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kirschkernspucken


 
 
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finis
Klammeraffe
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Beiträge: 577
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Die lange Johanne in Bronze


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Beitrag31.08.2014 20:34
kirschkernspucken
von finis
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Neue Version »

.




im morgendämmern kommt mich dein tod besuchen
schleicht sich zwischen die kirschkerne

die schnürsenkel kreuzweise gebunden suche ich
im nebel mein verlorenes gesicht
sehe ich wieder
die nacht in deinen augen
war jahrelang im verborgenen geblieben
wir griffen nach dem leben rissen es von den ästen
wort um wort kannte ich
dein lachen
schreibe ich letter für letter in den nebel
hinter mir ruft eine krähe ich kann nichts sehen
taste mich voran auf trittfesten sohlen
ein stein im schuh
das kirschgeröll kein sicherer grund
in meinem rucksack verderben die erinnerungen
die kirschen waren süß so viel weiß ich
unter den kernen wacht dein tod
krähen fädeln sich auf die stromleitungen
und ich kehre nicht um

im gebirge liegt mein atem begraben
bis ich ihn finde




.

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Mettbrötchen
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 35
Beiträge: 490
Wohnort: Rheinland
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Beitrag02.09.2014 15:55

von Mettbrötchen
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Hallo Mr. oder Mrs. Inkognito,

es fällt mir etwas schwer, an diesem Gedicht gedanklich anzudocken, was für mich aber wichtig wäre, um auf angemessenem Niveau kommentieren zu können. Ich stelle mal eine These auf und vielleicht stimmt sie ja: Ich denke, du hattest eine ganze Reihe von Inspirationen, die dir selber noch unbegreiflich waren, die dich aber irgendwie packten. Daraufhin schriebst du schon sehr bald das Gedicht und stelltest es schnell hier rein. Das ist meine Mutmaßung. Das Gedicht liest sich wie eines, das noch nicht zu sich selbst gefunden hat bzw. bei dem du nicht den richtigen Zeitpunkt gewählt hast, um es reinzustellen. Lyrik entsteht ja, wenn sie gut ist, immer aus dem Unbewussten heraus und nicht aus Wissen, das in ansprechende Bilder gekleidet wird. Gleichzeitig ist das Gedicht immer ein fragiles Gebilde, wenn es noch allzu sehr in der Schwebe reiner Ahnung bleibt. Alles in allem muss man also den Zeitpunkt treffen, bei dem das Geheimnis hinter der eigenen Inspiration eine Richtung gefunden hat, bei dem es aber andererseits nicht vollkommen aufgelöst ist. Fängt man mit dem Schreiben zu spät an, kommt ein Text ohne jeden Mehrwert heraus, fängt man zu früh an, ist der Text zu vage, zweigt in zu viele Richtungen ab und bleibt in der Schwebe. Bei dem Gedicht hier ist m.E. zweiteres der Fall.

Ich merke das vor allem an der für mich willkürlichen Abfolge unterschiedlicher Bilder, die aber sehr klischeehaft angehaucht sind. Das "verlorene gesicht", "die nacht in deinen augen", "griffen nach dem leben", die "krähe": Das wirkt alles überladen und voller Versatzstücke, die leider bei mir (!) eher den Eindruck von Pseudo-Tiefsinn erwecken. Wenn du schon Nebel als Motiv verwendest, dann muss da etwas Unerwartetes kommen und nicht nur die Motive, die jeder Leser zuerst im Kopf hat. Zumindest ich dachte mir direkt nach dem Lesen der ersten "Nebelverse": Wann kommen die Krähen? Und sie kamen.
Was Potential hat, ist m.E. das Kirschgeröll. Sowieso wundere ich mich, dass die Kirschkerne hier so wenig Platz bekommen, wenn ihnen doch sogar der Titel gewidmet ist (?)
Ich würde gerne auf höherem Niveau kommentieren, aber dafür ist mir das noch zu unausgegoren. Ich würde empfehlen, es einige Tage liegen zu lassen und es danach nochmal zu lesen und herauszufinden, wo du hinwillst.

Ich hoffe, du kannst mit der Kritik was anfangen. Bitte nicht persönlich nehmen. Ich kritisiere dich nicht als Autor/in, sondern nur diesen Text.

Netten Gruß
Mettbrötchen
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finis
Klammeraffe
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Beiträge: 577
Wohnort: zurück
Die lange Johanne in Bronze


F
Beitrag03.09.2014 09:39

von finis
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Dear Mr. Mettbrötchen,

Vielen herzlichen Dank für Deine ehrliche Meinung (zum Text natürlich. Mich als Autor/in zu kritisieren dürfte Wissen erfordern, das Dir nicht zur Verfügung stehen sollte...) und vielen Dank für den Fremdblick auf den Text.

Ganz ehrlich: Mir schwant, dass ich den Text gewissermaßen ins Aus korrigiert habe. Und leider hast Du recht, so wie der Text momentan aussieht, müsste man da nur noch ein bisschen rosa und Pathos zufügen, um genau das zu erhalten, was ich nicht haben will. Und Pseudo-Tiefsinn erst recht nicht, klar.
Ich habe nochmals mit der Ursprungsversion, die, wenn ich ehrlich bin, tatsächlich wie von Dir vermutet eine Schnellschussversion war, verglichen und festgestellt, dass ich mittlerweile sehr weit davon entfernt bin und dass sie klarer strukturiert ist als das da oben. Mich hat an der Ursprungsversion vor allem gestört, dass da kaum ein Bild entstand, oder zumindest hatte ich den Eindruck. Beim Überarbeiten habe ich versucht das nachzubessern und dabei wohl gehörig übertrieben. Zu viele Motive: ich hatte gehofft, dass Steine/Geröll/Gebirge/Kirschkerne/Kirschen/usw. sich irgendwie verbinden lassen. Hat so wohl noch nicht funktioniert. Ich werde mir also jetzt beide Versionen nochmals vornehmen und zusammensetzen, was ich haben will und rausschmeißen, was raus muss.

Vielen herzlichen Dank Dir, wenn ich jetzt untertreiben wollte, könnte ich sagen, dass ich mit Deiner Kritik eine Menge anfangen konnte.
Liebe Grüße
Inkognito

P.S.:
Ich bin so verwegen und stelle die Ursprungsfassung unter Spoiler hier rein. Ist zwar auch nicht schön, aber auch nicht schlimmer als siehe oben. Wenn irgendjemandem etwas dazu einfällt - nur zu.

kirschkernspucken

du warst hinter mir und beinahe
hätte ich dich vergessen
trotzdem war dein tod schneller als ich
im morgendämmern steht er zwischen den kirschkernen
mitten im nebel ich konnte ihn erst nicht sehen
schnürsenkel kreuzweise gebunden
sohlen trittfest
das kirschgeröll kein sicherer grund
und an der felswand hängt ein falsches kalenderbild
ich stolpere über deine augen
weißt du noch
wir rissen die kirschen von den ästen
und sahen die nacht nicht kommen
die kerne flogen weit
sprangen vom felskamm
jetzt wacht dein tod dazwischen
ich rutsche ab mein rucksack ist schwer
in einer seitentasche verderben die erinnerungen
kirschsteine im schuh
aber zum umkehren ist es zu spät
im gebirge liegt mein atem begraben
bis ich ihn finde
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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag03.09.2014 10:12

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-



Hallo Inko,


für mich persönlich hat dein Prosagedicht [ die Umbruchprosa ... in diesem Fall eine echte Lyrik, mMn ] etwas Anziehendes ... [ einige Worte würde ich streichen ] ... meine auch, dass gerade diese Erzählweise hier sehr gut funktioniert.

