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stillerlaerm Erklärbär
S Alter: 29 Beiträge: 2
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S 29.05.2016 01:05 Zwischen Zeit und Raum von stillerlaerm
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Die himmelblaue Tapete hängt in Fetzen von der Wand, gibt den Blick auf die darunterliegende, viel Ältere frei.
Nur schwach erkennt man noch die aufwendigen Muster und Bilder; sie sind verblasst wie die Erinnerung an die Zeit, aus der sie stammen.
Der alte Gartenstuhl, auf dem er sitzt, ist aus Holz und droht bei jeder seiner Bewegungen zusammenzubrechen.
Das hereinfallende Sonnenlicht lässt den Staub auf den Möbeln schimmern, taucht den Raum in eine angenehme Wärme.
Ist Zeit doch sichtbar?
Dieser Staub, da auf der Kommode, diese mehreren Zentimeter, ist das eigentlich nichts anderes als eine dicke Schicht Zeit?
Mit einem verklärten Lächeln wendet er sich wieder der Wand vor ihm zu, schaut sie einfach nur an, atmet die nach Zeit schmeckende Luft ein, atmet wieder aus und bringt die winzigen Staubpartikel in der Luft zum tanzen. Währenddessen stellt er sich vor, wie gut sie in diesen Raum passen würde.
Wahrscheinlich würde sie eins ihrer weißen Sommerkleider tragen.
Sie wäre barfuß und ihre Haare würden fliegen, wenn sie sich im Kreis drehen würde. Oh ja, dieser Raum wäre perfekt für sie.
Er sieht sie vor sich, diese leuchtenden Augen und dieses strahlende Mädchen, wie sie neugierig in den Schubladen kramt, später jedoch darauf bedacht, alles wieder ordentlich einzuräumen.
Seine Gedanken schweifen ab von dem Mädchen, hin zu seinen Tagen, die gezählt sind, und all das was danach kommt.
Wird er auch ein Teil der Zeit werden?
Vielleicht irgendwann eine dicke Schicht Staub?
Schmunzelnd steht er auf und dreht sich noch einmal, ehe er den Raum langsam verlässt. Irgendwie findet er das romantisch;
die Vorstellung als eine Schicht Staub in einem Zimmer wie diesem zu enden[/fixed][/spoiler][/quote]
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Gießkanne Volle Kanne ungeduldig
Alter: 21 Beiträge: 655 Wohnort: Nicht mehr in deiner Welt
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29.05.2016 01:12
von Gießkanne
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Hallo stillerlaerm,
Deine Wortwahl ist nicht schlecht und ich finde sie durchaus interessant. Dennoch habe ich ganz schnell aufgehört zu lesen, da du anfangs nur „Fakten“ erzählst. Die Sätze fließen überhaupt nicht ineinander über. Vielleicht war das auch so gewollt, ich weiß nicht, aber mich hat das nicht angeregt, weiterzulesen. Verbinde die Sätze ein wenig, dann liest es sich mMn ein bisschen schöner.
Trotzdem weiter so!
LG das Kännle
_________________ Die Schlacke einer verbrannten Liebe im Hochofen des Herzens ist ein Nebenprodukt, das man so schnell leider nicht loswird.
Mogmeier |
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Einar Inperson Reißwolf
Beiträge: 1675 Wohnort: Auf dem Narrenschiff
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29.05.2016 01:25
von Einar Inperson
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Hallo stillerlaerm,
gefällt mir. Eine Geschichte, die sich in meinem Kopf entfalten kann, weil sie nicht einengend vorgibt, alles breit tritt. Dein Protagonist ist offen, seine Erinnerung, wie lange mag sie zurückliegen. Spielt keine Rolle. Die Geschichte wirkt. Sätze, kleine Ideen, die Staubschicht, die Zeit, die tanzenden Staubpartikel, die Luft. Nichts, was nicht schon in genau diesem Zusammenhang geschrieben oder gefilmt worden wäre. Aber was ist nicht schon geschrieben. Darf man verwenden. Vor allem, wenn es gut gemacht ist.
Das hier zum Beispiel;
Stille und Lärm hat Folgendes geschrieben: | die Vorstellung als eine Schicht Staub in einem Zimmer wie diesem zu enden |
Allerdings auch ein wenig Kritik.
Du beginnst bedingt durch die Satzanfänge aufzählend.
