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Textprobe (Noch ohne Titel) Szene: Ein kurzes Gefecht


 
 
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S.Henry
Schneckenpost
S

Alter: 40
Beiträge: 7
Wohnort: Der hohe Norden


S
Beitrag23.07.2017 13:35
Textprobe (Noch ohne Titel) Szene: Ein kurzes Gefecht
von S.Henry
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,

Da ich noch neu in diesem Forum bin und noch an meinem ersten Romanprojekt sitze: Seid gnädig zu mir Laughing

Nein, für konstruktive Kritik bin ich immer dankbar. Je mehr, desto mehr kann ich mich verbessern. Embarassed

Anbei möchte ich als Einstand einen kurzen Textausschnitt zeigen. Ich bin noch nicht richtig zufrieden damit und ihr werdet sicherlich genug Kritikpunkte darin finden. Rolling Eyes

Ausgehende Situation ist folgende: Ein junger Mann wird durch bestimmte Umstände in eine Zeit geschleudert und muss, obwohl er alles dafür tut, sich aus der Geschichte herauszuhalten, in einem Krieg kämpfen, der ihm einiges abverlangt.

Nur Augenblicke später fand Ben sich direkt zwischen den Soldaten wieder, die unermüdlich auf die Rebellen feuerten und nahm einem Sterbenden die Muskete aus der Hand. Er atmete durch. Wie war das noch mit dem Laden? Ben schaffte es, das Pulver und eine Kugel in den Lauf zu stopfen und setzte ein neues Zündhütchen auf. Er nahm die Waffe in beide Hände, zielte und schoss deutlich über die feindlichen Reihen hinweg.
 "Junge, du sollst hier nicht auf die Vögel schießen!" Der Soldat wandte sich wieder ab und zähneknirschend lud Ben die Muskete nach. Er zielte nicht ganz so hoch wie beim letzten Schuss, aber hoch genug um niemanden zu treffen. Das Schießpulver brannte in seinem Mund und die sengende Hitze machte ihm zu schaffen.

Immer wieder krachten Schüsse und die Soldaten versuchten nicht auf die verzweifelten Schreie der Verwundeten zu achten, die achtlos hinter der Frontlinie abgelegt wurden. Die Hände und das Gesicht schwarz vom Schießpulver, merkte Ben, dass er beim Laden seiner Waffe schneller und sicherer wurde. Ein Soldat stieß ihn an:
 "Seargent, die Linie reiß auf! Was sollen wir tun?"
Ben erstarrte. Er konnte keine Befehle erteilen. Er wusste ja nicht einmal, was er hier tat. Während er noch über die Möglichkeiten nachdachte, schlug unmittelbar vor ihm ein Artilleriegeschoss ein. Der Soldat, der ihn angesprochen hatte, verschwand aus Bens Blick und er selbst wurde von den Füßen gerissen. Die Muskete entglitt seinen Händen und verschwand. Bens Ohren schienen zu zerreißen und außer einem hohen Pfeifen hörte er gar nichts mehr. Er lag auf dem Rücken. In dem blauen Himmel sammelten sich einige kleinere Wattewölkchen und die Sonne blendete.

Kräftige Hände zogen Ben ein gutes Stück von der Front weg und legten ihn in den Staub. Ein Sanitäter beugte sich über ihn und sagte etwas, dass Ben nicht verstand. Seine Ohren klingelten immer noch und alles lief wie in einem Stummfilm ab. Er spürte einen stechenden Schmerz in der Schulter. Ben setzte sich keuchend auf und sah an sich herunter. Alles war noch an Ort und Stelle und nirgendwo waren größere Blutflecken zu sehen.

Ganz leise, zwischen dem Pfeifen, hörte Ben die Stimme des Sanitäters:
 "Seargent, sind sie in Ordnung?"
Ben rieb sich die Schläfen. Als er antwortete, hörte er sich selber kaum, merkte aber, dass er brüllte:
 "Ja, alles in Ordnung. Nur ein Klingeln in den Ohren."
Der Mann klopfte Ben kurz auf die Schulter und verschwand aus seinem Sichtfeld. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Pfeifen etwas weniger wurde und wieder Geräusche zu ihm durch kamen.
Bei dem Schlachtenlärm wäre Ben aber auch nicht traurig gewesen, wenn er noch eine Weile nichts gehört hätte. Das Schlimmste waren die Schreie der Sterbenden und überall war die Angst der Männer zu spüren, wenn das leise Pfeifen der Artillerie zu hören war. Er rappelte sich mühselig auf und torkelte von der Front weg. Das Gleichgwicht war etwas durcheinander geraten und so setzte sich Ben an einen Baum, der schon beinahe in der Stadt stand. Er atmete durch und ruhte sich etwas aus.



_________________
Lieben Gruß
Stephen F. Henry
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Ciddy
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Beiträge: 51



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Beitrag23.07.2017 17:01

von Ciddy
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Hallo S.Henry,

Glückwunsch zu deinem ersten Einstand. Ich habe meinen noch vor mir, weil ich einfach nichts finde, das ich posten würde, was unter 3.500 Wörtern liegt. lol2 Dies hier ist jedoch meine erste Kritik, also bitte auch ich um Gnade. wink

Insgesamt finde ich deinen Text schon ziemlich ordentlich und habe ihn gerne gelesen. Ich habe sowohl positive, als auch negative Dinge anzumerken.

