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peinliche Begegnung


 
 
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Amateur
Geschlecht:männlichGänsefüßchen


Beiträge: 18
Wohnort: Dresden


Beitrag27.04.2017 16:17
peinliche Begegnung
von Amateur
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Neulich, vor dem Supermarkt, hatte ich eine peinliche Begegnung mit einem Penner. Ich holte mir einen Einkaufswagen und stellte das Leergut hinein, dann ging ich zum Eingang.
Ächzend stemmte sich ein Penner von der Sitzbank hoch, an der ich vorbeikommen musste, und grinste mich aus seinem Lumpenmantel an.
Ich musste anhalten, sonst hätte ich ihn angerempelt.
»Was für’n scheiß Leben,« pöbelte er mich an. »Und nich’ mal Spaß dabei.« Er stützte sich auf meinen Einkaufswagen und sah demonstrativ hinein.
Der Gestank war beeindruckend. Eine Mischung aus billigem Alkohol, Urin und uraltem Schweiß. Mein Blick fiel auf das Leergut: Colaflaschen, einige Saftflaschen aus Glas, hauptsächlich aber Wasser - still und medium.
»Muss doch scheißlangweilig sein dein Leben.«, er schniefte und blickte mich irre an. »Wann hast du das letzte Mal gefickt? Ich meine so richtig?«
Ich blickte mich um. Passenten warfen mir verstohlene Blicke zu. Wie sollte ich den Kerl wieder loswerden?
»Bitte belästigen Sie mich nicht«, forderte ich ihn auf. Ich wollte den Wagen zurückziehen und ihn in weitem Bogen um den Penner herumfahren, doch der hielt ihn erstaunlich fest.
»Jeden Tag dieselbe Leier, jeden Abend dasselbe beschissene Fernsehprogramm.« , der Kerl redete sich langsam warm.
»Immer an die Plicht denken, rabota, rabota«, er rüttelte am Einkaufswagen und kicherte.
Diesmal zog ich energischer.
Der Penner klammerte sich noch fester und beugte sich über den Wagen. »Du bist ein armes Würstchen. Ich hab’ Mitleid mit dir«.
Ich riss mit aller Kraft den Wagen zurück, der Penner ließ los und zog sich lachend auf seine Sitzbank zurück.
Mir war heiß. Hastig schob ich den Wagen weiter.
In sicherer Entfernung sah ich zurück. Der Penner lümmelte auf der Bank und döste.
Ich rückte meine Krawatte zurecht. Wie konnte jemand nur so ein Leben führen?
Ich kam ins Grübeln, während ich die leeren Flaschen sortierte.


Fragen:
- Findet ihr den Text stimmig? Gefällt er?
- Funktioniert er?
- Wo wurdet ihr herausgerissen und warum?
- Habt ihr Tipps zum Bessermachen?

Danke für euer Feedback!

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Verena72
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 52
Beiträge: 17
Wohnort: Köln


Beitrag27.04.2017 16:54

von Verena72
Antworten mit Zitat

Huhu,

warum war dem Protagonisten die Begegnung "peinlich"? Er hat doch gar nichts getan, was ihm hätte peinlich sein müssen. Das Adjektiv würde ich wohl ändern und der tatsächlichen Gefühlsebene des Protagonisten anpassen. (z.B. unangenehm, beängstigend... wie auch immer)

Das Wort Penner finde ich nicht so glücklich, weil es so geringschätzend ist. Da würde ich viel lieber so was wie "Obdachloser" oder "Stadtstreicher" lesen.

Zitat:

»Was für’n scheiß Leben,« pöbelte er mich an. »Und nich’ mal Spaß dabei.«

Da kann ich keine Pöbelei erkennen. Wenn man von pöbeln spricht, bedeutet das ja beleidigen und provozieren. Für mich stimmt das Verb da nicht.

Das mit der Sitzbank finde ich komisch. Egal, ob ich im Edeka einkaufe, im LIDL oder Aldi... ich habe noch nie am/neben dem Eingang eines Supermarktes oder auf einem dazugehörigen Parkplatz eine Sitzbank gesehen.

Zitat:

Mein Blick fiel auf das Leergut: Colaflaschen, einige Saftflaschen aus Glas, hauptsächlich aber Wasser - still und medium.
»Muss doch scheißlangweilig sein dein Leben.«, er schniefte und blickte mich irre an. »Wann hast du das letzte Mal gefickt? Ich meine so richtig?«

Es wäre sinnvoller, wenn SEIN Blick auf das Leergut fällt, denn der Protagonist weiß ja schließlich, was er an Leergut in den Wagen gepackt hat. Der Obdachlose muss ja erst mal abschätzen, was der Protagonist zuhause leer gemacht hat, um ggf. Rückschlüsse auf sein Leben ziehen zu können.
Die Frage nach dem letzten mal ge*piep*t erschließt sich mir nicht, vor allem nicht im Zusammenhang zum davor Gesagten und auch nicht im Hinblick auf den Blick auf das Leergut. Den Zusammenhang bzw. wie dem Obdachlosen diese Frage in den Sinn kommt, kann ich nicht erkennen.

Das mit dem "irre" versuche ich noch zu deuten. Willst Du damit so etwas wie "verwirrt" ausdrücken? Wenn ich "irre" im Zusammenhang mit einem Mann höre, dann habe ich immer direkt Jack Nicholson in "Shining" vor Augen. Das ist ein irrer Blick. Passt der auch zu Deinem Obdachlosen, der sich auf den Wagen stützt?


