrieben, auch ohne explizite Ankündigung im Text find ich mich in einer Lovecraft-/Poe-Atmosphäre, die, obwohl man da ja auch den "getriebenen Schriftsteller auf der Suche nach Antwort im Rausch" finden kann, irgendwie im Kontrast zu diesem relativ ausführlichen Konsumbericht steht, der mich vielmehr an so Konsumberichte in dazu passenden Foren erinnert.

Ist das lesbar? Ja, klar. Für eine Story in Kurzgeschichtenlänge geht sowas gut. Ich persönlich mag den Lovecraft/Poe-Style auch ganz gern. Allerdings, bisher nur in den 'Originalen'. Ich habe noch nie einen neuen Text gelesen, der sich dieses Stils bedient, der mich richtig angesprochen hätte, weil man eben so leicht Gefahr läuft, unauthentisch daher zu kommen, sich des Stils nur 'zu bedienen' statt ihn für die Art von Geschichte zu brauchen, bzw. dass sie sich gegenseitig ergänzen, zusammengehören.

Ist das dsfo-tauglich? Keine Ahnung, ist das nicht auch wurscht? Für mich wäre eher die Frage: Taugt das für eine Geschichte/einen literarischen Text, und da bin ich nicht ganz sicher. Geschrieben ist das m.M.n. einwandfrei, wenn einem der Stil zusagt. Der Inhalt ist vielleicht kontrovers, aber das ist nicht das Problem. Eher das, was ich oben erwähnt hab, das mir so Eindrücke kommen, dass Autor mit Erzähler verschwimmt und damit verbunden die Frage, was ist eigentlich Inhalt und Ziel des Textes? Ich habe stellenweise den Eindruck, als versucht der Autor dem Leser fachspezifisches Wissen unterzuschieben, damit er den Chemie- und Drogenkram auch versteht. Da stellt er sich etwas vor den Erzähler. Oder soll das der Erzähler sein, der sein gesammeltes Wissen minutiös aufschreibt? Für wen oder was sind dann diese Aufzeichnungen? Texte in ähnlichem Stil leben oft davon, dass sie so tun, als wären sie Aufzeichnungs- und Notizensammlung für die Nachwelt oder Briefe an eine Person, die die letzte Rettung sein muss, weil der Erzähler schon tot ist oder so. Für wen zeichnet der Erzähler diese Erfahrung auf? Wenn für sich selbst/also ohne vorgestelltes Gegenüber, ist das m.E. viel Infodump.
Auch drängt sich mir stellenweise so ein Gefühl von Verarbeitung persönlicher Erfahrungen/Bedürfnisse auf, was erstens natürlich ein Fehlschluss sein kann und zweitens nicht zwangsläufig verkehrt sein muss oder nicht Grundlage eines literarischen Textes sein könnte. Es wäre nur einfach die Frage, ob das der Fall ist , so sein soll und wenn nicht, woran man drehen könnte, um es zu verändern. Ich vermute, es hängt so ein bisschen mit einer (von mir empfundenen) Ziellosigkeit der Beschreibung zusammen.
Auch zum "Ziel" gehört das, was du in deinem vorangestellten Text "Gesamtbild samt Pointe und Moral" nennst: Für mich kommt an, dass der Erzähler feststellt, dass er im Konsum nicht das findet, was er sucht. Aber zufriedengestellt, um eine Erfahrung reicher, ist er nicht. Schreibt er ja auch, indem er Goethe zitiert. Dazu passt für mich nicht ganz, dass er (im ersten Ende) so sicher behauptet: "Der einzige Rausch, der mich zufriedenstellt, die einzige Wahrheit, die einzige Erlösung, die ich jemals zu erreichen hoffen darf, liegen in der Schrift, alles andere ist Selbstbetrug, vergebenes Streben, nach Antworten, die nie erklingen werden, Leiden und Vergehen."
Damit spricht er etwas ganz anderes aus, als er zu fühlen scheint, sodass ich mich am Ende frage: Ja, was meint er denn nun? Wie geht er nun aus der Geschichte raus, wie macht er weiter?
Insofern passt das alternative Ende für mich besser. Denn: Es kann ja sein, dass der Erzähler feststellt, dass er im Konsum zwar nicht das findet, was er sucht, aber trotzdem noch zerissen/getrieben/suchend und ohne Antwort ist. Dann würde ich diese nach wie vor bestehende Zerrissenheit aber stärker herausholen am Schluss, denn sonst wirkt es eher so "ja, ich weiß halt auch nicht", was bei mir dann nur zu "naja, ich auch nicht und ist mir eigentlich auch egal" führt.
Entschuldige, dass ich das jetzt nur so dahergeredet ausdrücken kann, besser schaff ichs gerade nicht.

LG
Lara

PS: "durch das Methylphenidat verursachten, Deliriumnebel" Ich schätze, ich weiß, was du sagen willst, aber Methylphenidat hätte ich jetzt nicht gerade mit den Worten Delirium und Nebel umschrieben, die ja eher zu Downern passen. Passt für mich nicht zusammen. Was meinst du?
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Ithanea
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Beitrag27.05.2016 16:36

von Ithanea
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:
bevor ich den Text noch ein paar Mal durchgehe und ans Korrektorat weitergebe, will ich Gewissheit haben, dass er so wirkt, wie ich will.

Darf ich die Gegenfrage stellen? Wie willst du denn, dass er wirkt?


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Leveret Pale
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Beitrag27.05.2016 17:14

von Leveret Pale
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@Ithanea
Vielen Dank für deinen langen und ausführlichen Kommentar.


Der Ziel des Textes ist eben der Ausdruck dieser verzweifelten und ziellosen Getriebenheit, der Suche nach Erlösung und dem immer wieder scheiternden Versuch sich selber an irgendeiner Idee festzuklammern und zu stabilisieren - sei es die düstere Romantik (zeigt sich an dem Stil), seien es Substanzen oder das Schreiben. Die Seele des Prota kommt nie zu Ruhe, aber sucht und sucht und glaubt immer wieder seinen Gral gefunden zu haben, aber nur um sich  am Ende wieder ziellos und hin und her gerissen zu werden, zwischen Verzweiflung und manischen Größenwahn, sich selbst zu einem verdammten Poeten seines Leidens stilisierend.