In der Rechtschreibung und Grammatik wirkst du auf mich ziemlich gefestigt. Ein paar kleinere Fehler sind mir aufgefallen ("[...] und sagte etwas, dass Ben nicht verstand"; "Seargent, sind sie Sie in Ordnung?"). Ansonsten sehe ich hier keine Probleme.

Der Protagonist (?) Ben hat bei mir sofort Interesse geweckt. Du hast meiner Meinung nach einen guten Einstieg gewählt, indem du mir direkt einmal etwas zeigst, das Ben nicht kann. Damit vermeidest du es nicht bloß, deinen Protagonisten direkt als Helden darzustellen, sondern verdeutlichst zusätzlich, dass wir es mit einer Figur zu tun haben, die Schwächen (und hoffentlich auch Stärken lol2) hat, die nicht bloß dekorativ sind, sondern ihm direkt mal den Kopf kosten könnten. Da ich jedoch die bisherige Geschichte nicht kenne, weiß ich nicht, ob und wie intensiv Ben bereits mit der Muskete üben konnte. Sollte er so ein Ding zum ersten Mal in der Hand halten, ginge mir der Lernprozess zu schnell vonstatten.

Stellenweise finde ich deine Beschreibungen zu sachlich. Besonders aufgefallen ist mir das dann, als Ben von einem Artilleriegeschoss getroffen wird. Es gibt kaum physisches und emotionales Feedback. Ich weiß nicht, mit was für einer Art Artilleriegeschoss wir es zu tun haben, jedoch stelle ich mir die Wucht bei einem Einschlag "unmittelbar" vor einem Menschen weitaus brachialer vor (das kann man sicher gut recherchieren) - besonders dann, wenn es ihn von den Füßen reißt. Ben könnte theoretisch in Stücke gerissen werden - das tut er nicht, doch darf er sich in den ersten Sekunden danach durchaus so fühlen, als wäre eben das geschehen. Mir fehlt hierbei die Dramatik, der Einschlag des Geschosses wirkt zu harmlos und beiläufig, wird meiner Meinung nach zu sachlich zur Kenntnis genommen, genauso wie das große Glück, das Ben erfahren hat, als er diesen Angriff nahezu unverletzt überlebte. Das gilt beispielsweise auch für das Pfeifen in Bens Ohren, das durchaus peinigend sein sollte, von Ben aber wahrgenommen wird, als höre er lediglich nichts.
Kurz und knapp: Alleine mit dem Einschlag des Artilleriegeschosses könntest du sicher 1-2 Seiten füllen.

Zusätzlich noch ein paar einzelne Anmerkungen:

Zitat:
Bei dem Schlachtenlärm wäre Ben aber auch nicht traurig gewesen, wenn er noch eine Weile nichts gehört hätte.

Den Satz würde ich komplett streichen, da ich solche Gedanken während eines Gefechts für unauthentisch halte.

Zitat:
Er rappelte sich mühselig auf und torkelte von der Front weg.

Erinnert mich eher daran, wie ich um 4 Uhr morgens nach Hause geschickt werde, wenn die Kneipe schließt. lol2 Spaß beiseite: Ben könnte theoretisch immer noch getroffen werden, der Lärm der Schlacht verfolgt ihn nach wie vor, vielleicht hört er gar weiterhin die Kugeln zischen. Er sollte es eiliger haben, vielleicht ein wenig panisch sein, besonders an einem Ort und in einer Situation, die ihm fremd sind.

Zitat:
Er atmete durch und ruhte sich etwas aus.

Hier dasselbe. Vielleicht schlägt sein Herz Alarm, möglicherweise ist er auch zu geschockt, um direkt zur Ruhe zu finden.

Ich denke auch, dass ich nun genug Beispiele gegeben habe, die meinen größten Kritikpunkt beschreiben. Die Story mag ich noch nicht bewerten, da ich zu wenig darüber weiß. Ich würde mich später über weitere Textabschnitte freuen.

Grüße smile
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Jenny
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Alter: 39
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Wohnort: Ein Dorf nahe Mariazell, Niederösterreich


Beitrag23.07.2017 19:09

von Jenny
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Ich bin zwar selbst noch ganz neu hier, möchte aber auch meinen Senf zu deiner Geschichte hinzugeben wink
Erstens:
Ich finde deinen Schreibstil sehr angenehm, er hat mich gleich in den Bann gezogen. Dass Ben völlig überfordert mit der Situation ist, gefällt mir. Wem ginge es nicht ähnlich?
Ich habe mich beim Lesen nur spontan gefragt, woher er das mit dem Waffenladen kennt, aber da der Rest deines Romans im Dunklen liegt, wird Ben es schon irgendwann gelernt haben.

