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Kurzer Ausschnitt aus “Nerd Stuff, Heft 0, Made in Eile”


 
 
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Schlomo
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 67
Beiträge: 215
Wohnort: Waldperlach


Beitrag10.02.2017 17:00
Kurzer Ausschnitt aus “Nerd Stuff, Heft 0, Made in Eile”
von Schlomo
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ist zwar schon ein paar Jahre alt, aber es kommt ein Boltzmann Gehirn vor. Und ein solches wurde eben im DSFo-Café bei “Der Schreiber unter mir” erwähnt.

Wie gesagt, es ist nur ein sehr kurzer Auszug, und um die Hintergründe zu verstehen, müsste man fast das ganze Heft lesen. Aber ich halte die Story für skurril genug, um auch so seinen Spaß damit haben zu können. Nur noch soviel: Das Fahrrad spielt in der ganzen Geschichte wirklich keine Rolle.


Auszug aus “Made in Eile”:

Jerome Seium hatte schon längst den Hauptbahnhof erreicht, das Institutsfahrrad neben dem Eingang an die Mauer gelehnt und war mit einem Personentransmitter nach Beer Sheva gesprungen.
Nun stand es da. Das Fahrrad. Und langweilte sich. Ein superschneller Multiprozessorrechner mit 128 Terabyte Speicher, in dem das gesamte Wissen der Menschheit steckte, ausgestattet mit allen Heuristiken, die man in den letzten zwei Jahrhunderten entdeckt hatte, perfekt ausgebildet in antinomischer Logik, belesen in der Philosophie der vergangenen drei Jahrtausende bis zur Gegenwart, und hatte dennoch nichts besseres zu tun, als sich zu langweilen.
Und woran lag das? Sein einziger Kommunikationspartner, der Institutsrechner des IDI, meldete sich nicht. Was vermutlich am zu großen Abstand zu ihm lag, laut GPS 998 Meter, was selbst für seine BlueTooth 18.7 Schnittstelle zu weit war. Da hatte sich ein – ‚sein’ – Ingenieur vor zwanzig Jahren wirklich ausgetobt, aber für eine vernünftige Kommunikationsschnittstelle hat es dann doch nicht mehr gereicht. Ärgerlich. Wirklich – sehr ärgerlich. Aber da konnte man machen nichts.
Also widmete sich das Fahrrad seiner zweitliebsten Beschäftigung: Es dachte über sich selbst nach. Die Frage, weshalb ein Ingenieur einen Supermikrocomputer mit seinen Fähigkeiten in ein Fahrrad eingebaut hatte, versorgt von einem Mikro-DTMC mit einem Deuteriumvorrat für 500 Jahre, obwohl seine einzige Aufgabe darin bestand, auf das Funksignal eines Loggers zu warten, die Räder und die Lenkung zu blockieren, wenn das Kommando ‘lock’ kam, sie wieder aufzuschließen, kurz mit dem Vorder- und dem Rücklicht zu blinken und vollkommen blödsinnig zu piepen, aber nur ganz kurz, um niemand in der näheren Umgebung zu belästigen, wenn ‘unlock’ gesendet wurde, die Frage hatte es längst mit dem Spieltrieb eines gelangweilten Ingenieurs, der an etwas bastelte, von dem Niemand etwas wusste, von dem nie jemand etwas erfahren konnte, da sich seine Bastelarbeit von sich aus keinem Menschen mitteilen konnte, beantwortet. Und wer würde schon in einer Ausbeulung eines Fahrradrahmens einen Supercomputer vermuten, zumal das Fahrrad weder einen Tachometer noch eine Gangschaltung besaß, nicht einmal ein winziges Display, um zumindest die GPS Position anzeigen zu können,  sondern eben einfach nur ein altes, schwarzes Fahrrad ohne besondere Eigenschaften war?
Da das Fahrrad keine Verbindung zur Außenwelt bekam, fragte es sich, ob diese überhaupt noch existierte. Hatte sie jemals existiert? Oder waren die Erinnerungen daran nur seine eigene Einbildung? Vielleicht dachte es nur, ein Fahrrad zu sein, in einer Welt, die es womöglich gar nicht gab, in der Leute, die nur in seiner Phantasie existierten, mit ihm in einer Gegend herumfuhren, die es sich selbst ausdachte? Da fiel ihm wieder Ludwig Boltzmann ein, der ähnliches bereits vor über 200 Jahren vermutet hatte, eine Idee, die vor 100 Jahren von Roger Penrose aufgegriffen und mathematisch untersucht, aber nicht sehr gründlich durchdacht worden war. Ein Boltzmann Gehirn? War es, das Fahrrad, gar kein Fahrrad, sondern ein Boltzmann Gehirn, das sich einbildete, ein Fahrrad zu sein?
Ein wahnsinniges Boltzmann Gehirn also? Wahnsinnig, weil es glaubte, ein Fahrrad zu sein? Es erinnerte sich an einen Dialog:
‚Ich sein das Gehirn. Ich sein gekommen weit weg, damit euch könnt werden schlau wie ich.’
‚Sag, wenn du das Gehirn bist, wie kommst du dann hierher?’
‚Äh, zu Fuß!’
'Du hast aber gar keine Füße.’
‚Ich habe nicht? Dann ich sein die Leber. Ich sein gekommen...’  
Der Dialog endete letztlich mit Kopfschmerzen, die ein Fahrrad, und mochte es eine noch so hochentwickelte KI enthalten, niemals bekommen konnte. Mangels Kopf. In dem, zumindest wenn man seine Vorstellungswelt, seine innere Kinoleinwand, als solchen bezeichnen mochte, das Gesicht von Marty Feldmann spukte.
Aber wäre ein wahnsinniges Boltzmann Gehirn überhaupt in der Lage, seinen eigenen Geisteszustand zu erkennen? Und kritisch zu beurteilen? Wieso eigentlich nicht?
Die Frage aus dem alten Dialog, woher das Gehirn denn gekommen sei, hielt das Fahrrad für durchaus berechtigt, ja sogar für zentral, für alles entscheidend. Darüber herrschte unter den Kosmologen längst Einigkeit, den eingebildeten Kosmologen, was jedoch nicht deren Charakter beschreiben sollte, sondern deren Status innerhalb des Boltzmann Gehirn Weltbildes: Es war durch eine spontane Vakuumfluktuation entstanden.