Zitat:
Entschuldige, dass ich das jetzt nur so dahergeredet ausdrücken kann, besser schaff ichs gerade nicht.

Kein Problem. Es ist auch so sehr interessant und ich danke dir für deinen Kommentar.

Zitat:
Insofern passt das alternative Ende für mich besser. Denn: Es kann ja sein, dass der Erzähler feststellt, dass er im Konsum zwar nicht das findet, was er sucht, aber trotzdem noch zerissen/getrieben/suchend und ohne Antwort ist. Dann würde ich diese nach wie vor bestehende Zerrissenheit aber stärker herausholen am Schluss, denn sonst wirkt es eher so "ja, ich weiß halt auch nicht", was bei mir dann nur zu "naja, ich auch nicht und ist mir eigentlich auch egal" führt.

Ich sehe was du meinst. Ich werde das versuchen etwas präzisieren.

Zitat:
Da stellt er sich etwas vor den Erzähler. Oder soll das der Erzähler sein, der sein gesammeltes Wissen minutiös aufschreibt? Für wen oder was sind dann diese Aufzeichnungen? Texte in ähnlichem Stil leben oft davon, dass sie so tun, als wären sie Aufzeichnungs- und Notizensammlung für die Nachwelt oder Briefe an eine Person, die die letzte Rettung sein muss, weil der Erzähler schon tot ist oder so. Für wen zeichnet der Erzähler diese Erfahrung auf? Wenn für sich selbst/also ohne vorgestelltes Gegenüber, ist das m.E. viel Infodump.

Die vielen Informationen sollen verdeutlichen, was für eine Faszination die Substanzen auf den Charakter ausüben und mit welcher Gründlichkeit er sich mit ihnen beschäftigt - und natürlich, damit der Leser durchblickt, was überhaupt geschieht.

Zitat:

Damit spricht er etwas ganz anderes aus, als er zu fühlen scheint, sodass ich mich am Ende frage: Ja, was meint er denn nun? Wie geht er nun aus der Geschichte raus, wie macht er weiter?

Der Charakter ist sich nicht einmal selbst wirklich sicher, was er wirklich fühlt, deswegen klammert er sich ja an dieser romantischen Vorstellung fest, er wäre dazu bestimmt mit seinem Leiden zu leben und es in Kunst zu sublimieren. Das wird höchst wahrscheinlich nur zu einem ewigen Kreislauf  aus Konsum, Experimenten, Zusammenbrüchen führen, der ihn am Ende vernichten wird.
Die hier niedergeschriebene Geschichte bietet nur einen Art Kern mit vielen Anspielungen und Methaphern, von denen der Leser seine Schlussfolgerungen bezüglich Vergangenheit und Zukunft des Protas selber erschließen kann.

Zitat:

"durch das Methylphenidat verursachten, Deliriumnebel" Ich schätze, ich weiß, was du sagen willst, aber Methylphenidat hätte ich jetzt nicht gerade mit den Worten Delirium und Nebel umschrieben, die ja eher zu Downern passen. Passt für mich nicht zusammen. Was meinst du?


Das ist eine Anspielung auf einen längeren, biographischen Teil des Charakters, den ich gestrichen habe, damit der Fokus auf der Sinnsuche in den Psychoaktiva bleibt und nicht zu weit ausschweift. Bipolar, insbesondere wie der hier vorliegende Typ 1, wird oft mit ADHS verwechselt, wenn man aber dann dem Betroffenen Stimulanzien wie Methylphenidat verabreicht, werden manische Episoden getriggert und verstärkt. Da der Psychiater den Patienten nur selten sieht, kann er zu dem Schluss kommen, das die manischen Symptome dafür sprechen, dass die Dosis nicht hoch genug ist und sie erhöhen. Das führt dann unweigerlich zu einer Psychose, in der dann der Charakter eine Menge Zeit seiner Jugend verbracht hat. Die Erinnerungen daran sind entsprechend extrem lückenhaft und erscheinen ihm wie ein deliriumartiger Fiebertraum, bei dem er sich nicht sicher ist, ob er wirklich stattgefunden hat. Deshalb ist der Charakter auch nicht in einer medikamentösen Therapie. Er misstraut der Psychiatrie und behandelt sich lieber selber mit Substanzen und Schreiben (er bezeichnet es auch als seine "Lithiumsubstitution").
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Ithanea
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Beitrag27.05.2016 17:32

von Ithanea
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Ich bin leider ebenfalls in einem Deliriumnebel, allerdings grippebedingt, darum kriegt ichs grad nicht hin, auf alles einzugehen, auch wenn ich das, was du zur Grundidee dieses Textes schreibst, spannend find, wenn auch nicht neu, aber das muss ja auch nicht alles sein. (Ist es bei mir ja auch nie Laughing ) Ich komme dann wieder, wenn ich den Kopf frei hab. Nur hierzu noch:
Inkognito hat Folgendes geschrieben:

Der Charakter ist sich nicht einmal selbst wirklich sicher, was er wirklich fühlt, deswegen klammert er sich ja an dieser romantischen Vorstellung fest, er wäre dazu bestimmt mit seinem Leiden zu leben und es in Kunst zu sublimieren. Das wird höchst wahrscheinlich nur zu einem ewigen Kreislauf  aus Konsum, Experimenten, Zusammenbrüchen führen, der ihn am Ende vernichten wird.
Die hier niedergeschriebene Geschichte bietet nur einen Art Kern mit vielen Anspielungen und Methaphern, von denen der Leser seine Schlussfolgerungen bezüglich Vergangenheit und Zukunft des Protas selber erschließen kann.