Sehr gut fand ich den Absatz darüber, dass Ben absichtlich daneben schießt. Und zwar nicht nur, weil ich es nachvollziehen kann, sondern auch, weil es realistisch ist. Archäologische Untersuchungen auf antiken Schlachtfeldern haben ergeben, dass deutlich mehr danebengeschossen, als getroffen wurde. Und das war Absicht. Bevor annonyme Massenvernichtungswaffen ins Spiel kamen, trafen nur ca. 25 % der Geschosse auch tatsächlich ein menschliches Ziel.
Die weite Mehrheit der Soldaten schoss absichtlich daneben und dein Ben hätte voll im Trend gelegen.

Nur den Beginn des Textes hätte ich an deiner Stelle leicht anders formuliert, den finde ich etwas zu lahm im Tempo.
Vielleicht wäre da eine einfache Umstellung der Sätze schon hilfreich. Statt:
Zitat:
Nur Augenblicke später fand Ben sich direkt zwischen den Soldaten wieder, die unermüdlich auf die Rebellen feuerten und nahm einem Sterbenden die Muskete aus der Hand. Er atmete durch. Wie war das noch mit dem Laden?

So etwas wie:
Nur Augenblicke später befand Ben sich direkt zwischen den Soldaten wieder, die unermüdlich auf die Rebellen feuerten. Er atmete durch, dann nahm er einem Sterbenden die Muskete aus der Hand. Wie war das noch mit dem Laden?

Der erste Satz erscheint mir in deiner Version zu lang. Just my 2 Cents wink

Insgesamt schöner Einstieg!

Gruß, Jenny
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Canyon
Leseratte

Alter: 44
Beiträge: 128
Wohnort: Nimmerland


Beitrag23.07.2017 22:18
Re: Textprobe (Noch ohne Titel) Szene: Ein kurzes Gefecht
von Canyon
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Hey S.Henry smile

Auch mir hat deine Geschichte gut gefallen und ich würde gerne erfahren, wie es weiter geht, bzw. was hinter der Zeitreise steckt.
Eine Kleinigkeit ist mir aber aufgefallen:

S.Henry hat Folgendes geschrieben:

 "Junge, du sollst hier nicht auf die Vögel schießen!" Der Soldat wandte sich wieder ab und zähneknirschend lud Ben die Muskete nach.
...
 "Seargent, die Linie reiß auf! Was sollen wir tun?"
Ben erstarrte. Er konnte keine Befehle erteilen. Er wusste ja nicht einmal, was er hier tat.
...
 "Seargent, sind sie in Ordnung?"
Ben rieb sich die Schläfen. Als er antwortete, hörte er sich selber kaum, merkte aber, dass er brüllte:
 "Ja, alles in Ordnung. Nur ein Klingeln in den Ohren."


Da Ben ja offenbar in der Identität eines Befehlshabers steckt, irritiert mich die Aussage des ersten Soldaten ein wenig. Das falpsige"Junge ...", und vor allem das DU, wo er doch später von anderen Soldaten gesiezt wird.

Ansonsten aber sehr schön zu lesen. Macht Lust auf mehr. smile


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S.Henry
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Beitrag24.07.2017 09:53

von S.Henry
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Hallo zusammen,

das ist doch deutlich weniger Kritik als ich erwartet hatte Embarassed

Vielen Dank für eure Beiträge.

@Ciddy:

Ja, Ben ist der Protagonist in der Geschichte. Er hatte auch vorher schon Gelegenheit, mit einer Muskete zu schießen, ist also nicht vollkommener Neuling. Aber fast smile

Das mit der Sachlichkeit wirft mir meine Frau auch immer vor. Wahrscheinlich habe ich inzwischen so viel über den historischen Hintergrund gelesen, dass ich manchmal zur Beschreibung wie in einer Dokumentation neige Rolling Eyes

Die Stelle, wo Ben von der Front verschwindet ist ein sehr guter Einwand und ich werde sie auf jeden Fall umschreiben. Vielleicht das er mit eingezogenem Kopf zurückrennt und dabei öfter fällt, bzw. in die Knie geht. So etwas in der Art.

@Jenny

Das Tempo muss ich noch an einigen Stellen überarbeiten. Bei der ersten Überarbeitung sind mir schon Stellen aufgefallen, wo es zu langsam oder zu schnell wird. Aber das kommt noch smile

@Canyon

Ben ist zwar nur Seargent, aber trotzdem führt er eine Gruppe Soldaten, bzw. versucht es. Beim Schreiben fand ich den Satz passend, aber nach deiner Anmerkung muss ich dir zustimmen. Höchstwahrscheinlich hätte kein einfacher Soldat so mit einem Seargent gesprochen. Den Satz und ein paar andere werde ich auf jeden Fall ändern Rolling Eyes

Das mit dem Du und Sie ist mir öfter passiert. Die Sprache, die in dem Großteil der Geschichte gesprochen wird ist englisch, da gibt es ja die Unterscheidung nicht. Rolling Eyes

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Stephen


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Ciddy
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Beitrag24.07.2017 10:45

von Ciddy
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Der Diskussion um Bens militärischen Rang möchte ich etwas hinzufügen, das mir beim zweiten Lesen in den Sinn kam: Als befehlshabender Offizier verlässt man meines Erachtens nicht so schnell die Front - zumindest nicht ohne dass die zu befehligenden Soldaten nicht wenigstens verwirrt reagieren, da Ben scheinbar körperlich und psychisch größtenteils unversehrt zu sein scheint und deshalb weiter seinem Job nachgehen könnte. Das kommt aber sicherlich auch auf das Setting, die Fraktion und die Befehle der Höheren an, weshalb ich mich da nicht zu sehr auf vermeintliche Tatsachen stützen möchte.

