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edvard mit den möwenflügeln


 
 
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

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Beiträge: 2451
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag30.10.2017 13:46
edvard mit den möwenflügeln
von menetekel
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

edvard mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm



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Zinna
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Beitrag30.10.2017 21:40

von Zinna
Antworten mit Zitat

Hallo menetekel,

gestatte einen spontanen Gedanken.
(Habe mich zunächst begoogelt, so als Klassik-Banause Embarassed )
Fürs bessere Verständnis war dies günstig, aber auch ohne finde ich dein Gedicht
sehr berührend mit seinem unterschiedlichen Ton, seiner Schlichtheit.
(Anmerkung: auf das -platziert könnte ich verzichten.)
 
Insgesamt ein auffallend schönes Stück.

Gern immer wieder lesend
Zinna


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(c) Zinna
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menetekel
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Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag31.10.2017 06:52

von menetekel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Zinna,
vielen Dank für deinen freundlichen Kommentar.
Vor der jetzt gewählten Form gab es noch eine härtere, die dem stürmischen Nordmeer gerecht werden sollte.
Aber die korrespondierte dann wiederum nicht mit dem musikalischen Aspekt des Gedichts ...
Ich freue mich, dass dir die Verse zu gefallen wissen.
Zu deiner "platzierten" Anmerkung: Nähme ich die raus, fehlte mir was. Denn ich bin mir nicht sicher, ob man sich einfach nur "fehl" fühlen kann. Andererseits wär das in einem Text mit leicht (!) experimentellem Touch durchaus möglich.
Schriebe ich:

Zitat:
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehl
bezogen bedruckt mit
fjorden


dann stellte sich unwillkürlich ein zusammenhang zwischen "fehl" und "fjorden" her, der wäre mir unerwünscht.
Was ginge wäre:

Zitat:
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehl bezogen
bedruckt mit fjorden

dem blinkenden turm


Aber dann würde es wahrscheinlich wieder keiner raffen ...
Deshalb lasse ich es nun so.

Herzliche Grüße
m.


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Literättin
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Beitrag31.10.2017 10:52

von Literättin
Antworten mit Zitat

Hallo Menetekel,

mir sind die zwei enthaltenen Verweise Edward mit den Scherenhänden und Edvard Griegs Wiegenlied (Grieg musste ich zwar nicht googeln, aber das Wiegenlied aus Peer Gynt) zu stark, bzw. zu dominierend, sodass ich mich auf das Gedicht kaum selbst konzentrieren kann, weil ich versuche, irgendwie die Brücke zwischen dem Bild von Johnny Depp in einer seiner tragikomischen Rollen und Grieg zu schlagen und darin dann das Gedicht unterzubringen.

Dieses selbst gefällt mir zwar, ich finde es nur fast zu zufällig in den Umbrüchen. Nur wenige einzelne Verse ergeben ein eigenes Bild, das mich mitnimmt, so der erste und der zweite, die sehr schön umgebrochen sind und jeder für sich selbst und beide miteinander schwingen:



Zitat:
mein herz bemerkte es
müsse nach norden


Und beide korrespondieren mit den beiden folgenden Versen:

Zitat:
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg
...

... wobei das das für mich nicht notwendiger Weise in der dritten Zeile stehen muss und ebenso gut in der vierten Platz nehmen könnte.

Danach fällt das Gedicht in meinen Augen sowohl von Wortwahl wie auch den Umbrüchen leicht ab, obwohl mir die Passage mit dem Fehlbedruckten, den Fjorden, dem Fehlplatzierten gefällt - nur die Setzungen fallen irgendwie beliebig aus, in meinen Augen.

Und jetzt, verdammt, bemerke ich, dass das im Feedback steht und nicht in der Werkstatt und ich dir darin herumgepfuscht habe Embarassed .

Verzeih. Vielleicht. Ich schicke trotzdem ab.

LG, Literättin
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

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Beiträge: 2451
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag31.10.2017 13:10

von menetekel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Literättin,
mit kritischen Anmerkungen hatte ich niemals Probleme, so lange die in einem höflichen, zivilisiertem Ton vorgetragen werden und mir die Texte nicht zugemüllt werden. Zwischen uns gab es in dieser Hinsicht wohl noch keine Probleme.
Der Bezug zum Film "Edward mit den Scherenhänden"  findet zunächst ausschließlich bei dir selber statt.  Es steht ja nix da von Edward und auch nichts von Scherenhänden, vielmehr wird in deinem Kopf ein eigener Film ausgelöst, so dass wir insgesamt  drei Filme haben - besser kann ein Gedicht nicht funktionieren. wink
In gewisser Hinsicht ist der Titel natürlich ein Aufhänger. Ein Aufhänger, der auf einen tragikomischen Aspekt hinweist.
Die Umbrüche sind mit Vorsatz gewählt worden: jeder Vers kann für sich stehen, funktionier aber auch mit der Folgezeile.
Teilweise werden so zusätzlich Deutungen erzeugt:

das aber nicht. erlag dem.
schummerlicht und schlief.
nicht ein. und fühlte mich.  usw.

