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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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18.07.2010 11:07 Meerjungfrau von Rosanna
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Meerjungfrau
Jene schaumumspülten Lippen
Küssen
Jene faulen Stellen
Stehlen
Deine Lungenschwämme
Pressen
Und nicht sehen müssen:
Eine Hand am Ufer wippend
Mit den Wellen,
Augen fehlend
Fischgrät, Lores goldne Kämme
Unter deiner Haut zerfressen.
Weitere Werke von Rosanna:
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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21.07.2010 15:27
von Rosanna
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Nein, ich will mich nicht beschweren
Dennoch müsste ich kurz stören:
Will sich niemand hier erbarmen?
Meine Jungfrau weint in meinen Armen...
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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25.07.2010 19:40
von EdgarAllanPoe
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Hallo Rosanna,
inzwischen habe ich dieses Werk einige Male gelesen und muss dabei - wohl impulsiv - an Benns "Schöne Jugend" denken, zumindest von der Stimmung her. Denn die ist in seinem Gedicht ähnlich, ähnlich ekelhaft nämlich. Das geht ein wenig auf den Magen, aber da soll es ja auch hin, nehme ich an - Lyrik ist (wohl nicht nur für mich) dazu da, das Unterbewusste zu berühren und nicht den Verstand, um schließlich zu neuen, eigenen Zuständen zu gelangen. Das sind Gedichte, die einem Bilder bringen, als hätte man sie schon irgendwo gesehen und träfe hier wieder auf sie wie auf alte Bekannte, die einen lange nicht mehr besucht haben.
Bei diesem Gedicht muss ich intuitiv an den Rhein denken, vielleicht liegt es an der "Lore" und an den "goldne[n] Kämme[n]". Ein Sinnbild für funkelnde Schönheit, die - nicht nur den am Fels vorbeifahrenden Seeleuten - den Atem raubt. Eine Sirene ohne Gesang, die dennoch die Männer ins Verderben, in den Schiffbruch führt.
Selbst hier, in der gleichförmigen Wellenbewegung, die einen gewissen Eindruck von Harmonie evoziert, erkenne ich noch eine zumindest angedeutete Schönheit, auch wenn die beschriebene Leiche sicher keine mehr ist. Das erinnert mich daran, dass einige Dichter selbst noch im Ekelerregenden das Schöne zu finden oder zu suchen vermögen, wo andere ihre Köpfe angeekelt abwenden. Ganz konkret muss ich da an Charles Baudelaires "Une charogne" denken (wirklich nichts für schwache Mägen), oder eben Benns "Schöne Jugend".
Ich schwanke hier zwischen Ekel und dem Willen, etwas Schönes in deinem Gedicht zu entdecken. Das mag daran liegen, dass man den Titel "Meerjungfrau" automatisch mit Schönheit in Verbindung bringt, auch die "Lore". Und deshalb ist das Entsetzen umso größer, sie hier tot vorzufinden. Beide: die Schönheit und Lore. Das ist interessant, denn es führt - zum wiederholten, zahllosen Male - vor Augen, wie vergänglich selbst eine Frau ist, die eine derart beispiellose Anziehungskraft auf Männer ausgeübt hat und um die sich immer noch Sagen drehen.
Ich kann nicht sagen, dass es mir gefällt. Aber ich kann auch nicht sagen, dass es mir nicht gefällt. Es ist ein Zwiespalt zwischen Schönheit und Hässlichkeit, der dieses Poem so faszinierend macht. Einerseits bin ich abgestoßen, andererseits nicht. Aber das ist gar nicht schlimm, sondern eine neue Erfahrung, die hoffentlich nicht nur den Verstand, sondern auch etwas anderes anspricht, das man nicht definieren kann.
Liebe Grüße,
Eddie
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"
Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.) |
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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25.07.2010 21:44
von Rosanna
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Oh! Ein Lebenszeichen!!
Gott sei Dank. Versuch mal, eine vermodernde Leiche zu trösten. Tse...