Mir kam folgendes Bild in den Sinn:

Ein LI bemerkt eines Morgens – erstaunt, entrüstet, fragend ... – dass es mehr und mehr die lodernde, so lang schleichende Trauer um einen nahen Verstorbenen beenden will [ irgendwas in ihm ], es scheints passieren will; gerade an diesem Morgen wird es LI deutlich bewusst. Umso mehr wird LI bewusst, nun tatsächlich mit dem Auslaufen der brennenden Trauer auch jenen Verstorbenen als solchen akzeptieren zu müssen, als gehöre es ebenso dazu, einen auch ’Nebel dazwischen’ leben zu müssen.

[ im morgendämmern kommt mich dein tod besuchen ]

Als gehöre es ebenso dazu, dass manche Erinnerungen an ... verblassen werden ... müssen.

[ schreibe ich letter für letter in den nebel / hinter mir ruft eine krähe ich kann nichts sehen ]

Schaue ich zu den Krähen auf den Stromleitungen, zeigen sie mir die Spannbreite des Lebens: die Nacht, das Lebendige, die Stimmen, und da sind die Stromleitungen, die ein nach-vorne Weg, irgendwohin implizieren. / Li hat sich entscheiden können, wieder nach vorne zu gehen ... in sein eigenes Leben hinein.

[ krähen fädeln sich auf die stromleitungen / und ich kehre nicht um ]

Noch etwas zu den hier gesetzten Bilder zu den Kirschen [ für mich ein sehr gelungenes Kirschen-Gesamtbild ]. da ist einmal das Meta-Bild, das des Lebens, der Frische und Süße [ das, was beide zusammen erlebten ] – zugleich jene Kirschkerne, auf denen nicht gut Gehen ist – speziell hier gemeint: Li hat Jahre lang/wollte immer noch den Verlust-Schmerz zu LD wach halten ... bis zu diesem Morgen, jenes Erkennen wieder auf sich zurück.

[ das kirschgeröll kein sicherer grund
in meinem rucksack verderben die erinnerungen
die kirschen waren süß so viel weiß ich
]

... und mit dem Titel verbinde ich quasi jenen Erkenntnisakt / ICH_Möglichkeit, mich von den drückernden Kernen unter den Sohlen, in meinem ICH befreien zu können.

--------------------------------------------


Mal meine Kürzungen dazu [ klar, nur meine Brille Wink ]



kirschkernspucken


im morgendämmern kommt mich dein tod besuchen
schleicht sich zwischen die kirschkerne

die schnürsenkel kreuzweise gebunden suche ich
im nebel mein verlorenes gesicht
sehe ich wieder
die nacht in deinen augen
war jahrelang im verborgenen geblieben
wir griffen nach ... dem leben rissen es von den ästen
wort um wort kannte ich

dein lachen

schreibe ich letter für letter ins durchsicht in den nebel
hinter mir ruft eine krähe ich kann nichts sehen
taste mich voran auf trittfesten sohlen
ein stein im schuh
das kirschgeröll kein sicherer grund
in meinem rucksack verderben die erinnerungen
die kirschen waren süß so viel weiß ich
unter den kernen wacht dein tod
krähen fädeln sich auf die stromleitungen
und ich kehre nicht um

im gebirge liegt mein atem begraben
bis ich ihn finde


----------------------------------------------------------------------------------------------


Inko, gerne hier reingelesen, und differenziert diese zwischenzeilende Kirschen_Melange mal nachempfunden, von der ich meine, dass sie bewusst sehr gut in die Assoziation umgesetzt ist ... so, wie ich es gesehen habe ... Wink

Gruß, Stimmgabel ...


-
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Rainer Zufall
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 70
Beiträge: 801

Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag03.09.2014 16:30

von Rainer Zufall
Antworten mit Zitat

Liebes Inco,
jetzt hast du den Salat.
Ich finde deine Ursprungsversion eindeutig besser. Die verstehe ich nämlich. Sie erzählt mir eine Geschichte. Okay, vielleicht sind da ein paar Sprachraffler noch drin, auf die hab ich jetzt nicht geachtet, weil ich auch nicht weiß, wohin dich die Kommentare und deine Entscheidungen so treiben.
Aber für mich ist die Sache eindeutig. das Ursprungsgedicht ist viel klarer, die Struktur ist so viel eindeutiger.
Ich muss allerdings auch zugeben, dass ich von der Prosa her komme und oft mit den Umbrüchen gar nicht so viel anfangen kann.

Mit der ersten Version konnte ich nur teilweise (mit dem Anfang) was anfangen.
Ich schreib mal jeweils direkt was daneben, dann kannst du sehen, was ich meine.

Der Titel kirschkernspucken ist toll. Das ist so eine leichte, freche Tätigkeit, es hat was Kindliches, jeder hat das schon gemacht und versucht, irgendjemanden, möglichst einen, der was Weißes hatte, mit so einem Kirschkernabdruck zu verzieren. Von daher ein supergriffiges Bild, das kirschkernspucken.

Meine Eindrücke zur Version Post Nr. 1:

Zitat:
im morgendämmern kommt mich dein tod besuchen
schleicht sich zwischen die kirschkerne

Das klingt für mich, als würde ein LI sich in einer unvorhergesehenen Situation an den Tod eines geliebten Menschen erinnern. Eigentlich ist es eine schwere Erinnerung, denn sie kommt im Morgendämmern, macht also offensichtlich auch wach. Die Erinnerung bleibt, überfällt LI und drängt sich in eine Alltagssituation, in bekannte Dinge. Die Erinnerung schleicht sich eben in die Kirschkerne. LI will sie vielleicht loswerden. Denn:

Zitat:
die schnürsenkel kreuzweise gebunden suche ich
im nebel mein verlorenes gesicht

Du hast da einen Absatz zwischen kirschkerne und dem schnürsenkel. Dadurch würde ich  die Schnürsenkel auf das LI beziehen. Dann bedeutet das kreizweise Gebundene, dass LI verwirrt ist, durcheinander, über Kreuz mit allem eben. Der Tod des geliebten Menschen hat ihm (dem LI) auch Identität genommen, raubt ihm etwas. Weswegen ers sein Gesicht suchen muss.
Streng genommen könnte man die Schnürsenkel durch den Umbruch auch auf das Aussehen des Todes beziehen, aber das fällt schwer durch den Absatz.
Warum das LI sein Gesicht und nicht das der Toten/des Toten sucht, verstehe ich nicht ganz, ich interpretiere es eben so. Aber vielleicht soll es sagen, dass dem LI durch den Verlust und die eindringende Erinnerung das Sehen, das Gesicht, abhanden gekommen ist. Dann ist der Nebel fast redundant.

Zitat:
sehe ich wieder
die nacht in deinen augen
war jahrelang im verborgenen geblieben

sehe ich wieder lässt sich sowohl auf das eigene Gesicht beziehen, was ich eigentlich unpassend fände von meiner Interpretation her, ist aber auch auf die Nacht in den Augen des LD beziehbar. Diese Nacht deute ich als Schwermut, Depression, Melancholie, die diem LI eben leider entgangen war, so dass er eben nichts dagegen tun konnte, das LI darauf ansprechen konnte oder so. Sich vielleicht schuldig fühlt. Oder vielleicht meinst du mit der Nacht in den Augen auch nur den Tod. Jedenfalls ist
das etwas, was LI nun erneut heimsucht.