So habe ich das vermutet, und natürlich braucht ein Text nicht in aller Eindeutigkeit auf eine Schlussfolgerung hinweisen, in dem Fall hätt ich mir aber mehr davon im Text gewünscht. Also mehr Vorahnung auf Scheitern dieser ganzen Idee. Aber ich lese weiter, dass das hier nur ein Ausschnitt einer Geschichte, eines Lebens, ist, insofern musst du natürlich entscheiden, wie viel du davon in der Anthologie mitgeben willst. Gibts denn die Geschichte der Figur dann anderswo oder was hast du vor?

Bis dann


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Leveret Pale
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Beitrag27.05.2016 20:02

von Leveret Pale
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Gute Besserung und nochmal danke für deine Kommentare. Ich werde glaube ich noch ein bisschen an dem Text feilen, weil er offensichtlich noch nicht ganz so gut funktioniert, wie ich es will.

Diese Kurzgeschichte ist die zweite zu dem Prota. Beide werden in der Anthologie vertreten sein und die erste hat auch nichts mit dem Konsum des Prota zu tun und ist auch in einem modernen Stil verfasst. Ich habe irgendwo im Hinterkopf die Idee für einen Roman mit dem Protagonisten, allerdings ist mir das ganze (vor allem sein Charakter) noch viel zu komplex und undurchsichtig. Ich werde mal ein bisschen abwarten und an meinen anderen Projekten arbeiten, bis ich genug Erfahrung und Fähigkeiten habe es anzugehen.
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Oktoberkatze
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Beitrag27.05.2016 21:05
Re: Kratom
von Oktoberkatze
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Hallo Inko,

du hast schon eine sehr spezielle Erzählweise, die ich aber trotz der massiven Verwendung von Fremdwörtern eher humorvoll als trocken oder gar unverständlich empfinde. Auch den Leseanspruch fand ich jetzt nicht übermäßig strapazierend, sondern völlig in Ordnung Razz

Was die Zweifel an deiner psychischen Verfassung angeht, mach dir mal nicht zuviel Kopf. Okay, du schreibst in der Ich-Perspektive, da zieht der Leser tatsächlich eher den Schluss zum Autor als wenn du personal erzählen würdest. Trotzdem handelt es sich bei deinem Text doch um Fiktion und wohl kein Leser wird ernsthaft davon ausgehen, dass du ihm dein Tagebuch eins zu eins veröffentlicht hast, auch wenn natürlich viel deiner Persönlichkeit drinsteckt. Außerdem sehe ich in der Moral des Textes die über jeden Zweifel erhabene Bestätigung, dass du deine psychische Verfassung doch ausgezeichnet im Griff hast und die Höhen und Tiefen, die im Übrigen wohl jeder mal verspürt, jeweils genial für deine Bestimmung nutzt.
Und selbst wenn du die Kontrolle mal verlieren solltest, gibst du nicht gerade in deinem Text einige Beispiele dafür, dass wahre Genialität eben doch nah am Wahnsinn beheimatet ist? wink

Zu deinen Fragen:

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Wie wirkt der Text auf euch?

Amüsant, humorvoll und absolut lesenswert, allerdings auch etwas riskant, da Kratom - zumindest bei übermäßigem Konsum - dann doch nicht ganz so harmlos ist, wie du dem geneigten Leser, der möglicherweise nach einer Ersatzdroge sucht, mit deinem Text suggerieren könntest.  

Zitat:
Versteht ihr alle Referenzen?

Wahrscheinlich eher nicht, aber ich hab den Text auch nicht als wissenschaftliche Recherchequelle betrachtet.

Zitat:
Was ist eure Interpretation der Handlung, der Bedeutung, der Metaphorik?

Nur der Versuch macht klug und manche Erfahrungen muss man einfach selbst machen, um sich weiterzuentwickeln. Solange man dabei die Kontrolle behält, ist auch nichts dran auszusetzen, grenzwertige Erfahrungen zu provozieren.

Zitat:
Sollte ich vielleicht den Schluss voranstellen und das veränderte Zitat am Ende streichen? Oder nur das Zitat streichen?

Probiers aus. Der Text funkioniert mMn auch so, wenn du den Schluss voranstellst, würdest du allerdings einen deutlicheren Kreis schließen. Das Zitat würd ich dabei aber ruhig drin lassen.

Zitat:
Gibt es zu große Brüche in Logik und Ablauf?

Hab keine gefunden.

Zitat:
Ist dieses Thema überhaupt dsfo-tauglich?

Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte, außer natürlich, du wolltest uns mit dem Text jetzt alle zum Kratomkonsum auffordern lol

Und weil ich grad dabei bin, hier noch ein paar handwerkliche Kleinigkeiten:

Zitat:
An einenm Punkt in meinenm Leben begann ich mich jedoch für die bewusstseinserweiternde Wirkung halluzinogener Psychedelika[Fußnote: (psychedelisch (psychḗ‚ Seele‘ und dẽlos ‚offenkundig, offenbar‘) = Ein Zustand, bei dem sich die Grenzen zwischen Bewusstsein, Unterbewusstsein und Umwelt auflösen. Wird oft begleitet von Visionen und Transzendenz zu interessieren, hatte doch eines von diesen, nämliche die Hawaiianische Holzrose, mich wie Lazarus von den Toten auferstehen lassen.


Zitat:
Das Ergebnis dieser schicksalhaften Fügung war ein Horrortrip, eine Reise durch die tiefsten Abgründe meiner Seele, meiner frühesten schmerzhaften Kindheitserinnerungen, die im, durch das Methylphenidat verursachten, Deliriumnebel meiner Jugend versunken waren, und zur Grenze zum des Tartaros.

Den Satz finde ich arg verschachtelt. Falls der unterstrichene Teil der Hauptsatz sein soll, würde ich daher im letzten Teil dann auch den Genitiv verwenden, analog zum vorderen Teil.

Zitat:
Ja, ich gebe offen und ehrlich zu, dass ich die Tatsache noch am Leben zu sein und nun als Schriftsteller zu erblühen, diesem Erlebnis verdanke, ohne dem das oder welches ich wohl tot oder zumindest noch immer ein Taugenichts wäre.


Zitat:
Welcher Mensch, dessen Leben gerettet wurde, würde sich nicht mit seiner vermeintlichen Retterin, unsd sei sie eine Droge, auseinandersetzten?