Zitat:

Passenten warfen mir verstohlene Blicke zu.

Warum? Wirfst Du einem Menschen auf der Straße, der mit einem Obdachlosen spricht, einen verstohlenen Blick zu? Also, ich nicht!
Selbst, wenn der zu irgendwem das gesagt und ich das gehört hätte, was Dein Obdachloser dem Protagonisten gesagt hat, wäre mein Blick nicht verstohlen. Warum auch?

Zitat:

»Immer an die Plicht denken, rabota, rabota«, er rüttelte am Einkaufswagen und kicherte.

Warum kicherte er?

Zitat:

Ich riss mit aller Kraft den Wagen zurück, der Penner ließ los und zog sich lachend auf seine Sitzbank zurück.
Mir war heiß. Hastig schob ich den Wagen weiter. In sicherer Entfernung sah ich zurück. Der Penner lümmelte auf der Bank und döste.

Wie schon beschrieben, das Bank-Problem. Und ich finde auch, dass der Obdachlose rasend schnell zur Bank gelangt ist, sich draufgelümmelt hat und bereits döst.... Was hat der Protagonist solange gemacht? Es ist ja die Rede von hastigem Wagen-Weitergeschiebe. Dann hätte der Protagonist das Lümmeln und Dösen aber doch gar nicht mehr mitbekommen.

Warum sortierte der Protagonist die leeren Flaschen? Die müssen im Supermarkt doch einfach nur in einen, maximal zwei Rückgabeautomaten gesteckt werden, unsortiert.
Da der Protagonist anscheinend Mehrwegflaschen (Wasser/Cola) dabei hat, aber auch Glasflaschen, wird er nicht vorm Aldi stehen. Da kann man Glasflaschen nicht abgeben. Also muss es sowas wie Edeka (nur 1 Automat für alles) oder REWE (1 für Glas, 1 für Mehrweg) sein.
Das mit dem Sortieren würde ich glaube ich weglassen, sonst kommen noch mehr so kleine Klugscheisser wie ich Wink , denen sich sofort diese Frage ins Hirn schleicht. Wink

Ob Dein Text grundsätzlich funktioniert, kann ich nicht beurteilen, da ich nicht weiß, in welchem Zusammenhang er stehen soll/wird.

Liebe Grüße,
Verena


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Mina Minus
Leseratte
M


Beiträge: 173



M
Beitrag27.04.2017 20:26
Re: peinliche Begegnung
von Mina Minus
Antworten mit Zitat

Amateur hat Folgendes geschrieben:
Neulich, vor dem Supermarkt, hatte ich eine peinliche Begegnung mit einem Penner. Ich holte mir einen Einkaufswagen und stellte das Leergut hinein, dann ging ich zum Eingang.
Ächzend stemmte (das klingt mir zu abgedroschen) sich ein Penner von der Sitzbank hoch, an der ich vorbeikommen musste, und grinste mich aus seinem Lumpenmantel an.
Ich musste (er "musste" im Satz zuvor schon an der Bank vorbeikommen, jetzt muss er anhalten, die Wiederholung klingt nicht schön) anhalten, sonst hätte ich ihn angerempelt.
»Was für’n scheiß Leben,« pöbelte er mich an. »Und nich’ mal Spaß dabei.« Er stützte sich auf meinen Einkaufswagen und sah demonstrativ (das Adjektiv finde ich unpassend) hinein.
Der Gestank war beeindruckend. Eine Mischung aus billigem Alkohol, Urin und uraltem Schweiß (billiger Alkohol und uralter Schweiß ist eine Formulierung, die ich schon viel zu oft gelesen haben, zu abgedroschen). Mein Blick fiel auf das Leergut: Colaflaschen, einige Saftflaschen aus Glas, hauptsächlich aber Wasser - still und medium.
»Muss doch scheißlangweilig sein dein Leben.« Er schniefte und blickte mich irre an. »Wann hast du das letzte Mal gefickt? Ich meine so richtig?«
Ich blickte mich um. Passenten warfen mir verstohlene Blicke zu. Wie sollte ich den Kerl wieder loswerden?
»Bitte belästigen Sie mich nicht«, forderte ich ihn auf. Ich wollte den Wagen zurückziehen und ihn in weitem Bogen um den Penner herumfahren, doch der hielt ihn erstaunlich fest.
»Jeden Tag dieselbe Leier, jeden Abend dasselbe beschissene Fernsehprogramm.« Der Kerl redete sich langsam warm.
»Immer an die Plicht denken, rabota, rabota.« Er rüttelte am Einkaufswagen und kicherte.
Diesmal zog ich energischer.
Der Penner klammerte sich noch fester und beugte sich über den Wagen. »Du bist ein armes Würstchen. Ich hab’ Mitleid mit dir«.
Ich riss mit aller Kraft den Wagen zurück, der Penner ließ los und zog sich lachend auf seine Sitzbank zurück.
Mir war heiß. Hastig schob ich den Wagen weiter.
In sicherer Entfernung sah ich zurück. Der Penner lümmelte auf der Bank und döste.
Ich rückte meine Krawatte zurecht. Wie konnte jemand nur so ein Leben führen?
Ich kam ins Grübeln, während ich die leeren Flaschen sortierte.