Es gibt da ein interessantes Gedicht in einem entsetzlich schlechten Film:
An jenes Ding mein Herz erinnre Dich,
Der schöne milde Sommertag,
und da ein Aas am Weg,
Das widerlich auf einem Bett von Kieseln lag,
Die Beine spreizend wie ein geiles Weib,
Gift schwitzend und vergoren.
Welch Schluchzer rhythmisch aus Fontänen quöllen,
ich hör es lange murmeln,
mir entschwinden Versuch umsonst die Wunde aufzufinden,
ich selber bin es der mein Herz aussaugt,
bin einer dieser Großen ganz Verlorenen,
zum ewigen Gelächter auserkorenen,
von denen keiner mehr zum Lächeln taugt.
Daran musste ich denken.
Zitat: | Benns "Schöne Jugend". |
Ah! Das kenne ich! Das ist doch auf Ophelia bezogen, nicht wahr?
Auf jeden Fall habe ich zum Nachdenken angeregt und zu dem bis jetzt längsten Rezensionstext, den ich je hatte , das freut mich ungeheuer.
Ganz ehrlich, wenn es dir richtig gut gefallen hätte, würde ich mir ziemliche Sorgen machen...
VlG,
Rose
_________________ nahtannahtnähtnathannähte
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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26.07.2010 14:18
von EdgarAllanPoe
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Hallo Rosanna,
danke, dass ich dir weiterhelfen konnte.
Mir gefallen Gedichte über Leichen eigentlich gar nicht, aber hier haben mich deine sprachlichen Bilder eben zum Nachdenken gebracht. Und das Gedicht, das dich zu deinem Text hier inspiriert hat, ist "Une charogne" von Charles Baudelaire, wenn auch in veränderter Fassung. Das Original ist jedoch weitaus ekliger ...
Ich wüsste auch nicht, dass sich Benns "Schöne Jugend" mit Ophelia befasst, ist mir neu. Aber in diesem Gedicht von Arthur Rimbaud ist der Bezug wohl eindeutig.
Liebe Grüße,
Eddie
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"
Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.) |
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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26.07.2010 16:48
von Rosanna
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Tatsächlich, das ist es! (zum Teil jedenfalls). Meine Version ist aus Immortals...
Buah, Baudelaire war aber schon ein bisschen krank, oder?
Zitat: | Les mouches bourdonnaient sur ce ventre putride,
D'où sortaient de noirs bataillons
De larves, qui coulaient comme un épais liquide
Le long de ces vivants haillons. |
Den Rimbaud- Link kann ich leider nicht öffnen .
VLG
Rose
_________________ nahtannahtnähtnathannähte
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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26.07.2010 16:56
von EdgarAllanPoe
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B. hat sechs Gedichte veröffentlicht, die zunächst verboten wurden ("Femmes Damnées", "Les Bijoux" usw., falls es dich interessiert), na ja, und er war ... eigenartig. Aber durchaus interessant, was er so geschrieben hat.
Was R. anbelangt: Öffne mal "Ophélie".
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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26.07.2010 17:03
von Rosanna
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Ophélie ist wunderschön...schnüff.
Merkwürdig, aber mit französischen Dichtern habe ich mich bis jetzt fast gar nicht beschäftigt... dringender Nachholbedarf ist angesagt!
Dann sind die Ferien ja gerettet (und die Buddel leer)
_________________ nahtannahtnähtnathannähte
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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26.07.2010 19:29
von EdgarAllanPoe
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Dann versuch es mal mit Rimbaud, der war in unserem Alter, als er seine Gedichte geschrieben hat. Oder Baudelaire, den find ich fast genauso spannend zu lesen - wenn der Magen es mitmacht.
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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26.07.2010 20:38
von Rosanna
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Ich esse ALLES!
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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27.07.2010 20:13
von EdgarAllanPoe
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Wenn es dir gefällt, versuch's auch mal mit "Une saison en enfer" von Arthur Rimbaud - lange Prosagedichtsammlung zwar, aber durchaus interessant, wenn auch kryptisch. Und ganz und gar nicht heileweltartig.
(Wir könnten ja bald einen Thread über französische Literatur aufmachen, hehe.)
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