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Roselotte und der Wettkampf der Geisteskräfte


 
 
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Gast







Beitrag12.03.2017 11:57
Roselotte und der Wettkampf der Geisteskräfte
von Gast
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Hallo!
Das folgende Märchen für Erwachsene habe ich mal aus einer Laune heraus verfasst. Es würde mich interessieren, wie es euch gefällt.


Es war einmal eine Königstochter, die war weder hübsch, noch liebreizend und auch nicht gesellig, dafür aber sehr klug. Sie saß am liebsten in ihren Gemächern und las gescheite Bücher oder spielte Schach mit einem befreundeten Zwerg, denn der war der einzige, der sie ab und zu dabei zu schlagen vermochte.

Als sie nun in das heiratsfähige Alter kam, sahen ihre Eltern, der König und die Königin von Hohenfels, sich vor die schier unlösbare Aufgabe gestellt, einen Gemahl für sie zu finden. Denn hübsche, liebreizende und gesellige Königstöchter gab es in Hülle und Fülle, und die jungen Prinzen von nah und fern fanden es nicht schwierig, bei dieser Vielzahl von Kandidatinnen eine geeignete Braut zu finden. - Außerdem war keiner von ihnen bereit, eine junge Frau zur Gemahlin zu nehmen, die so viel klüger war als er und dazu noch spitzzüngig, auch nicht für eine ansehnliche Mitgift.

Und so wurde Roselotte, so hieß unsere Königstochter, immer älter. Ihr Vater grämte sich sehr darüber und gab ihr selbst die Schuld daran. "Warum machst du dich nicht hübsch wie all die anderen Prinzessinnen und gehst auf Bälle, damit du jemanden kennen lernst?", schalt er oft. Aber seine Tochter erwiderte daraufhin immer nur: "Ach, Vater, die jungen Prinzen in der ganzen Gegend sind ja so dumm und einfältig ... Man kann sich mit ihnen gar nicht über wichtige Dinge unterhalten! - Pah! So einen Schwachkopf will ich nicht!". "Und keiner will so eine besserwisserische und zänkische Person wie dich! Du wirst noch als alte Jungfer enden, ich sehe es kommen!", erboste sich der König und stampfte mit dem Fuß auf, dass das Schloss bebte. - Was sollte werden, wenn er eines Tages starb? Seine Tochter wäre zwar klug genug, die Amtsgeschäfte zu übernehmen, aber ein Königreich brauchte nun mal einen Mann. Punktum.

Nun ergab es sich, dass eines schönen Morgens die Kunde von einem dreitägigen Wettkampf der Geisteskräfte kam, auf dem alle jungen Edelmänner des Landes aufgefordert wurden, ihre Kenntnisse in Mathematik, Logik und Wissenschaft unser Beweis zu stellen. Als Belohnung für den klügsten unter ihnen winkte ein sagenhafter Schatz. Als Roselotte davon hörte, schickte sie unverzüglich ihren treuen Diener Jakobus los, um sie anzumelden. Ihren Eltern verriet sie nichts davon, denn die hätten sie nur ausgelacht und an der Teilnahme gehindert. Sie gab stattdessen vor, eine Tante in einer entfernten Stadt besuchen zu wollen, um von ihr ein wenig feine Lebensart zu lernen. Entzückt über diesen unerwarteten Sinneswandel versorgte ihr Vater sie mit reichlich Proviant und einer angemessenen Gefolgschaft. Und so zog Roselotte los. Jakobus hatte ihr von einer Elfe ein Elixier anfertigen lassen, mit dessen Hilfe sie ihr Begleitpersonal schon wenige Kilometer hinter dem väterlichen Schloss in einen langen und tiefen Schlaf sinken ließ. Dann verkleidete sie sich mit Jakobus' Hilfe als junger Prinz, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die Stadt, in der der Wettkampf stattfinden sollte. Unterwegs trafen sie zahlreiche Mitbewerber, denen sie sich anschlossen. Ein jeder wollte den unermesslichen Schatz für sich gewinnen und dünkte sich siegessicher.

In der fernen Stadt angekommen, quartierten sich Roselotte und ihr Diener in einer feinen Herberge ein, und unsere Prinzessin war dankbar für die vielen Goldstücke, die ihr Vater ihr mitgegeben hatte. Gleich am folgenden Tag begann der Wettkampf. Roselotte fand die gestellten Aufgaben überaus einfach und kam daher mühelos in die zweite Runde. Auch hier gelang es ihr, in kürzester Zeit zu den Denkaufgaben die richtigen Ergebnisse vorzulegen. Am Ende dieses zweiten Tages waren außer ihr nur noch zwei Männer, ein junger und ein etwas älterer, übrig geblieben, alle anderen waren ausgeschieden und hatten missmutig den Heimweg angetreten.

Der ganze Wettkampf wurde mit sehr großem allgemeinen Interesse verfolgt. Viele waren nur zum Zuschauen von nah und fern angereist, und das ansonsten eher ruhige und verschlafene Städtchen war voller Gäste, die die Herbergen stürmten und die Kassen klingeln ließen. Am Morgen des dritten und letzten Tages nun lag die letzte Aufgabe vor ihnen: Die Lösung einer Rätselfrage, die sie direkt zu dem Schatz führen sollte. Die Schriftrolle, die jedem der drei verbliebenen Teilnehmer ausgehändigt worden war, kündete von einem knorrigen alten Baum, in dessen Rinde ein Plan eingeritzt sein sollte, mit dessen Hilfe der Sieger die Schatzkammer finden würde.

