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Jodeln. Für Edelweiß.


 
 
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James Blond
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 71
Beiträge: 448
Wohnort: HAMBURG


Beitrag30.06.2016 14:06
Jodeln. Für Edelweiß.
von James Blond
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Jodeln. Für Edelweiß.

"Moin, die Herrschaften! Können wir jetzt loslegen?"

Eno, der Creative Director der renomierten Hamburger Agentur Kühn & Edel hatte an diesem Montagmorgen sein text team zusammengerufen, um die neue campaign zu reviewen. Zwar perlte hier noch kein champagne, dafür dampften Kaffeepötte vor verschlafenen Montagsgesichtern, ein sicheres Zeichen, dass auch diese Sitzung nicht besonders spritzig verlaufen würde.

"Ich habe euch zusammengerufen, um unser nächstes Projekt zu starten. Wie ihr sicher erinnert, hatten wir mit unserer letzten mission den erwarteten break through. Unser Bildband 'Mit Bäumen reden' wurde zum highlight der Eso-Welle und das sequel 'Mit Steinen werfen' verkauft sich weit über die Anarchozirkel hinaus.

Jetzt, wo crystal myths out sind und Crystal Meth in, brauchen wir einen much tougheren impact. Empathiegeschwängertes Lichterschwenken reicht jetzt nicht mehr, der neue Mensch will sich in seinem Wertehandel gefordert sehen, herausgefordert als active part einer Bestandsschutz community. Daher beginnt das neue life statement mit einem action point: Ein Verb. Stop. Dann folgt als value marker der Hinweis auf den guten Zweck, nur zwei, drei Worte, wieder Stop. Und Cut."

Eno machte an dieser Stelle eine kurze Pause, um festzustellen, ob es in den Köpfen seines Teams geklickt hatte. Und obgleich ihm viele Blicke signalisierten, dass die Schlafzimmervorhänge noch nicht aufgezogen wurden, fuhr er fort:

"Was ich von euch will, sind knackige mind projectiles, die sich im brain festhaken, wie die Nutte an der Morgenlatte."

Wenn Eno gehofft hatte, mit dem Vergleich auf schlummernde Bedürfnisse zu stoßen, musste er enttäuscht feststellen, dass sein Team sich inzwischen vollständig der Askese zugewendet hatte. Daher entschied er sich zum individual approach:

"Frau Liebstöckl, als unsere längste Mitarbeiterin haben Sie doch gewiss etwas Brauchbares in petto."

Elsa Liebstöckls Naturrouge verstärkte sich. Sie schätzte es nicht, auf ihre fortgeschrittene Firmenzugehörigkeit angesprochen zu werden. Als alternde, regelmäßige Kirchenbesucherin waren ihre Creationen inzwischen ganz auf ihr Credo ausgerichtet, das ihr zur Quelle caritativer Offenbarung geworden war.

"Beten. Für den Frieden."

Auch wenn ihre Antwort niemanden wirklich überraschte, erklang doch verhaltenes Gelächter. Aus dem Hintergrund kam ein Gegenvorschlag: "Warten. Auf den Heiland." Nochmals Gelächter. Eno schien Elsas Antwort erwartet zu haben, schenkte ihr sein mitleidigstes Lächeln und fragte mit sanftester Stimme:

"Wäre es nach über zweitausend Jahren nicht an der Zeit, auch mal etwas anderes zu denken?"

"Nein, wozu?" kam die prompte, leicht schnippische Antwort.

Als Eno gerade zu einer umfassenderen Religionskritik ansetzen wollte, ertönte die Stimme des Teamseniors Eduard von Stahlwoll: "Ich hab was:

Sterben. Fürs Vaterland."

Triumphierend blickte Eduard in die offenen Münder seiner verblüfften Kollegen. Bevor sich eine Protestwelle erhob, parierte Eno kurz und trocken:
"Großartig! Damit kommen Sie ja nur noch hundert Jahre zu spät, Meister Ede!" Eduard wollte schnell noch eine aktualisierte Version nachreichen, aber da meldete sich bereits Lydia Frauke zu Wort. Sie hatte soeben auf dem Terminkalender erspäht, dass abends das Treffen ihrer Menstruationsgruppe geplant war.

"Bluten. Für das Leben."

Als daraufhin längeres, betretenes Schweigen einsetzte, führte Eno aus:
"Eure creations sind mir noch too much confirmative targeted.  We need to enforce resistance power, be more confrontative!"

