18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Einstand
Textprobe - Erste Versuche zu schreiben


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Beardsley
Geschlecht:männlichErklärbär
B

Alter: 29
Beiträge: 2
Wohnort: Österreich


B
Beitrag25.07.2017 18:48
Textprobe - Erste Versuche zu schreiben
von Beardsley
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich habe mich jetzt ans Schreiben gewagt und hier ist eine erste Textprobe. Ich hoffe, ihr könnt mir konstruktive Kritik geben. Danke!
__________
Alles auf Reset. Alles von vorne. Schon wieder bin ich in diesem Raum. Als wäre das letzte Jahr nie geschehen. Vor genau einem Jahr war ich schon einmal hier, dachte, dass alles vorbei wäre, dass ich endlich frei bin. Doch so läuft das Leben nun mal nicht und ich befinde mich wieder in dieser Situation. Diese grauenhafte Fahrstuhlmusik und der Fernseher, in dem eine Dauerschleife eines Aquariums abgespielt wird, all das hat sich nicht geändert. Und nicht nur das, anscheinend habe auch ich mich nicht verändert. Lediglich die Schlagzeilen der Zeitschriften sind neu. Die neue Bananendiät hilft mir allerdings auch nicht weiter. Wem soll die schon helfen? Bananen essen, bis man umfällt. Das würde mir gefallen. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es bald so weit sein wird. Meine Mutter wartet im Auto und hofft auf eine rasche Lösung, doch die wird es nicht geben, die gibt es nie. Ich würde ja zu einem Gott beten, die Hoffnung, dass der mir diesen Druck von der Brust nimmt, habe ich schon lange über Bort geworfen. Das Schiff ist schon fast untergegangen, da gibt es nichts mehr zu retten. „Herr X bitte“. Diese Stimme kenne ich und die Fragen, die gleich kommen, auch.

„Was hat sie gesagt?“
„Nicht so viel Mama, sie fragte danach, wie es mir ginge.“
„Hast du ihr auch gesagt, dass du an Gewicht verloren hast?“

Natürlich habe ich ihr das alles erklärt. Drei Monate und Acht Kilo weniger. Es ist ziemlich viel, aber mich stört es nicht, dass man jede meiner Rippen sieht. Mich stören die Augenringe nicht und mein trüber Blick. Daran habe ich mich längst gewöhnt. Nur die Bauchschmerzen machen mir zu schaffen, sie lassen mich wenigstens noch spüren, dass ich lebe.

Diese Autofahrten sind immer unangenehm. Man erwartet von mir, zu sprechen. Genau das fällt mir so schwer. Ich weiß nicht, was ich sagen sollte, was ich noch zu sagen hätte. Es ist einfacher nichts zu sagen. Sowohl für mich als auch für alle anderen. Ich möchte niemanden belasten.

So viele Autos kreuzen uns auf dem Weg. Ein Volkswagen, dann ein BMW, hin und wieder ein Opel oder Fiat. Wer die Fahrer sind, wissen wir nicht und dennoch begegnen wir uns. Jeder hat ein anderes Ziel. Unseres ist heute der Baumarkt. Mit der Rolltreppe rauf in den ersten Stock. Dort ist der Badezimmerbedarf. Ich brauche noch einen Duschschlauch für meine neue Wohnung. Trotz allem muss das Leben weiter gehen. Ich bin darauf getrimmt zu funktionieren. Allerdings benötige ich eine Funktion, um zu funktionieren. Diese habe ich verloren und befinde mich nun auf der stetigen Suche danach. Jeder von uns muss gesellschaftliche Normen erfüllen. Wir haben Verpflichtungen, denen wir nachgehen sollten. Sollen soziale Kontakte pflegen, unsere Arbeit verrichten und Hobbys pflegen. Das erwartet man von uns. Ich trete ganz bewusst aus diesem Kreis aus, denn den Zweck, den er erfüllt sehe, ich nicht. Es ist alles nur ein Schein und viel zu schnell. Drückt sich wie eine Schlange um mein Genick.