Die - Der - Das - Dieser
Ich denke, da lässt sich noch etwas verbessern.
Edith sagt, Gießkanne war hier mit diesem Punkt schneller.
_________________ Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch
Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
Einar Inperson in Anlehnung an Aris Kalaizis
si tu n'es pas là, je ne suis plus le même
"Ehrfurcht vor dem Leben" Albert Schweitzer |
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Gießkanne Volle Kanne ungeduldig
Alter: 21 Beiträge: 655 Wohnort: Nicht mehr in deiner Welt
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29.05.2016 01:28
von Gießkanne
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Zitat: | beginnst bedingt durch die Satzanfänge aufzählend.
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So meinte ich es, danke Einar.
_________________ Die Schlacke einer verbrannten Liebe im Hochofen des Herzens ist ein Nebenprodukt, das man so schnell leider nicht loswird.
Mogmeier |
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Tjana Reißwolf
Alter: 63 Beiträge: 1786 Wohnort: Inne Peerle
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29.05.2016 02:07 Re: Zwischen Zeit und Raum von Tjana
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Gefällt mir. Bin gerne eingetaucht in diesen Moment, der schön unpathetisch daher kommt.
Bei den in Fetzen hängenden Tapeten dachte ich zuerst an (noch) eine übers Leben lamentierende Geschichte. Aber nein, du gibst ihr schnell wieder eine Leichtigkeit.
Den Satz mag ich besonders
stillerlaerm hat Folgendes geschrieben: |
Ist Zeit doch sichtbar? |
Sie mag seine Tochter sein, seine Enkelin, wer weiß. Ich mag es, wenn ein Text mich mit solchen Fragen weiter denken, den Protagonisten erforschen lässt.
LGT
_________________ Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein) |
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purpur Klammeraffe
Beiträge: 964
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29.05.2016 04:18
von purpur
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Hallo stillerlaerm,
Dein Text gefällt mir sehr, klingt, wie
dein nikname beides, sehr
gefühlsbetont.Zaubert mir viele
Bilder, ich mag Zeit und Raum
auch sehr. Kann mich gut in
deinem Text bewegen:-)
Herzlich Willkommen,
Schönen Sonntag,
fühl dich hier wohl,
Ppgrüßt dich
Pia
_________________ .fallen,aufstehen.
TagfürTag
FarbTöneWort
sammeln
nolimetangere
© auf alle Werke |
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ReinhardStaupe Wortedrechsler
Alter: 55 Beiträge: 64 Wohnort: Bremen
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29.05.2016 07:20 Re: Zwischen Zeit und Raum von ReinhardStaupe
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stillerlaerm hat Folgendes geschrieben: | Seine Gedanken schweifen ab von dem Mädchen, hin zu seinen Tagen, die gezählt sind, und all das was danach kommt.
Wird er auch ein Teil der Zeit werden?
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Mir gefällt der Text. Insbesondere macht er mich insofern neugierig, als dass ich gerne wüsste, wer und was und wo. Wäre der Text der Anfang von etwas Längerem, einer Erzählung oder eines Romans - mich hättest du.
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Malbec Gänsefüßchen
Beiträge: 32 Wohnort: Norddeutsche Tiefebene
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29.05.2016 08:26
von Malbec
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Ich finde den Text auch sehr schön, sprachlich wie inhaltlich. Die Bilder sind eindringlich und es liegt so eine ganz leichte Wehmut darin. Habe mir vorgestellt, dass das Mädchen im weißen Kleid seine Frau war. Jetzt wüsste ich zu gerne, warum sie heimlich Schubladen durchwühlt hat und was sie sonst noch zusammen ausgefressen haben!
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stillerlaerm Erklärbär
S Alter: 29 Beiträge: 2
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S 29.05.2016 11:17
von stillerlaerm
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Nun weiß ich nicht, wie das in diesem Forum gehandhabt wird, ob hier jedem Beitrag einzeln geantwortet wird. Darauf muss ich in Zukunft während meines Stöberns wohl etwas achten. Also entschuldigt, wenn ich hiermit gegen die allgemeinen Foren-Manieren verstoße.
Dennoch möchte ich euch für all die ausführlichen Rückmeldungen danken, für das Lob und die Kritik. Nun ist mir auch selbst aufgefallen, dass besonders am Anfang des Textes noch so einiges zu bearbeiten ist, was die Satzanfänge und die Formulierungen betrifft.