Er blickte erwartungsvoll auf Special Agent Dieter Dimmig, der sich gerade die Turnschuhe band. Didi blickte nur kurz auf und warf ein lässiges

"Laufen. Gegen den Stillstand."

in die Runde. Anerkennendes Gemurmel breitete sich aus. Aber Eno schien noch nicht zufrieden.
"Nicht übel, aber können wir das noch mehr in Richtung mainstream pushen? Was meinen Sie, Mr. Blond?"
 
Geheimwaffe James Blond zuckte leicht zusammen. Die vollkommene Leere seines Gedankenapartments hätte jeden Zen-Meister ins Nirwana katapultiert, instantly. Verlegen registrierte Blond nur das übliche Magenknurren, die Weckfunktion zur Mittagspause.

"Essen. Gegen den Hunger."

war alles, was seine erwachenden Vitalfunktionen ins Off hämmerten.

Eno sprang auf, er schien fassungslos, er schrie.

"Was haben Sie da gesagt, Blond? Essen? - Gegen den Hunger?!"

Geheimwaffe Blond sackte auf seinem Drehstuhl drei Etagen nach unten. Vor Schreck hatte er sich an den Stellhebel geklammert und wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen. Doch sein Chef war nun nicht mehr zu bremsen:

"Das ist crazy! Das ist umwerfend! Das ist marvelous! Das ist - - big! Blond, you made my day! Kommen Sie nachher in mein Büro!" Mit diesen Worten stürzte der Creative Director aus dem Raum und ließ einen verdutzten Blond zurück, dem sein plötzlicher Erfolg nicht recht einleuchten wollte. Eines war jedoch schon sicher:

Das diesjährige Edelweiß ging gerade an Blond.

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Saraa
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
S

Alter: 31
Beiträge: 30
Wohnort: Sauerland


S
Beitrag30.06.2016 14:41

von Saraa
Antworten mit Zitat

Gefällt mir sehr gut. Ohne großartig drumherum zu reden, sorgst du doch dafür, dass ich mich mittendrin fühle.

Sehr kreativ, tolle Dialoge. Ich wüsste nichts zu verbessern.

Zitat:
Die vollkommene Leere seines Gedankenapartments hätte jeden Zen-Meister ins Nirwana katapultiert, instantly
lol2 Die Stelle hat mir am besten gefallen, sehr lustig.

_________________
"Ein Ausrufezeichen ist wie über seinen eigenen Witz zu lachen" - M.Twain
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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag30.06.2016 16:46

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-



Hallo James Blond,


parallel zum Text baute ich mir folgenden interessanten tiefen_Plot:  die pseudo_verzauberte Welt der anglizistelnden werbe-slang Sprache [ in einer Werbe-team Gruppe ] kontakariert sich unbewusst selbst in einem erarbeiteten Slogan in deutscher Sprache  / es geht um ein deutschsprachiges Produkt mit den formalen Slogan-Vorgaben: ein Verb plus zwei, drei Folgewörter.

“ Ein Verb. Stop. Dann folgt als value marker der Hinweis auf den guten Zweck, nur zwei, drei Worte, wieder Stop. Und Cut."  <-- mMn der beste Satz im Prosatext Smile

Im Brainstorming der Beteiligten entstehen folgende Titel_phrasen  / geht’s irgendwie um eine Werbe-Kampagne um ein (esoterisches?) Buch, die/das einen Slogan braucht? wird mir nicht so ganz klar, egal ...

......

.......

"Beten. Für den Frieden."

“Sterben. Fürs Vaterland."

"Laufen. Gegen den Stillstand."

"Essen. Gegen den Hunger."

Dem Schein nach konstruieren sich hier gleich_ergänzende Komposita von Aktion und figuriertem Nomenwert  / bei näherem Hinschauen passiert hier jedoch eine fast schon wahnwitzige Steigerung der Kompositionen insofern, dass das Nomen-Figurativ in seinerselbst_Statik nun mit seinem Verb eine enorme, innere begriffliche Bewegung freispült, die die Nomen_statik ins Beißen bewegt. MMn sehr gelungen Smile