Das ist ein Technik, der sich Ulla Hahn gern einmal bediente und die ich sehr mag. Auf diese Weise bricht Sprache tatsächlich auf ...

Ich freue mich, dass dir dieses Stilmittel aufgefallen ist und du es streckenweise honorieren konntest.

Vielen Dank für deinen interessanten Kommentar,
der mich nochmals veranlasst hat, nach evtl. Schwachstellen zu schauen.

m.


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poetnick
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Beitrag31.10.2017 19:17

von poetnick
Antworten mit Zitat

.


Zitat:
edvard mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm




Hallo Menetekel,

mir gefällt der Klang und die Stimmung dieses Gedichtes. Es bezeugt die Nähe zum liedhaften
in einem starken emotionalen Ausdruck.

Beim Titel kam mir auch Edward mit den…in den Sinn, dann aber gleich folgend der Albatros in
Übersetzung von George.
Also, als gefühlte Bilder ‚der Norden‘, Schönheit, Einsamkeit und Raum und Zeit dem nachzuspüren.

Der ‚blinkende Turm‘ trägt eine Zeit den Nachhall und die Erinnerung, was ja auch seine Aufgabe ist.

LG - Poetnick


.


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finis
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Beitrag31.10.2017 20:38

von finis
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Liebe menetekel,

Ich finde es immer beeindruckend, wenn ein Gedicht es schafft Wörter wie "herz" und "weinen" so zu verwenden, dass sie nicht abgedroschen klingen, sondern einen eigenen Klang haben.

Besonders gefällt mir dabei die unaufdringliche Musikalität - und ganz grundsätzlich, die Schlichtheit. Dieses Szenario ist mir so ungeheuer vertraut und die "leise" Sprache passt dazu wie angegossen.

Nur. Dieser Titel. Ich gebe zu, ich habe unter anderem deswegen das Gedicht angeklickt. Und ich gebe weiterhin zu, ihn schön zu finden und dass er mich zum Schmunzeln gebracht hat: Der Grieg mit Möwenflügeln und zugleich Edward mit den Scherenhänden.
Ich bin nun aber der Meinung, dass diese eine Referenz dem Text eher schadet, als dass sie ihn weiter öffnet. Es liegt sicherlich auch an mir, anstatt  das Augenzwinkern Augenzwinkern sein zu lassen, frage ich mich: Was hat das mit dem Film zu tun? Andererseits - so rechtfertige ich mich zumindest - hat gerade bei einem Text wie diesem, wo kein Wort verrückbar wäre, einem Text also, der ein in sich stimmiges Gebilde darstellt, ein Titel besonderes Gewicht. Und da bin ich mir als Leser auch sicher, dass es kein Zufall ist: ich habe da etwas bewusst Gemachtes vor mir, da unterstelle ich gerade bei einer so starken Referenz, dass diese ihren Platz im Textgefüge hat. Und dann finde ich ihn nicht. Nicht schlimm, könnte man sagen, eben eine zusätzliche Filmspur. Es stört mich dann aber doch, gerade weil es nicht eine zusätzliche Ebene öffnet, sondern tatsächlich als separate Spur ausserhalb des Textes verläuft.

Ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken; stellenweise erscheint mir das doch etwas wirr. Es ist sicherlich auch eine subjektive Frage: Wie viele intertextuelle Referenzen verträgt ein Gedicht? Und in welcher Form? Und was nimmt man überhaupt als solchen Verweis wahr? Tja. Keine Ahnung. Nur: hier ist mir das ein Verweis zu viel Wink

LG
finis

Edit: Und naja, der Verweis ist doch ziemlich klar. Ob da nun Edvard oder Edward steht, macht zwar einen Unterschied, aber es verfremdet nicht so sehr, dass der andere Name nicht nicht zugleich mitgelesen werden könnte. Dann wird der Name in direkte Assoziation mit einem armähnlichen Körperteil gebracht - also, die Parallelen sind schon sehr deutlich und wirken auch als hätte man es drauf angelegt.


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menetekel
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Beitrag01.11.2017 07:32

von menetekel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zitat:
Hallo Menetekel,

mir gefällt der Klang und die Stimmung dieses Gedichtes. Es bezeugt die Nähe zum liedhaften
in einem starken emotionalen Ausdruck.