[quote="Malbec"] Jetzt wüsste ich zu gerne, warum sie heimlich Schubladen durchwühlt hat und was sie sonst noch zusammen ausgefressen haben![/quote]
Ich freue mich unglaublich, dass ich deine Neugier geweckt habe - und du somit auch meine. Denn nun bin ich selbst gespannt, was noch daraus werden könnte, wenn man etwas weiter denken würde. Aber vermutlich bin ich schon wieder zu schnell und sollte das Bestehende erst einmal überarbeiten.
Liebe Grüße
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Fürst Dostan Schneckenpost
Beiträge: 6
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29.05.2016 11:33
von Fürst Dostan
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Hallöchen
Also ich finde deine Geschichte toll. Sie lässt viel Spielraum zum Nachdenken.
Klar ein bisschen kann man immer noch verbessern, aber das Geschehen, die Träumereien hast du wirklich gut beschrieben, wie ich finde.
Und deine Art zu schreiben gefällt mir wirklich gut.
Immer schön weiter schreiben!
Fürst
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Mara Leseratte
Beiträge: 140 Wohnort: Linz/Donau
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30.05.2016 00:49
von Mara
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Hallo StillerLaerm,
ich finde, dass es dir sehr gut gelingt mir den Raum zu zeigen und die Stimmung zu vermitteln, so ein leicht wehmütiges, nostalgisches Rückerinnern, aber dennoch positiv. Ich habe jetzt etliche Minuten gegrübelt und ich glaube, dass der Text durch ein paar Änderungen gewinnen kann.
Hier meine Überlegungen. Suche dir bitte heraus, was dir sinnvoll und passend erscheint:
Zitat: | Die himmelblaue Hier geht es doch darum, was hinter der Tapete liegt. Die Tapete selbst ist nicht so wichtig, daher kannst du das Adjektiv ohne Stimmungsverlust streichen. Zudem klingt 'himmelblau" für mich etwas kitschig, was nicht zum Text passt. Tapete hängt in Fetzen von der Wand, gibt den Blick auf die darunterliegende, viel Ältere frei.
Nur schwach erkennt man noch die aufwendigen Muster und Bilder; sie sind verblasst wie die Erinnerung an die Zeit, aus der sie stammen.
Der alte Gartenstuhl, auf dem er sitzt, ist aus Holz und droht bei jeder seiner Bewegungen zusammenzubrechen.
Das hereinfallende Sonnenlicht lässt den Staub auf den Möbeln schimmern, taucht den Raum in eine angenehme Wärme.
Ist Zeit doch Für mich ein unnötiges Füllwort. sichtbar?
Dieser Staub, da auf der Kommode, diese mehreren Zentimeter, ist das eigentlich nichts anderes als eine dicke Schicht Zeit? Den ganzen Satz könnte man kürzen auf: "Dieser zentimeterdicke Staub auf der Kommode, eine Schicht Zeit?" Aber ich muss gestehen, ich bin ein Fan von Verknappungen. Ich weiß nicht, ob du schon gehört hast, dass man Füllwörter vermeiden soll? Zudem: Das der Staub "Zentimeter hoch" liegt, irritiert mich etwas. Das lässt mich an eine 3 bis 4 Zentimeter hohe Staubschicht denken. Gibt es die wirklich? Selbst wenn ein Raum jahrzehntelang unbenutzt ist?
Mit einem verklärten Lächeln wendet er sich wieder der Wand vor ihm zu, schaut sie einfach nur an, Ich glaube, der Text kommt auch ohne diese Zeile aus. Zudem ist mir das "verklärte Lächeln" zu pathetisch. Du musst das nicht extra sagen, du zeigst sowieso schön in welcher Stimmung er ist. Er atmet die nach Zeit schmeckende Luft ein, atmet wieder aus und bringt die winzigen Staubpartikel in der Luft zum Ttanzen. Währenddessen stellt er sich vor Er stellt sich vor, wie gut sie in diesen Raum passen würde. Wobei du das "Er stellt sich vor" idealerweise auch weglässt. |
Den weiteren Text lasse ich jetzt mal. Mir ist da zu viel Konjunktiv enthalten (Wäre, würde, ...). Daran könnte man auch noch arbeiten.