Zitat:
wir griffen nach dem leben rissen es von den ästen
wort um wort kannte ich
dein lachen
schreibe ich letter für letter in den nebel

der erste Satz ist super. Dieses Bild zeigt mir sehr deutlich, dass LI und LD ein Paar waren, das sehr intensiv gelebt hat. LI kannte LD sehr gut, und auch so intensiv, so gut, dass er das Lachen buchstabieren kann.
Und dann hast du da wieder den Nebel. Naja, dachte ich mir, das LI sucht halt jetzt, weil es alles verloren hat. Und das Bild für das Suchen und Sehnen nach der verlorenen Liebe ist das Schreiben des Laches in den Nebel. Vo daher ein schönes und berührendes Bild.

Und dann bin ich leider komplett ausgestiegen. Die Krähen, die Sohlen, das passte dann alles nicht mehr zu den Bildern, die ich mir zum ersten Teil entworfen habe.
Vor allem klingt es so, als würde die Krähe nichts sehen können. Das stört mich glaube ich am meisten. Ich interpretiere den zweiten Teil so, dass dem LI bei seiner Suche im Nebel nach der verlorenen Liebe und dem eigenen Gesicht die Erinnerungen abhanden kommen.
Die Trittfestigkeit der Sohlen ist für mich auch ein Widerspruch zu der Suche, die auf Kirschgeröll stattfindet. Also ich lass das mal jetzt, zu viel wirkt da disparat auf mich in diesem zweiten Teil, teilweise auch bemüht mit diesen Kräher, die sich auf die Stromleitung fädeln. Ich konnte damit dann leider gar nichts mehr anfangen und es zu meinen Anfangsassoziationen nicht mehr in Beziehung setzen. Aber das kann ja echt an mir liegen, dass ich mir selbst gerade im Wege stehe.
Zitat:
hinter mir ruft eine krähe ich kann nichts sehen
taste mich voran auf trittfesten sohlen
ein stein im schuh
das kirschgeröll kein sicherer grund
in meinem rucksack verderben die erinnerungen
die kirschen waren süß so viel weiß ich
unter den kernen wacht dein tod
krähen fädeln sich auf die stromleitungen
und ich kehre nicht um

im gebirge liegt mein atem begraben
bis ich ihn finde


So und jetzt zu deiner Ursprungsversion:
Zitat:
kirschkernspucken

du warst hinter mir und beinahe
hätte ich dich vergessen
trotzdem war dein tod schneller als ich
im morgendämmern steht er zwischen den kirschkernen
mitten im nebel ich konnte ihn erst nicht sehen
schnürsenkel kreuzweise gebunden
sohlen trittfest
das kirschgeröll kein sicherer grund
und an der felswand hängt ein falsches kalenderbild
ich stolpere über deine augen
weißt du noch
wir rissen die kirschen von den ästen
und sahen die nacht nicht kommen
die kerne flogen weit
sprangen vom felskamm
jetzt wacht dein tod dazwischen
ich rutsche ab mein rucksack ist schwer
in einer seitentasche verderben die erinnerungen
kirschsteine im schuh
aber zum umkehren ist es zu spät
im gebirge liegt mein atem begraben
bis ich ihn finde

Und das hier ist wirkklich ganz geradlinig die Erzählung eines LI, das glaubte, eine alte Liebe vergessen zu haben, sie war schon hinter ihm,  doch dann stirbt diese und dem LI ist es nicht mehr möglich, das LD tatsächlich zu vergessen. Also geht es auf die Suche.

Ich finde es sehr schön. Aber eventuell liegt das ja auch daran, dass es so prosahaft erzählend wirkt.
Aber geh, mir wär das wurscht.
Also mettbrötchen, bin gespannt, was du jetzt anfängst. Mit Salat oder wurscht. Passt auf jeden Fall zu mettbrötchen. Ohje. was für Kalauer.
Spannende Sache jedenfalls.
Viele Grüße von Zufall
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Aranka
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Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A
Beitrag03.09.2014 17:23

von Aranka
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Hallo Inko,

dein Gedicht löst bei mir durchaus Assoziationen aus und es entsteht ein Bild, dass sich ineinanderfügt. Für mich wären es eher ein paar Formulierungen, die man abklopfen könnte. Ich schreibe mal meine Lesegedanken und auch Fragezeichen in den Text.

Zitat:
im morgendämmern kommt mich dein tod besuchen
schleicht sich zwischen die kirschkerne


Das ist ein sehr gelungener Anfang. Er eröffnet mir ein JETZT! Einen Moment, der im Morgendämmern beginnt, wie ein Dämmern im LI. Da ist jemand/etwas gestorben, wie lange muss nicht benannt werden, JETZT kommt der Tod des LD zu Besuch, klopft (erneut) an und wird bewusst wahrgenommen und im Abstand auch anders. Er „schleicht“ (gut gewähltes Verb) sich zwischen die Kirschkerne. Und bei diesem Wort öffnet sich bei mir eine Menge. Diese Kerne sind übriggeblieben stehen für die gemeinsame Zeit der Kirschen, indenen das süße Fruchtfleisch galt. Und nun wagt der Tod sich hier in den zurück gebleibenen steinigen fleischlosen Rest einzuschleichen. Erst vielleicht sogar als Störung empfunden. Ich bin voller Lesererwartung nach einer solchen Eröffnung.

Zitat:
die schnürsenkel kreuzweise gebunden suche ich
im nebel mein verlorenes gesicht


Hier ist mir das „kreuzweise“ zu viel aber auch zu gewollt das „Kreuz“ ins Spiel gebracht. Ist unnötig. Das „verlorene Gesicht“ finde ich eine durchaus eigene Formulierung und passend, den Nebel etwas zu abgegriffen.

Zitat:
sehe ich wieder
die nacht in deinen augen
war jahrelang im verborgenen geblieben

wir griffen nach dem leben rissen es von den ästen
wort um wort kannte ich
dein lachen
schreibe ich letter für letter in den nebel


Ich markiere mal, worüber ich nachdenken würde: „Leben“ ist mir zu hoch gegriffen und gleichzeitig so nichtssagend allgemein. Hier könnte ein konkreter Stellvertreter für Leben stehen, einer der zu deiner Vorstellung passt. Auch hier würde ich den Nebel ersetzen. (Vielleicht ein bestimmtes Licht?)

Zitat:
hinter mir ruft eine krähe ich kann nichts sehen
taste mich voran auf trittfesten sohlen
ein stein im schuh
das kirschgeröll kein sicherer grund
in meinem rucksack verderben die erinnerungen
die kirschen waren süß so viel weiß ich
unter den kernen wacht dein tod
krähen fädeln sich auf die stromleitungen
und ich kehre nicht um


Diesem ganzen Schlussteil kann ich problemlos folgen, finde hier auch die Worte gut gewählt. Die Zeile: „die kirschen waren süß so viel weiß ich“ gibt einmal eine gute Festigkeit an der Stelle, sagen gleichzeitig auch etwas über den Reflexionsprozess des Li aus. Es sucht unter den verderbenden Erinnerungen.

Zitat:
im gebirge liegt mein atem begraben
bis ich ihn finde


Das ist für mich zu sehr pointisch und auch einen Tacken zu pathetisch für den sonst so „hand“festen Ton.