Zitat:
Der düstere, melancholische und opiumgetränkte Leichenduft dieser Zeit und ihre düstere Romantik, das Komma kann weg zogen mich in ihren Bann.


Zitat:
Ich las und lebte, Poe, Stevenson und Chambers. Schließlich wandte ich mich auch De Quincey zu, der mein Verführer werden sollte.


Zitat:
Der Kratombaum, Mitragyna speciosa, auch Biak, Gra-tom, Roter Sentolbaum, Katawn, Mabog, Mambog oder Mitragyne genannt, gehört wie Kaffee zu der Familie der Rötegewächse und ist in ganz Südostasien heimisch.


Zitat:
In geringen Dosen wirkte das "e" ist über, du berichtest hier ja in der Gegenwart von der Wirkung es stimulierend, wie Kaffee oder Coca, unterdrückt Hunger und Schmerz, effizienter als jedes konventionelle Schmerzmittel, und sorgt dafür, dass selbst die monotonsten und anstrengensten Arbeiten Freude bereiten.


Zitat:
Allerdings wirkte noch ein Vergangenheits-e Mitragynin an geringfügig anderen Opioid-Rezeptoren als das Morphin in Opium, wodurch es nicht nur fast unmöglich ist die Pflanze zu überdosieren, sondern auch das Sucht- und Abhängigkeitspotenzial sehr gering sind.

Menno, warum erkennt man eigentlich das Durchstreichen so besch... Grr

Zitat:
Das Gefühl innerer Leere und Zerrissenheit, welches mich seit Jahren oft begleitet, wurde von dem warmen Licht des Opioids überstrahlt.


Zitat:
Bevor ich mich weiter dieser faszinierenden Entdeckung widmen konnte, wurde das Kribbeln stärker und es stieg von den Beinen bis zum Kopf an.


Zitat:
Ein euphorisches Gefühl, ein Trugbild Elysiums, das sich wie ein Ganzkörperorgasmus anfühlte und mehrere Minuten anhielt, ergriff uns beide und sorgte dafür, dass wie wir sprachlos wurden.


Zitat:
Der Freund und ich, wir blieben lange liegen, eine Stunde sicherlich, und unterhielten uns über alle möglichen Themen, ohne Skrupel, ohne Hemmung, doch diese Dialoge sind an dieser Stelle nicht aufgeführt, würden es sie den Leser doch erschrecken und verstören, würde er über unsere Abgründe hören.


Zitat:
Zwei oder drei Stunden dauerte dies, bevor wir wieder in unser Hotelzimmer gingen, die Mägen knurrend, da wir den Tee auf nüchternen Magen getrunken hatten.

ist die Doppelung Absicht?

Zitat:
Dies ist insofern bemerkenswert, weil das gewöhnliche Herunterkommen bei den Psychedelika bei mir so aussah, dass ich den halben Vorrat der Substanzen die Toilette runterspülte und dann von dem Rest nie wieder etwas hören wollte, wobei dieses Nie einmal fünf und ein anderes Mal elf Monate gedauert hatte, bis ich nach dem zweiten sinnlosen Trip den Konsum für immer einstellte.


Zitat:
In diesem Zustand fühlte ich mich ruhig und ausgeglichen, aber ich konnte nicht schreiben, hatte kein Interesse daran.


Zitat:
Gelegentlich dachte ich noch über das Kratom nach, besorgte mir einen Vorrat, kochte mir mehrmals Tee auf, als dunkle Stunden aufzogen, schüttete ihn aber weg, denn ich wollte meine Gefühle nicht ertränken; sind sie zwar schmerzhaft und vom Wahnsinn gezeichnet, so sind sie auch der Treibstoff meiner Werke, meiner Kunst, meines Eskapismus, dem Wörterschmieden und damit mein Dunkler Turm, dem ich niemals abschwören könnte, und selbst wenn man mir dafür Erlösung von allem Leid anböte.


Zitat:
Dies ist der dunkle, nüchterne Pfad, den ich zu gehen habe, dies ist der Pfad, hier fehlt ein Komma den mir die Parzen mit der Holzrose aufgezeigt haben.


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Leveret Pale
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Beitrag27.05.2016 21:26

von Leveret Pale
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Hallo Oktoberkatze,

WoW. Vielen Dank für die vielen Korrekturanmerkungen und deine ausführliche Kritik

Zitat:
Okay, du schreibst in der Ich-Perspektive, da zieht der Leser tatsächlich eher den Schluss zum Autor als wenn du personal erzählen würdest. Trotzdem handelt es sich bei deinem Text doch um Fiktion und wohl kein Leser wird ernsthaft davon ausgehen, dass du ihm dein Tagebuch eins zu eins veröffentlicht hast, auch wenn natürlich viel deiner Persönlichkeit drinsteckt. Außerdem sehe ich in der Moral des Textes die über jeden Zweifel erhabene Bestätigung, dass du deine psychische Verfassung doch ausgezeichnet im Griff hast und die Höhen und Tiefen, die im Übrigen wohl jeder mal verspürt, jeweils genial für deine Bestimmung nutzt.

Auch wenn die Geschichte fiktional ist, hatte ich die Befürchtung, dass der Leser glauben könnte, es wäre ein Tatsachenbericht. Deshalb hab ich es auch als Inko reingestellt. Geschichten sind wie große Lügen und Lügen funktionieren sehr gut, wenn man sie auf Wahrheiten oder zumindest Halbwahrheiten aufbaut, daher gibt es hier einige Parallelen zwischen den Charakter und dem Autor, wenn auch beide nicht identisch sind. Um Verwechslung zu vermeiden, das Inko, damit der Leser den Prota nicht für mich hält, was bei solchen Geschichten sehr leicht passieren kann.

Das gleiche Problem hatte übrigens auch Poe. Er hatte eine sehr makabre Seite und schrieb oft über Opiumkonsum, aber das er selber jemals Opium konsumiert hat, gilt mittlerweile als sehr unwahrscheinlich. Trotzdem hat er durch üble Nachrede den Ruf eines Opiumsüchtigen erlangt.