Wie gesagt: Die Stimmung zu vermitteln ist dir gut gelungen. Weiter so!
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6155 Wohnort: Nullraum
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03.06.2016 15:13
von V.K.B.
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Hallo und Willkommen im Forum.
Vielleicht verstoße ich damit selbst gegen Regeln, aber ich denke nicht, dass man jedem Post einzeln antworten muss, man kann auch zusammenfassen, denke ich.
Deine Geschichte gefällt mir. Dass die Sätze am Anfang nicht wirklich verbunden sind, stört mich überhaupt nicht, ich habe es auch für ein absichtliches Stilmittel gehalten. Daran wird deutlich, dass die Szene irgendwie abgetrennt zum Rest der Welt stattfindet, eine Art zurückgezogene Meditation, die sich dem rasanten Ablauf des Hier und Jetzt entzieht.
Eben eine Schicht "Zeit", die einfach dort liegt, ohne zerwirbelt zu werden. Dazu das Bild mit den alten Bildern unter der Tapete -- sehr schön.
Gerne gelesen,
LG,
Veith
PS: Ist das jetzt eine abgeschlossene Geschichte, oder eine Art Prolog von etwas längerem?
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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Ajanoli Gänsefüßchen
Beiträge: 16
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04.06.2016 16:19
von Ajanoli
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Hallo StillerLaerm,
ich bin zwar selbst erst Neuling hier, aber ich möchte dir auch gerne meine Gedanken zu deinem Text mitteilen. Ich finde auch, dass du sehr bildhaft und schön schreibst, was Lust auf mehr macht.
Was mir am Anfang noch aufgefallen ist: deine Szene ist ja eine recht friedliche, freundliche, warme. Aber du schreibt:
Der alte Gartenstuhl, auf dem er sitzt, ist aus Holz und droht bei jeder seiner Bewegungen zusammenzubrechen.
Ich finde dieses "droht" ein bisschen zu rau für die heimelige Atmosphäre.
Ich würde es eher so schreiben:
Der alte Gartenstuhl, auf dem er sitzt, ist aus Holz und knarzt bei jeder seiner Bewegungen.
Die Kombination aus "alt" und "knarzen" vermittelt dann schon, dass er nicht mehr all zu stabil ist. Ist aber nur meine Meinung
Trau dich ruhig auch noch weiter zu schreiben, nur wer viel schreibt kann sich verbessern
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ArtFaulII Wortedrechsler
Beiträge: 95 Wohnort: Baumhaus
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10.06.2016 20:10
von ArtFaulII
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Hallo StillerLaerm,
ich bin auch neu hier, würde aber trotzdem gerne etwas zu deinem Text schreiben. Die Stimmung, die du hier eingefangen hast, finde ich nämlich sehr schön.
Leider weiß ich nicht, wie spontan oder mit wie viel Aufwand der Text entstanden ist, also auch nicht, wie ausführlich du eine Rückmeldung oder Kritik dazu überhaupt möchtest. Deswegen entschuldige im Voraus, falls dir dies übertrieben oder in irgendeiner Form unangemessen empfindest!
Zitat: | Die himmelblaue Tapete hängt in Fetzen von der Wand, gibt den Blick auf die darunterliegende, viel Ältere frei. |
Hier stimme ich mit Mara nicht ganz überein. Für mich erzeugt die Farbe hellblau, einen hellen, aber ruhigen und eher neutralen Raum, trägt also sehr wohl zur Stimmung bei. Allerdings muss ich ihr bei der Formulierung "himmelblau" recht geben, die ist etwas klischeehaft und stört im Lesefluss. Hellblau, oder blassblau, wie du möchtest, reicht auch.
Zitat: | Nur schwach erkennt man noch die aufwendigen Muster und Bilder; sie sind verblasst wie die Erinnerung an die Zeit, aus der sie stammen. |
Man? Wer ist man? Ich würde hier konsequent in der Erzählperspektive des alten Mannes bleiben.