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
GloriaTab
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 31
Beiträge: 52



Beitrag25.07.2017 22:11
Re: Textprobe - Erste Versuche zu schreiben
von GloriaTab
Antworten mit Zitat

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
Ich habe mich jetzt ans Schreiben gewagt und hier ist eine erste Textprobe. Ich hoffe, ihr könnt mir konstruktive Kritik geben. Danke!
__________
Alles auf Reset. Alles von vorne. Schon wieder bin ich in diesem Raum. Als wäre das letzte Jahr nie geschehen. Vor genau einem Jahr war ich schon einmal hier, dachte, dass alles vorbei wäre, dass ich endlich frei bin. Doch so läuft das Leben nun mal nicht und ich befinde mich wieder in dieser Situation. Diese grauenhafte Fahrstuhlmusik und der Fernseher, in dem eine Dauerschleife eines Aquariums abgespielt wird, all das hat sich nicht geändert. Und nicht nur das, anscheinend habe auch ich mich nicht verändert.  Die neue Bananendiät hilft mir allerdings auch nicht weiter. Wem soll die schon helfen? Bananen essen, bis man umfällt. Das würde mir gefallen. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es bald so weit sein wird. Meine Mutter wartet im Auto und hofft auf eine rasche Lösung, doch die wird es nicht geben, die gibt es nie. Ich würde ja zu einem Gott beten, aber die Hoffnung, dass dieser mir den Druck von der Brust nimmt, habe ich schon lange über Bord geworfen. Das Schiff ist schon fast untergegangen, da gibt es nichts mehr zu retten. „Herr X bitte“. Diese Stimme kenne ich und die Fragen, die gleich kommen, auch.

„Was hat sie gesagt?“
„Nicht so viel Mama, sie fragte danach, wie es mir ginge.“ (Ob der Protagonist wirklich so antworten würde? Eher "..sie wollte wissen, wie es mir geht")
„Hast du ihr auch gesagt, dass du an Gewicht verloren hast?“

Natürlich habe ich ihr das alles erklärt. Drei Monate und Acht Kilo weniger. Es ist ziemlich viel, aber mich stört es nicht, dass man jede meiner Rippen sieht. Mich stören die Augenringe nicht und mein trüber Blick. Ich kenne mich nicht mit Magersucht aus. Aber ich frage mich, ob die Betroffenen tatsächlich wahrnehmen, wie sie wirklich aussehen (die hervorstehenden Rippen, trübe Augen) Daran habe ich mich längst gewöhnt. Nur die Bauchschmerzen machen mir zu schaffen, sie lassen mich wenigstens noch spüren, dass ich lebe.

Diese Autofahrten sind immer unangenehm. Man erwartet von mir, zu sprechen. Warum? Genau das fällt mir so schwer. Ich weiß nicht, was ich sagen sollte, was ich noch zu sagen hätte. Es ist einfacher nichts zu sagen. Sowohl für mich als auch für alle anderen. Ich möchte niemanden belasten.

So viele Autos kreuzen uns auf dem Weg. Ein Volkswagen, dann ein BMW, hin und wieder ein Opel oder Fiat. Wer die Fahrer sind, wissen wir nicht und dennoch begegnen wir uns. Jeder hat ein anderes Ziel. Unseres ist heute der Baumarkt. Mit der Rolltreppe rauf in den ersten Stock. Dort ist der Badezimmerbedarf. Ich brauche noch einen Duschschlauch für meine neue Wohnung. Trotz allem muss das Leben weiter gehen. Ich bin darauf getrimmt zu funktionieren. Allerdings benötige ich eine Funktion, um zu funktionieren. Diese habe ich verloren und befinde mich nun auf der stetigen Suche danach. Jeder von uns muss gesellschaftliche Normen erfüllen. Wir haben Verpflichtungen, denen wir nachgehen sollten. Sollen soziale Kontakte pflegen, unsere Arbeit verrichten und Hobbys pflegen. Das erwartet man von uns. Ich trete ganz bewusst aus diesem Kreis aus, denn den Zweck, den er erfüllt(Komma) sehe ich nicht. Es ist alles nur ein Schein und viel zu schnell. Drückt sich wie eine Schlange um mein Genick.


Hallo Beardsley!

Deinen Einstand fand ich interessant und gut zu lesen. Die Sätze waren nicht zu lang, meist wirklich sehr kurz. Aber sowas mag ich, solange sie nicht die gesamte Geschichte dominieren. Meine Anmerkungen sind subjektiv, also schau einfach, was du gebrauchen kannst. Die Bananendiät hätts für mich jetzt nicht gebraucht, aber gut, ich denk, ich versteh warum du sie mit reingebracht hast.