Vielleicht würde ich hier auch ein paar Leerzeilen setzen, die mir Luft geben. Ich denke, dass im Morgendämmern diese Gedanken und Bilder so nach und nach vor das LI treten und dann mit Verzögerung zu einem Ganzen werden. (ich setze einfach mal ein paar leerzeilen und markiere ROT, was ich ggf. ändern würde)

im morgendämmern kommt mich dein tod besuchen
schleicht sich zwischen die kirschkerne

die schnürsenkel kreuzweise gebunden suche ich
im nebel mein verlorenes gesicht
sehe ich wieder
die nacht in deinen augen

war jahrelang im verborgenen geblieben

wir griffen nach dem leben rissen es von den ästen
wort um wort kannte ich
dein lachen
schreibe ich letter für letter in den nebel

hinter mir ruft eine krähe ich kann nichts sehen

taste mich voran auf trittfesten sohlen
ein stein im schuh
das kirschgeröll kein sicherer grund

in meinem rucksack verderben die erinnerungen
die kirschen waren süß so viel weiß ich
unter den kernen wacht dein tod

krähen fädeln sich auf die stromleitungen
und ich kehre nicht um


Inko, vielleicht kannst du ja mit meinen Gedanken was anfangen. Ich habe deinen Text gerne gelesen. Liebe Grüße Aranka
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Lorraine
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Wohnort: France
Das goldene Stundenglas Ei 10
Lezepo 2017 Pokapro 2016


Beitrag04.09.2014 11:16
Re: kirschkernspucken
von Lorraine
Antworten mit Zitat

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
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im morgendämmern kommt mich dein tod besuchen
schleicht sich zwischen die kirschkerne

die schnürsenkel kreuzweise gebunden suche ich
im nebel mein verlorenes gesicht
sehe ich wieder
die nacht in deinen augen
war jahrelang im verborgenen geblieben
wir griffen nach dem leben rissen es von den ästen
wort um wort kannte ich
dein lachen
schreibe ich letter für letter in den nebel
hinter mir ruft eine krähe ich kann nichts sehen
taste mich voran auf trittfesten sohlen
ein stein im schuh
das kirschgeröll kein sicherer grund
in meinem rucksack verderben die erinnerungen
die kirschen waren süß so viel weiß ich
unter den kernen wacht dein tod
krähen fädeln sich auf die stromleitungen
und ich kehre nicht um

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bis ich ihn finde




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Hallo Ink.,

Vielleicht hätte ich es tun sollen. Dies hier spontan kommentieren, meinem Gefallen, meiner Zustimmung und meiner Kritik Ausdruck verlehen, solange der erste Lese-Eindruck noch frisch war. Ich habe das versäumt, und es wird mir schwerfallen, mich meiner eigenen Gedanken zu erinnern, bzw. kann das Folgende vom Verlauf des Fadens nicht unbeeinflusst bleiben. Aber egal.
Mir geht dieser Text sehr nahe. So nahe, dass ich ihn gar nicht mehr vom Standpunkt eines neutralen Beobachters lesen könnte. Die zuerst vorgestellte Version ist für mich die "gültige", auch die bessere - sie hat alles, was sie braucht, nicht viel, was zuviel wäre oder sein könnte.

In diesem Gedicht ist der Tod ... lebendig. Er kommt, er ist da und wacht, er schleicht. Auch deshalb hat sich bei mir die Lesart festgesetzt (und sie ist hartnäckig), dass dieser Tod noch gar nicht wirklich stattgefunden hat.
LI begegnet ihm. Will ihm begegnen, hat einen Entschluss gefasst, gegen Widerstände vielleicht (... ihr könnt mich mal kreuzweise), weil es sein Gesicht verloren hat, vor langer Zeit möglicherweise, aber es will sich jetzt stellen, auf etwas zugehen, diesen Berg bezwingen (Schuld? Schuldgefühl? Unterlassungssünde?) Es geht nicht um Umkehr, doch um einen Versuch, das Fragile, die verblassenden Erinnerungen, all das, was ja mitgeschleppt wird, schwer wiegt, wichtig ist oder war, solcherart zu positionieren, dass LI sein Leben, seine Kraft wieder finden kann. Und LI wird nicht umkehren, auch wenn es mehr als unsicher erscheint, wann und ob es seinen Atem finden wird.

Die Metapherngruppe um "Kirschen" und "Kirschkerne" funktioniert für mich sehr gut, "kirschkernspucken" hat für mich so etwas wie "Pferde stehlen" mit einer/einem, mit dem gut Kirschen essen ist. Und Kirschen vom Baum zu essen, das (pralle, saftige) Leben vom Ast zu reissen, das süsse Leben ... alles spricht von grosser Nähe und sogar von Freundschaft, trotz der Liebe.

Was blieb: Berge von Kernen, Steinen, Geröllhalden. Ein Stein im Schuh.
Wie gesagt, alles fügt sich für mich in diese Lesart, es gibt nur einen Vers:

Zitat:
schreibe ich letter für letter in den nebel


der mich gebremst hat. Als geradezu stören empfand ich das Wort "letter", es wirkt artifiziell, natürlich wären "Buchstabe" oder "Schriftzeichen" keine Alternative, also könnte man vielleicht (?)
"wort um wort kannte ich
dein lachen
schreibe ich [...] weiter [...]"

Vielleicht ist auch zuviel "nebel" (auch wegen der Nebelkrähen) problematisch, aber ich will mich nicht weiter vorwagen, du scheinst ohnehin schon über Veränderungen nachzudenken.

Wärst du nicht inkognito unterwegs, hätte ich das per PN geschickt, aber was soll's. Ich mag das Gedicht sehr, da geht einer vorwärts.

Lorraine
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finis
Klammeraffe
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F
Beitrag04.09.2014 12:00

von finis
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Hallo Stimmgabel,

Dein Besuch freut mich sehr, klar - und natürlich auch, dass die Erzählweise hier für Dich funktioniert. [und das "echte Lyrik" erst recht]

Stimmgabel hat Folgendes geschrieben:

Mir kam folgendes Bild in den Sinn:

Ein LI bemerkt eines Morgens – erstaunt, entrüstet, fragend ... – dass es mehr und mehr die lodernde, so lang schleichende Trauer um einen nahen Verstorbenen beenden will [ irgendwas in ihm ], es scheints passieren will; gerade an diesem Morgen wird es LI deutlich bewusst. Umso mehr wird LI bewusst, nun tatsächlich mit dem Auslaufen der brennenden Trauer auch jenen Verstorbenen als solchen akzeptieren zu müssen, als gehöre es ebenso dazu, einen auch ’Nebel dazwischen’ leben zu müssen.

Genau das Bild. Genau das. Das langwährende Schleichen und dann aus irgendeinem Grund das Bedürfnis, sich dem zu Stellen Abschied zu nehmen, weiterzugehen, die Situation als solche zu akzeptieren.

Zitat:
Als gehöre es ebenso dazu, dass manche Erinnerungen an ... verblassen werden ... müssen.

Ja und: die Vertrautheit, die trotzdem dableibt. Das nicht komplett zurück lassen, aber ad acta legen.

Zitat:
Schaue ich zu den Krähen auf den Stromleitungen, zeigen sie mir die Spannbreite des Lebens: die Nacht, das Lebendige, die Stimmen, und da sind die Stromleitungen, die ein nach-vorne Weg, irgendwohin implizieren. / Li hat sich entscheiden können, wieder nach vorne zu gehen ... in sein eigenes Leben hinein.
Genau. Der Entschluss wird hier gefasst. Deshalb waren mir die Krähen wichtig, deshalb habe ich sie überhaupt dazu genommen, weil sie eine Art Außenwelt sind, unberührt vom LI.