Kann man denn eine Überarbeitung erwarten, oder belässt du es erst mal dabei? smile
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S.Henry
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Beitrag24.07.2017 14:21

von S.Henry
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So, dann schauen wir mal, wie euch die nächste Version gefällt Rolling Eyes


Nur Augenblicke später fand Ben sich direkt zwischen den Soldaten wieder, die unermüdlich auf die Rebellen feuerten und nahm einem Sterbenden die Muskete aus der Hand. Er atmete durch. Wie war das noch mit dem Laden? Ben schaffte es, das Pulver und eine Kugel in den Lauf zu stopfen und setzte ein neues Zündhütchen auf. Er nahm die Waffe in beide Hände, zielte und schoss deutlich über die feindlichen Reihen hinweg.
 "Sir, Sie sollen hier nicht auf die Vögel schießen!" Der Soldat wandte sich wieder ab und zähneknirschend lud Ben die Muskete nach. Er zielte nicht ganz so hoch wie beim letzten Schuss, aber hoch genug um niemanden zu treffen. Das Schießpulver brannte in seinem Mund und die sengende Hitze machte ihm zu schaffen.

Immer wieder krachten Schüsse und die Soldaten versuchten nicht auf die verzweifelten Schreie der Verwundeten zu achten, die achtlos hinter der Frontlinie abgelegt wurden. Die Hände und das Gesicht schwarz vom Schießpulver, merkte Ben, dass er beim Laden seiner Waffe schneller und sicherer wurde. Ein Soldat stieß ihn an:
 "Seargent, die Linie reißt auf! Was sollen wir tun?"
Ben erstarrte. Er konnte keine Befehle erteilen. Er wusste ja nicht einmal, was er hier tat. Während er noch über die Möglichkeiten nachdachte, schlug unmittelbar vor ihm ein Artilleriegeschoss ein. Die Welt riss aus den Fugen und unzählige Farben und Geräusche prasselten gleichzeitig auf Ben ein. Der Soldat, der ihn angesprochen hatte, verschwand aus Bens Blick und er selbst wurde von den Füßen gerissen. Die Zeit schien sich zu verlangsamen, bis sie beinahe still stand. Die Muskete entglitt seinen Händen und verschwand. Bens Ohren schienen zu zerreißen und als ob jemand den Ton der Welt abgedreht hatte, wurde es still. Außer einem hohen Pfeifen hörte er gar nichts mehr. Höllische Kopfschmerzen breiteten sich von Bens Ohren aus, es fühlte sich an, als ob Blut aus ihnen herauslaufen würde. Er lag auf dem Rücken. In dem blauen Himmel sammelten sich einige kleinere Wattewölkchen und die Sonne blendete.

Kräftige Hände zogen Ben ein gutes Stück von der Front weg und legten ihn in den Staub. Ein Sanitäter beugte sich über ihn und sagte etwas, dass Ben nicht verstand. Seine Ohren klingelten immer noch und alles lief wie in einem Stummfilm ab. Ben hob schwerfällig seine Hände und versuchte den Schmerz in seinen Ohren damit zu beenden, dass er sie, so fest er konnte, auf seine Ohren presste. Er spürte einen stechenden Schmerz in der Schulter. Keuchend setzte Ben sich auf und sah an sich herunter. Alles war noch an Ort und Stelle und nirgendwo waren größere Blutflecken zu sehen.

Ganz leise, zwischen dem Pfeifen, hörte Ben die Stimme des Sanitäters:
 "Seargent, sind Sie in Ordnung?"
Ben rieb sich die Schläfen. Als er antwortete, hörte er sich selber kaum, merkte aber, dass er brüllte:
 "Ja, alles in Ordnung. Nur ein Klingeln in den Ohren."
Der Mann klopfte Ben kurz auf die Schulter und verschwand aus seinem Sichtfeld. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Pfeifen etwas weniger wurde und wieder Geräusche zu ihm durch kamen.
Bei dem Schlachtenlärm wäre Ben aber auch nicht traurig gewesen, wenn er noch eine Weile nichts gehört hätte. Das Schlimmste waren die Schreie der Sterbenden und überall war die Angst der Männer zu spüren, wenn das leise Pfeifen der Artillerie zu hören war. Er rappelte sich mühselig auf. Mehr stolpernd als laufend zog sich Ben weiter zurück. Er stürzte mehrfach und riss sich die Handflächen auf, als er auf einen Sandweg fiel. An einem kleinen Baum, der schon beinahe in der Stadt stand, ließ sich Ben auf die Erde sinken. Er versuchte gleichmäßig zu atmen und seinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen.