Beim Titel kam mir auch Edward mit den…in den Sinn, dann aber gleich folgend der Albatros in
Übersetzung von George.
Also, als gefühlte Bilder ‚der Norden‘, Schönheit, Einsamkeit und Raum und Zeit dem nachzuspüren.

Der ‚blinkende Turm‘ trägt eine Zeit den Nachhall und die Erinnerung, was ja auch seine Aufgabe ist.

LG - Poetnick


Wow, Poetnick,

überhaupt nur in die Nähe des großen Baudelaire gerückt zu werden, entzückt mich ganz und gar. Embarassed  Für diejenigen, die dieses Gedicht nicht kennen (oder präsent haben), setze ich einen Link: http://www.lyrikwelt.de/gedichte/baudelaireg3.htm
Und natürlich ist das Motiv der flügelnden / gebrochenen Kunst ein altes. Wie eben alle Themen alt sind und immer wieder neu bearbeitet werden.

Anstatt des "blinkenden" Turms hatte ich zuvor einen "rotweißen" eingesetzt, was schlechter war, denn ein Warten wäre damit nur indirekt angedeutet worden.
Über deinen Kommentar habe ich mich sehr gefreut. Besonders deshalb, weil es dir gelungen ist, eine weitere Ebene des Textes zu erspüren.

Liebe Grüße
m.


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menetekel
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Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag01.11.2017 10:01

von menetekel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

finis hat Folgendes geschrieben:
Liebe menetekel,

Ich finde es immer beeindruckend, wenn ein Gedicht es schafft Wörter wie "herz" und "weinen" so zu verwenden, dass sie nicht abgedroschen klingen, sondern einen eigenen Klang haben.

Besonders gefällt mir dabei die unaufdringliche Musikalität - und ganz grundsätzlich, die Schlichtheit. Dieses Szenario ist mir so ungeheuer vertraut und die "leise" Sprache passt dazu wie angegossen.

Nur. Dieser Titel. Ich gebe zu, ich habe unter anderem deswegen das Gedicht angeklickt. Und ich gebe weiterhin zu, ihn schön zu finden und dass er mich zum Schmunzeln gebracht hat: Der Grieg mit Möwenflügeln und zugleich Edward mit den Scherenhänden.
Ich bin nun aber der Meinung, dass diese eine Referenz dem Text eher schadet, als dass sie ihn weiter öffnet. Es liegt sicherlich auch an mir, anstatt  das Augenzwinkern Augenzwinkern sein zu lassen, frage ich mich: Was hat das mit dem Film zu tun? Andererseits - so rechtfertige ich mich zumindest - hat gerade bei einem Text wie diesem, wo kein Wort verrückbar wäre, einem Text also, der ein in sich stimmiges Gebilde darstellt, ein Titel besonderes Gewicht. Und da bin ich mir als Leser auch sicher, dass es kein Zufall ist: ich habe da etwas bewusst Gemachtes vor mir, da unterstelle ich gerade bei einer so starken Referenz, dass diese ihren Platz im Textgefüge hat. Und dann finde ich ihn nicht. Nicht schlimm, könnte man sagen, eben eine zusätzliche Filmspur. Es stört mich dann aber doch, gerade weil es nicht eine zusätzliche Ebene öffnet, sondern tatsächlich als separate Spur ausserhalb des Textes verläuft.

Ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken; stellenweise erscheint mir das doch etwas wirr. Es ist sicherlich auch eine subjektive Frage: Wie viele intertextuelle Referenzen verträgt ein Gedicht? Und in welcher Form? Und was nimmt man überhaupt als solchen Verweis wahr? Tja. Keine Ahnung. Nur: hier ist mir das ein Verweis zu viel Wink

LG
finis

Edit: Und naja, der Verweis ist doch ziemlich klar. Ob da nun Edvard oder Edward steht, macht zwar einen Unterschied, aber es verfremdet nicht so sehr, dass der andere Name nicht nicht zugleich mitgelesen werden könnte. Dann wird der Name in direkte Assoziation mit einem armähnlichen Körperteil gebracht - also, die Parallelen sind schon sehr deutlich und wirken auch als hätte man es drauf angelegt.


