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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig DIE ZEIT DER GRAUSAMEN WUNDER


 
 
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hermann8332
Gänsefüßchen
H


Beiträge: 43



H
Beitrag18.10.2017 13:09
DIE ZEIT DER GRAUSAMEN WUNDER
von hermann8332
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

DIE ZEIT DER  GRAUSAMEN WUNDER

eine Hommage an Stanislaw Lem
und sein Kultbuch  " SOLARIS "


Die Fleisch gewordene
Erinnerung reinkarniert

zum verstorbenen,
geliebten Wesen,

materialisiert,

ist reanimiert,

ist auferstanden
und genesen

hier

mit einer alltäglichen
Selbstverständlichkeit

trotz eines widerlichen Todes

trotz dieser langen, langen Zeit

bei mir

auf der Solaris- Station

eine Absurdität,

ein grauenvoller Aberwitz

ein psychedelisches Paradoxon

ein unchristliches
Lazarus-Syndrom

allen  Religionen,
aller Humanität
allem,
was Mensch sein heißt
zum Hohn

Ein Widergänger ,
ein Zombie,
ein Avatar,
ein Klon,  

eine reale Kopie,
eine perfekte Imitation ?

womit man sich etabliert
womit man ,
so wie einst auf Terra,

ein " normales " Leben führt ?

Die gleiche Liebe
Die selben Triebe
Der gleiche Sex
Die gleichen Gefühle
Das gleiche Empfinden

Man muß sich gar nicht
überwinden.

 Die gleiche Vertrautheit ?
 
Der gleiche Umgang !

Als hätte es niemals
ein schauerliches Ende gegeben,
immer nur den gleichen Anfang ...

als Endlosschleife,
endlosen Restart ...

Auf Terra
war ich in sie vernarrt.


Ein unerbittlicher Restart,

unausweichlich
auf dieser Station,

immer wieder,

psychisch brutal,

ultrahart ...

Auf einem Planeten
fern im All,  

jenseits aller Vertrautheit,
rätselhaft wie der Urknall

unverständlich,
nicht erklärbar,

ein Mysterium
für alle Zeit

jenseits denkbarer Systeme

voll paradoxer Phänomene

nur ein einziges riesiges Meer,
das ein Bewußtsein hat.

Das fremdes Bewußtsein
und dessen Denken ...

dessen Wünsche,
Obsessionen
manche Ängste
und Neurosen,
die uns prägen,
die uns lenken,

reflektiert

projeziert

materialisiert  


launenhaft,
willkürlich

gezielt,
planvoll  ?

und dann
ausführt...

... produziert :

 als
Klone,
Avatare,  
Kopien
Chimären

die auf dieser Station  entstehen

in deren Räume einziehen ...

zB :  ein Besteck
für Operationen

angedeutet und verfremdet

unfertige Imitationen

verschwommen,
verschmiert,

schlecht ausgeführt

oder perfekt,

täuschend echt

und kein bischen mangelhaft,
minderwertig, schlecht ...

Auch Gäste und Besucher :

Tote aus vergangenen Zeiten,
die hier einziehn, wie meine Frau,  

die dich auf Schritt und Tritt
begleiten ...

unsterblich
und perfekt geklont

echt,
so wie das Original

lebensecht
und erste Wahl ...


Simulationen
Imitationen

unfertig, halbfertig, fertig

verfremdet, angedeutet
oder präzis, genau

Gegenstände, Lebewesen

eine einzige Messeschau ...

der Gedanken,
der Erinnerungen,
des  Charakters,
der Mentalität ,

bis man irre wird
und vor die Hunde geht

Auch diese letzte Assoziation
gebiert neue Chimären schon :

Ein echter Hund schleicht

 - so wie man denkt,
wohin man die Gedanken lenkt -

klein oder groß,

treu und lieb,

bissig, scharf

durch die nächtliche Station ...

Stand man einem Menschen nah,
wird man ihn hier nicht wieder los !

Wie  beseitigt man ihn bloß ?

Schießt man ihn einfach nieder ?

Er kommt immer wieder !