Fragen:
- Findet ihr den Text stimmig? Gefällt er?
- Funktioniert er?
- Wo wurdet ihr herausgerissen und warum?
- Habt ihr Tipps zum Bessermachen?

Danke für euer Feedback!


Ich habe dir ein paar Mal die Satzzeichen nach der direkten Rede angestrichen, da waren ein paar Fehler.
Da ich den Kontext des Fragment nicht kenne, ist es schwierig, den Text einzuschätzen. Es passiert ja nicht viel, ich hätte am Ende mit einer Pointe gerechnet, aber die ist nicht gekommen.
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Mogmeier
Geschlecht:männlichGrobspalter

Moderator
Alter: 50
Beiträge: 2677
Wohnort: Reutlingen


Beitrag27.04.2017 20:30

von Mogmeier
Antworten mit Zitat

Hallo Amateur,

die Thematik an sich ist ja immer total interessant, wenn da so zwei [unterschiedliche] Welten aufeinandertreffen, aber – und sei mir bitte nicht böse, wenn meine Kritik jetzt etwas harsch ausfallen wird – an der Umsetzung eben dieser Thematik hapert es in deinem Text gehörig.
Die ganze Szene ist momentan recht mager gestaltet, da kommt irgendwie nix rüber. Ich las dabei nur über das Aufgreifen allgemeiner Klischees, die allerdings kaum auf ’nem einzigen Wahrheitsfunken, sondern größtenteils nur auf dem Nachsagen beruhen. Natürlich kann man Klischees aufgreifen, das sollte aber nur geschehen, um sie z.B. in einen anderen Kontext als den gewohnten zu stellen. Möchte man Klischees im Vornherein vermeiden, dann betone man so etwas durch das eher Untypische. Wobei man dabei gar nicht mal so sehr ins Skurrile abdriften muss. – Kleiner Tipp: Betrachte die Szenerie, über die du schreiben möchtest, nicht nur durch deine Augen. Es sind meistens diese kleinen Nebensächlichkeiten, die für viele Augen unsichtbar sind, und die es gerade deshalb aufzugreifen gilt.

Und was den Begriff Penner angeht, den kann man natürlich schon verwenden, allerdings möchte ich meinem Vorredner bzw. meiner Vorrednerin (Verena) dabei in dem Sinne Recht geben, dass dieser Begriff in deiner Geschichte recht abfällig und typisch Vorurteil (= [ab]wertend) rüberkommt. Vom Zwischenmenschlichen her betrachtet, ist das Anwenden dieses Begriffs in dem Falle also schon ein Naserümpfer. – Dennoch könntest du diesen Mann schon als Penner bezeichnen, allerdings nur, wenn er sich in Sachen Menschlichkeit als eigentlicher Gewinner oder gar als besserer Mensch am Ende deiner Story herausstellt, der dem vermeintlichen Snob via Wink mit dem Zaunpfahl verdeutlicht, was es wirklich heißt, zu leben.

LG Mog


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Amateur
Geschlecht:männlichGänsefüßchen


Beiträge: 18
Wohnort: Dresden


Beitrag27.04.2017 21:57

von Amateur
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Hi,

vielen Dank für eure Einschätzungen und Hinweise. Es sind Fragen zum Kontext des Textes gestellt worden.
Der Text war für mich als Übung gedacht, mit der ich zwei Dinge probieren wollte:
1. Die Wirkung aufeinanderprallender Stilebenen zwischen Figurenrede und Erzählerrede.
2. Funktioniert ein Text in dem fast nichts beschrieben wird? Und mit funktionieren meine ich: Gelingt es dem Text, im Leser eine szenische Vorstellung hervorzurufen? Sieht der Leser einen inneren Film?

Den Aufbau hat Mogmeier richtig erkannt. Wenn ich nicht viel beschreiben will, muss ich auf Klischees zurückgreifen. Dumm nur, dass manche Klischees eben anders aussehen. Vor meinem Netto steht nämlich 'ne Bank. Mein Fehler. Das nächste mal setze ich den Stadtstreicher auf den Fußboden. Versprochen.

Zum Begriff Penner: Okay, der ist politisch nicht korrekt. Trotzdem benutzt der Erzähler ihn. Das soll zeigen, dass der Erzähler den Stadtstreicher herabwürdigen will. Er fühlt sich ihm überlegen, ekelt sich vor ihm, hat Angst vor ihm. Der Stadtstreicher hingegen ist Menschenkenner. Er hat gesehen, dass er mit dem Protagonisten seinen Spaß haben wird. Er kann ihn ungestraft provozieren.

Verändert die Geschichte eine Figur? Den verknöcherten Snob, der nicht mal dieser Provokation gewachsen ist und am Ende die Flaschen sortiert, bevor er sie wegwirft? Oder den Penner, der sein Leben nicht auf die Reihe kriegt?
Vermutlich haben beide sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was es heißt richtig zu leben. Zumindest ist der Snob in's Grübeln gekommen.

Vielleicht war ich am Ende zu subtil oder zu vorsichtig. Ich werf' den Zahnstocher weg und nehme das nächste mal den empfohlenen Zaunpfahl.