Hallo finis,

noch ein bildschöner, durchdachter Kommentar! Diesmal werde ich regelrecht verwöhnt.
Es freut mich, dass du die "Musikalität" des Gedichts erwähnst; denn die ersten Versionen waren in dieser Hinsicht weitaus rauer. Aber wie so oft, muss sich eine Lyrikerin für einen Tenor entscheiden; und der liegt nun einmal nicht auf der stürmischen See, sondern auf einem eher wiegenden Rhythmus. Das Raue muss in der Andeutung verbleiben. Hier lediglich in der Dissonanz von "tat" und Bett (Aufbruch und Verharren). Und natürlich in der Verortung des Nordens als Sehnsuchtsort, der ja vollautomatisch (auch) wildere Assoziationen auslöst als beispielsweise das Mittelmeer. Aber ebenso, wie du ganz richtig bemerkst, die Ruhe. Dieses unvergleichliche klare Blau.  
Nun zum Titel. Ich verstehe deinen Einwand durchaus. Vielleicht tatsächlich ein neuralgischer Punkt ... andererseits trägt das Gedicht einen flüsternden, versteckten Aspekt: Denn hat es nicht etwas Tragikomisches an sich, im Bett zu liegen, Grieg zu hören in passgenauer Wäsche, "sentimental" zu reagieren, aber (wie immer?) nichts zu ändern? Und ist es nicht traurig, dass Grieg beflügelt auftritt, das lyrische Ich aber nicht?
All diese Dingen blühen ganz, ganz hinten im Verborgenen, sind aber existent. Wie eben dem Tragischen oft ein kleines rotes Teufelchen innewohnt, der sezierende Beobachter.

Doch sei versichert: Sollte mir je ein besserer Titel einfallen, werde ich den nehmen. Sofort.

Ich danke dir sehr und wünsche einen schönen Tag
m.


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host
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Beitrag01.11.2017 20:13

von host
Antworten mit Zitat

edvard mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm
______________________________

Hallo menetekel,
 
gern habe ich dein Gedicht gelesen. Ich habe versucht, es mit meinen begrenzten Mitteln zu verstehen.

LG host


Schaue ich auf das äußere Erscheinungsbild des Gedichts, sehe ich, dass zwei unterschiedliche lange Strophen mit jeweils einer Zeile von oben und unten begrenzt werden. Die erste Zeile mag wohl die Überschrift sein, ist aber nicht durch Unterstreichung oder Fettschrift besonders hervorgehoben.
(Ich führe unten zwei Beispiele an, wie die Größe und Art der Überschrift oder die äußerliche Anordnung der Zeilen die inhaltliche Aussage modifizieren können.)

Beide Zeilen eröffnen und umrahmen so in gleicher Weise ein Feld. Gerade die Überschrift ist hier im stärkeren Maße in den Kontext der Binnenstrophen eingebunden, als wenn sie hervorgehoben wäre. Sie wird so eine Mitzeile und weniger eine Überschrift. Auf dieser Spielwiese nun lassen sich im Gedicht zwei gegenläufige Inhaltsebenen akzentuieren.

Auf einer Ebene, die ich Sehnsuchtsebene nennen will, zielt es linear in Richtung Norden, „dem blinkenden turm“ zu, der als Orientierungspunkt dienen mag. Genährt und begleitet wird dieses Wünschen durch das Erinnern(?) an Griegs „wiegenlied“. Aber die Sehnsucht, die sich aus dem „herz“ nährt, verbleibt im Konjunktiv („müsse“, hätte“). Das Norwegen der Fjorde, die Heimat Peer Gynts und Solveigs Wiegenlieds, denaturiert zu einem blassen Motiv auf dem Schlafgewand oder der Bettwäsche.

Auf einer anderen, der realen Ebene, bleibt das LI zwischen Schlummern und Schlaf und empfindet sich in der realen Welt als „fehlplatziert“.

Ich will näher auf die Assoziationsfelder schauen, die mit dem LI, mit dessen Charakter und seiner Lebenswelt verbunden sind.
Zunächst zum Inhalt der Überschrift „edvard mit den möwenflügeln“: Auch ich dachte sofort an Johnny Depp in seiner frühen Filmrolle  als „Edward mit den Scherenhänden“. Edward ist ungelenk, schüchtern, deplatziert, eine unglückliche Frankensteinversion.
Edvard ist der Vornahme Griegs, der Peer Gynt vertonte. Peer Gynt nun ist ein Antiheld, der sich durchs Leben larvierte, halb Träumer, halb Psychopath. Auf einer Art Bildungsreisencharikatur steigt er bis zum reichen Sklavenhändler auf, landet in einem Irrenhaus und schafft es letzlich nach einem Schiffbruch wieder nach Hause. Solveig, am Ende eher Mutterfigur als Geliebte wartet dort auf ihn. Ihr Wiegenlied ist ein Hohelied auf die bedinungslose Liebe.
Möwenflügel: der Geruch von Meersalz und Küste wird spürbar. Die Flügel sind zu klein für einen Menschen. Im Hintergrund wartet Ikarus auf seinen Absturz.