Und setzt man ihn in einer
Kapsel aus,
die man startet ins All ...

er kommt todsicher wieder
er kommt auf jeden Fall

durchbricht Stahlschotts
mit seinen Fingernägeln
zerbeult sie wie Konservendosen
mit seinen zerfetzten,
blutüberströmten Armen ...

...und kehrt zurück,
regeneriert sich
und sucht dich heim
ohne Erbarmen ...

Die Gewissensbisse,
die dann  folgen,

diese Selbstverachtung
und die Schuldgefühle,

dieses unsägliche Bedauern

lassen mich,
weit mehr als dieser Horror
innerlich beben und erschauern.

Er ist ein ewiger Wiedergänger.

 catcher  in the  soul
... and mind ... ,

ein unchristlicher
Seelenfänger !

Man liebt ihn anfangs,
so wie früher,

bis man ihn verflucht ,

denn man wird von ihm  
gnadenlos  heimgesucht :

Ihr geliebtes Antlitz
maldrätiert,
lädiert

vor mir

von mir,

dieser Homo- Bestie,
diesem Satanstier,  

in einem Schraubstock
eingespannt

hinten an der Werkzeugwand

und dort flöße ich ihr

Flüssigsauerstoff
zwischen die schönen Lippen

und sie jammert ,erstarrt , vereißt

was jedoch noch gar nichts heißt :

Denn ihre Küsse werden
mich entzücken ...

Sie wird mich erwärmen,
erhitzen und beglücken ...

...schon ein paar Stunden später.

Wer war , wer ist das Opfer,
wer der Täter ?

Wer ist der Teufel, der Satan  ?

Es kommt nur
auf die Sichtweise,
die Perpektive an.

Weiche hinweg, verschwinde !
Laß mir meinen Frieden !

Und lasse mich in Frieden,
egal, ob wir uns lieben !

Agape Satanas !

Je mehr Liebe,
je mehr Hass

Je intensiver die Gefühle,
umso präsenter wirst du sein.

Habe mit mir Erbarmen,

und lass in Christi Namen
mich endgültig allein !


Draußen vor dem Sationsfenster

formt sich und wogt,
brandet und tobt,

das SOLARIS -MEER

Sie ist tatsächlich verschwunden,
denn mein Kopf ist frei und leer

durch buddhistische Meditation

Absolute Gedankenleere
verschont mich vor diesem Klon

Doch wie lange ?

Nur bis ich mich an sie erinnere,
bis ich wieder das Grübeln,
bis ich das Denken anfange ...

       
    SOLARIS


Nur eines bleibt sicher,
ist uns gewiß:

Die Zeit der grausamen Wunder
wir nicht vergehen,

solange es Menschen gibt,
die zu den Sternen empor sehen ...

solange es Menschen gibt,
die glauben,

dort die Erlösung zu finden

und hier auf Terra leben
als Blinde unter Blinden ....






Post Scriptum:

Meine Frau hatte sich
in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 4012
mit Strychninpulver zur Rattenbekämpfung
auf grauenvolle Weise vergiftet und umgebracht

in dieser unheilvollen Nacht ,
als ich nach einem üblichen Zerwürfnis
alles wutentbrannt hinschmiß

und sie damals alleine ließ ....

... Sie sprach von Selbstmord,

doch ich riß aus und reiste fort ....

zu den Sternen
in diese ungeheueren
eiskalten, seelenlosen Fernen.

Warum nur tat sie dies
und warum so ?

Ich wurde meines Lebens
nicht mehr froh.

Kam nach SOLARIS,
wo ich meine Antwort fand

in diesem OCEAN
der fühlt, der denkt,
der uns beschenkt

ein riesiges BEWUSSTSEINSMEER
unbegrenzt, ohne jede Zufluchtsinsel
ohne jedes feste Land ...

Ich kehrte zurück
und weiß es erst seitdem,
wo ich wirklich zuhause bin.

Ist dies der Raumfahrt
eigentlicher Sinn ?

EPILOG

SOLARIS,
nichts ist gewiß,

nicht einmal
unser Menschsein.

Wir alle sind,
ein jeder ist
in unserem Kosmos,
in seinem Kosmos
sehr einsam und  allein ...

egal,
ob anderes Leben
dort draußen existiert ...

egal,
ob man auf Terra
im sozialen Konnex
als Mensch
ein Leben führt ...