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licet iovi
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Beitrag24.07.2017 17:24

von licet iovi
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So, dann werde ich meinen Einstand halten, indem ich meinen Senf zur Arbeit eines Anderen gebe. Ich hoffe, ein paar der Sachen, die mir auffallen, bringen Dich weiter, S.Henry. Ich gehe übrigens von der überarbeiteten Fassung in Deinem Beitrag vom 24.7. 14:21 aus; was die anderen geschrieben haben, habe ich zwar grob überflogen, aber es wäre trotzdem möglich, dass ich Sachen anspreche, die bereits angemerkt wurden.

Zitat:
Nur Augenblicke später fand Ben sich direkt zwischen den Soldaten wieder, die unermüdlich auf die Rebellen feuerten und nahm einem Sterbenden die Muskete aus der Hand.

Da stolpere ich beim Lesen. Das Wort "unermüdlich" deutet auf eine Ausdauerleistung hin, und ob die vorliegt, kann Ben, wenn er kurz vorher wo anders war, kaum beurteilen. Schildere liebere eine andere Eigenschaft des Feuerns, die Ben auf den ersten Blick auffallen kann. Feuern die Soldaten koordinierte Salven, oder lädt jeder so schnell nach, wie er kann und feuert, ohne auf seine Kamerden zu achten? Ich glaube letzteres würde besser ins Bild passen und umschreiben würde ich es mit einer Formulierung in Richtung "...Soldaten wieder, die feuerten, was die Rohre hergaben..." Auf wen sie schießen, ist im ersten Moment, den Ben ja braucht, um sich zu orientieren, gar nicht so wichtig.
Was mich auf eine zweite Sache bringt: Wenn Ben sich unvermittelt, nachdem er Augenblicke zuvor woanders war, in einer Schlacht wiederfindet, sollte er ein wenig verwirrt sein und einen Moment brauchen, um sich zu orientieren. Deshalb würde ich den Satz nach dem Feuern beenden und das Aufheben der Muskete in den nächsten Satz schieben. Auf diese Weise bekommst Du einen anderen Lesefluss, der meiner Ansicht besser zum Inhalt passt.

Zitat:
Er nahm die Waffe in beide Hände, zielte und schoss deutlich über die feindlichen Reihen hinweg.

Musketen werden immer mit beiden Händen bedient, insofern ist es überflüssig, das an dieser Stelle zu erwähnen. Dass Du hier von "zielen" sprichst, finde ich ein bisschen unglücklich, denn bei mir erweckt es den Eindruck, dass Ben versucht, tatsächlich zu treffen, damit aber kläglich scheitert. Wenn er es absichtlich tut, lass das Wort "zielte" einfach weg.

Zitat:
"Sir, Sie sollen hier nicht auf die Vögel schießen!" Der Soldat wandte sich wieder ab und zähneknirschend lud Ben die Muskete nach. Er zielte nicht ganz so hoch wie beim letzten Schuss, aber hoch genug um niemanden zu treffen.

Das ist nicht plausibel. Ich habe gedient und auch wenn ich nur Manövern und nicht an Kampfeinsätzen teilgenommen habe, weiß ich genau: Wer selbst mit Schießen beschäftigt ist, kriegt nicht mit, ob und was die Leute um ihn herum treffen. Es gibt in einer Gefechtssituation so vieles, worauf man achten muss, dass dafür eine keine Kapazität bleibt. Das würde ich an Deiner Stelle weglassen.
Und wenn nicht relevant ist, wenn Du die Stelle streichst: die Anrede "Sir" ist - wenn ich mich richtig erinnere - in militärischen Kontexten Offizieren vorbehalten und Sergeant ist kein Offiziersrang. Korrterweise müsste es "Sergeant, Sie sollen hier nicht auf die Vögel schießen" heißen.

Zitat:
"Sergeant (das hattest Du falsch geschrieben, solche Formalfehler korrigiere ich in den zitierten Stellen und markiere sie bunt), die Linie reißt auf! Was sollen wir tun?"

Die Frage, was zu tun stellt sich eigentlich nicht. Denn darauf kann es in der Lineartaktik nur eine Antwort geben: Nach innen rücken um die durch Verluste entstandenen Lücken zu schließen. Das sollte jeder, der in so einer Linie kämpft, wissen, egal ob Sergeant oder einfacher Soldat. Wenn Du Ben am Rand der Linie positionierst, wäre er als Flügelmann dafür verantwortlich, dass dieses "nach innen rücken" reibungslos vonstatten geht. Wenn Ben das verpeilt, kriegen andere Soldaten das viel eher mit als wenn er schlecht zielt, sodass Du in einer Aufforderung wie "Sergeant, wir haben Verluste und müssen nach innen rücken!" sowohl das "Mist, die merken, dass ich hier nicht hergehöre" und "Oje, was soll ich tun?" in ein Handlungselement zusammengefasst.