Zitat: | Der alte Gartenstuhl, auf dem er sitzt, ist aus Holz und droht bei jeder seiner Bewegungen zusammenzubrechen. |
Dass der Mann auf einem Gartenstuhl sitzt gefällt mir, denn das schafft Distanz zwischen ihm und dem Raum, stellt ihn eher als Fremdkörper, als Beobachter von außen dar, im Gegensatz zu seinen folgenden, eher intimen Betrachtungen. Den Teil mit den Bewegungen verstehe ich aber nicht. Die Szenerie wirkt auf mich eher meditativ, ich stelle mir also vor, dass er gedankenverloren und sonst völlig bewegungslos auf seinem Stuhl sitzt. Wenn er sich doch so viel bewegt, besser ausschreiben, warum und welche Bewegungen das sind. Hat er Schmerzen, die ihn zwingen seine Position ab und zu zu verändern? Oder reagiert er mit den Bewegungen auf etwas?
Zitat: | Das hereinfallende Sonnenlicht lässt den Staub auf den Möbeln schimmern, taucht den Raum in eine angenehme Wärme.
Ist Zeit doch sichtbar?
Dieser Der Staub, da auf der Kommode, diese mehreren Zentimeter, ist das eigentlich nichts anderes als eine dicke Schicht Zeit? |
Das Bild, das du mit diesen Sätzen zeichnest, finde ich sehr schön und atmosphärisch! Die gestrichenen Wörter sind für mich Füllwörter. Und die Formulierung "diese mehreren Zentimeter" stört leider enorm. Einfach, weil ich mir in einem atmosphärischen Text keine Zentimeter vorstellen kann und will. Und dann auch noch "diese mehrere". Und das Wort "angenehm" impliziert bei mir die Frage "angenehm für wen?" Für den Autor? Dann lieber rausnehmen. Für den Mann auf dem Gartenstuhl? Dann zeig mir lieber, dass es ihm angenehm ist, als es nur zu behaupten! Wie man sieht, bin ich sonst wie Mara ein großer Freund von Verkürzungen.
Zitat: | Mit einem verklärten Lächeln wendet er sich wieder der Wand vor ihm zu, schaut sie einfach nur an, atmet die nach Zeit schmeckende Luft ein, atmet wieder aus und bringt die winzigen Staubpartikel in der Luft zum tanzen. Währenddessen stellt er sich vor, wie gut sie in diesen Raum passen würde. |
Spätestens hier wird für mich die Erzählperspektive ganz wichtig! Beschreibst du eher auktorial? Dazu würden deine Formulierungen wie "angenehm" oder "verklärt", die schon Wertung in den Text bringen, passen. Sonst schreibst du aber eher personal, indem du seine Gedanken und seine Erinnerungen beschreibst, und ich finde, das die Geschichte durch die personale Erzählweise auch viel mehr gewinnt. Den ersten Teil dieses Abschnitts würde ich also verkürzen zu "Lächelnd schaut er die Wand an, schaut sie einfach nur an…". Auch das "Währenddessen stellt er sich vor…" kannst du in der personalen Erzählweise weglassen, das funktioniert dann ohne viel besser.
Zitat: | Wahrscheinlich würde sie eins ihrer weißen Sommerkleider tragen.
Sie wäre barfuß und ihre Haare würden fliegen, wenn sie sich im Kreis drehen würde. Oh ja, dieser Raum wäre perfekt für sie.
Er sieht sie vor sich, diese leuchtenden Augen und dieses strahlende Mädchen, wie sie neugierig in den Schubladen kramt, später jedoch darauf bedacht, alles wieder ordentlich einzuräumen. |
Schön, dass du vollkommen offen lässt, was das für ein Mädchen ist, und in welcher Beziehung er zu ihr steht! Gefällt mir sehr gut! Meine Interpretation war hier, dass das Mädchen seine Enkelin ist, die noch ein Baby ist und von der er weiß, dass er sie nicht wird aufwachsen sehen können, weil er ahnt, dass er bald sterben wird. Aber er stellt sich vor, wie sie später einmal, in den Räumen, in denen er so lange gelebt hat, seine Spuren finden wird. Der Kontrast, zwischen dem alten, mit Erinnerungen gefüllten Raum und dem jungen Mädchen, das nach und nach diese Erinnerungen entdeckt und so ihrem Opa noch nach seinem Tod nahekommt, schafft eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft schafft, in der die Zeit selbst für einen Moment in der Schwebe innehält.
Wie gesagt, das war meine spontane Assoziation!
Zitat: | Seine Gedanken schweifen ab von dem Mädchen, hin zu seinen Tagen, die gezählt sind, und all das was danach kommt. |
Die Formulierung "seine Tage, die gezählt sind", finde ich hier eher nicht so schön.