Assoziationen sind Assoziationen, mithin hier auch keine Charakterbeschreibungen. Aber sie wecken einen Stimmungs-Background, färben und lassen den Inhalt in spezifischer Weise schwingen und den Text verlebendigen (gibt es dieses Wort überhaupt?).
Wir als Leser bekommen so nicht nur die Info, dass das LI ein Wiegenlied hört, auch seine Gestimmtheit wird für uns erfahrbar: Unglücklichsein, Traurigkeit, Sehnsucht, ungelebtes Leben, Misslingen, Sensibilität – Resignation.
Mit dem Wissen um die Kontexte von „grieg“, „wiegenlied“, „edvard“, „möwenflüge“ wird der auf den ersten Blick schlicht gehaltenen Text bewegter und lebendiger schwingend.



Vom Gebrauch der Zeilenumbrüche war in vorherigen Beiträgen ja schon die Rede. Ich möchte dennoch zwei Beispiele genauer anschauen in Hinblick darauf, was sie beim Rezipienten bewirken können.

„schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert“

Jede Zeile steht zunächst für sich, sonst wäre auch kein Absatz zur folgenden Zeile nötig, sie suggeriert einen Sinnzusammenhang.
Ich glaube, dass  in kürzester Zeit, in Bruchteilen von Sekunden unsere Assoziationsfelder im Gehirn aktiviert werden. Nach dem Lesen der ersten Zeile z.B. wird der Leser zum Bild des „Schlafens“ geführt, oder genauer: er wird zu vielen Aspekten, Erinnerungen, Gefühlen, Empfindungen geleitet, so dass Schlafen schon in der kurzen Zeit auch eine körperliche Resonanz zeitigt.
Die zweite Zeile konterkariert diesen Eindruck, „nicht“ heißt es nun. Und so wird durch diesen Umbruch eine Bewegung vermittelt: „ach Schlafen - nein es geht doch nicht“; das Gedicht nutzt dieses Stilmittel, um dynamisch Einschlafschwierigkeiten, die Spannung zwischen Schlafen wollen und nicht können spürbar zu machen.  

Die zweite Zeile endet mit: “und fühlte mich“.
Das klingt gut, „sich fühlen können“ bezeichnet häufig den Moment, an dem wir auf das merken können, was wir wirklich wollen, und was eine wesentlich Veränderung initiiert. Auch die Aufmerksamkeit des Lesers geht neugierig auf die Körperempfindung.
Die 3. Zeile beginnt mit „irgendwie“. Das Körpergefühl wird schlagartig unbestimmt, es klingt verloren. Der Begriff „fehlplatziert“ steigert noch diesen Eindruck.
Wieder schwingt der Text: von der Bestimmtheit eines Körpergefühls hin zu Eindruck „deplatziert“ zu sein.

Beide Beispiele zeigen m.E., wie Bedeutungen im kleinen Rahmen weniger Worte in einem Zeilenumbruches erst evoziert und dann modifiziert, manchmal auch negiert werden können. Ich empfinde das als „Schwingen“ des Textes, als etwas Lebeniges.





________________________



Wie schon kleine Variationen in der äußeren Anschauung die
Deutung von Texten ändern:

Ich verändere die äußere Darstellung des Textes minimal.
Im ersten Beispiel wird die Überschrift viel mächtiger. Hier würde ich dazu tendieren, meine Beobachtungen unter dieser Überschrift zu rubrizieren. Ich würde den folgenden Text besonders daraufhin zu lesen, was  er mir über Edvard erzählt.


edvard mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm





Hier nun bekommt die letzte Zeile mehr Gewicht: die Zentrierung provoziert die räumliche Wahrnehmung. Die letzte Zeile macht den Eindruck einer Basis.
Das Ziel, die Orientierung  auf  das, was das „herz“ will, stände mehr im Mittelpunkt einer Interpretation.



edvard mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 104
Beiträge: 2451
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag02.11.2017 15:56

von menetekel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

host hat Folgendes geschrieben:
edvard mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm
______________________________

Hallo menetekel,
 
gern habe ich dein Gedicht gelesen. Ich habe versucht, es mit meinen begrenzten Mitteln zu verstehen.

LG host


Schaue ich auf das äußere Erscheinungsbild des Gedichts, sehe ich, dass zwei unterschiedliche lange Strophen mit jeweils einer Zeile von oben und unten begrenzt werden. Die erste Zeile mag wohl die Überschrift sein, ist aber nicht durch Unterstreichung oder Fettschrift besonders hervorgehoben.
(Ich führe unten zwei Beispiele an, wie die Größe und Art der Überschrift oder die äußerliche Anordnung der Zeilen die inhaltliche Aussage modifizieren können.)