Zitat:
Während er noch über die Möglichkeiten nachdachte, schlug unmittelbar vor ihm ein Artilleriegeschoss ein.

Wenn das passiert, ist Ben tot, bevor er es mitbekommt. Wenn er das so vergleichsweise unbeschadet überstehen soll, muss das Geschoss etwas weiter weg einschlagen. Du beschreibst die Wirkung einer Sprenggranate. Ich weiß nicht, ob Du einen realen Konflikt schilderst oder einen erfunden hast, aber falls ersteres der Fall ist, solltest Du recherchieren, ob Feldartillerie da überhaupt Sprenggeschosse verwendet hat. Mit den zu Musketen passenden Kanonen hat man gegen Infanterieformationen eher Kartätschenmunition verwendet. Die ist nicht nur einfacher herzustellen, sie richtet auch mehr Schaden an.
Aber ich denke, es wäre ohnehin besser, wenn Du diese Passage anders angehen würdest. Ansonsten fällt die Erzählperspektive mit Bens Wahrnehmung zusammen. Hier brichst Du aus dieser Sicht aus. Ben wird nicht sofort begreifen, dass in seiner Nähe ein Artilleriegeschoss eingeschlagen ist. Es wird ihn von den Füßen hauen, er wird Schmerzen haben, die Ohren werden ihm Klingeln und dass das die Folge von Artilleriebeschuss war, wird er sich erst zusammenreimen, nachdem er oben, unten, rechts, links, vorne und hinten wieder sortiert hat. Lass den Leser Bens Schock und Verwirrung teilen, indem Du das Chaos ohne Vorwarnung über ihn hereinbrechen lässt. Erwähne das Artilleriegeschoss an dieser Stelle nicht, erwähne es am besten überhaupt nicht sondern schildere einfach nur die Wirkung.

Zitat:
Seine Ohren klingelten immer noch und alles lief wie in einem Stummfilm ab.

Dass Du die Szene mit einem Stummfilm vergleichst, finde ich ein wenig schräg. Erstens wirkt das - im Vergleich zu den Musketen - anachronistisch und zweitens, weckt das Wort "Stummfilm" bei mir Assoziationen, die nicht in den Rahmen passen - um Sprache als Ausdrucksmittel zu ersetzen, überzeichnete Gestik und Mimik, die durch die unbeweglichen Kameras bedingte Bildkomposition und natürlich die Klavieruntermalung.
Anstatt einen Vergleich zu Stummfilmen zu ziehen, würde ich Ben an Deiner Stelle konstatieren lassen, wie unwirklich die Welt wirkt, wenn die Geräusche fehlen.

Zitat:
Das Schlimmste waren die Schreie der Sterbenden und überall war die Angst der Männer zu spüren, wenn das leise Pfeifen der Artillerie zu hören war.

Das leise Pfeifen hört man nur wenn das Geschoss weiter geflogen ist, als der Knall der Treibladung zu hören war und solche Reichweiten hatten die Kanonen nicht, die zeitgleich mit Musketen eingesetzt wurden. Da würde ich an Deiner Stelle vom "Donnern der Kanonen" reden.

Zitat:
Er rappelte sich mühselig auf. Mehr stolpernd als laufend zog sich Ben weiter zurück. Er stürzte mehrfach und riss sich die Handflächen auf, als er auf einen Sandweg fiel. An einem kleinen Baum, der schon beinahe in der Stadt stand, ließ sich Ben auf die Erde sinken. Er versuchte gleichmäßig zu atmen und seinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Um genau das zu verhindern, haben Feldherren hinter den Schlachtreihen Wachen aufgestellt.

Fazit:
Die Passage wirkt militärhistorisch uninformiert. Ich habe den Eindruck, dass Du Elemente verschiedener Epochen miteinander vermischt, und so zu etwas kommst, dem die Schlüssigkeit. Die pfeifenden Artilleriegeschosse und die Art und Weise, wie Ben als Sergeant angesprochen wird, würden in die Weltkriege passen, aber nicht in die Zeit von Musketen und Linien.

Ein weiterer Punkt wäre die Perspektive. Du mäanderst zwischen verschiedenen Darstellungsweisen hin und her. Mal stellst Du Ben so dar, wie eine Kamera es tun würde, du beschreibst, was er tut und was er äußert, aber nicht, was in ihm vorgeht und kurz darauf brichst Du mit dieser Einschränkung und schilderst Gedanken, die er gar nicht äußert und kurz darauf schilderst Du die Welt um ihn herum so, als würde man sie durch seine Augen sehen. Für eine so kurze Passage sind das zu viele Brüche.

Ich hoffe, das bringt Dich weiter,

Gruß

licet iovi
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S.Henry
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S
Beitrag24.07.2017 20:18

von S.Henry
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Hallo licet iovi,

vielen Dank für deinen Beitrag.

Bei dem unermüdlich hast du recht, das werde ich mir noch einmal ansehen.
Auch das mit dem Zielen stimmt, das würde ich wahrscheinlich durch 'legte an' ersetzen.