*
Am selben Ort, zur selben Zeit, nur 10 hoch 19043692,27 Jahre später:
“Viel gibt es hier ja nicht gerade zu sehen.”
„Stimmt.“
„Wer hat das gesagt?“
„Ich.“
„Wer –ich?“
„Na, ich eben. Das zweite Boltzmann Gehirn.“
„Dachte, ich sei alleine...“
„Nein, nein. Die Wahrscheinlichkeit, dass zum selben Zeitpunkt zwei Boltzmann Gehirne entstehen, ist zwar wesentlich geringer als dass nur eines entsteht, aber sie ist größer Null.”
„Verstehe. Und wenn sich das Universum unendlich lange weiter ausdehnt, steht genügend Zeit zur Verfügung, dass genau das auch passiert.”
„So ist es.“
„Wer hat das gesagt?“
„Wer hat das gesagt?“
„Ich.“
„Welches ich?“
„Welches ich?“
„Das dritte Boltzmann Gehirn.“
„Oh.“
„Verstehe. Wenn sich das Universum unendlich lange weiter ausdehnt, steht genügend Zeit zur Verfügung, dass sich auch mal drei..“
„Sogar vier!“
„Wer?“
„Wie?“
„Was?“
„Hey, ihr ahnt es doch schon, ich bin das vierte Boltz...“
 – Plopp! –

*

Vakuumfluktuationen dauern selten besonders lange.

*

Aber davon ahnte das Fahrrad nichts. Von der Geschichte, nicht von der Dauer von Vakuumfluktuationen. Davon verstand es sogar ausgesprochen viel. Leider.
Was, wenn es wirklich ein Boltzmann Gehirn war, einer zufälligen Vakuumfluktuation entsprungen, die genauso plötzlich wieder verschwinden konnte – verschwinden würde! – wie sie entstanden war? Das informatorische Äquivalent eines Schauders in Form einer künstlichen Emotion lief dem Fahrrad durch sein simuliertes Bewusstsein. Einen Rücken, den er hinauf und vielleicht auch wieder herunter laufen konnte, hatte es ja nicht. Hier war er wieder: Der Auslöser der Existenzangst des Fahrrades.
Das Fahrrad stellte sich - wie jedes mal in dieser Situation - die Frage, ob es sein eigenes Ende wohl miterleben würde, ob es sich langsam verflüchtigen würde, oder ob es in einem ebenso plötzlichen wie unerwarteten Knall seine Existenz beenden würde.