Beide Zeilen eröffnen und umrahmen so in gleicher Weise ein Feld. Gerade die Überschrift ist hier im stärkeren Maße in den Kontext der Binnenstrophen eingebunden, als wenn sie hervorgehoben wäre. Sie wird so eine Mitzeile und weniger eine Überschrift. Auf dieser Spielwiese nun lassen sich im Gedicht zwei gegenläufige Inhaltsebenen akzentuieren.

Auf einer Ebene, die ich Sehnsuchtsebene nennen will, zielt es linear in Richtung Norden, „dem blinkenden turm“ zu, der als Orientierungspunkt dienen mag. Genährt und begleitet wird dieses Wünschen durch das Erinnern(?) an Griegs „wiegenlied“. Aber die Sehnsucht, die sich aus dem „herz“ nährt, verbleibt im Konjunktiv („müsse“, hätte“). Das Norwegen der Fjorde, die Heimat Peer Gynts und Solveigs Wiegenlieds, denaturiert zu einem blassen Motiv auf dem Schlafgewand oder der Bettwäsche.

Auf einer anderen, der realen Ebene, bleibt das LI zwischen Schlummern und Schlaf und empfindet sich in der realen Welt als „fehlplatziert“.

Ich will näher auf die Assoziationsfelder schauen, die mit dem LI, mit dessen Charakter und seiner Lebenswelt verbunden sind.
Zunächst zum Inhalt der Überschrift „edvard mit den möwenflügeln“: Auch ich dachte sofort an Johnny Depp in seiner frühen Filmrolle  als „Edward mit den Scherenhänden“. Edward ist ungelenk, schüchtern, deplatziert, eine unglückliche Frankensteinversion.
Edvard ist der Vornahme Griegs, der Peer Gynt vertonte. Peer Gynt nun ist ein Antiheld, der sich durchs Leben larvierte, halb Träumer, halb Psychopath. Auf einer Art Bildungsreisencharikatur steigt er bis zum reichen Sklavenhändler auf, landet in einem Irrenhaus und schafft es letzlich nach einem Schiffbruch wieder nach Hause. Solveig, am Ende eher Mutterfigur als Geliebte wartet dort auf ihn. Ihr Wiegenlied ist ein Hohelied auf die bedinungslose Liebe.
Möwenflügel: der Geruch von Meersalz und Küste wird spürbar. Die Flügel sind zu klein für einen Menschen. Im Hintergrund wartet Ikarus auf seinen Absturz.

Assoziationen sind Assoziationen, mithin hier auch keine Charakterbeschreibungen. Aber sie wecken einen Stimmungs-Background, färben und lassen den Inhalt in spezifischer Weise schwingen und den Text verlebendigen (gibt es dieses Wort überhaupt?).
Wir als Leser bekommen so nicht nur die Info, dass das LI ein Wiegenlied hört, auch seine Gestimmtheit wird für uns erfahrbar: Unglücklichsein, Traurigkeit, Sehnsucht, ungelebtes Leben, Misslingen, Sensibilität – Resignation.
Mit dem Wissen um die Kontexte von „grieg“, „wiegenlied“, „edvard“, „möwenflüge“ wird der auf den ersten Blick schlicht gehaltenen Text bewegter und lebendiger schwingend.



Vom Gebrauch der Zeilenumbrüche war in vorherigen Beiträgen ja schon die Rede. Ich möchte dennoch zwei Beispiele genauer anschauen in Hinblick darauf, was sie beim Rezipienten bewirken können.

„schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert“

Jede Zeile steht zunächst für sich, sonst wäre auch kein Absatz zur folgenden Zeile nötig, sie suggeriert einen Sinnzusammenhang.
Ich glaube, dass  in kürzester Zeit, in Bruchteilen von Sekunden unsere Assoziationsfelder im Gehirn aktiviert werden. Nach dem Lesen der ersten Zeile z.B. wird der Leser zum Bild des „Schlafens“ geführt, oder genauer: er wird zu vielen Aspekten, Erinnerungen, Gefühlen, Empfindungen geleitet, so dass Schlafen schon in der kurzen Zeit auch eine körperliche Resonanz zeitigt.
Die zweite Zeile konterkariert diesen Eindruck, „nicht“ heißt es nun. Und so wird durch diesen Umbruch eine Bewegung vermittelt: „ach Schlafen - nein es geht doch nicht“; das Gedicht nutzt dieses Stilmittel, um dynamisch Einschlafschwierigkeiten, die Spannung zwischen Schlafen wollen und nicht können spürbar zu machen.  