Zitat:
Wahrscheinlich eher nicht, aber ich hab den Text auch nicht als wissenschaftliche Recherchequelle betrachtet.

Mit Referenzen meinte ich eigentlich Metaphern, als vor allem die auf die römische Mythologie, wie Parzen, Elysium, Tartaros usw. und die auf Dichtung und Literatur generell wie Der Dunkle Turm von R. Browning. Ich hab den Text mal De Quincey - typisch mit solchen Vergleichen vollgestopft.

Zitat:

Amüsant, humorvoll und absolut lesenswert, allerdings auch etwas riskant, da Kratom - zumindest bei übermäßigem Konsum - dann doch nicht ganz so harmlos ist, wie du dem geneigten Leser, der möglicherweise nach einer Ersatzdroge sucht, mit deinem Text suggerieren könntest.

Das mit dem Risiko, dass der Leser zum Gebrauch verlockt werden könnte, habe ich gar nicht bedacht. Vielleicht schwäche das ein bisschen ab, aber es gehört zum Text, das der Prota es ein bisschen glorifiziert. Aber eigentlich sollte nach dem Text klar werden, dass das nur eine Sackgasse ist.

Zitat:
Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte, außer natürlich, du wolltest uns mit dem Text jetzt alle zum Kratomkonsum auffordern lol

Nein, auffordern natürlich nicht, aber ich war etwas verwundert, dass ich sonst keine Drogenliteratur im Forum finden konnte, dabei hat das Thema Rausch doch irgendwo die Schriftsteller in der Geschichte immer wieder beschäftigt.

Vielen Dank für deine Anmerkungen. Ich überarbeite den Text nocheinmal und dann kommt das wird das hier wahrscheinlich in die Werkstatt verschoben.
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Oktoberkatze
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Beitrag27.05.2016 21:35

von Oktoberkatze
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:

WoW. Vielen Dank für die vielen Korrekturanmerkungen und deine ausführliche Kritik

Gern geschehen Razz

Zitat:
Zitat:
Wahrscheinlich eher nicht, aber ich hab den Text auch nicht als wissenschaftliche Recherchequelle betrachtet.

Mit Referenzen meinte ich eigentlich Metaphern, als vor allem die auf die römische Mythologie, wie Parzen, Elysium, Tartaros usw. und die auf Dichtung und Literatur generell wie Der Dunkle Turm von R. Browning. Ich hab den Text mal De Quincey - typisch mit solchen Vergleichen vollgestopft.

Ups, da kenn ich mich dann wohl auch nicht so wirklich aus Embarassed


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Leveret Pale
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Beitrag27.05.2016 21:55

von Leveret Pale
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Die neuer, etwas abgeschliffene, vorläufige Version. Werde aber wahrscheinlich noch am Schluss etwas feilen.