Und ich nehme mit: Zu mager, ich brauche sprechende Details, welche die Klischees aufbrechen (Supermarkt mit einer Bank davor Laughing ), Regeln zu Satzzeichen nach Redezitaten lernen (ich vermute, dort fehlen Punkte nach den schließenden Gänsefüßchen, auch wenn innerhalb des Zitates ein Punkt steht).


Riesen Dank an Euch!
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Amateur
Geschlecht:männlichGänsefüßchen


Beiträge: 18
Wohnort: Dresden


Beitrag27.04.2017 22:14

von Amateur
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Mist, jetzt hab' ich noch was vergessen.

Verena hatte treffend bemerkt, dass der Begriff pöbeln inhaltlich an dieser Stelle nicht ganz passt. Sehe ich auch so. Allerdings soll der ja gar nicht den Inhalt sondern den Ton anzeigen. Den Inhalt habe ich ja gezeigt. Den Ton kann ich (noch) nicht zeigen.

Jetzt kommt die Frage: Wirkt es besser, wenn ich direkt den Ton beschreibe? In etwa "..., sagte er in einem pöbelnden Ton."

Ich find's ja eher umständlich.
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Geisterregen
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 35
Beiträge: 23
Wohnort: Koblenz


Beitrag28.04.2017 07:11

von Geisterregen
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Guten Morgen,

die Idee, dass zwei Lebensansichten aufeinander treffen, ist sicher spannend.
Die Frage, die dein Text jedoch aufwirft ist, ob der Leser wirklich denken wird, "Recht hat der Obdachtlose. DER hat vielleicht ein Glück, jenseits von Konventionen".
Das könnte er vermutlich denken, wenn der Obdachtlose im Anschluss etwas tut, was "erstrebemswert" ist, wofür dein Snob vielleicht niemals Zeit findet.
So jedoch hat der Leser nur einen Obdachtlosen, der trinkt, der stinkt, wobei doch fast jeder (?) denken würde, das sei nicht erstrebenswert. Dann doch lieber im sauberen Hamsterrad.

So empfand nur ich die Geschichte.

Lg. S.
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Uwe Helmut Grave
Geschlecht:männlichOpa Schlumpf

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Beiträge: 1016
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Beitrag28.04.2017 09:01

von Uwe Helmut Grave
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Der abwertende Begriff "Penner" passt zum schnodderigen Tonfall des Textes; ich würde das Erlebnis als Autor sogar noch schnodderiger/abwertender schildern, sodass mit voller Absicht (!) die Herablassung des Erzählers zum Vorschein kommt, wobei er am Schluss dann ein wenig Nachdenklichkeit zeigen könnte.
Er? Oder sie?
Daran krankt meiner Meinung nach die Geschichte: Es ist nicht klar ersichtlich, ob es sich um einen Erzähler oder eine Erzählerin handelt. Ich finde es aber schon wichtig, ob der Typ die Fick-Frage einem Mann oder einer Frau stellt, also ob er einem Kerl aufzeigen will, was für ein erbärmliches Leben selbiger (angeblich) führt, oder ob er auf  sexuelle Belästigung aus ist. "Armes Würstchen" als pauschale Beleidigung passt zu beiderlei Geschlecht (es sei denn, man bezieht es nur auf das Teil zwischen den Beinen).
Die Rechtschreibung ist ungenügend, daran solltest du unbedingt noch arbeiten.


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Verena72
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 52
Beiträge: 17
Wohnort: Köln


Beitrag28.04.2017 09:41

von Verena72
Antworten mit Zitat

Uwe Helmut Grave hat Folgendes geschrieben:
Er? Oder sie?
Daran krankt meiner Meinung nach die Geschichte: Es ist nicht klar ersichtlich, ob es sich um einen Erzähler oder eine Erzählerin handelt.


Das war mir auch erst nicht klar, bis ich zu dem Satz
Zitat:

Ich rückte meine Krawatte zurecht.

kam. Das ist der drittletzte Satz. Gegen Ende erfährt man dann schon, dass es ein Mann ist.


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Vincent Vice.
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 33
Beiträge: 428
Wohnort: Heute


Beitrag28.04.2017 10:05

von Vincent Vice.
Antworten mit Zitat

Hallo Amateur,

für mich hat Dein Text vom Stil her schon funktioniert.
Den inneren Film konnte ich auch ablaufen lassen.
Nach dem Lesen blieb bei mir dann aber die Frage hängen:
"Warum?"
Die Szene ist einigermaßen "alltäglich".
Das würde ja nichts machen.
Aber mir fehlt unterm Strich doch das Besondere dabei.
Das Ganze sagt irgendwie nichts aus.
Will mir nichts vermitteln.

Hier ein paar Anmerkungen (auf die Gefahr hin, meine Vorredner zu wiederholen):

Neulich, vor dem Supermarkt, hatte ich eine peinliche Begegnung mit einem Penner. Ich holte mir einen Einkaufswagen und stellte das Leergut hinein, dann ging ich zum Eingang.
Ächzend stemmte sich ein Penner von der Sitzbank hoch, an der ich vorbeikommen musste, und grinste mich aus seinem Lumpenmantel an.
Ich musste anhalten, sonst hätte ich ihn angerempelt.
»Was für’n scheiß Leben,« pöbelte er mich an. »Und nich’ mal Spaß dabei.«

Den letzten Satz würde ich streichen. Klingt nicht authentisch für mich.


Er stützte sich auf meinen Einkaufswagen und sah demonstrativ hinein.