Nun zum Textpaket:  mir persönlich erschöpft sich der main_Text in eine nicht endend wollende Kette anglizistelnder werbe_slang Floskelei, die die angelegte text_Ironie mMn sehr schnell zerbricht [ schade, schade ... ] und mir fortan nur noch ein gähnend langweiliges Lesen bereitet hat  / mit der brillianten kleinen Unterbrechung der vorher von mir besprochenen Textsequenz. Genausowenig erschließt sich mir die beabsichtigte Intention des pointischen peanuts_Gags [ wie auch die Titelandeutung ] jenes Slogan-Preises mit dem Titel: “Edelweiß“  [ “Jodeln. Für ein Edelweiß“ ]

... als wollte sich nun damit was nach_karikieren??? Der Slogan? Jeder Slogan? Die denk_Arbeit für einen gelungenen Slogan? Die Wirkung eines Slogans? Die Psychologie im kläglichen Wesen des Menschen?
... oder doch nur der Text sich selbst gegenüber Wink

Text hat Folgendes geschrieben:

Das diesjährige Edelweiß ging gerade an Blond.
.



Gruß Stimmgabel ...


... ungeachtet meiner textal direkt und primär empfundenen Lese-Langeweile hat mich dann dieser Text doch zu einem parallel inspirierten Plot feinstens irr_gewegt Smile


-


_________________
Gabel im Mund / nicht so hastig...
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag01.07.2016 06:50

von BlueNote
Antworten mit Zitat

Hihi! Das Edelweiß für Mr. Blond!

Passt, soweit!
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James Blond
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 71
Beiträge: 448
Wohnort: HAMBURG


Beitrag01.07.2016 14:33

von James Blond
pdf-Datei Antworten mit Zitat

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Hihi! Das Edelweiß für Mr. Blond!

Passt, soweit!


Vor allen Dingen, wenn man berücksichtigt, mit welchem Scheiss er es gewonnen hat! smile

Disclaimer:
Ähnlichkeiten mit vergleichbaren Ereignissen in Literaturforenwettbewerben sind rein zufällig, jedoch nur schwer vermeidbar!
lol2

JB
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James Blond
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 71
Beiträge: 448
Wohnort: HAMBURG


Beitrag04.07.2016 10:57

von James Blond
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Stimmgabel hat Folgendes geschrieben:

Nun zum Textpaket:  mir persönlich erschöpft sich der main_Text in eine nicht endend wollende Kette anglizistelnder werbe_slang Floskelei, die die angelegte text_Ironie mMn sehr schnell zerbricht [ schade, schade ... ] und mir fortan nur noch ein gähnend langweiliges Lesen bereitet hat  / mit der brillianten kleinen Unterbrechung der vorher von mir besprochenen Textsequenz. Genau sowenig erschließt sich mir die beabsichtigte Intention des pointischen peanuts_Gags [ wie auch die Titelandeutung ] jenes Slogan-Preises mit dem Titel: “Edelweiß“  [ “Jodeln. Für ein Edelweiß“ ]


Eine nicht enden wollende Kette anglizistischer Werbeslang-Floskelei ist hier eigentlich nicht der Fall. Die Anglizismen werden weit weniger als (hinlänglich bekannter Topos einer) Sprachkritik angeführt; sie dienen  vielmehr zur Charakterisierung eines operationalisierenden Sprachgebrauchs im Sinne eines Machtinstruments: Das Denglish dient als Werkzeug, mit dem das Sprachprodukt Deutsch gehobelt wird. Demzufolge ist es hier auch nur der Chef Eno, der die entsprechenden Phrasen einstreut, um damit eine aggressive Form der Mitarbeitermotivation aufzubauen. So etwas kann zwar auch ermüden, allerdings sind die Dialogpassagen dafür nicht lang genug und werden von Abschnitten in ganz herkömmlichen Deutsch kontrastiert.

Das "Edelweiß" ist hier die Team-Auszeichnung für die beste Kreativ-Idee eines Jahres: "Ohne Fleiß kein Edelweiß!" und sollte sich ohne große Mühe aus dem Inhalt erschließen lassen. Der Titel greift diesen Belohnungsgedanken anhand der gestellten Vorgabe in ironischer Weise auf und formuliert zugleich den Plot der Geschichte: "Jodeln. Für Edelweiß."

Als Satire möchte diese kurze Szene zeigen, dass eigentlich schon immer in ziemlich ähnlicher Weise werbegetextet wurde und welchen Wandel die angesprochenen Werte dabei erlebten, um zuletzt im Konsumismus zu stranden: "Essen. Gegen den Hunger." ist nicht nur eine ironische Umkehrung tradierter Werte, zugleich ist es die zynische Antwort auf die künftigen Probleme unserer Welt.
    
JB
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