Zitat:
Noch etwas zu den hier gesetzten Bilder zu den Kirschen [ für mich ein sehr gelungenes Kirschen-Gesamtbild ]. da ist einmal das Meta-Bild, das des Lebens, der Frische und Süße [ das, was beide zusammen erlebten ] – zugleich jene Kirschkerne, auf denen nicht gut Gehen ist – speziell hier gemeint: Li hat Jahre lang/wollte immer noch den Verlust-Schmerz zu LD wach halten ... bis zu diesem Morgen, jenes Erkennen wieder auf sich zurück.
[...]
... und mit dem Titel verbinde ich quasi jenen Erkenntnisakt / ICH_Möglichkeit, mich von den drückernden Kernen unter den Sohlen, in meinem ICH befreien zu können.
Freut mich sehr! Und: Ja, ganz genau, es ist schön, das diese Bilder so bei Dir ankommen können [hatte schon befürchtet...]

Deine Kürzungen decken sich größtenteils mit Arankas und greifen - so wie ich das verstehe - auch einiges von dem auf, was Mettbrötchen und Lorraine gestört hat. Der Nebel ist sicherlich ein zu viel hier,  Dein "durchsicht" gefällt mir sehr, habe auch über "zwischenlicht" nachgedacht. Die Streichungen finde ich so auf jeden Fall sehr sinnvoll - danke für Deine Brille!

Vielen herzlichen Dank für's Kommentieren!
Liebe Grüße
Inko


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"Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky)
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Beitrag04.09.2014 23:41

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Ich suche vielleicht oft etwas zu Konkretes in Gedichten. Hier lese ich Kindheitserinnerungen. Und vielleicht einen Unfall mit tödlichem Ausgang bei einer Gebirgswanderung?
Und beides vermischt sich?

Die lettern erscheinen mir fremd darin.

Und ich frage mich, ob die letzten beiden Zeilen nötig sind.
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finis
Klammeraffe
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Beitrag05.09.2014 10:11

von finis
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Liebe Zufall,

Mein herzliches Dankeschön für's Kommentieren!

Zitat:
jetzt hast du den Salat.

In der Tat.
--- fehlt noch die Sauce...

Zitat:
Ich finde deine Ursprungsversion eindeutig besser. Die verstehe ich nämlich. Sie erzählt mir eine Geschichte. Okay, vielleicht sind da ein paar Sprachraffler noch drin, auf die hab ich jetzt nicht geachtet, weil ich auch nicht weiß, wohin dich die Kommentare und deine Entscheidungen so treiben.
Aber für mich ist die Sache eindeutig. das Ursprungsgedicht ist viel klarer, die Struktur ist so viel eindeutiger.
Ich muss allerdings auch zugeben, dass ich von der Prosa her komme und oft mit den Umbrüchen gar nicht so viel anfangen kann.
Ich weiß, was Du meinst, kann es mir zumindest vorstellen. War auch der Grund aus dem ich die Ursprungsversion überhaupt eingestellt habe - wenn man an dem, was dann daraus wurde überhaupt nicht andocken kann, dann müsste es spätestens hier möglich sein. Ich hatte die Hoffnung, eine relativ konkrete Idee davon zu bekommen, woran es in Version zuerst eingestellt hakt/mangelt/was zu viel ist, und diese hat sich prompt erfüllt. Jetzt habe ich Arbeit. Die hatte ich allerdings vorher auch, nur wusste ich es nicht, zumindest nicht so ganz genau. (Stellt sich die Frage, was besser ist...) Werde dann versuchen Post 1 in jeglichem Sinne etwas zu entnebeln, ich denke, dass wird der ganzen Sache guttun.

Zitat:
Der Titel kirschkernspucken ist toll. Das ist so eine leichte, freche Tätigkeit, es hat was Kindliches, jeder hat das schon gemacht und versucht, irgendjemanden, möglichst einen, der was Weißes hatte, mit so einem Kirschkernabdruck zu verzieren. Von daher ein supergriffiges Bild, das kirschkernspucken.
Freut mich sehr!

Zitat:
Das klingt für mich, als würde ein LI sich in einer unvorhergesehenen Situation an den Tod eines geliebten Menschen erinnern. Eigentlich ist es eine schwere Erinnerung, denn sie kommt im Morgendämmern, macht also offensichtlich auch wach. Die Erinnerung bleibt, überfällt LI und drängt sich in eine Alltagssituation, in bekannte Dinge. Die Erinnerung schleicht sich eben in die Kirschkerne. LI will sie vielleicht loswerden.
Ja.

Zitat:
Du hast da einen Absatz zwischen kirschkerne und dem schnürsenkel. Dadurch würde ich die Schnürsenkel auf das LI beziehen. Dann bedeutet das kreizweise Gebundene, dass LI verwirrt ist, durcheinander, über Kreuz mit allem eben. Der Tod des geliebten Menschen hat ihm (dem LI) auch Identität genommen, raubt ihm etwas. Weswegen ers sein Gesicht suchen muss.
Streng genommen könnte man die Schnürsenkel durch den Umbruch auch auf das Aussehen des Todes beziehen, aber das fällt schwer durch den Absatz.  
Soll auch. Ich finde jetzt die Idee eines Todes mit überkreuz gebundenen Schnürsenkeln zwar reizvoll, war nur nicht die Idee bei der Sache, das kreuzweise habe ich mittlerweile auch mit Fragezeichen versehen. Es geht mir schon um die Schnürsenkel des LI.

Zitat:
Warum das LI sein Gesicht und nicht das der Toten/des Toten sucht, verstehe ich nicht ganz, ich interpretiere es eben so. Aber vielleicht soll es sagen, dass dem LI durch den Verlust und die eindringende Erinnerung das Sehen, das Gesicht, abhanden gekommen ist. Dann ist der Nebel fast redundant.
Wer verliert wessen Gesicht? Ich hatte versucht das im Sinne von dem mir abhanden gekommenen Gesicht zu setzen. Gleichzeitig "mein" Gesicht, das "ich" verloren habe, also meine verlorene Identität, die Frage, wer bin ich überhaupt und auch eine Art von Schuld oder schlechtem Gewissen spielen da für mich mit rein. Andererseits eben auch: Für das LI ist das LDU eben "mein verlorenes Gesicht", das Gesicht, das mir verloren gegangen ist, an das ich mich auch nicht mehr so klar erinnern kann, wie ich es gern würde. Das Münzen auf das LDU funktioniert wahrscheinlich eher nicht. Ist die Frage, wie wichtig das für das Gesamtgedicht ist, habe hier den Eindruck, dass es auch so ganz gut funktioniert.

Zitat:
sehe ich wieder lässt sich sowohl auf das eigene Gesicht beziehen, was ich eigentlich unpassend fände von meiner Interpretation her, ist aber auch auf die Nacht in den Augen des LD beziehbar. Diese Nacht deute ich als Schwermut, Depression, Melancholie, die diem LI eben leider entgangen war, so dass er eben nichts dagegen tun konnte, das LI darauf ansprechen konnte oder so. Sich vielleicht schuldig fühlt. Oder vielleicht meinst du mit der Nacht in den Augen auch nur den Tod. Jedenfalls ist
das etwas, was LI nun erneut heimsucht.
Das "sehe ich wieder" ist tatsächlich doppelt im Bezug gedacht - quasi die Materialisierung dessen, was man sucht und dessen, woran man sich erinnert, dieses plötzlich stand es mir wieder vor Augen.
Ja. So habe ich mir das mit der Nacht in etwa gedacht.