Zum Thema 'was man mitbekommt', kann ich dir aber nur teilweise zustimmen. Zugegeben, etwas so genau mitzubekommen mag etwas weit hergeholt sein, aber selbst die besten Soldaten brauchten zu der Zeit zwischen 20 und 25 Sekunden um eine Muskete vollständig zu laden. Eine Zeitspanne, in der ich es erfahrenen Männern durchaus zutraue, einmal einen Blick nach links und rechts zu werfen.

Zum Thema 'Anreden von anderen Soldaten' und/oder Vorgesetzten. Nach meinen Recherchen wurde jeder ranghöhere Soldat mit 'Sir' oder seinem Dienstgrad angesprochen.

Das mit dem Zusammenrücken stimmt. Ich wollte eher die Entscheidung zwischen 'stand halten' und 'Rückzug' darstellen. Ich sehe mir die Stelle noch einmal an.

Zu der Artillerie muss ich folgendes sagen:
Mitte des 19ten Jahrhunderts wurde die Artillerie aus Entfernungen zwischen 500 Meter und 5 Kilometern abgefeuert. (Die Reichweite der größeren Parrot-Geschütze). In dem Konflikt aus meiner Szene standen die Geschütze in einer Entfernung von ca. 1,6 KM. Meines Wissens nach reicht das durchaus aus um das charakteristische Pfeifen der Geschosse hervorzurufen. Es gab ja auch Geschosse die deutlich über die Männer hinweggeflogen sind. Diese werden ebenfalls ein Pfeifen hervorgerufen haben.

Die Langstreckenartillerie (übrigens auch gerne gegen Infanterie eingesetzt) dieser Zeit verfügte nicht über dieselben Sprenggranaten, die später eine enorme Wucht erreichten. Die Kugeln enthielten 'nur' zwischen 8-12 KG Schwarzpulver. Das dürfte nicht ausgereicht haben, um in einem näheren Umkreis alles sofort zu töten. Der Begriff 'unmittelbar' ist allerdings fragwürdig, da stimme ich zu.

Die Kartätschen, die mit der Kurzstreckenartillerie klassisch gegen Infanterie eingesetzt wurde, war reine "Schrotmunition". Einen Treffer mit einer Kartätsche auf Kurzstrecke hätten deutlich mehr Männer nicht überlebt. Sie hätte auch keine konzentrierte Explosion ausgelöst sondern hier wäre nur der Knall der Treibladung zu hören gewesen.

Die Idee, Ben nach dieser Explosion ist Chaos zu stürzen und erst hinterher aufzuklären, was eigentlich passiert war, finde ich gut.

Das mit den Wachen ist ein Argument, aber ich meine, wenn ein Soldat beinahe von einer Explosion getötet und von den Sanitätern versorgt wird, würde man ihm eine kurze Ruhepause zugestehen.

Ich hoffe, ich klinge jetzt nicht beleidigt (wenn ich meinen Text so durchlese, könnte man daran denken), aber mir vorzuwerfen, ich wäre "militärhistorisch uninformiert" finde ich ... kränkend. Sorry, mir fällt kein besseres Wort dafür ein. Ich habe so viele Stunden mit Recherche und in der Bibliothek verbracht, dass ich großen Wert darauf lege, historisch korrekt zu sein.
Z.B. habe ich extra gelernt und auf dem Schießstand ausprobiert mit einer originalgetreuen Nachbildung einer Springfield Muskete vom 1863 zu schießen. (Inkl. Ladevorgang)

Lieben Gruß
Stephen


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Stephen F. Henry
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licet iovi
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Beitrag25.07.2017 00:39

von licet iovi
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Nochmals Hallo,

Zitat:
Eine Zeitspanne, in der ich es erfahrenen Männern durchaus zutraue, einmal einen Blick nach links und rechts zu werfen.

Ganz kurze Seitenblicke mögen zwar drin sein, aber um gesehen zu haben, dass Ben zu hoch gezielt hat, muss der andere Soldat ihn einige Sekunden lang bewusst beobachtet haben. Auch Ben - über den Kampflärm hinweg - zu sagen, dass er nicht so hoch zielen soll, kostet Zeit. Was zwei Fragen aufwirft: Erstens: "Warum achtet er darauf, wohin Ben hinschießt?"  Und zweitens: "Warum riskiert er Ärger, indem er einen Vorgesetzten kritisiert und damit durchblicken lässt, dass er getrödelt hat?"
Zitat:

Das mit den Wachen ist ein Argument, aber ich meine, wenn ein Soldat beinahe von einer Explosion getötet und von den Sanitätern versorgt wird, würde man ihm eine kurze Ruhepause zugestehen.

Eine Ruhepause, ja. Unerlaubtes Entfernen von der Truppe, nein. Wachen würden ihn nicht unbedingt direkt in die Schlacht zurück prügeln, aber sie würden ihm klar machen, dass er im Verwundetennest (oder wohin auch immer er gebracht wurde) zu bleiben hat, bis ein Arzt entscheidet, was weiter passieren soll.