Lustig fände ich, wenn er die Pfandflaschen gierig mustern würde oder so.

Der Gestank war beeindruckend. Eine Mischung aus billigem Alkohol, Urin und uraltem Schweiß. Mein Blick fiel auf das Leergut: Colaflaschen, einige Saftflaschen aus Glas, hauptsächlich aber Wasser - still und medium.

Warum fällt sein Blick auf das Leergut? ER sollte ja wissen, was im Wagen liegt.

»Muss doch scheißlangweilig sein dein Leben.«, er schniefte und blickte mich irre an.
Irgendwie stört mich das Wort "irre". Das ist doch ein bisschen krass.

»Wann hast du das letzte Mal gefickt? Ich meine so richtig?«
Ich blickte mich um. Passenten warfen mir verstohlene Blicke zu.
Wie sollte ich den Kerl wieder loswerden?

Den letzten Satz finde ich nicht so stark.

»Bitte belästigen Sie mich nicht«, forderte ich ihn auf. Ich wollte den Wagen zurückziehen und ihn in weitem Bogen um den Penner herumfahren, doch der hielt ihn erstaunlich fest.
»Jeden Tag dieselbe Leier, jeden Abend dasselbe beschissene Fernsehprogramm.« , der Kerl redete sich langsam warm.
»Immer an die Plicht denken, rabota, rabota«, er rüttelte am Einkaufswagen und kicherte.
Diesmal zog ich energischer.
Der Penner klammerte sich noch fester und beugte sich über den Wagen. »Du bist ein armes Würstchen. Ich hab’ Mitleid mit dir«.
Ich riss mit aller Kraft den Wagen zurück, der Penner ließ los und zog sich lachend auf seine Sitzbank zurück.
Mir war heiß. Hastig schob ich den Wagen weiter.
In sicherer Entfernung sah ich zurück. Der Penner lümmelte auf der Bank und döste.

Der ist aber schnell eingedöst.

Ich rückte meine Krawatte zurecht. Wie konnte jemand nur so ein Leben führen?
Ich kam ins Grübeln, während ich die leeren Flaschen sortierte.
Worüber grübelt er?
Über den Penner oder darüber, dass sein eigenes Leben vielleicht nicht so spannend ist?



LG

W

Edit: Am Wort "peinlich" hänge ich mich etwas auf.
Wenn mich ein Penner bedrängt würde ich nicht sagen:
"Das war peinlich."


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Amateur
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Beitrag28.04.2017 10:10

von Amateur
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Vielen Dank für eure Einschätzungen!

Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich der Text wahrgenommen und was daran als störend empfunden wird.

Rechtschreibfehler sind natürlich nicht akzeptabel, da muss ich meine Arbeitsweise anpassen (genauer prüfen, bevor ich einen Text im Forum einstelle).

Ich hab ja noch nicht so viel Erfahrung hier im Forum. Wie macht ihr das mit Kritiken? Geht ihr auf jeden Punkt ein oder nehmt ihr mit, was ihr für richtig haltet?
Ich weiß, das Kritisieren von Texten macht Arbeit und nicht bei allen Texten Freude. Ich hoffe, es ist niemand verletzt, wenn ich einen Punkt unter den virtuellen Tisch fallen lasse, weil ich anderer Meinung bin, ihn (den Punkt!) für unwesentlich betrachte, erstmal ein paar Tage darauf herumkauen muss oder ich ihn überlesen habe ...

Viele Grüße!
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Vincent Vice.
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Beitrag28.04.2017 10:18

von Vincent Vice.
Antworten mit Zitat

Die Leute sind unterschiedlich. Und jedem Recht machen kann man es nicht.
Das ist Dein Text, deshalb solltest Du Dir die Punkte heraus suchen, die für Dich wertvoll sind und den Rest stehen lassen.
Wir geben ja nur subjektive Anstöße, die natürlich auch absoluter Quatsch sein können.

Auf jeden Punkt eingehen musst Du vielleicht nicht.
Aber es ist schon wichtig, den Leuten zu zeigen, dass Du ihre Kritik ernst nimmst, denke ich.
Wenn man das Gefühl bekommt, dass Du die Kommentare nur halbherzig entgegen nimmst, wird sich irgendwann niemand mehr die Arbeit machen, zu kommentieren (das Gefühl habe ich bei Dir unterm Strich allerdings gar nicht).


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Amateur
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Beitrag28.04.2017 11:33

von Amateur
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Damit kann ich etwas anfangen. Danke für's Laufenlernenhelfen.

Übrigens hätte ich mit so viel Feedback nicht gerechnet. Bisher habe ich eher im eigenen Saft geschmort, es fällt mir aber schwer, meine eigenen Texte zu beurteilen.
Mir gefällt auch der Ton hier. Kritik sollte helfen, besser zu werden, ohne zu beschönigen oder zu verletzen.
Ich fühle mich hier gut aufgehoben und hoffe, das zurückgeben zu können.

Viele Grüße in die Runde.
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Verena72
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Alter: 52
Beiträge: 17
Wohnort: Köln


Beitrag28.04.2017 12:06

von Verena72
Antworten mit Zitat

Amateur hat Folgendes geschrieben:

Verena hatte treffend bemerkt, dass der Begriff pöbeln inhaltlich an dieser Stelle nicht ganz passt. Sehe ich auch so. Allerdings soll der ja gar nicht den Inhalt sondern den Ton anzeigen. Den Inhalt habe ich ja gezeigt. Den Ton kann ich (noch) nicht zeigen.