Viele Grüße
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ruby Smith
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 33
Beiträge: 1180
Wohnort: Kenten


Beitrag27.07.2017 12:33
Re: Textprobe - Erste Versuche zu schreiben
von Ruby Smith
Antworten mit Zitat

Hallo Beardsley,

mir hat dein Stil auch sehr gefallen. Einfache klare Sätze und gute Ausdrucksweise ohne viel Schnick-Schnack. smile

Was ich jedoch ein bisschen vermisse, ist der Rote Faden. Erst wird von einem Gespräch und einem Ort gesprochen und plötzlich müssen sie in den Baumarkt, um einen Duschschlauch zu holen. Für mich persönlich ist da ein Bruch entstanden.

Ansonsten kann ich mich nur GloriaTabs Anmerkungen anschließen.

Für einen Einstand war das aber schon sehr gut! Weiter so!

Liebe Grüße

Ruby


_________________
I'd like to add some beauty to life. I don't exactly want to make people know more... though I know that is the noblest ambition, but I'd love to make them have a pleasanter time because of me... to have some little joy or happy thought that would never have existed if I hadn't been born.

(Anne Shirley - Anne of Green Gables, Lucy Maud Montgomery)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Bunt Speck
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 436
Wohnort: Brimm


Beitrag27.07.2017 15:28
Re: Textprobe - Erste Versuche zu schreiben
von Bunt Speck
Antworten mit Zitat

Hi Beardsley,

Mir gefällts auch. Der Stil, die Stimmung, alles gut. Da will man mehr wissen und lesen. Es geht ja scheinbar um Krankheit, Burn-Out irgendwie sowas?

Gestolpert bin ich über das hier:
Beardsley hat Folgendes geschrieben:

„Nicht so viel Mama, sie fragte danach, wie es mir ginge.“


Und auch bei mehrmaligem Lesen verstehe ich den Satz nicht. Vielleicht solltest du das umformulieren?

Und auch die Stelle mit den Autos und der Begegnung der Fahrer empfand ich beim Lesen als seltsam, weil die ganze Zeit aus der Perspektive der erzählenden Person geredet wird ohne ein Kollektivgefühl aufzubauen, das aber hier plötzlich kommt: "wissen wir nicht", "begegnen wir uns". Das letzte funktioniert noch mit dem Erzähler in seiner Haut. Das erste schließt aber die Mutter ein, oder? Flüssiger fände ich, wenn hier stehen würde: "Wer die Fahrer sind, weiß ich nicht und dennoch begegnen wir uns."

Gruß
Bunt
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
A.F. Daring
Gänsefüßchen


Beiträge: 20
Wohnort: Deutschland


Beitrag29.07.2017 11:49

von A.F. Daring
Antworten mit Zitat

Hallo Beardsley.

Mir hat Deine Geschichte gut gefallen. Es liest sich flüssig und Du schaffst es die Emotionen gut rüber zu bringen. Besonders der Beginn ist Dir gut gelungen. Er macht neugierig, weil ich wissen möchte, was vor einem Jahr geschehen ist und in welcher Situation sich der Protagonist (Prota) befindet.

Desweiteren mag ich, dass Du mich nicht in Adjektiven und Adverben ertränkst. Du hast einen knackigen Schreibstil.

Ich denke, manchmal könntest Du jedoch noch etwas kürzen. Zum Beispiel hier:

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
Schon wieder bin ich in diesem Raum. Als wäre  das letzte Jahr nie geschehen.  Vor genau einem Jahr war ich schon einmal hier, dachte, dass alles vorbei wäre, dass ich endlich frei bin.


Für mich, bilden die beiden roten Bausteine eine Wiederholung und sind redundant. (Ha, ich kann das auch smile )Ebenso fühlen sich die beiden blauen Bausteine redundant für mich an.
Das ist ja nicht unbedingt verkehrt, aber ich habe das Gefühl, dass Dein Text mehr Pfeffer hätte, wenn Du diese Redundanzen herausnimmst. Nach dem Motto "weniger ist mehr".

Ich finde die beiden Sätze: "Schon wieder bin ich in diesem Raum. Als wäre  das letzte Jahr nie geschehen." toll und sie waren es, die mich neugierig gemacht haben. Ich würde deshalb an Deiner Stelle den Satzteil: "Vor genau einem Jahr war ich schon einmal hier" rauskürzen.