Die zweite Zeile endet mit: “und fühlte mich“.
Das klingt gut, „sich fühlen können“ bezeichnet häufig den Moment, an dem wir auf das merken können, was wir wirklich wollen, und was eine wesentlich Veränderung initiiert. Auch die Aufmerksamkeit des Lesers geht neugierig auf die Körperempfindung.
Die 3. Zeile beginnt mit „irgendwie“. Das Körpergefühl wird schlagartig unbestimmt, es klingt verloren. Der Begriff „fehlplatziert“ steigert noch diesen Eindruck.
Wieder schwingt der Text: von der Bestimmtheit eines Körpergefühls hin zu Eindruck „deplatziert“ zu sein.

Beide Beispiele zeigen m.E., wie Bedeutungen im kleinen Rahmen weniger Worte in einem Zeilenumbruches erst evoziert und dann modifiziert, manchmal auch negiert werden können. Ich empfinde das als „Schwingen“ des Textes, als etwas Lebeniges.





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Wie schon kleine Variationen in der äußeren Anschauung die
Deutung von Texten ändern:

Ich verändere die äußere Darstellung des Textes minimal.
Im ersten Beispiel wird die Überschrift viel mächtiger. Hier würde ich dazu tendieren, meine Beobachtungen unter dieser Überschrift zu rubrizieren. Ich würde den folgenden Text besonders daraufhin zu lesen, was  er mir über Edvard erzählt.


edvard mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm





Hier nun bekommt die letzte Zeile mehr Gewicht: die Zentrierung provoziert die räumliche Wahrnehmung. Die letzte Zeile macht den Eindruck einer Basis.
Das Ziel, die Orientierung  auf  das, was das „herz“ will, stände mehr im Mittelpunkt einer Interpretation.



edvard mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm


Hallo Host,
wenn du von deinen "begrenzten Mitteln" berichtest, muss ich stets lächeln. Wenn die begrenzt sind, frage ich mich, wie anderes wohl einzustufen ist, was ich schon unter meinen Gedichten lesen "durfte." wink
Die beiden gegenläufigen Inhaltsebenen hast du sehr schön herausgearbeitet. In diesem Zusammenhang möchte ich vorwegnehmen, dass mit die von dir vorgeschlagene Zentrierung überaus gut gefällt. Sie schmiegt sich viel stärker an das von mir Gedachte als es das Linksbündige auszurichten vermag. - Ungern bekenne ich, dass ich mir nach Fertigstellung des Gedichts keinen einzigen Gedanken über die optische Darstellung des Textes gemacht, diese finalen Überlegungen in letzter Zeit überhaupt vernachlässigt habe. Das wird sich in Zukunft wieder ändern! Danke dafür.
Ebenso erfreut es mich, auf welche subtile Weise du dem Sinn der Zeilenumbrüche nachgespürt hast; das bestärkt mich darin, mich öfter auf diese Weise auszuprobieren.
Man kann diese Art des Schreibens ja auch mit anderen verknappenden Stilmitteln kombineren, beispielsweise Ellipsen

Earl Grey

Ich trink
mir mit Schwarztee die Zähne blind
werde ich davon nicht

...


Da gibt es viele Möglichkeiten, die allerdings einiges an Überarbeitungen abverlangen.


Vielen, vielen Dank für deine Zeit

m.


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Beitrag03.11.2017 18:00

von Aranka
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Hallo menetekel

nach den vielen ausführlichen Kommentaren kann ich nichts Neues mehr hinzufügen. Ein Gedicht, das ich mit Freude und viel Aufmerksamkeit immer wieder gelesen habe. Es hat eine feine Textbewegung, wunderbare Zeilen, sensible Klangsetzungen und leise Emotionen schwingen zwischen den gut gesetzten Worten.

Mit den Zeilenumbrüchen, die alle inhaltlich durchaus gut sitzen, habe ich mich etwas schwer getan. Sie rückten mir das „Gemachtsein“ zum Teil zu sehr vor die Nase. Besonders das „tat“ erschien mir „künstlich“. Nach immer wieder reinschauen und lesen hatte ich bald meine eigenen Zäsuren gefunden und war versöhnter.

Du schreibst, dass du in diese Richtung weiter arbeiten willst. Ich sehe das auch als sehr lohnend an. Vielleicht lohnte es sich in dem Zusammenhang auch, einmal über ein Minimum an „Zeichen“ im Text nachzudenken, die eine leichte Leseführung geben könnten.