Sind wir auch
Projektionen ? ,

die irgendwelche  Aliengötter
projektierten, produzierten,
als Kopien imitierten,
massenweise klonen  ?

Jeder ein Unikat
mit einer eigenen DNA,
die kein anderer hat :

nach den Gesetzen
der Stochastik
der Evolution
der Selektion
der Adaption
der Mutation :

Jeder ein spezieller Klon

Irgendwann ein Prometheus,
der sich abnabelt,
der dann konkurriert mit Zeus ?

Der dafür büßt,
bestraft werden muß,

also kein Happyend
am Schluß

Oder nur ein Sklave
der künstlichen Intelligenz,
die Homo entwickeln wird
und die ihn in die Knechtschaft führt ?

Oder ein Auslaufmodell,
das sich selbst abschafft,
nachhaltig langsam,
oder plötzlich und schnell ?
 
Nichts ist unmöglich,
nichts ist gewiß:

dies zeigt uns
SOLARIS

Warum leben wir ?

Weshalb, wozu,
wofür ?

WARUM
EXISTIEREN
WIR ?

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silesio
Eselsohr

Alter: 89
Beiträge: 237
Wohnort: Dubai


Beitrag18.10.2017 16:22

von silesio
Antworten mit Zitat

Zwei Bemerkungen:
1) Ein langes, für mich zu langes Opus.
2) Eine Hommage an den Autor eines Kultbuches.
Kultbuch heisst wohl, jeder sollte oder müsste es kennen. Was machen da aber die armen DSF-Nutzer. die es nicht kennen?
Grundsätzlich: Können die überhaupt etwas Gescheites dazu bemerken
Silesio!


_________________
Ein ernster Mensch, der gerne lacht.
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kioto
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 71
Beiträge: 442
Wohnort: Rendsburg


Beitrag27.10.2017 19:53

von kioto
Antworten mit Zitat

Hallo hermann8332,

Respekt, du hast es geschafft, die verschiedenen Aspekte von Lems Buch in eine lyrische Zusammenfassung zu verdichten. Ich habe das Buch vor einigen Monaten nochmal gelesen, nachden es 20 Jahre im Bücherschrank stand und ich im ersten Versuch gescheitert war.
Einen Aspekt habe ich nicht so wiedergefunden, die Verzweiflung des Klons, als sie erkennt, dass sie nur die Reflexion der Erinnerung des Protas ist und gleichzeitig das Werkzeug von Solaris, um die Menschen zu erforschen. Lem hat schon vor 40 Jahren moralische und ethische Probleme imaginiert, die uns bevorsteht, wenn die Computer Intelligenz und so etwas wie Bewusstsein entwickeln werden.

Zur Form kann ich nicht viel sagen, da ich mit solcher Art von Lyrik eigentlich nicht viel anfangen kann, in diesem Fall ist es mal anders.

Gerne und interessiert gelesen.

Gruß Werner


_________________
Stanislav Lem: Literatur versucht, gewöhnliche Dinge ungewöhnlich zu beschreiben, man erfährt fast alles über fast nichts.
Phantastik beschreibt ungewöhnliche Dinge (leider m.M.) meist gewöhnlich, man erfährt fast nicht über fast alles.

Gruß, Werner am NO-Kanal
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Gast







Beitrag28.10.2017 09:03

von Gast
Antworten mit Zitat

Hi,

die Reime stehen in einer angenehmen Wellenbewegung. Rhythmisch stolpere ich ab und an.

Idee ist gut, aber ich glaube, über einen Zwiespalt könnte man nachdenken.

Der Text bewegt sich in einem Spektrum, bei dem harte Enjambements auf Fülle von Metaphern treffen. Das macht das Lesen, auch aufgrund der Länge, so aufwendig.

Vorschlag von mir ist der Gedanke, entweder die Enjambents anders zu setzen und die Verse mehr in Richtung Prosa anzureichern, oder generell gemäß den kurzen Umbrüchen stark zu verdichten.

Grüße,
Monochrom
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