Zitat:
ich wäre "militärhistorisch uninformiert" finde ich ... kränkend

MOMENT! Unterstelle mir bitte nichts, was ich nicht geschrieben habe! Ich habe geschrieben, dass der TEXT uninformiert wirkt. Du bist nicht der Text und um Dich als Person ging es nicht. Ich wollte lediglich den Eindruck schildern, den der Text hinterlassen hat. Dem Text sieht man nur an, was im Text steht. Dem Text sieht man nicht an, wie viel Recherchearbeit Du betrieben hast und welche Hintergedanken Du Dir gemacht hast. Du hältst vieles im Vagen und so ist das Bild, das im Kopf das im Kopf des Leser entsteht - so ist zumindest mein Eindruck - sehr viel unschärfer als das Bild, das Du im Kopf hast.
Ich bin anhand Deiner Schilderungen zu dem Schluss gekommen, dass Du eine Schlacht im 18. Jahrhundert, allerspätestens im 1. Viertel des 19. Jahrhunderts schilderst. Diesen Eindruck hatte ich, weil Du Musketen und eine "aufreißende Linie" erwähnt hast. Die Linie deutet auf Lineartaktik hin, die nachdem sie gegen Napoleon kläglich versagt hat, spätestens 1810 als obsolet betrachtet und meines Wissens auch nicht mehr angewendet wurde.
Das Wort "Muskete" habe im Sinne von "glattläufiger Vorderladerlangwaffe" verstanden und davon ausgehend, bin auch von glattläufigen Kanonen ausgegangen - und das was als glattläufige Feldartillerie zeitgleich mit glattläufigen Musketen zum Einsatz kam, hatte definitiv nicht die Reichweite, bei der pfeifende Geschosse plausibel sind. Ein bisschen anders sähe es aus, wenn in der Nähe eine mit großkalibrigen, für den Transport ins Feld zu unhandlichen Kanonen ausgestattete Festung wäre; die hatten auch mit glatten Läufen beachtliche Reichweiten, aber da Du nichts dergleichen erwähnt hast, bin ich davon ausgegangen, dass dergleichen auch nicht da ist.

Jetzt hast Du aber Parrot Geschütze und das Springfield 1863 erwähnt. Beides sind Waffen mit gezogenen Läufen, die - zumindest dem Deutschen Sprachgebrauch nach - gar nicht ins Musketenzeitalter fallen. Das führt mich zu einer ganz anderen Datierung führt und den Eindruck, den der Text hinterlässt dramatisch. Ich vermute dass hier ein 'falscher Freund' für eine falsche Übersetzung und damit für Missverständnisse gesorgt hat, derentwegen ich die Schlacht anders datiert habe, als von Dir vorgesehen.
Nicht alles, was auf Englisch "musket" heißt, ist auch auf Deutsch eine "Muskete". Das macht das Wort "musket" zu einem falschen Freund der perfideren Sorte. Kontextabhängig und deshalb schwer zu erkennen und in der Lage, für krasse Missverständnisse zu sorgen. Im Deutschen Sprachgebrauch wird zwischen Musketen und Gewehren anhand des Laufes unterschieden. Bei Musketen ist der Lauf glatt. Bei Gewehren ist er gezogen. Das heißt: Im deutschen Sprachgebrauch ist eine Waffe mit gezogenem Lauf per definitionem keine Muskete. Im Englischen wird das Wort "musket" eher im Sinne von "Vorderlader" verwendet. Die englische Sprache kennt deshalb eine Waffenkategorie, die "rifled musket" oder "rilfe-musket" heißt. Ursprünglich wurden damit Musketen bezeichnet, denen nachträglich Züge in den Lauf geschnitten wurde oder deren glatter Lauf durch einen neuen mit Zügen ersetzt wurde, inzwischen hat sich der Begriff ein wenig verschoben und versteht man darunter generell Vorderlader mit gezogenen Läufen. Das Springfield 1863 fällt in diese Kategorie. Diese Waffe auf Deutsch "Muskete" zu nennen, ist - auch wenn sie auf Englisch als "musket" bezeichnet wird - ohne wenn und aber falsch, weil ihr Lauf gezogen ist. Auf Deutsch werden diese Waffen "Gewehre" oder (um sie von den später aufkommenden Hinterladern zu differenzieren) als "Vorderlader-Gewehre" bezeichnet.
Langer Rede kurzer Sinn:
Jetzt, wo ich Deine weiteren Ausführungen kenne, vermute ich, dass es sich bei der Waffe, die Ben sich schnappt, um so eine rifle-musket handelt, die Du fälschlicherweise als Muskete bezeichnest. Wenn ich den Text noch mal durchgehe und statt "Muskete" "Gewehr" lese, ist er vom Militärhistorischen her stimmig. Im Zusammenhang mit einem Gewehr löst die Erwähnung einer aufreißenden Linie auch nicht im selben Maße die Assoziation "Lineartaktik" aus und die Darstellung der Erwartungen an einen Sergeant passt auch besser in die Zeit. Wenn ich damit richtig liege, hatte ein einziges aufgrund eines Übersetzungsfehlers falsch gewähltes Wort große Wirkung.

Gruß
licet iovi
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