Jetzt kommt die Frage: Wirkt es besser, wenn ich direkt den Ton beschreibe? In etwa "..., sagte er in einem pöbelnden Ton."

Ich find's ja eher umständlich.


Für mich passen die Worte, die der Obdachlose sagt, so oder so nicht mit dem Verb pöbeln zusammen, egal wie Du das Wort pöbeln dabei verpackst.
Da fehlt mir einfach die beleidigende Aussage/beleidigende Worte, wie Kraftausdrücke etc., wenn er z.B. gesagt hätte "Was für'n scheiß Leben, du lackaffiger Schlipsträger", pöbele er mich an. "Und nich' mal Spaß dabei."

Zitat:

»Was für’n scheiß Leben,« pöbelte er mich an. »Und nich’ mal Spaß dabei.«

Das ist ja das erste, was der Obdachlose sagt. Mehr war ja noch nicht.
Du möchtest vermitteln, dass der Obdachlose sich bewusst ist (und auch wohl gerne so handelt), dass er ungestraft provozieren darf. Dass er Spaß daran hat, "normale" Menschen in solche Gespräche zu verwickeln, sie (und ihren Lebensstil) verbal zu attackieren.
Das würde ich dann aber auch rüberbringen.
Ich empfinde den "Eröffnungssatz" des Obdachlosen wenn als Provokation, als Rauslocken aus der Reserve und mal schauen, ob der Typ mit dem Leergut im Einkaufswagen sich auf eine Diskussion einlässt.
".... blaffte er in angriffslustigem Tonfall" wäre für mich persönlich zur Situationsbeschreibung passend.


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Uwe Helmut Grave
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Beitrag28.04.2017 14:19

von Uwe Helmut Grave
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Verena72 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich rückte meine Krawatte zurecht.

Gegen Ende erfährt man dann schon, dass es ein Mann ist.

Stimmt, Verena, den Satz hatte ich kurz vor Ende glatt überlesen (wobei ich es mir jetzt verkneife, über Frauen in modischen Krawatten-Kostümen zu referieren Cool ).
Sinnvoll wäre, Amateur, wenn du " Krawatte rücken" kurzerhand in einen der ersten Sätze rückst, was für jeden Autor nur eine kleine Fingerübung ist.
Anschließend würde ich das alles sehr gründlich überarbeiten. Ich persönlich finde dieses alltägliche Erlebnis durchaus erwähnenswert bzw. schreibenswert, doch die Kernaussage "Glotz nicht so, denn du bist doch der arme Teufel und nicht ich!" kommt in der vorliegenden Version nicht wirklich rüber.


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Beitrag30.04.2017 00:29

von Amateur
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Hi

eigentlich wollte ich die Tipps in den weiteren Texten berücksichtigen. Aber jetzt ist so viel zusammengekommen und ihr habt euch so viel Mühe gegeben, dass ich wohl um eine zweite Version nicht herumkomme. Überarbeiten muss ich ja auch üben.

Allerdings habe ich bis Dienstag keine Zeit. Und wie lange ich für die Überarbeitung brauche? Keine Ahnung. Es ist also nicht so, dass ich das Interesse verloren hätte, ich bin halt langsam.

Viele Grüße!
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Beitrag04.05.2017 23:51

von Amateur
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Hallo, liebe Helfer!

Wie versprochen, habe ich am Text gearbeitet.
Voranstellen will ich einige Gedanken, die ich mir gemacht habe:

Warum hakt es so im Text, warum kam - für einen so kurzen Text - so viel Kritik? Neben den angsprochenen handwerklichen Fehlern lag es m. E. daran, dass ich mich auf die Oberfläche des Textes konzentriert hatte und mich zu wenig um den Inhalt gekümmert. Dabei hatte ich nichtmal eine Szene, sondern nur eine Situation.

Deshalb habe ich den Text auch inhaltlich überarbeitet. Diesmal habe ich mich stärker mit Setting und Figuren beschäftigt, Entwicklung hineingebracht und über Obdachlose recherchiert. Danach war klar, dass ich mit dem alten Text so nicht weiterarbeiten konnte, die Situation an sich war unglaubwürdig.

Die Perspektive habe ich geändert, weil aus der nahen 3. Person die Perspektivfigur benannt werden kann, vielleicht fällt mir die Perspektive auch einfach leichter.

Ich habe etwas mehr beschrieben und lasse die POV-Figur auch mal auf Ereignisse gedanklich reagieren.

Dafür ist es leider mehr geworden.