Kratom

Ich kann heute nicht mehr mit voller Gewissheit sagen, wann ich zum ersten Mal von Kratom hörte, denn es muss schon lange her sein und sonderlich viel Interesse hatte ich an dieser Pflanze zunächst nicht. Verständlich, war sie doch eine, wie ich meinte, betäubende Droge und diese haben mich, das gilt auch für den Hanf und das Ethanol, nie sonderlich interessiert. Letzteres habe ich sogar noch nie konsumiert, was in unserer Gesellschaft wahrscheinlich ein nonkonformistisches Sakrileg ist. Dies liegt daran, dass mir seit jeher der Konsum von Substanzen mit dem Ziel einer sinnlosen, hedonistischen Euphorie zutiefst zuwider war. An einem Punkt in meinem Leben begann ich mich jedoch für die bewusstseinserweiternde Wirkung halluzinogener Psychedelika  zu interessieren, hatte doch eines von diesen, nämliche die Hawaiianische Holzrose, mich wie Lazarus von den Toten auferstehen lassen. Nicht wortwörtlich, denn ich war damals noch nicht körperlich tot, sondern nur innerlich, aber ich war auf dem Weg diese Diskrepanz mithilfe von Strick oder Klinge auszugleichen. Ich lebte im nihilistischen Abgrund, meine Seele entzweit und zertrümmert, hin und her gerissen zwischen Manie und Depression, ohne Identität, dem ewigen Schlafe sehnsüchtig entgegenblickend, aller Hoffnung beraubt, doch die Parzen weigerten sich, meinen Faden zu durchtrennen. Stattdessen brachten sie mich mit den Samen der argyreia nervosa, der Hawaiianischen Holzrose, zusammen, die das Alkaloid Lysergsäureamid enthalten. Das Ergebnis dieser schicksalhaften Fügung war ein Horrortrip, eine Reise durch die tiefsten Abgründe meiner Seele, meiner frühesten schmerzhaften Kindheitserinnerungen, die im Deliriumnebel meiner Jugend versunken waren, und zur Grenze des Tartaros. Ich ging durchs Purgatorium, meine Katharsis, und meine Augen wurden gewaltsam weit aufgerissen. Ich erkannte mein Potenzial, meine Möglichkeiten, meine Fähigkeiten, meine Bürde, mein Leid und damit meine Bestimmung, eine Identität, den einzigen Sinn, für den ich geschaffen wurde und für den ich weiterleben sollte:
Das Schreiben, das Erzählen und Dichten.
Ja, ich gebe offen und ehrlich zu, dass ich die Tatsache noch am Leben zu sein und nun als Schriftsteller zu erblühen, diesem Erlebnis verdanke, ohne welches ich wohl tot oder zumindest noch immer ein Taugenichts wäre. Welcher Mensch, dessen Leben gerettet wurde, würde sich nicht mit seiner vermeintlichen Retterin, und sei sie eine Droge, auseinandersetzten? Des Weiteren schlussfolgerte ich naiver Weise, dass, wenn eine psychedelische Erfahrung mein Leben bereits so sehr verbessert hatte, mehr davon mein Leben noch nachhaltiger verbessern könnten. So begannen meine Studien der Psychologie, Ethnobotanik und Pharmakologie. Ich setzte mich mit Pionieren der Psychonautik auseinander, wie Aldous Huxley, Humprhy Osmond und Ken Kesey, doch blieb ich auch meiner alten Linie treu, las Lovecraft, King und Matheson, während meine ersten eigenen Werke das Licht der Welt erblickten. Praktisch wandte ich meine Studien aber nur selten an, zu groß war mein Respekt, zu sehr hänge ich an der Nüchternheit, dem einzigen Zustand, in dem sich meine Kreativität vollständig entfalten kann. Mein Konsum beschränkte sich auf wenige Feldversuche mit Ergolinen und einigen Kräutern, die in Abständen von mehreren Monaten stattfanden, dem gelegentlichen Konsum von Koffein in Form von Schokolade oder Kaffee und bei Bedarf Melatonin, um in manischen Phasen zur Ruhe zu kommen. Das Koffein meide ich aber mittlerweile, kann es doch wegen seiner stimulierenden Eigenschaften manische Episoden hervorrufen, die leider nur allzu leicht psychotische Züge annehmen. Mein Interesse an Psychedelika verschwand nach einigen Versuchen jedoch, denn nachdem mir mein Schicksal offenbart worden war, hatten sie mir nichts mehr zu erzählen und waren nur noch anstrengende, transzendente Erfahrungen. Ich stellte ihren Konsum daraufhin vollständig ein. Ich dachte, so würde es für immer bleiben und mein Schriftstellerleben bewegte sich konstant voran. Als ich dann meine intensiven Studien der Werke und des Lebens des Altmeisters H.P. Lovecraft, der eine große Inspirationsquelle für mich ist, abschloss, widmete ich mich seinem Vorbild: Edgar Allan Poe. Und kurzerhand verliebte ich mich das erste und vielleicht einzige Mal in meinem trostlosen Leben, aber nicht in ein Mädchen, nein, sondern in ein Zeitalter, das viktorianische. Der düstere, melancholische und opiumgetränkte Leichenduft dieser Zeit und ihre düstere Romantik zogen mich in ihren Bann. Ich las und lebte, Poe, Stevenson und Chambers. Schließlich wandte ich mich auch De Quincey zu, der mein Verführer werden sollte. Mit großer Begeisterung las ich »Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet«, einerseits, da ich seit jeher eine morbide und archaische Faszination für Tod und Gewalt hatte, anderseits weil der amoralische Ansatz mich, als einen Jünger Nietzsches, amüsierte. Nach der Kunst widmete ich mich dem Elend dahinter, welches anscheinend jeder kreativen Person zu innewohnen scheint. Ich las De Quinceys »Bekenntnisse eines englischen Opiumessers«. War Poe nicht Anreiz genug für diese Droge, die der oft zitierte Paracelsus als Wundermittel anpries, so hatte mich De Quincey vollends in seinen Bann gezogen. Dieser Mann definiert als erster im Opiatrausch das Wort subconscious, also Unterbewusstsein, Jahrzehnte vor Sigmund Freud, der aber auf dem gleichen Wege zu diesem Begriff kam: Im Opiumrausch.
Dass ich letztendlich kein Opium konsumierte, um meine Neugier zu stillen, und wohl niemals konsumieren werde, hat mehrere Gründe. Zuerst wären da die Beschaffungsprobleme, die unsichere Dosierung bei Schwarzmarktware und die alleinige Tatsache, dass die Droge illegal ist (sämtliche Halluzinogen, die ich konsumiert hatte, waren legal, vom Gesetzgeber übersehen), des Weiteren fürchtete ich mich, paranoid wie ich bin, vor dem großen Sucht- und Abhängigkeitspotenzial, welches ich bei einer Bekannten beobachten konnte, die beinahe an Opiums gieriger Schwester, dem Heroin, zugrunde gegangen wäre. Ich verdrängte mein Interesse an diesem Mittel, waren Angst und Hindernisse doch zu groß, und konzentrierte mich auf meine Schriftstellerei, publizierte meinen ersten Roman und schrieb Novellen. Dann jedoch wandte ich mich intensiver den ethnobotanischen Studien zu, da ich mir vornahm ein Buch über die Hawaiianische Holzrose, meine Retterin in dunkler Stunde, zu veröffentlichen. Bei meinen Recherchen stieß ich erneut auf Kratom und damit diese Pflanze in mein Bewusstsein.
Der Kratombaum, Mitragyna speciosa, auch Biak, Gra-tom, Roter Sentolbaum, Katawn, Mabog, Mambog oder Mitragyne genannt, gehört wie Kaffee zu der Familie der Rötegewächse und ist in ganz Südostasien heimisch. Seine Blätter enthalten das einzigartige Opioidalkaloid Mitragynin. In geringen Dosen wirkt es stimulierend, wie Kaffee oder Coca, unterdrückt Hunger und Schmerz, effizienter als jedes konventionelle Schmerzmittel, und sorgt dafür, dass selbst die monotonsten und anstrengendsten Arbeiten Freude bereiten. In erhöhten Dosierungen wird die Wirkung träumerisch und sedierend und damit dem Opiumrausch sehr ähnlich. Allerdings wirkte Mitragynin an geringfügig anderen Opioid-Rezeptoren als das Morphin in Opium, wodurch es nicht nur fast unmöglich ist die Pflanze zu überdosieren, sondern auch das Sucht- und Abhängigkeitspotenzial sehr gering sind. Letzteres wird von der thailändischen Regierung sogar als kaum vorhanden eingestuft. Seit Jahrtausenden werden daher die Blätter in Südostasien von den Einheimischen als Opiumsubstitutionsmittel und Medikament verwendet. Zur Krönung ist diese Droge sogar in dem konservativen und alkoholischistischen Gefilde Deutschland legal und problemlos über das Internet bestellbar. Weckt dies nicht wahrlich eine Reminiszenz an Soma?