Zitat:
der erste Satz ist super. Dieses Bild zeigt mir sehr deutlich, dass LI und LD ein Paar waren, das sehr intensiv gelebt hat. LI kannte LD sehr gut, und auch so intensiv, so gut, dass er das Lachen buchstabieren kann.
Und dann hast du da wieder den Nebel. Naja, dachte ich mir, das LI sucht halt jetzt, weil es alles verloren hat. Und das Bild für das Suchen und Sehnen nach der verlorenen Liebe ist das Schreiben des Laches in den Nebel. Vo daher ein schönes und berührendes Bild.
Danke.
Und ob es den Nebel da wirklich braucht? Vermutlich nicht, mal sehen, ich mache mich auf die Suche.

Zitat:
Und dann bin ich leider komplett ausgestiegen. Die Krähen, die Sohlen, das passte dann alles nicht mehr zu den Bildern, die ich mir zum ersten Teil entworfen habe.
Das finde ich natürlich schade, ist aber verständlich.

Zitat:
Vor allem klingt es so, als würde die Krähe nichts sehen können. Das stört mich glaube ich am meisten. Ich interpretiere den zweiten Teil so, dass dem LI bei seiner Suche im Nebel nach der verlorenen Liebe und dem eigenen Gesicht die Erinnerungen abhanden kommen.
Die Krähe sieht ja auch nichts. Das war schon in beide Richtungen gemeint. Ich  glaube nicht, dass das lyrische Ich im Nebel alles verliert. Für mich macht es eher reinen Tisch mit sich selbst.

Zitat:
Die Trittfestigkeit der Sohlen ist für mich auch ein Widerspruch zu der Suche, die auf Kirschgeröll stattfindet.
Das ist so gewollt.

Zitat:
Also ich lass das mal jetzt, zu viel wirkt da disparat auf mich in diesem zweiten Teil, teilweise auch bemüht mit diesen Kräher, die sich auf die Stromleitung fädeln.
disparat und bemüht ist definitiv nicht so gewollt. Ich werde mich bemühen zu reparieren.

----
Ursprung:
Zitat:
Und das hier ist wirkklich ganz geradlinig die Erzählung eines LI, das glaubte, eine alte Liebe vergessen zu haben, sie war schon hinter ihm, doch dann stirbt diese und dem LI ist es nicht mehr möglich, das LD tatsächlich zu vergessen. Also geht es auf die Suche.

Ich finde es sehr schön. Aber eventuell liegt das ja auch daran, dass es so prosahaft erzählend wirkt.
Aber geh, mir wär das wurscht.
Wie gesagt, ich verstehe, was Du meinst, aber mir gefällt's nicht wirklich. Mir ist das zu glatt und geht auch schrittweise an dem vorbei, was ich mir vorgestellt habe. Da fehlt für mich einiges, was erst oben angelegt ist. Ich könnte mir auch vorstellen, dass das mit gar nicht so aufwendigen oder großen Änderungen nochmal ganz anders wirkt und rüberkommt. Werden wir ja sehen, wenn ich überarbeitet habe.
Spannend? Ich hoffe doch.

Liebe Grüße und ein Danke für das ausführliche Einlassen - - -
Inco
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finis
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Beitrag06.09.2014 21:52

von finis
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Liebe Aranka,

Freut mich sehr, dass Du Dich zu dem Text äußerst.

Zitat:
dein Gedicht löst bei mir durchaus Assoziationen aus und es entsteht ein Bild, dass sich ineinanderfügt.
Das freut mich dabei natürlich besonders.

Zitat:
Für mich wären es eher ein paar Formulierungen, die man abklopfen könnte.
In der Tat.

Zitat:
Das ist ein sehr gelungener Anfang. Er eröffnet mir ein JETZT! Einen Moment, der im Morgendämmern beginnt, wie ein Dämmern im LI. Da ist jemand/etwas gestorben, wie lange muss nicht benannt werden, JETZT kommt der Tod des LD zu Besuch, klopft (erneut) an und wird bewusst wahrgenommen und im Abstand auch anders. Er „schleicht“ (gut gewähltes Verb) sich zwischen die Kirschkerne. Und bei diesem Wort öffnet sich bei mir eine Menge. Diese Kerne sind übriggeblieben stehen für die gemeinsame Zeit der Kirschen, in denen das süße Fruchtfleisch galt. Und nun wagt der Tod sich hier in den zurück gebliebenen steinigen fleischlosen Rest einzuschleichen. Erst vielleicht sogar als Störung empfunden. Ich bin voller Lesererwartung nach einer solchen Eröffnung.
Ich fand den Einstieg auch gelungen, sage ich mal so ganz unbescheiden. Die Frage, die ich mir dann nur stelle, ist ob es mir gelingt die Spannung zu halten, ob der gelungene Anfang nicht mehr verspricht, als ich in den folgenden Versen erfüllen kann. Da hatte ich hier doch große Bedenken, dass gegen das Anfangsbild der Rest einfach nur blass und halbherzig oder eher etwas kraftlos wirkt. Ist eben auch eine Schwierigkeit bei starken Bildern, oder Bildern, die ich als stark empfinde, und zwar sie richtig zu setzen, so dass sie noch genug Raum haben, aber nicht zu viel und so, dass die weiteren Verse sich harmonisch dazufügen und nicht wie angeklebt wirken. Die Textteile sollen ja im Großen und Ganzen nicht disparat wirken, sondern sich zusammenfügen - es sei denn man legt es genau darauf an: alles disparat zusammenzuflicken, aber selbst dann gibt es doch gewisse Nahtstellen, die man sauber zusammenfügen muss, sonst hängt da nur ein müder Lappen, der mehr sein will als er ist.
Aber zurück zum Text: Freut mich, dass das Bild so ungefiltert bei Dir angekommen ist - schön, dass es dem Text so gelingt.

Zitat:
Hier ist mir das „kreuzweise“ zu viel aber auch zu gewollt das „Kreuz“ ins Spiel gebracht. Ist unnötig. Das „verlorene Gesicht“ finde ich eine durchaus eigene Formulierung und passend, den Nebel etwas zu abgegriffen.
"kreuzweise" sehe ich ein (das Kreuz fällt mir jetzt erst auf, ist aber tatsächlich zu plump), den Nebel auch. Danke für die Rückmeldung zum Gesicht.