Zur Zentrierung: Ich finde die Linksbündigkeit angemessener, denn ich finde hier Bewegung und Ruhe und Gegenbewegung, ein Hin und Her, und keine Zentrierung um eine zentrale Achse.

Den Titel habe ich immer mit in den Text hineingelesen, wobei mir die herausragende Zeilenlänge optisch weniger gefiel, da dieser Zeile nicht dieses Über-Gewicht gebührt.

Ich habe das jetzt einmal so gesetzt, wie ich es mir vorstellen könnte. Ich habe mal meine zwei Lesezäsuren mit einem „.“ gekennzeichnet. Ich fand hier eine Pause ein Innehalten sinnvoll. Ein Punkt ist immer am unauffälligsten, man kann es ja auch anders herstellen.

Ein feiner Text. Gerne gelesen. Liebe Grüße Aranka


Zitat:
edvard
mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden  
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können. tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein. und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm


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menetekel
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Beitrag05.11.2017 10:51

von menetekel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Aranka hat Folgendes geschrieben:
Hallo menetekel

nach den vielen ausführlichen Kommentaren kann ich nichts Neues mehr hinzufügen. Ein Gedicht, das ich mit Freude und viel Aufmerksamkeit immer wieder gelesen habe. Es hat eine feine Textbewegung, wunderbare Zeilen, sensible Klangsetzungen und leise Emotionen schwingen zwischen den gut gesetzten Worten.

Mit den Zeilenumbrüchen, die alle inhaltlich durchaus gut sitzen, habe ich mich etwas schwer getan. Sie rückten mir das „Gemachtsein“ zum Teil zu sehr vor die Nase. Besonders das „tat“ erschien mir „künstlich“. Nach immer wieder reinschauen und lesen hatte ich bald meine eigenen Zäsuren gefunden und war versöhnter.

Du schreibst, dass du in diese Richtung weiter arbeiten willst. Ich sehe das auch als sehr lohnend an. Vielleicht lohnte es sich in dem Zusammenhang auch, einmal über ein Minimum an „Zeichen“ im Text nachzudenken, die eine leichte Leseführung geben könnten.

Zur Zentrierung: Ich finde die Linksbündigkeit angemessener, denn ich finde hier Bewegung und Ruhe und Gegenbewegung, ein Hin und Her, und keine Zentrierung um eine zentrale Achse.

Den Titel habe ich immer mit in den Text hineingelesen, wobei mir die herausragende Zeilenlänge optisch weniger gefiel, da dieser Zeile nicht dieses Über-Gewicht gebührt.

Ich habe das jetzt einmal so gesetzt, wie ich es mir vorstellen könnte. Ich habe mal meine zwei Lesezäsuren mit einem „.“ gekennzeichnet. Ich fand hier eine Pause ein Innehalten sinnvoll. Ein Punkt ist immer am unauffälligsten, man kann es ja auch anders herstellen.

Ein feiner Text. Gerne gelesen. Liebe Grüße Aranka


Zitat:
edvard
mit den möwenflügeln

mein herz bemerkte es
müsse nach norden  
um drei Uhr nachts das
wiegenlied von grieg

ich hätte weinen können. tat
das aber nicht erlag dem
schummerlicht und schlief
nicht ein. und fühlte mich
irgendwie fehlplatziert
bezogen bedruckt mit
fjorden

dem blinkenden turm


Hallo Aranka,

jetzt muss ich wirklich lächeln, wei ich mir die Sache mit den Punkten bereits selber überlegt, mich dann aber dagegen entschieden hatte.
Die Setzung von "tat" bedeutet mir auch "ich hätte Tat weinen können, tat das aber nicht, blieb faul liegen etc."
Beim "nicht ein" passte ein Punkt recht gut. Andererseits würde die Vortragende "nicht ein und fühlte mich" sicherlich in einem Schwung sprechen.
Mir ist klar, dass diese Art des Schreibens hohe Anforderungen an Vortragende stellt (falls es sich nicht um die Lyrikerin selbst handelt), weil er ein großes Maß an Interpretationsvermögen voraussetzt, dem Lesenden also  gleichsam die Wahl "aufnötigt", welchen Aspekt er besonders zu betonen wünscht.
Gerade das macht diese Art und Weise für mich so spannend - weil ich mich selbst in der Rolle als Zuhörerin wiederfinden kann. - Und, weil aktuell nicht damit zu rechnen ist mit meiner Lyrik ganze Hallen zu füllen, erlaube ich mir diese kleine "Frechtheit." wink
Ich danke dir herzlich für deinen (wie immer) fundierten Kommentar und die investierte Zeit. Eine Zeit, die du ja nicht wirklich hast, sondern lediglich  verschenkst.

m.


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