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
Diese grauenhafte Fahrstuhlmusik und der Fernseher, in dem eine Dauerschleife eines Aquariums abgespielt wird, all das hat sich nicht geändert. Und nicht nur das, anscheinend habe auch ich mich nicht verändert. Lediglich die Schlagzeilen der Zeitschriften sind neu.


Diesen Teil finde ich auch toll. Ich mag die Bilder, die Du in mir erzeugst: die Fahrstuhlmusik, das Aquarium und die Schlagzeilen der Zeitschriften. Echt gut gemacht. Mein Kompliment.

Allerdings habe ich das Gefühl, dass ich als (zugegebenermaßen fauler) Leser, etwas hin-und hergeschmissen werde:

  1. Es hat sich nichts im Wartezimmer verändert.
  2. Prota hat sich nicht verändert.
  3. Im Wartezimmer haben sich die Schlagzeilen verändert.


(Um Himmels Willen, an meiner kleinkarierten Nörgelei siehst Du, wie gut Dein Text ist.)

Hier würde ich empfehlen, die Aufzählung umzustellen. Erst erwähnen, dass sich die Schlagzeilen der Zeitschriften verändert haben. Dann sagen, dass sich sonst nichts verändert hat: Fahrstuhlmusik und Aquarium. Und dann sagen, dass sich Prota auch nicht verändert hat.

Das ist aber vielleicht Geschmackssache und nur so eine Idee.

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
„Herr X bitte“


Auch Geschmackssache, aber hier hätte ich mir einen Namen gewünscht. Es ist ja der Name des Prota, in dessen Kopf ich mich gerade befinde und mit dem ich mitfühlen soll/will. Irgend ein Name (keine Ahnung Meier, Müller, Schulz, was auch immer) würde mir immens dabei helfen, mich mit dem Prota zu identifizieren.


Beardsley hat Folgendes geschrieben:
Diese Stimme kenne ich und die Fragen, die gleich kommen, auch.


SUPER!

Und dann auch noch gefolgt von einer Frage, die mich allerdings fast-forward durch die Zeit katapultiert, nämlich hinein ins Auto zur Mutter -- Mensch, das hast Du wirklich super gemacht!


Beardsley hat Folgendes geschrieben:
„Nicht so viel Mama, sie fragte danach, wie es mir ginge.“


Zu diesem Satz haben ja schon andere hier etwas gesagt.
Ich glaube es ist wichtig, dass Du in diesem Satz "Mama" drin hast, damit wir wissen, dass wir jetzt mit Mama im Auto sind. Aber ansonsten würde es in meiner Vorstellung besser zum Prota passen, wenn er eine kürzere, genervtere, verstocktere Antwort geben würde. Sogar nur ein einfaches:
"Nix, Mama."

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
Drei Monate und Acht Kilo weniger. Es ist ziemlich viel, aber mich stört es nicht, dass man jede meiner Rippen sieht. Mich stören die Augenringe nicht und mein trüber Blick.


So, trotz der Bananendiät (von der ich persönlich noch nie gehört habe), habe ich hier erst verstanden, oder meine zu verstehen, dass der Prota eine Essstörung, oder sogar Magersucht hat. Falls der Prota tatsächlich Magersucht haben sollte, dann würde der Prota niemals sagen, dass es ihn nicht störte, dass er Gewicht verloren hat. Und er würde auch nicht viel auf Augenringe oder einen trüben Blick geben. Nach allem was ich weiß, würde der Prota sich selbs tatsächlich für zu dick halten und genau das würde ihn stören. Er würde also sagen: "Ich habe acht Kilo abgenommen, da bin ich stolz drauf, aber wenn ich in den Spiegel schaue und meine dicken Oberarme/Oberschenkel etc. sehe, könnte ich heulen." oder "andere sagen ich wäre zu dünn, aber wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich nur all das Fett." Oder irgendwas in der Art.

Aber vielleicht misverstehe ich die Situation auch und der Gewichtsverlust ist eine Begleiterscheinung von einem anderen Krankheitsbild?

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
Nur die Bauchschmerzen machen mir zu schaffen, sie lassen mich wenigstens noch spüren, dass ich lebe.


Diesen Satz finde ich schwierig, weil er für mich wiedersprüchlich ist.
Der von mir rot eingefärbte Satzteil ist negativ, da es dem Prota "zu schaffen macht". Aber der blau eingefärbte Satztei ist positiv "wenigstens noch". Das kriege ich im Kopf nicht zusammen.