Es sollte also nicht verwundern, dass es früher oder später dazu kam, dass ich zusammen mit einem guten Freund eine Kanne Kratomtee leerte. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten sollte, dass ich keine Angst hatte, denn diese habe ich immer, wenn ich mit psychoaktiven Substanzen zusammenkomme. Aber besser dies, als der fahrlässige Exzess, den ein Großteil unserer Gesellschaft jedes Wochenende mit dem harten Rauschgift Ethanol praktiziert. An jenem Tag des Kratoms hatte ich mich mit einem guten Freund in einem Hotel einquartiert. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Unsere Freundschaft ist lediglich platonischer Natur, aber wir beide waren unserer Familien Leid und wollten einige Tag lang ungestört uns der Literatur, Erholung, Spaziergängen und der Arbeit, in meinem Fall das Schreiben, in seinem die Vorbereitung auf kommende Examen, widmen. Wir leerten also unsere Tassen und gingen hinaus in die kühle Nacht, die soeben über das Land hereingebrochen war. Wir spazierten zu einem nahegelegenen Park. Zunächst spürten wir nicht viel, außer der Kälte, da wir doch etwas dünn gekleidet waren, doch langsam machte sich geborgene Wärme in unseren Gliedern breit. Wir gingen auf eine Wiese, allein erleuchtet vom zarten Licht des Mondes, während die Wirkung langsam anflutete. Das Gefühl von Kälte verschwand, genauso wie die Rückenschmerzen, unter denen ich leide. Ein Gefühl von Trägheit und ein warmes Kribbeln gingen durch unsere Körper und wir hatten das dringende Bedürfnis uns hinzulegen, dem wir auch nachgingen indem wir uns auf dem weichen Rasen ausstreckten, während die Blätter der Bäume im Wind raschelten. Das Kribbeln wurde stärker und ich bemerkte eine außergewöhnliche, wohltuende Wirkung: Das Gefühl innerer Leere und Zerrissenheit, welches mich seit Jahren oft begleitet, wurde von dem warmen Licht des Opioids überstrahlt. Ich fühlte mich komplett, meine Rastlosigkeit, mein Leid gedämpft. Ich spürte Frieden. Nun verstehe ich, warum manche Menschen zu Abhängigen werden. Bevor ich mich weiter dieser faszinierenden Entdeckung widmen konnte, wurde das Kribbeln stärker und es stieg von den Beinen bis zum Kopf an. Ein euphorisches Gefühl, ein Trugbild Elysiums, das sich wie ein Ganzkörperorgasmus anfühlte und mehrere Minuten anhielt, ergriff uns beide und sorgte dafür, dass wir sprachlos wurden. Ich persönlich fand diese sinnlose Euphorie zwar angenehm aber nicht sehr interessant, da sie meine klaren Gedanken, die ich sehr schätze, etwas dämpfte. Viel erfreuter war ich, als nach wenigen Minuten dieses Gefühl nachließ und dafür das Gefühl von Frieden sich wieder in mir breitmachte. Ich fühlte mich geborgen, in Sicherheit und meine Gedanken waren nicht getrübt, im Gegenteil, sie waren ungewöhnlich klar und konstruiert, denn ich konnte über Dinge denken und sprechen, vor denen ich mich im Normalzustand fürchtete. Diese Wirkung kann ich daher als sehr schwach, aber angenehm psychedelisch bezeichnen. Während klassische halluzinogene Psychedelika, wie die Abkömmlinge des Mutterkorns, mich unbarmherzig und schmerzhaft mit mir selbst konfrontierten, mich durch die Filme meiner Erinnerungen und fremde Dimensionen zerrten, ermöglichte das Kratom einen klaren, unerschrockenen Blick auf die Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit, in der ich jedes noch so hässliche Detail betrachten konnte, ohne Schmerz, sei er psychisch oder physisch, zu empfinden. Der Freund und ich blieben lange liegen, eine Stunde sicherlich, und unterhielten uns über alle möglichen Themen, ohne Skrupel, ohne Hemmung, doch diese Dialoge sind an dieser Stelle nicht aufgeführt, würde es den Leser doch erschrecken und verstören, würde er über unsere Abgründe hören. Als die Trägheit abschwächte, erhoben wir uns und machten einen Spaziergang. Wir wanderten durch die Nacht, in Wärme gehüllt, mit einem leicht schwankenden Gefühl, doch komplett in der Kontrolle über unseren Körper und Geist. Wir unterhielten uns, wie zuvor, über Gesellschaft, Politik, unsere Familien, Philosophie und persönliche Dinge. Zwei oder drei Stunden dauerte dies, bevor wir wieder in unser Hotelzimmer gingen, hungrig, da wir den Tee auf nüchternen Magen getrunken hatten. Die Wirkung hielt noch an, aber sie wurde bereits schwächer und wir kochten einige Kleinigkeiten und aßen diese, während wir im Internet in digitalen Läden Kratomsorten begutachteten. Dies ist insofern bemerkenswert, weil das gewöhnliche Herunterkommen bei den Psychedelika bei mir so aussah, dass ich den halben Vorrat der Substanzen die Toilette runterspülte und dann von dem Rest nie wieder etwas hören wollte, wobei dieses Nie einmal fünf und ein anderes Mal elf Monate gedauert hatte, bis ich nach dem zweiten sinnlosen Trip den Konsum für immer einstellte.
Die Wirkung des Kratoms wurde immer schwächer und zugleich überfiel uns ein unangenehmer Juckreiz am ganzen Körper, welcher auf die typische Histaminausschüttung von Opioiden zurückzuführen ist, weshalb wir jeweils ein Antihistaminikum, Cetirizin, schluckten, was den Juckreiz zumindest etwas unterdrückte. Wir redeten noch, bis letztendlich jeder in sein Bett ging und wir einschliefen.
Das Erwachen am nächsten Tag war deutlich weniger angenehm. Es war, als hätte jemand mir jeweils eine Nadel in meine Augäpfel gerammt. Meinen Freund plagten nicht unähnliche Schmerzen. Mit schweren Köpfen machten wir uns ans Frühstück und mit der Zeit verflüchtigten sich die Schmerzen. Ich spürte noch eine leichte Kratomnachwirkung, die dafür sorgte, dass ich mich normal fühlte, nicht so leer, wie gewöhnlich. In diesem Zustand fühlte ich mich ruhig und ausgeglichen, aber ich konnte nicht schreiben, hatte kein Interesse daran. Dieses Gefühl verschwand jedoch zur Mittagszeit und ich war wieder ich, nüchtern und leidend, dysphorisch, in meiner depressiven Phase versunken und zugleich entzweigerissen, aber inspiriert. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und begann die ersten Zeilen meines zweiten Romans zu tippen. Ich versank wie so oft im Schreibrausch, dem einzigen Zustand, in dem ich mich selbst vergesse, wo die Finger über die Tastatur fliegen und der Mensch davor verschwindet. Frieden. Meine Lithiumsubstitution. Nach einigen Stunden erwachte ich aus diesem Zustand, ohne Juckreiz und zufrieden, widmete mich dann der Überarbeitung und Korrektur eines Manuskripts einer Geschichte, die ich einige Tage zuvor verfasst hatte. Gelegentlich dachte ich noch über das Kratom nach, besorgte mir einen Vorrat, kochte mir mehrmals Tee auf, als dunkle Stunden aufzogen, schüttete ihn aber weg, denn ich wollte meine Gefühle nicht ertränken; sind sie zwar schmerzhaft und vom Wahnsinn gezeichnet, so sind sie auch der Treibstoff meiner Werke, meiner Kunst, meines Eskapismus, dem Wörterschmieden und damit mein Dunkler Turm, dem ich niemals abschwören könnte, selbst wenn man mir dafür Erlösung von allem Leid anböte. Dies ist der dunkle, nüchterne Pfad, den ich zu gehen habe, dies ist der Pfad, den mir die Parzen mit der Holzrose aufgezeigt haben. Der einzige Rausch, der mich zufriedenstellt, die einzige Wahrheit, die einzige Erlösung, die ich jemals zu erreichen hoffen darf, liegen in der Schrift, alles andere ist Selbstbetrug, vergebenes Streben, nach Antworten, die nie erklingen werden, Leiden und Vergehen.
Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich auf meinem Bett, zu einer späten Stunde, die dem Morgen näher als dem Abend ist, rastlos getrieben vom manischen Feuer und rekapituliere, denn sieben nüchterne Wochen sind seit meiner einmaligen Kratomerfahrung vergangen. Ich stelle bitter fest, dass ich armer Tor nicht viel klüger bin, als zuvor. Noch immer ruft in mir die Neugier und die Wanderlust in andere Welten, die Sehnsucht nach Erlösung und Antworten, dabei halte ich ihn doch bereits in der Hand, den Stift, aber wirklich glauben kann ich es nicht.
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Willebroer
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5437
Wohnort: OWL