Nun, es war in der Tat nicht allzu schwer, diesen alten Baum zu finden. Roselotte und die beiden Männer lasen gemeinsam die Inschrift. Der Schatz sollte sich auf der Spitze eines Berges befinden, den man am Horizont erkennen konnte. Während der junge der zwei Männer sofort sein Pferd bestieg und sich in wildem Galopp auf den Weg dorthin machte, ließen Roselotte und Wolfram, so hieß der ältere, sich Zeit. Sie waren beide zu der Überzeugung gekommen, dass Schnelligkeit allein bei diesem Wettbewerb der Geisteskräfte nicht ans Ziel führen könnte und vermuteten eine bewusste Irreführung. Während ihres gemeinsamen Rittes führten sie lange, interessante Gespräche, und Roselotte war entzückt über die Belesenheit und das Wissen von Wolfram. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals einen anregenderen Gesprächspartner gehabt zu haben - und Wolfram besaß die wunderschönsten grünen Augen, die sie jemals gesehen hatte. Am späten Nachmittag erreichten sie den Berg und entdeckten das Pferd ihres Mitbewerbers, das mutterseelenallein am Fuß des Berges graste. Und wenig später fanden sie den jungen Mann. Bei dem Versuch, den Berg zu erklimmen, war er abgestürzt und zu Tode gekommen.

Roselotte und Wolfram begruben ihn und gingen anschließend um den ganzen Berg herum, fanden aber keinen sicheren Weg hinauf. Einerlei, wie sie es auch anstellten, sie würden das gleiche Schicksal erleiden wie ihr junger Freund. Da beschlossen sie beide, auf den Schatz zu verzichten, denn kein Gold der Welt war es ihrer Meinung nach wert, sein Leben dabei aufs Spiel zu setzen. Dennoch war Roselotte erbost: Wozu war der ganze Wettkampf mit den vielen Fragen und Aufgaben notwendig gewesen, wenn am Ende doch kein zu erreichendes Ziel stand? Roselotte empfand das ganze als irrwitzige Täuschung, während Wolfram insgeheim die Vermutung hegte, der Wettkampf sei in erster Linie veranstaltet worden, um möglichst viele Neugierige in das Städtchen zu locken und damit den Umsatz zu heben. - Aber davon sagte er Roselotte wohlweislich nichts. Die beiden schlugen ihr Nachtlager unter einem Baum auf, nachdem sie beschlossen hatten, erst am nächsten Morgen zurück zu reiten. Nach einem gemeinsamen Mahl gab sich Roselotte als die zu erkennen, die sie in Wahrheit war. Dem guten Wolfram jedoch entlockte diese Enthüllung nur ein Schmunzeln, hatte er doch schon von Anfang an ihre Maskerade durchschaut und ihren Mut und ihre Entschlossenheit bewundert. Dann berichtete er, dass er der König des Reiches Bärenstein war und sein gesamtes Vermögen dabei aufgebraucht worden war, die lang anhaltende Hungersnot in seinem Reich zu bekämpfen. Zwar ging es den Menschen dort nun wieder besser, aber er selbst war dabei ein armer Mann geworden und besaß nur noch sein Schloss, seine Bücher und die Liebe seines Volkes. Und nun hatte er gehofft, mit Hilfe des Schatzes sein Vermögen wieder aufzubauen.

Je mehr die beiden sich in ihr Gespräch vertieften und immer mehr Gemeinsamkeiten dabei entdeckten, umso mehr fanden sie Gefallen aneinander und gelangten zu der Überzeugung, dass sie überaus gut zusammenpassen würden. Früh am nächsten Morgen ritten sie zurück, und Roselotte beschwerte sich bei dem Hofmarschall, der während der vergangenen drei Tage die Lösung der Aufgaben überwacht hatte. Dieser jedoch lächelte nur fein und erwiderte, wem es am nötigen Mut fehlte, ein stolzes Ziel zu erreichen, dem könnte er auch nicht helfen. Wolfram hatte daraufhin alle Hände voll zu tun, seine Braut von Handgreiflichkeiten abzuhalten.

Gemeinsam mit dem Diener Jakobus und der auf dem Tiefschlaf erweckten Gefolgschaft begaben sie sich zurück in das Schloss von Roselottes Vater, dem eine Heirat mit dem wenn auch untadeligen, so doch bettelarmen Wolfram zwar etwas Magenzwicken verursachte, der aber im Grunde seines Herzens doch heilfroh war, seine widerborstige Tochter endlich unter die Haube zu bekommen. Er sah ein, dass Wolfram ein würdiger Nachfolger für ihn sein würde und man die beiden Königreiche ja zusammenlegen könnte, und überhaupt ...

Und so wurde die Hochzeit mit großer Pracht und Herrlichkeit gefeiert, und Roselotte und Wolfram lebten überaus zufrieden und friedlich bis ans Ende ihrer Tage.

Der sagenhafte Schatz aber, dessenthalben sie einander gefunden hatten, wurde niemals entdeckt, der boshafte Hofmarschall jedoch eines Morgens mit durchschnittener Kehle aufgefunden.

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