Am besten kann ich mich mit dem blau eingefärbten Satzteil identifizieren. Das ist ein Gefühl, das man auch von Ritzern kennt oder Adrenalinjunkies.
Deshalb wäre mein Rat den roten Satzteil zu entschärfen und es nicht "macht mir zu schaffen" zu nennen, sondern einfach sagen, dass er Bauchschmerzen hat, ohne es als negativ zu bewerten. Dann passt die folgende (blaue) positive Bewertung besser rein imho.

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
So viele Autos kreuzen uns auf dem Weg.


Hmm. Beim ersten Durchlesen entstand das Bild in meinem Kopf, dass ihnen die Autos entgegen kommen. Dann beim zweiten Mal habe ich gemerkt, dass da ja "kreuzen" steht. Müsste es nicht heißen: "So viele Autos kreuzen unseren Weg."?

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
Jeder hat ein anderes Ziel. Unseres ist heute der Baumarkt.


OMG, das war perfekt. Ich liebe diese Stelle. Von dieser Traurigkeit und Einsamkeit und diesem philosophischen "Jeder hat ein anderes Ziel" wirfst Du uns eiskalt in einen banalen Baumarkt. Und dann der Duschschlauch.

Also echt gut gemacht.

Allerdings wirfst Du uns dann sofort wieder zurück ins Philosophische, Klagende, Trauernde mit Deinem letzten Absatz:

Beardsley hat Folgendes geschrieben:
Trotz allem muss das Leben weiter gehen. Ich bin darauf getrimmt zu funktionieren. Allerdings benötige ich eine Funktion, um zu funktionieren. Diese habe ich verloren und befinde mich nun auf der stetigen Suche danach. Jeder von uns muss gesellschaftliche Normen erfüllen. Wir haben Verpflichtungen, denen wir nachgehen sollten. Sollen soziale Kontakte pflegen, unsere Arbeit verrichten und Hobbys pflegen. Das erwartet man von uns. Ich trete ganz bewusst aus diesem Kreis aus, denn den Zweck, den er erfüllt sehe, ich nicht. Es ist alles nur ein Schein und viel zu schnell. Drückt sich wie eine Schlange um mein Genick.


Das finde ich schade, weil Du Dir meiner Meinung nach, Deine eigene geniale Wendung mit dem Baumarkt kleinmachst. Ich würde den Baumarkt sogar als letzten Schlag in die Magengrube am Ende des Textes stehen lassen und die philosophischen Sachen zusammenschieben.

In etwas so:

"Natürlich habe ich ihr das alles erklärt. Drei Monate und acht Kilo weniger. Es ist ziemlich viel, aber mich stört es nicht, dass man jede meiner Rippen sieht. Mich stören die Augenringe nicht und mein trüber Blick. Daran habe ich mich längst gewöhnt. Nur die Bauchschmerzen machen mir zu schaffen, sie lassen mich wenigstens noch spüren, dass ich lebe.

Diese Autofahrten sind immer unangenehm. Man erwartet von mir, zu sprechen. Genau das fällt mir so schwer. Ich weiß nicht, was ich sagen sollte, was ich noch zu sagen hätte. Es ist einfacher nichts zu sagen. Sowohl für mich als auch für alle anderen. Ich möchte niemanden belasten.

Trotz allem muss das Leben weiter gehen. Ich bin darauf getrimmt zu funktionieren. Allerdings benötige ich eine Funktion, um zu funktionieren. Diese habe ich verloren und befinde mich nun auf der stetigen Suche danach. Jeder von uns muss gesellschaftliche Normen erfüllen. Wir haben Verpflichtungen, denen wir nachgehen sollten. Sollen soziale Kontakte pflegen, unsere Arbeit verrichten und Hobbys pflegen. Das erwartet man von uns. Ich trete ganz bewusst aus diesem Kreis aus, denn den Zweck, den er erfüllt sehe, ich nicht. Es ist alles nur ein Schein und viel zu schnell. Drückt sich wie eine Schlange um mein Genick.

So viele Autos kreuzen uns auf dem Weg. Ein Volkswagen, dann ein BMW, hin und wieder ein Opel oder Fiat. Wer die Fahrer sind, wissen wir nicht und dennoch begegnen wir uns. Jeder hat ein anderes Ziel. Unseres ist heute der Baumarkt. Mit der Rolltreppe rauf in den ersten Stock. Dort ist der Badezimmerbedarf. Ich brauche noch einen Duschschlauch für meine neue Wohnung."