Zitat: | Wird er auch ein Teil der Zeit werden?
Vielleicht irgendwann eine dicke Schicht Staub? |
Schön! Würde aber durch Verkürzung gewinnen (s.o.)!
Zitat: | Schmunzelnd steht er auf und dreht sich noch einmal, ehe er den Raum langsam verlässt. Irgendwie findet er Er findet das romantisch;
die Vorstellung als eine Schicht Staub in einem Zimmer wie diesem zu enden. |
Der Schluss ist dir wirklich gelungen und gibt der Atmosphäre einen stimmigen, runden Abschluss!
Diese Anmerkungen sind natürlich nur die Sachen, die mir persönlich als Leser aufgefallen sind…andere nehmen das bestimmt noch ganz anders wahr! Ich hoffe, ich konnte dir trotzdem ein bisschen weiterhelfen und dass du noch viele weitere von diesen schönen Szenen schreibst
Liebe Grüße,
Arty
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Santamaria Eselsohr
Beiträge: 221 Wohnort: Lateinamerika
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11.06.2016 17:33
von Santamaria
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So wuerde ich es korrigieren:
Die himmelblaue Tapete hängt in Fetzen von der Wand, gibt den Blick auf die darunterliegende frei. (Logischerweise muss sie Aelter sein, das waere also eine inhaltliche Widerholung die ueberfluessig ist. Himmelblau gefaellt mir, weil die Farbe etwas ueber die Weichheit des Raumes verraet.)
Schwach erkennt man die verblassten aufwendigen Muster und Bilder; (verknappt)
Der alte Gartenstuhl ist aus Holz und droht (unter ihm) zusammenzubrechen.
Das hereinfallende Sonnenlicht lässt den Staub (geloescht) schimmern, taucht den Raum in angenehme Wärme.
Ist Zeit sichtbar?
Dieser Staub (da - ueberfluessig, Fuellwort) auf der Kommode, ist eigentlich nichts anderes als eine dicke Schicht Zeit. (Gibt es auch eine duenne Schicht Zeit? Denk mal darueber nach und versuche es anders zu formulieren)
Mit einem verklärten (? Warum verklaert?) Lächeln wendet er sich wieder der Wand vor ihm zu, schaut sie (nur - Fuellwort) an, atmet die nach Zeit schmeckende Luft, atmet wieder aus und bringt die winzigen Staubpartikel in der Luft (Widerholung woertlicher Art) zum tanzen. Währenddessen stellt er sich vor, wie gut sie (wer?) in diesen Raum passen würde.
Wahrscheinlich würde sie eins ihrer weißen Sommerkleider tragen.
Sie wäre barfuß und ihre Haare würden fliegen, wenn sie sich im Kreis drehen würde (Wiederholung woertlicher Art). Oh ja, dieser Raum wäre perfekt für sie.
Er sieht sie vor sich, diese leuchtenden Augen und dieses strahlende Mädchen, wie sie neugierig in den Schubladen kramt, später jedoch darauf bedacht, alles wieder ordentlich einzuräumen.
(Besser scheint mir, du wuerdest erst das strahlende Maedchen beschreiben, und dann, wie ein Fixierpunkt, also eine Steigerung der Betrachtung, die Augen)
Seine Gedanken schweifen ab von dem Mädchen (von ihr), hin zu seinen Tagen, die gezählt sind, (und all das was danach kommt. Fragezeichen! Unverstaendlich, meinst du das Leben nach dem Tod?)
Wird er auch ein Teil der Zeit werden?
Vielleicht irgendwann eine dicke Schicht Staub?
Schmunzelnd steht er auf (warum schmunzelnd?)und dreht sich noch einmal, ehe er den Raum langsam verlässt. Irgendwie (bitte niemals „irgendwie“ und „irgendwer“ und „irgendwann“!) findet er das romantisch;
die Vorstellung als eine Schicht Staub in einem Zimmer (wie diesem) zu enden.
Als atmosphaerisches Sprachbild, schoen.
In Zukunft achte auf dies:
Keine Wiederholungen woertlicher oder inhaltlicher Art! Erst recht nicht dicht hintereinander!
Keine Fuellworter. Fuellwoerter sind Begriffe die nichts transportieren, also den Satz nur laenger machen, ohne ihm Substanz zu geben.