Zitat:
Ich markiere mal, worüber ich nachdenken würde: „Leben“ ist mir zu hoch gegriffen und gleichzeitig so nichtssagend allgemein. Hier könnte ein konkreter Stellvertreter für Leben stehen, einer der zu deiner Vorstellung passt. Auch hier würde ich den Nebel ersetzen. (Vielleicht ein bestimmtes Licht?)
Ja, die großen Worte zu verwenden ist immer problematisch, das "Leben" bleibt hier als Begriff zu leer, da hast Du recht. Auch der Nebel, den man vermutlich besser gar nicht benutzen sollte - ich habe mir hier schon einige Gedanken gemacht, es gibt einige Möglichkeiten hier nochmal die Dämmerung zu bemühen, oder Wolken, Stimmgabels "durchsicht" mochte ich sehr, weil es den Nebel direkt vermeidet aber etwas Ähnliches vermittelt.
Frage mich: Gibt es etwas wie ein Haltbarkeitsdatum für Wörter? Wie lange, wie oft kann man ein Wort verwenden? Es scheint doch immer der Zeitpunkt zu kommen, an dem man nach Neuem suchen muss

Zitat:
Diesem ganzen Schlussteil kann ich problemlos folgen, finde hier auch die Worte gut gewählt. Die Zeile: „die kirschen waren süß so viel weiß ich“ gibt einmal eine gute Festigkeit an der Stelle, sagen gleichzeitig auch etwas über den Reflexionsprozess des Li aus. Es sucht unter den verderbenden Erinnerungen.
Das freut mich enorm. Auch das bezüglich der Festigkeit, das ist mir sehr wichtig.

Zitat:
Das ist für mich zu sehr pointisch und auch einen Tacken zu pathetisch für den sonst so „hand“festen Ton.
Stimmt. Müsste man - wenn überhaupt - anders machen.

Zitat:
Vielleicht würde ich hier auch ein paar Leerzeilen setzen, die mir Luft geben. Ich denke, dass im Morgendämmern diese Gedanken und Bilder so nach und nach vor das LI treten und dann mit Verzögerung zu einem Ganzen werden. (ich setze einfach mal ein paar leerzeilen und markiere ROT, was ich ggf. ändern würde)
Die Leerzeilen sind sicherlich auch eine gute Möglichkeit, um der Überladung entgegenzuwirken, die Bilder etwas zu vereinzeln, zu verallmählichen. Vielen herzlichen Dank für den Rat!

Danke, Aranka, dass Du hereingeschaut hast und für Deine Hilfe!
Liebe Grüße
Inko
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finis
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Beitrag09.09.2014 10:33

von finis
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Liebe Lorraine,

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar.

Zitat:
Die zuerst vorgestellte Version ist für mich die "gültige", auch die bessere - sie hat alles, was sie braucht, nicht viel, was zuviel wäre oder sein könnte.
für mich ist sie auch gültiger, echter. Und es ist wichtig für mich, dass sie auch etwas auslösen kann.

Zitat:
In diesem Gedicht ist der Tod ... lebendig. Er kommt, er ist da und wacht, er schleicht. Auch deshalb hat sich bei mir die Lesart festgesetzt (und sie ist hartnäckig), dass dieser Tod noch gar nicht wirklich stattgefunden hat.
Ja, er lebt und warum trifft mich Deine Lesart jetzt so? Beim Schreiben dachte ich an, nein, ich dachte eben nicht daran. Fühle mich jetzt irgendwie ertappt. Ob es nicht um etwas ganz anderes geht, als ich dachte? Ob das lyrische Ich nicht vielleicht einem bevorstehenden Tod begegnet? Es ist beides möglich, es ist - so wie es aussieht - sogar beides angelegt, ich weiß es nicht. Fragen wir den Text, vielleicht weiß er es.

Zitat:
LI begegnet ihm. Will ihm begegnen, hat einen Entschluss gefasst, gegen Widerstände vielleicht (... ihr könnt mich mal kreuzweise), weil es sein Gesicht verloren hat, vor langer Zeit möglicherweise, aber es will sich jetzt stellen, auf etwas zugehen, diesen Berg bezwingen (Schuld? Schuldgefühl? Unterlassungssünde?)
Ja. Da legst Du den Finger ganz genau auf die offene Wunde. Schuld ist hier sicherlich auch ein Thema, Unterlassung, Schuldgefühl, schlechtes Gewissen. (wieder dieses Ertapptsein)

Zitat:
Es geht nicht um Umkehr, doch um einen Versuch, das Fragile, die verblassenden Erinnerungen, all das, was ja mitgeschleppt wird, schwer wiegt, wichtig ist oder war, solcherart zu positionieren, dass LI sein Leben, seine Kraft wieder finden kann. Und LI wird nicht umkehren, auch wenn es mehr als unsicher erscheint, wann und ob es seinen Atem finden wird.
Genau, es geht darum, einen Weg nach vorne zu finden, einen eigenen Weg und das Vergangene nicht zu vergessen, nicht wegzuschließen, aber abzuschließen, ad acta zu legen und seinen eigenen Atem zu finden. Selbst zu sein und mehr zu sein als die Erinnerung. Mehr als die Summe dessen, was man nicht getan hat.

Zitat:
Die Metapherngruppe um "Kirschen" und "Kirschkerne" funktioniert für mich sehr gut, "kirschkernspucken" hat für mich so etwas wie "Pferde stehlen" mit einer/einem, mit dem gut Kirschen essen ist. Und Kirschen vom Baum zu essen, das (pralle, saftige) Leben vom Ast zu reissen, das süsse Leben ... alles spricht von grosser Nähe und sogar von Freundschaft, trotz der Liebe.
Manchmal verschwimmen die Grenzen, manchmal weiß man es nicht und muss es nicht wissen. Gibt es einen kategorisierenden Begriff für diese Nähe? Hier braucht es ihn - glaube ich - nicht. Das "Pferde stehlen" gefällt mir als Assoziation, hat etwas Übermütiges, Überschwängliches, Unüberlegtes.

Zitat:
Als geradezu stören empfand ich das Wort "letter", es wirkt artifiziell, natürlich wären "Buchstabe" oder "Schriftzeichen" keine Alternative, also könnte man vielleicht (?)
"wort um wort kannte ich
dein lachen
schreibe ich [...] weiter [...]"

Kann ich gut verstehen, die Alternative gefällt mir. Ich probiere mit der Stelle auch noch ein bisschen hin und her. Danke!

Vielen herzlichen Dank für Deinen Besuch. War mir eine Ehre.
Ink.
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Beitrag12.09.2014 22:14

von finis
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Liebe firstoffertio,

Denke, dass hinter den meisten Gedichten ja auch etwas sehr Konkretes steckt - auch wenn es als Gedicht vielleicht nicht mehr konkret wirkt.
Es geht hier tatsächlich um das Verwischen der Grenzen; das Vermischen von Kindheitserinnerungen mit dem Jetzt, mit dem Gebirge im Nebel.

Die Lettern sind auch noch nicht optimal, da hast Du recht.

Ob die letzten beiden Zeilen nötig sind? Auf jeden Fall nicht so, wie sie jetzt gerade da stehen. Anders vielleicht.

- Liebe Grüße
Whoever
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Beitrag14.09.2014 23:24

von finis
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.





kirschkernspucken


im morgendämmern kommt mich dein tod besuchen
schleicht sich zwischen die kirschkerne

die schnürsenkel gegen den wind gebunden
suche ich
mein verlorenes gesicht
begegnet mir
die nacht in deinen augen
jahrelang im verborgenen geblieben

dein lachen
schreibe ich fältchenweise ins durchsicht

wir griffen nach dem pulsschlag rissen die früchte von den ästen
zählten die stunden nicht

mein atem krallt sich in die bergspitzen
klemmt unter felsbrocken noch
außer reichweite

hinter mir ruft ein vogel ich
kann nichts sehen
taste mich vorwärts auf trittfesten sohlen
ein stein im schuh
das kirschgeröll kein sicherer grund

in meinem rucksack verderben die erinnerungen
die kirschen waren süß so viel weiß ich
unter den kernen wacht dein tod

krähen fädeln sich auf die stromleitungen
und ich kehre nicht um





.
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Lorraine
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Beitrag17.09.2014 04:59

von Lorraine
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Hallo Ink.