Beitrag27.05.2016 22:40

von Willebroer
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,

mir fiel bei den ersten Sätzen auf, daß sie voller Relativierungen und Negationen sind. Zusammen mit einer Art Rechtfertigungsorgie baut das für mich ein großes Lesehindernis auf.

Zitat:
nicht mehr mit voller Gewissheit

es muss schon lange her sein

wie ich meinte,

was in unserer Gesellschaft wahrscheinlich


Diese Aussagen müssen nicht unbedingt wegfallen (jedenfalls nicht alle), aber etwas später im Text wären sie leichter überwindbar. Sonst ist das so ungefähr wie Hochsprung ganz ohne Anlauf.

Ich würde folgenden Satz für einen guten Einstieg halten:

Zitat:
An einem Punkt in meinem Leben begann ich mich ... für die bewusstseinserweiternde Wirkung halluzinogener Psychedelika zu interessieren, ...
ohne "jedoch"

Nach einer weiteren Erläuterung, was wirklich passiert ist, könnte dann der (bisherige) Einstieg kommen mit den Einschränkungen und Entschuldigungen, was man alles nicht getan hat (bis dahin) oder tun wollte.

Viel Erfolg! Smile
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Leveret Pale
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 25
Beiträge: 786
Wohnort: Jenseits der Berge des Wahnsinns


Beitrag01.06.2016 11:40

von Leveret Pale
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Willebroer.
Danke für den Hinweis. Ich überlege mal, ob die Struktur ändere oder vielleicht etwas an den Formulierungen schraub - zuerst aber mache ich eine kleine Pause vom Manuskript um es in ein paar Wochen etwas klarer und objektiver betrachten zu können. Ah und da ich genug relativ objektives Feedback erhalten habe, brauch ich auch kein Inko mehr.
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bamba
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 201



Beitrag02.06.2016 17:31

von bamba
Antworten mit Zitat

Hi Leveret,
ich habe bisher jeden deiner Kommentare mit Genuss gelesen. Klug, gut geschrieben und mit einer gewissen Ironie ( ....so kommen sie bei mir an). Wenn ich dein Alter sehe, wird mir fast schwindlig. So war ich gespannt, einen Text von dir zu lesen.
Ohne Scheiss, ich bewundere dich. Ist keine Lobhudelei...... Du kannst schreiben, wie ich es kaum je werde können......

Soll dir aber nicht den Kopf vernebeln. Ich bin kein "Experte". Verliere bloss nicht die Bescheidenheit, die dich auch auszeichnet. Drück dir die Daumen.

...... zum Text. Subjektiv wahrgenommen, sind da manchmal etwas Längen drin.
Beim Reinstellen eines längeren Textes, wäre es vielleicht nicht schlecht, Abschnitte zu machen, da einfacher für das Auge. Das Thema ist etwas exotisch, doch die eingestreuten Querbezüge zu Literatur und zum Schreiben geben einen Halt, auch wenn man sich nicht spezifisch für die Wirkung von Kratom interessiert. Frage: Eigenerfahrung? ( ...Rhetorische Frage.. Mr. Green )
Nun, das Gespräch auf der Wiese, zwischen den Zweien, lässt du aus. Aus Rücksicht vor dem Leser allgemein oder dem Leser in einem Forum? Denn dieses Gespräch wäre meines Erachtens sehr spannend ( das will ich unbedingt mithören ) und würde etwas mehr verraten über die spezifische Wirkung, welche etwas im Nebel bleibt.
toi toi
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