Wenn du eine Person einbringst, "sie", dann will man schon wissen, wer ist "sie"; die vergangene Liebe, die Oma, die Nachbarin? Also zumindest kurz bezeichnen.
Und achte auf Logik. Die darunter liegende Tapete muss natuerlich (logischerweise) aelter sein, sonst koennte sie nicht darunter liegen. Also ist die Bezeichnung "alte Tapete" ueberfluessig.
Mal schauen was du sonst noch schreibst. Suerte. Viel Glueck.
_________________ Mein Geist leuchtete aufnahmebereit. Und der Haken der Neugier, den ich mit einem guten Wurf gezielt ins Licht zu schlagen gedenke, ist scharf geblieben in all den Jahren. |
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fabian Klammeraffe
Beiträge: 606
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11.06.2016 20:55 Re: Zwischen Zeit und Raum von fabian
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Hallo stillerlärm,
ich kommentier mal kursorisch, beim Lesen.
stillerlaerm hat Folgendes geschrieben: | Die himmelblaue Tapete hängt in Fetzen von der Wand, gibt den Blick auf die darunterliegende, viel Ältere frei.
Nur schwach erkennt man noch die aufwendigen Muster und Bilder; sie sind verblasst wie die Erinnerung an die Zeit, aus der sie stammen.
Der alte Gartenstuhl, auf dem er sitzt, ist aus Holz und droht bei jeder seiner Bewegungen zusammenzubrechen.
Das hereinfallende Sonnenlicht lässt den Staub auf den Möbeln schimmern, taucht den Raum in eine angenehme Wärme. |
Ok, es stellt sich eine gewisse Vorstellung von Atmosphäre ein: vergangen, verlassen, brüchig – aber sie verbindet sich für mich nicht mit dem "er", das da sitzt und zu philosophieren beginnt.
Zitat: | Ist Zeit doch sichtbar?
Dieser Staub, da auf der Kommode, diese mehreren Zentimeter, ist das eigentlich nichts anderes als eine dicke Schicht Zeit? |
Da ist der Staub dann doch ein bisschen zu dick aufgetragen (mehrere Zentimeter?) und die Gedanken arg schwer und beliebig, will mir scheinen.
Zitat: | Mit einem verklärten Lächeln wendet er sich wieder der Wand vor ihm zu, schaut sie einfach nur an, atmet die nach Zeit schmeckende Luft ein, atmet wieder aus und bringt die winzigen Staubpartikel in der Luft zum tanzen. Währenddessen stellt er sich vor, wie gut sie in diesen Raum passen würde. |
Das "verklärte" Lächeln weckt bei mir Assoziationen, die Du wahrscheinlich so nicht beabsichtigt hast: Drogen, Absenz, nicht ganz bei sich sein.
Und stellt er sich dann tatsächlich vor, wie "sie" in diesen Raum passt – nämlich den voll zugestaubten mit den abgefetzten Tapeten? Oder sieht er sie in dem Raum, wie er einmal war, frage ich mich? Nein, es muss ein imaginierter Raum aus der Vergangenheit sein, denn:
Zitat: | Wahrscheinlich würde sie eins ihrer weißen Sommerkleider tragen.
Sie wäre barfuß und ihre Haare würden fliegen, wenn sie sich im Kreis drehen würde. Oh ja, dieser Raum wäre perfekt für sie. |
in diesem Raum würde sie nur viel Staub aufwirbeln, während sie in jenen, imaginierten Raum vielleicht perfekt passen würde.
Zitat: | Seine Gedanken schweifen ab von dem Mädchen, hin zu seinen Tagen, die gezählt sind, und all das was danach kommt.
Wird er auch ein Teil der Zeit werden?
Vielleicht irgendwann eine dicke Schicht Staub? |
Ich will mich neben dem "wie" wird etwas erzählt ja auch immer mit dem "was" wird erzählt beschäftigen können, und deshalb muss ich dir leider sagen, dass ich (nicht schmunzelnd), den Text an dieser Stelle ad acta gelegt habe. Er weckt dann doch eher Widerwillen als Interesse.
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LillyWho Gänsefüßchen
L
Beiträge: 15
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L 15.06.2016 12:30
von LillyWho
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Hallo der Text gefällt mir gut. er weckt Assoziationen und ruft Bilder hervor.