Doch hier der Text:

-------------
Begegnung


Daniel steuerte seinen Golf auf den Lidlparkplatz und betrachtete schuldbewusst die Plastikbox mit der Kröte. Ihr würde es in den Büschen hier genauso gut gehen, wie im Bürgerpark; und Mutter musste es ja nicht erfahren, dass er sich den Umweg gespart hatte. Entschlossen ergriff er die Krötenbox und verließ das Auto.
Es war angenehm mild, der Sommer ließ sich Zeit. Er musste für die Kröte eine Stelle finden, die weit weg von der Straße lag und nicht zu nahe am Fußweg - er entschied sich für Mitte. Vor den Büschen stand zwar ein Zaun, doch er würde durch den Maschendraht greifen und die Kröte einfach anschubsen. Auf dem Parkplatz standen nur wenige Autos, das Sommerloch hatte auch hier schon begonnen. Er fragte sich, ob die Kassiererinnen in den Supermärkten ebenfalls auf Kurzarbeit gesetzt wurden.
Auf dem Weg zum Rand des Parkplatzes bemerkte er einen Mann - Mitte Dreißig - der abseits vom Eingang zum Lidl auf dem Bürgersteig saß, zu ihm herübersah und rauchte. Das muss komisch aussehen, wenn er sich gleich am Zaun zu schaffen machte, doch was solls. Er tat nichts Illegales.
Am Zaun angekommen öffnete er die Box, hockte sich hin, doch er stellte fest, dass er mit der Hand nicht durch den Maschendrahtzaun greifen konnte. Er schüttete die Kröte hindurch - Mist, die liegt ja noch in der Sonne - und las einen Zweig auf, mit dem er sie anstubste. Sie kroch  ein Stück weiter und blieb dort sitzen. Das genügte. Daniel verschloss die Schachtel und ging zurück, doch er kam nicht weit.
Der Typ kam auf ihn zu. Er war komplett in Schwarz gekleidet: Jeans, Pullover und Rucksack. Die Haare waren kurzgeschoren und passten zu seinem Dreitagebart. »Wozu is’n das gut?«, blaffte er.
Was meint der? Verwirrt blickte Daniel sich um. Endlich begriff er. »Ich habe eine Kröte freigelassen.«
Der Typ blickte ihn erleichtert an. »Das ist aber schön.«, sagte er. Er schien mit sich zu ringen. »Kann ich die mal sehen?«, platze er heraus und strahlte.
Daniel musste lächeln, der freut sich ja wie ein kleines Kind. Er ging mit ihm zu der Stelle am Zaun und zeigte ihm die Kröte, die noch immer an demselben Fleck hockte.
Der Typ setzte seinen medizinballgroßen Rucksack ab, kniete sich hin und betrachtete die Kröte. »Mensch, die lebt ja noch.«, sagte er.
»Na klar, wer würde schon eine tote Kröte aussetzen?«. Daniel mochte den Kerl.
»Ich bin Jan.«, sagte der Typ, während er immer noch die Kröte betrachtete.
Hat der das zu mir oder zu der Kröte gesagt, fragte sich Daniel. »Daniel«, sagte er.
Jan schnappte sich seinen Rucksack und erhob sich. Er wirkte jetzt viel jünger. »Wo hast’n die her?«, fragte er auf die Kröte deutend.
Daniel erzählte, vom Keller, seiner Mutter, dass sie immer das Fenster offen stehen lässt, um zu lüften, weil es so muffig riecht, und dass manchmal eine Kröte durch’s Fenster fällt. Und dass es falsch ist von Mutter, im Sommer zu lüften, dass es dadurch feuchter und noch muffiger werden würde, aber Mutter davon nichts hören wollte und überhaupt störrisch war. Und ob es nicht sinnvoller wäre auszuziehen.
Daniel bemerkte, dass ein alter Mann in Lumpen auf sie zukam und plapperte ohne nachzudenken weiter: »Was will denn dieser Penner von uns?«.
Jan verzog das Gesicht. »Das ist kein Penner, das ist Schorsch.«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Und Penner ist ’ne Beleidigung.«.
»Aber der ist doch einer.«, sagte Daniel.
»Dann bin ich auch ein Penner.«, sagte Jan.
Daniel blickte ihn erstaunt an. »Du siehst aber nicht so aus.«
»Man kann sich täuschen. Du siehst ja auch nich’ aus wie’n Arschloch.«.
Schorsch war herangekommen, legte seine Hand auf Jans Schulter und sagte zu ihm »Fertig, lass uns abhauen.«.
»Nee, der hat dich Penner genannt.«, sagte Jan.
»Na und?«, sagte Schorsch und zerrte an Jans Schulter.
»Der soll sich entschuldigen.« Jan riss sich los.
»Hey, Moment mal, das kann doch gar nicht so schlimm gewesen sein.«, warf Daniel ein.
»Wie ist es, wenn ich dich Arschloch nenne, Arschloch? Ist ja nicht so beleidigend für dich, denn du bist ja ein Arschloch.«
Schorsch schob sich zwischen Jan und Daniel.
»Was soll denn die Aufregung? Ich wollte niemanden beleidigen.«, sagte Daniel.
»Was gibt dir das Recht dazu?«, heulte Jan.
»Was ist denn so verkehrt am Ausdruck ›Penner‹? Ich schufte mich ab, und was macht ihr? Ihr ...«, Daniel unterbrach sich, dachte kurz nach und musste sich eingestehen: »... ich habe keine Ahnung, was ihr macht.«.
»Genau, keine Ahnung hast du. Aber beleidigen tust du den Schorsch.«, langsam beruhigt sich Jan.
»Dann erklär’s mir.«.
»Kann man nich’ erklären, muss man erleben.«.
»Warum sollte ich?«.
»Was Verrücktes machen? Ausbrechen aus dem Hamsterrad? Urlaub? Nenn’s wie du willst. Zwei Tage und dann entschuldigst du dich beim Schorsch.«.
»Was, willst du den Spießer mitschleppen?«, fragte Schorsch.
»Is’ meine Sache.«, sagte Jan.
»Du spinnst doch, ich hau ab.«, sagte Schorsch, drehte sich um und trottete zum Fußweg zurück.
»Besorg dir ’nen Schlafsack, gute Schuhe und alte Klamotten. Nimm nichts mit, was dir nicht geklaut werden soll. Ich hol dich morgen Abend um sechs hier ab. Sei pünktlich, Arschloch.«, sagte Jan und hastete Schorsch hinterher.
Daniel konnte es nicht fassen. Ein Penner - nee, Obdachloser - hatte ihn eingeladen.
Er sah den beiden nach und wusste, dass er mitgehen würde.