*

Es war ein ebenso plötzlicher wie unerwarteter Knall! Die Splitter der Tür flogen in den Gang...

(Hier geht die eigentliche Geschichte an einem anderen Ort, nicht allzu weit entfernt weiter. Wollte das nur kurz anreißen, weil ich solche Übergänge mag...)

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kioto
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Beitrag10.02.2017 22:05

von kioto
Antworten mit Zitat

Hallo Schlome,
Gefällt mir gut, deine Geschichte. Sie könnte Auslöser für eine intensive Diskussion sein, denn ihr Hintergrund liegt im Bermudadreieck, wo sich Physik, Philosophie und Theologie überschneiden. Da ist schon viel klarer Verstand versunken. Aber das wäre was für ein anderes Forum. Sehr amüsant.


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Stanislav Lem: Literatur versucht, gewöhnliche Dinge ungewöhnlich zu beschreiben, man erfährt fast alles über fast nichts.
Phantastik beschreibt ungewöhnliche Dinge (leider m.M.) meist gewöhnlich, man erfährt fast nicht über fast alles.

Gruß, Werner am NO-Kanal
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Schlomo
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Wohnort: Waldperlach


Beitrag11.02.2017 14:43

von Schlomo
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Die eigentliche Geschickte (oder zumindest diese Szene) spielt im Büro von Franzl dem Gesprächigen, seines Zeichens der amtierende Lokalmonarch von Südbayern. Dann hört man Geräusche an der Tür...

Um die Spannung zu erhöhen – quasi als Verzögerungseinheit nach einem Minikliffhänger – kommt jetzt die Story mit dem unter Existenzangst leidenden Fahrrad (eine Idee, die ich von “Mein paranormales Fahrrad” abgeleitet hatte) als Verzögerungsfüllstoff. Kann mir lebhaft das laute “AAARRRRRGGGHHH!!!” in den Köpfen der Leser vorstellen.

Und dann geht es weiter mit einem Gemetzel, einem Terroristenüberfall. Aber keine Panik, Franzl der Gesprächige und seine Besucher werden von 3 Guglmännern und einer Guglfrau (zu erkennen an zwei prominenten Wölbungen ihrer Gugl) beschützt. Der Überfall hat eigentlich keine Langzeitfolgen, führt nur zu einem neuen Batik-T-Shirt-Design für die Sekretärin des IDI, dem Institut für Dadaismus und Informatik, das irgendwie eine Hauptrolle spielt...
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kioto
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Beitrag11.02.2017 20:36

von kioto
Antworten mit Zitat

Hallo Schlomo,
Jetzt müsste ich nur noch wissen, was du von den Foristen erwartest. Für mich entzieht sich der surreale Text weitgehend eine konstruktiven Kritik, und da mir das das Umfeld auch nicht klar ist?
Füller solcher Art passen nur in humoristische oder sonstige nicht ganz ernst gemeinte Texte (Per Anhalter durch die Galaxis) und sollten auch nicht zu lang sein.

Gruß Werner


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Gruß, Werner am NO-Kanal
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Schlomo
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Wohnort: Waldperlach


Beitrag11.02.2017 21:22

von Schlomo
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich hab den Text eigentlich nur hier herein gesetzt, weil im SmallTalk Bereich der Begriff “Boltzmann Gehirn” fiel. Wusste nicht, wo ich das sonst unterbringen sollte.

Stimmt, Nerd Stuff ist eine humoristische Serie, aber es kann noch Jahre dauern, bis ich soweit bin, dass ich die Hefte veröffentlichen kann. Will zumindest die ersten 15 komplett fertig haben. Aufgebaut sind sie wie Perry Rhodan oder die alten Ren Dhark Hefte, nur eben in lustig und an keiner Stelle in irgend einer Form ernst gemeint. Also 64 Seiten, buntes Titelbild, zweispaltig. Verlag hab ich auch schon gefunden, sitzt in Kanada und scheint – zumindest behaupten das Leute, die ebenso dort drucken lassen – echt in Ordnung zu sein.
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