Ok, also Daumen hoch von mir smile War eine Freude zu lesen,
LG,
A.F.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beardsley
Geschlecht:männlichErklärbär
B

Alter: 29
Beiträge: 2
Wohnort: Österreich


B
Beitrag12.08.2017 11:17

von Beardsley
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für die zahlreichen Antworten. Ich habe meinen Text überarbeitet und etwas erweitert. Ich finde es toll, dass einige von euch glauben mein Protagonist hätte Magersucht. Diese Krankheit hat er nicht, aber ich wollte, dass man genau das zuerst denkt und dann doch ins Zweifeln gerät.

_____________
Alles auf Reset. Alles von vorne. Schon wieder bin ich in diesem Raum. Als wäre das letzte Jahr nie geschehen. Ich dachte, dass alles vorbei wäre, dass ich endlich frei bin. Doch so läuft das Leben nun mal nicht und ich befinde mich wieder in dieser Situation. Lediglich die Schlagzeilen der Zeitschriften sind neu. Die neue Bananendiät hilft mir allerdings auch nicht weiter. Wem soll die schon helfen? Bananen essen, bis man umfällt. Das würde mir gefallen. Diese grauenhafte Fahrstuhlmusik und der Fernseher, in dem eine Dauerschleife eines Aquariums abgespielt wird, all das hat sich nicht geändert. Und nicht nur das, anscheinend habe auch ich mich nicht verändert.
Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es bald so weit sein wird. Meine Mutter wartet im Auto und hofft auf eine rasche Lösung, doch die wird es nicht geben, die gibt es nie. Ich würde ja zu einem Gott beten, aber die Hoffnung, dass dieser mir den Druck von der Brust nimmt, habe ich schon lange über Bort geworfen. Das Schiff ist schon fast untergegangen, da gibt es nichts mehr zu retten. „Herr Steiner, bitte“. Diese Stimme kenne ich und die Fragen, die gleich kommen, auch.


„Was hat sie gesagt?“
„Nicht viel Mama, sie fragte nur wie es mir geht.“
„Hast du ihr auch gesagt, dass du an Gewicht verloren hast?“

Natürlich habe ich ihr das alles erklärt. Drei Monate und acht Kilo weniger. Es ist ziemlich viel, aber mich stört es nicht, dass man jede meiner Rippen sieht. Mich stören die Augenringe nicht und mein trüber Blick. Daran habe ich mich längst gewöhnt. Nur die Bauchschmerzen lassen mich wenigstens noch spüren, dass ich lebe.

Diese Autofahrten sind immer unangenehm. Man erwartet von mir, zu sprechen. Genau das fällt mir so schwer. Ich weiß nicht, was ich sagen sollte, was ich noch zu sagen hätte. Es ist einfacher nichts zu sagen. Sowohl für mich als auch für alle anderen. Ich möchte niemanden belasten.

Trotz allem muss das Leben weiter gehen. Ich bin darauf getrimmt zu funktionieren. Allerdings benötige ich eine Funktion, um zu funktionieren. Diese habe ich verloren und befinde mich nun auf der stetigen Suche danach. Jeder von uns muss gesellschaftliche Normen erfüllen. Wir haben Verpflichtungen, denen wir nachgehen sollten. Sollen soziale Kontakte pflegen, unsere Arbeit verrichten und Hobbys haben. Das erwartet man von uns. Ich trete ganz bewusst aus diesem Kreis aus, denn den Zweck, den er erfüllt, sehe ich nicht.