--------------------------

Ich hoffe, die Überarbeitung hat sich gelohnt. Ich bin sicher, Ihr findet zuhauf Potenzial zur Verbesserung.

Beste Grüße!
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Elster
Geschlecht:weiblichLeseratte
E


Beiträge: 140



E
Beitrag05.05.2017 08:53

von Elster
Antworten mit Zitat

Hallo Amateur,

mir hat deine erste Version besser gefallen. Handwerkliche Fehler hin oder her.
Ich finde manchmal haben kurze Texte einfach mehr Potential, weil sie mehr offenlassen und gedanklichen Spielraum lassen.

Dieser Satz
Zitat:
Wie konnte jemand nur so ein Leben führen?
Ich kam ins Grübeln,

hat mir in der ersten Version besonders gut gefallen, weil ein Stück weit offen ist, wessen Leben er jetzt meint, sein eigenes oder das des anderen.

In der neuen Version zeichnest du ein sehr romantisierendes Bild von Wohnungslosigkeit.
Zitat:
Was Verrücktes machen? Ausbrechen aus dem Hamsterrad? Urlaub? Nenn’s wie du willst. Zwei Tage und dann entschuldigst du dich beim Schorsch.

Da bist du dann total von dem, was an deiner Geschichte ursprünglich reizvoll war, weg.

Die Idee mit der Kröte hat mir an sich gut gefallen, ich finde, da könnte man fast ne eigene Geschichte daraus machen.

LG Elster
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manon
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 57
Beiträge: 111



Beitrag06.05.2017 00:43
Re: peinliche Begegnung
von manon
Antworten mit Zitat

Hallo Amateur,

ich habe deinen Text gern gelesen. Eine Begegnung mit einem Mann, der ob des fehlenden Alkohols die Figur fehlenden Spaß unterstellte. Smile

Zitat:
Neulich, vor dem Supermarkt, hatte ich eine peinliche Begegnung mit einem Penner.

Das würde ich streichen. Lass uns teilhaben und im nächsten Satz fängst du an die Situation zu beschreiben. Dabei würde ich es lassen.

 
Zitat:
Ächzend stemmte sich ein Penner von der Sitzbank hoch, an der ich vorbeikommen musste, und grinste mich aus seinem Lumpenmantel an.


das würde ich aktiver schreiben. "an der ich vorbei ging" oder so.

Zitat:
Ich musste anhalten, sonst hätte ich ihn angerempelt.

Auch hier. Warum nicht "ich hielt an, sonst hätte ich..."

Zitat:
»Muss doch scheißlangweilig sein dein Leben.«, er schniefte und blickte mich irre an.

Ohne Punkt. "... Leben", er schniefte ...


Zitat:
Ich wollte den Wagen zurückziehen und ihn in weitem Bogen um den Penner herumfahren, doch der hielt ihn erstaunlich fest.

Penner ist arg negativ besetzt. Absicht?
Das "erstaunlich" streichen, das passt vom Satzaufbau nicht.


Zitat:
Ich kam ins Grübeln, während ich die leeren Flaschen sortierte.

Worüber kam er ins Grübeln? Über sein Leben oder das des anderen?

Vielleicht kannst du mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.

Viele Grüße
 Smile
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manon
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 57
Beiträge: 111



Beitrag06.05.2017 00:56

von manon
Antworten mit Zitat

Hallo Amateur,

Zitat:
Das soll zeigen, dass der Erzähler den Stadtstreicher herabwürdigen will. Er fühlt sich ihm überlegen, ekelt sich vor ihm, hat Angst vor ihm. Der Stadtstreicher hingegen ist Menschenkenner.


Das solltest du in deinem Text zeigen oder erwähnen. Zeige uns, wie der Mann fühlt, als der andere seinen Wagen festhält.

Deine zweite Version gefällt mir nicht so gut. Da hat mir deine erste Version bei weitem besser gefallen. Smile

Viele Grüße
 Smile
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Uwe Helmut Grave
Geschlecht:männlichOpa Schlumpf

Alter: 69
Beiträge: 1016
Wohnort: Wolfenbüttel


Beitrag07.05.2017 09:44

von Uwe Helmut Grave
Antworten mit Zitat

In Ordnung, machen wir ihn seelisch fertig: Twisted Evil
Mir hat trotz der Unzulänglichkeiten ebenfalls die erste Version besser gefallen. Klopp die zweite in die Tonne und gut ist's.


_________________
U.H.G. - Freude am Lesen
"Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich!" - "Aber er hat ja gar nichts an!" (Hans Christian Andersen) - Die Welt ist anders(en) als sie es dir erzählen.
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