Danke
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Uwe Helmut Grave Opa Schlumpf
Alter: 69 Beiträge: 1016 Wohnort: Wolfenbüttel
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15.06.2016 18:42
von Uwe Helmut Grave
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Ich fange mal etwas umständlich an:
In diesem Bereich des Forums ist es offenbar üblich, die zum Kritisieren/Loben ins Netz gestellten Texte bis ins Detail zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu machen (die natürlich zuvorderst auf persönlichen Ansichten basieren, denn jeder, der hier postet, hat ja irgendwann und irgendwo einmal selbst etwas verfasst und entsprechend eigene Vorstellungen vom Schreiben). Da ich sowohl Schriftsteller als auch (neuerdings) Vielleser bin, kenne ich beide Seiten.
Der Autor in mir hat stets erwartet, dass sich meine Leserschaft ausgiebig mit meinen Texten befasst und sie versteht. Oberflächliche Leser waren mir stets ein Gräuel. Nachdem ich allerdings das Schreiben weitgehend hinter mir gelassen und statt dessen stärker mit dem Lesen angefangen habe, stelle ich mehr und mehr fest, dass auch ich mich nicht mit allen mir vorliegenden Texten intensiv beschäftige (nicht einmal dann, wenn das Buch teuer war ). Statt mich voll konzentriert mit jeder einzelnen Textstelle zu befassen (Ausnahme: besonders gut gelungene Formulierungen), nehme ich meistens eher das Gesamtbild des Gelesenen in mich auf, fange die Stimmung ein ...
Der langen Rede kurzer Sinn: In dieser Hinsicht ist Dein kleines Werk perfekt. Es berührt mich innerlich - und das ist für mich persönlich das Wichtigste beim Lesen. Den Schlusssatz finde ich übrigens so in Ordnung, wie er ursprünglich war, auch wenn ich hier mit dieser Meinung wohl ziemlich allein stehe.
_________________ U.H.G. - Freude am Lesen
"Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich!" - "Aber er hat ja gar nichts an!" (Hans Christian Andersen) - Die Welt ist anders(en) als sie es dir erzählen. |
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Diamond Eselsohr
D
Beiträge: 280
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D 22.06.2016 09:29
von Diamond
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Hallo stillerlärm,
für mich ist Deine Kurzgeschichte eine runde Sache, sie gefällt mir. Ich finde Deine Wortwahl ansprechend, und mich hat überzeugt, wie Du das Thema Klecks für Klecks auf den Punkt bringst.
VG Diamond
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Yvo Wortedrechsler
Alter: 42 Beiträge: 64 Wohnort: Bremen
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22.06.2016 14:21
von Yvo
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Moin Stillerlärm,
ich finde deinen Schreibstil sehr gut, habe da nichts zu meckern. Gutes Verhältnis zwischen Beschreibung und Gedankenrede, passende Satzlänge, genug "leere Stellen", so dass man nicht alles weiß und neugierig bleibt.
Der Text braucht höchstens 2-3 kleine Änderungen in einzelnen Worten, aber eigentlich ist der so schon fertig.
Mir persönlich ist der zwar etwas zu kitschig / schnulzig / romantisch, aber das ist meine subjektive Meinung und eher eine Geschmacksfrage als ein Fehler des Textes.
Ein paar Änderungen würde ich doch vorschlagen:
1.) "himmelblau" als erstes Adjektiv finde ich ein wenig zu sommerlich, fröhlich, lebendig, aktiv (...). Da würde ich eher eine herbstliche Farbe nehmen.
2.) "Ältere" in der ersten Zeile klein schreiben.
3.) Ich war schon in Bunkern und Fabrikräumen, die seit Jahrzehnten nicht von Menschen betreten wurden, habe aber noch nie eine zentimeterdicke Staubschicht gesehen. Millimeter reichen, oder du schreibst einfach "dicke Staubschicht" und lässt den Leser entscheiden, was er für dick hält.
4.) Der Titel "Zwischen Zeit und Raum". Irgendwie bin ich "Raum und Zeit" als Phrase mehr gewöhnt, zum anderen finde ich auch, der Titel passt nicht - auch wenn "Raum" und "Zeit" prominente Begriffe im Text sind. Der Titel erinnert mich irgendwie eher an Physikunterricht oder Philosophiegrundkurs.
Yvo
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