So viele Autos kreuzen unseren Weg. Ein Volkswagen, dann ein BMW, hin und wieder ein Opel oder Fiat. Wer die Fahrer sind, wissen wir nicht und dennoch begegnen wir uns. Jeder hat ein anderes Ziel. Unseres ist heute der Baumarkt. Mit der Rolltreppe rauf in den ersten Stock. Dort ist der Badezimmerbedarf. Ich brauche noch einen Duschschlauch für meine neue Wohnung. Der Alte ist kaputt und viel zu kurz. Das Wasser bahnte sich seine Wege überall hin, nur nicht zum Duschkopf. Die Liste der Dinge, die ich für die Wohnung brauche, ist aber noch länger. Ohne meine Eltern könnte ich sie nicht abarbeiten. Sie hoffen, dass es mir in der neuen Umgebung besser geht und ich wieder gesund werde. Bis die Medikamente wirken, wird es aber noch dauern. Da muss ich durch. Das will ich auch. Es ist meine einzige Chance. Zum Glück wirkt mein Schlafmittel schon. So behaglich habe ich mich in einem Bett schon lange nicht mehr gefühlt. Meine erste Nacht verlief gut. Ich bin nie aufgewacht und konnte schnell einschlafen. Der Morgen aber ist es, der mich aufwühlt. Ich bin verwirrt und benebelt. Schaffe es kaum aufzustehen und wenn es mir gelingt, dann bereue ich es auf der Stelle. Alles kommt mir so surreal vor. Als wäre ich noch im Traum, taumle in die Küche und würge die ersten Pillen des Tages hinunter. Dann greife ich zu meinem alten Mokkakocher und fülle das Wasser und den gemahlenen Kaffee ein. Ich trinke einen Schluck und erst dann wird mir bewusst, dass ich zur Arbeit muss. Langsam legt sich der Nebel. Spätestens dann, wenn ich den Schlüssel umdrehe und die Galerie betrete.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Bunt Speck
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 436
Wohnort: Brimm


Beitrag13.08.2017 13:19

von Bunt Speck
Antworten mit Zitat

Beardsley hat Folgendes geschrieben:

„Nicht viel Mama, sie fragte nur wie es mir geht.“


Bitte Komma vor Mama, dann ist der Satz auch klar. Sonst würde es ja bedeuten, dass das Wort Mama nicht viel gesagt wurde.
Ich würde schreiben: "Nicht viel, Mama. Sie fragte nur, wie es mir geht."
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
shaadar
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 49
Beiträge: 57
Wohnort: Heidelberg


Beitrag28.08.2017 16:19

von shaadar
Antworten mit Zitat

Du sprichst ganz sachte etwas noch kommendes an, erzeugst Spannung. Wie es nun mit der Gesundheit des Protagonisten bestellt ist... man weiß es nicht, will es aber erfahren. Gefällt mir.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Lincoln
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
L


Beiträge: 35
Wohnort: Norden


L
Beitrag28.08.2017 17:50

von Lincoln
Antworten mit Zitat

Ich tippe auf eine Depression.

Mir gefällt der Text ebenfalls. Der letzte Abschnitt besteht nur aus sehr kurzen Sätzen. Soll es so?

Bin gespannt, wie es weiter gehen könnte
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Timatan
Geschlecht:männlichErklärbär
T

Alter: 31
Beiträge: 4
Wohnort: Bischofsheim


T
Beitrag29.08.2017 09:59

von Timatan
Antworten mit Zitat

Mich erinnert das ganze an meine Chemotherapie. Würde auch passen dass es nochmal ein jahr später passiert. Vielleicht ein Rückfall.
Auf jeden Fall sehr spannend!

Nur hier sind mir zwei Kleinigkeiten aufgefallen:

ch würde ja zu einem Gott beten, doch die Hoffnung, dass der mir diesen Druck von der Brust nimmt, habe ich schon lange über Bord geworfen.

Weiter so!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Einstand
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Kurse, Weiterbildung / Literatur, Links
Liste mit Youtube Kanäle zum Thema S...
von TheRabbit95
TheRabbit95 Kurse, Weiterbildung / Literatur, Links 5 27.03.2024 00:47 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Der Erste
von Peter Hort
Peter Hort Werkstatt 2 03.03.2024 10:46 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Profession Schriftsteller (Leid und Lust)
Aphantasie und das Schreiben
von sleepless_lives
sleepless_lives Profession Schriftsteller (Leid und Lust) 1 27.02.2024 13:43 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Kurse, Weiterbildung / Literatur, Links
Cooler Podcast zum Krimi-Hörspiel-Sc...
von Marion1771
Marion1771 Kurse, Weiterbildung / Literatur, Links 0 17.02.2024 17:35 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Eure Gewohnheiten, Schreibhemmung, Verwirrung
Was habt ihr durch das Schreiben übe...
von Irschle
Irschle Eure Gewohnheiten, Schreibhemmung, Verwirrung 13 25.01.2024 02:15 Letzten Beitrag anzeigen

BuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von Nayeli Irkalla

von Hitchhiker

von Dichternarzisse

von Mogmeier

von Kojote

von Nordlicht

von KeTam

von Gefühlsgier

von Mercedes de Bonaventura

von hexsaa

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!