Schon seltsam. Ich finde es überaus schwierig, hier noch einmal anzusetzen, sich auf eine neue Version einzulassen, wenn man (wie ich) mit einem Text so fast gar kein Problem hatte (abgesehen von Details, die ich aber nach einiger Zeit als dem Gedicht zugehörig und Ausdruck einer zu respektierenden Andersartigkeit im Gegensatz (z.B.) zur eigenen Bilder-/Sprachwelt erlebe.
Ich merke auch, wie ich mich schon an den eingangs geposteten Text "gewöhnt" habe, wie ich diese überarbeitete Version nicht mit dem "Film" verknüpfen kann, den ich immernoch sehe, sobald ich kirschkernspucken wieder anklicke. Das sind die Gründe dafür, warum ich mich jetzt erst wieder melde. Das hilft dir natürlich nicht weiter, was die neue Version betrifft, ich wollte das aber festhalten.

Ein Beispiel, trotzdem:

Zitat:
die schnürsenkel kreuzweise gebunden suche ich
im nebel mein verlorenes gesicht


Zitat:
die schnürsenkel gegen den wind gebunden
suche ich
mein verlorenes gesicht


Trotz aller Vorbehalte gegen das ewig Nebelige in Gedichten: Die Verse der ersten Version lassen bei mir ein vollständigeres Eingangsszenario entstehen, mir ist klarer, dass gesucht werden muss wohingegen der Widerstand in der zweiten Version ein ganz anderer ist, weniger mit "Sicht" zu tun hat, das Tastende ist fort, "kreuzweise" verschwindet zu Gunsten des "gegen den Wind" - für mich ein Verlust an dieser Stelle, wie schon gesagt: Das, was "mein" kirschkernspucken war, geht mir verloren.

Also ... tut mir Leid, dass ich nicht mehr beitragen kann, zu dem, was die "Werkstatt" ja eigentlich soll oder will ...
GlG
Lorraine
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Beitrag17.09.2014 07:47

von Aranka
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Hallo Inko,

wenn ich zwischen den beiden Versionen die auswählen sollte, die mich mehr anspricht, wäre es die erste.

Für mich wären da nur zwei drei Wörter zu überdenken gewesen und vielleicht zu ersetzen, falls du "bessere" finden würdest. Hier bekommt der Text einen anderen Charakter.

"gegen den Wind" ist nur einBeispiel. Es ist mMn keine gute Wahl: ich kenne den Ausdruck in andere Zusammenhängen und passt für mich hier nicht. Braucht das Schuhe binden eigentlich ein Adjektiv an der Stelle?  

Es ist nie einfach, an einen Text zu arbeiten, der schon sehr stimmig ist. Das kam nur behutsam erfolgen. Für mich ist hier ein zu viel passiert.

Liebe Grüße Aranka
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Beitrag17.09.2014 19:03

von finis
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Liebe Lorraine,

Danke.

Zitat:
Schon seltsam. Ich finde es überaus schwierig, hier noch einmal anzusetzen, sich auf eine neue Version einzulassen, wenn man (wie ich) mit einem Text so fast gar kein Problem hatte (abgesehen von Details, die ich aber nach einiger Zeit als dem Gedicht zugehörig und Ausdruck einer zu respektierenden Andersartigkeit im Gegensatz (z.B.) zur eigenen Bilder-/Sprachwelt erlebe.
Ich merke auch, wie ich mich schon an den eingangs geposteten Text "gewöhnt" habe, wie ich diese überarbeitete Version nicht mit dem "Film" verknüpfen kann, den ich immernoch sehe, sobald ich kirschkernspucken wieder anklicke.
Interessant.
Schwierig war, also ist, es für mich auch. Es ist nicht, dass ich nicht gewillt bin, daran zu arbeiten, es fällt mir allerdings schwer, ich befürchte, dass viele Änderungen dadurch doch zu plump wirken. Offensichtlich ist ungefähr das Gegenteil von dem passiert, was ich bewirken wollte: Angesichts dessen, dass es so schwierig zu sein schien, den Text konkret zu fassen, einen Film zu entwickeln, wollte ich - habe ich - vielleicht habe ich ihn zu sehr zerklüftet, zu sehr aufgespalten. Es freut mich auf jeden Fall, dass Du auch schon bei der ersten Version einen starken, tragfähigen Film entwickeln konntest - das ist mehr, als ich mir erhofft hatte.
Störende Details - respektieren einer Andersartigkeit - sehr interessant, wirklich, würde mich auch interessieren, was das für Details gewesen sind, gar nicht aus konkreten Änderungsgründen, sondern mehr aus allgemeinem Interesse. Vielleicht ist genau das auch das übergeordnete Problem beim Arbeiten hieran; ich hatte beim Lesen der Kommentare den Eindruck, dass der Text auf eine gewisse Art und Weise eigenwillig und vielleicht sogar unwillig oder widerspenstig ist - was ich überhaupt nicht erwartet hätte - und vielleicht liegt das tatsächlich an solchen Details, die sich für fremde Bilder- und Sprachwelten nicht einordnen lassen. Fragt sich, wie vernünftig dosiert die sind. Und ab wann sie zu respektieren sind und ab wann sie den Zugang versperren.

Zitat:
Trotz aller Vorbehalte gegen das ewig Nebelige in Gedichten: Die Verse der ersten Version lassen bei mir ein vollständigeres Eingangsszenario entstehen, mir ist klarer, dass gesucht werden muss - wohingegen der Widerstand in der zweiten Version ein ganz anderer ist, weniger mit "Sicht" zu tun hat, das Tastende ist fort, "kreuzweise" verschwindet zu Gunsten des "gegen den Wind" - für mich ein Verlust an dieser Stelle, wie schon gesagt: Das, was "mein" kirschkernspucken war, geht mir verloren.
Hmm. Verstehe ich. Habe versucht den direkten Nebel gewissermaßen zu meiden, aber vielleicht gehört er so hierhin. Vielleicht braucht es den Nebel wie er ist ohne Kunstgriff und ehrlich. Wahrscheinlich öffnet das mehr, als mein Versuch die Klischee- und Pathosgefielde zu meiden...

Danke für Deine Hilfe!
Herzlichst -
"l'encre"/ink.
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Beitrag20.09.2014 19:13

von finis
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Liebe Aranka,

Danke, dass Du auch einen Blick auf die neue Version geworfen hast.

Zitat:
Es ist nie einfach, an einen Text zu arbeiten, der schon sehr stimmig ist. Das kam nur behutsam erfolgen. Für mich ist hier ein zu viel passiert.

Ich gehe nochmal zurück zum Anfang, ohne vielleicht ganz so viel zu wollen oder zu erzwingen. Ich traue dem ersten Text nur nicht ganz, und ich traue mir nicht. Offensichtlich führt das dazu, dass ich beim Überarbeiten Chirurgenmesser und Holzfälleraxt verwechsele. Ja, der neue Text ist ein anderer. Das sollte so nicht passieren, es sollte ein besserer werden. Nächster Versuch. Ich suche weiter. Wahrscheinlich hast Du auch recht: Am besten einfach nur die Schnürsenkel binden, das muss reichen, man kann dann nur noch hoffen, dass sie auch fest sitzen.

Vielen herzlichen Dank für den Außenblick -
Liebe Grüße
Inko
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